TE Bvwg Erkenntnis 2017/10/20 W132 2106434-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.10.2017
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Entscheidungsdatum

20.10.2017

Norm

B-VG Art.133 Abs4
VOG §1
VOG §6a

Spruch

W132 2106434-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ursula GREBENICEK als Vorsitzende und den Richter Mag. Christian DÖLLINGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Michael SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen Spruchpunkt 1. des Bescheides des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien vom XXXX , betreffend die Bewilligung des Antrages auf Hilfeleistungen in Form von Pauschalentschädigung für Schmerzengel als einmalige Geldleistung im Betrag von € 2.000 gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 6 sowie § 6a Verbrechensopfergesetz (VOG), zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides dahin abgeändert, dass die Pauschalentschädigung für Schmerzengeld - unter Anrechnung allenfalls vom Täter erhaltener Schadenersatzleistungen - als einmalige Geldleistung im Betrag von € 4.000 gebührt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer hat am 12.03.2014 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Kurzbezeichnung:

Sozialministeriumservice; in der Folge belangte Behörde genannt) einen Antrag auf Hilfeleistungen nach dem VOG gestellt und angegeben, am 01.01.2014 während eines Urlaubsaufenthaltes in Lienz durch Schläge gegen den Kopf und einen anschließenden Sturz mit dem Kopf auf den Asphalt eine schwere Körperverletzung erlitten zu haben.

1.1. Zur Überprüfung des Antrages wurden von der belangten Behörde die Krankengeschichte des Beschwerdeführers und die Strafunterlagen zu den angegebenen Vorfällen eingeholt.

1.2. Das Landesgericht Innsbruck hat mit dem Urteil vom XXXX erkannt, dass Herr G.V. unter dem Einfluss eines die Zurechnungsunfähigkeit ausschließenden Zustandes, den Beschwerdeführer am 01.01.2014 durch Versetzten von mehreren Faustschlägen gegen dessen Kopf und Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt hat, wobei die Tat eine bilaterale Fraktur der Kieferhöhlenwand beidseitig, einen Bindehautriss links sowie eine Distorsion der Halswirbelsäule, sohin eine an sich schwere Körperverletzung mit mehr als 24-tägiger Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit zur Folge hatte.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 6 sowie § 6a VOG Pauschalentschädigung für Schmerzengeld als einmalige Geldleistung im Betrag von € 2.000,-- bewilligt (Spruchpunkt 1.), gemäß § 1 Abs. 1 und § 4 Abs. 2 letzter Satz VOG Heilfürsorge in Form des Ersatzes der verbrechensbedingten gesetz- und satzungsmäßigen Kostenbeteiligungen einschließlich Rezeptgebühren für die aufgrund der Schädigung vom 01.01.2014 erlittenen Gesundheitsschädigungen "bilaterale Fraktur der Kieferhöhlenwand beidseitig, Bindehautriss links sowie eine Distorsion der Halswirbelsäule" grundsätzlich bewilligt (Spruchpunkt 2.) und gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 8 sowie § 5 Abs. 2 VOG Ersatz der Kosten für eine Brille im Wege der orthopädischen Versorgung bewilligt (Spruchpunkt 3.).

3. Gegen diesen Bescheid hat die zu diesem Zeitpunkt bevollmächtigte Vertretung des Beschwerdeführers fristgerecht Beschwerde erhoben. Unter Vorlage von Beweismitteln wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass lediglich Spruchpunkt 1. bekämpft werde. Entgegen den Feststellungen der belangten Behörde hätte der Beschwerdeführer eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen erlitten. Während der ersten drei Monate sei die Sehfähigkeit des Beschwerdeführers, bedingt durch die Verunreinigungen im Inneren des verletzten Auges, derart eingeschränkt gewesen, dass ein normales Sehen nicht möglich gewesen sei. Nach erfolglosem Zuwarten über drei Monate sei in der Uniklinik in Bonn ein vorfallskausaler Netzhautschaden erkannt worden, das Auge hätte geöffnet werden müssen und hätte bei diesem Eingriff auch innen gereinigt werden können. Allerdings habe die Naht im unteren Teil des Auges zu einer Einschränkung im Gesichtsfeld geführt. Die durch die Position des Netzhautschadens und die Gasbefüllung des Auges verordnete Körperhaltung habe zu einem immensen und unangenehmen Schlafdefizit geführt. Bis zu Beginn des zweiten Halbjahres 2014 sei der Beschwerdeführer von an- und abschwellenden Kopfschmerzen um die Augen herum geplagt worden. Die Schmerzen an der Wirbelsäule und im Brustkorb seien erst gegen Ende des ersten Halbjahres 2014 abgeebbt. Das subkutane Hämatom unter dem linken Auge sei bis heute nicht vollständig resorbiert, sodass das Gesicht asymmetrisch wirke. Die Sehkraft sei durch die Verletzung nachhaltig zurückgegangen, weshalb der Brillensatz erneuert hätte werden müssen. Zudem müsse der Beschwerdeführer eine Lesebrille benutzen, weitere Behandlungen in der Augenklinik seien vom behandelnden Arzt nicht ausgeschlossen worden. Im Bescheid der belangten Behörde werde offenbar nur auf die ersten Tage nach dem Vorfall am 01.01.2014 abgestellt, ohne die darüberhinausgehenden Beeinträchtigungen und Verletzungen zu berücksichtigen. Eine schwere Dauerfolge liege nach der Judikatur des OGH im konkreten Fall zweifelsfrei vor. In jedem Fall sei durch die schwere Körperverletzung beim Beschwerdeführer eine Gesundheitsschädigung und Berufsunfähigkeit verursacht worden, die länger als drei Monate andaure und gebühre eine Pauschalentschädigung für Schmerzengeld in Höhe von € 8.000.

Als Beweis mögen ein Kovolut an Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, ärztliche Bestätigungen Dris. XXXX vom 23.01.2014 und 04.02.2014, ärztliches Attest des Augenarztes Dr. XXXX vom 26.03.2015, Arztbericht des Universitätsklinikum Bonn zum Aufenthalt vom 27.03.2014 bis 31.03.2014, ärztlicher Bericht des Universitätsklinikums Bonn vom 27.06.2014 samt Anhang, Bescheinigung des Universitätsklinikum Bonn vom 02.07.2014, Ambulanzbestätigung KABEG Klinikum Klagenfurt vom 10.01.2014, Krankenhausrechnungen Universitätsklinikum Bonn, BKH Lienz, Befundberichte XXXX und ein allenfalls einzuholendes medizinisches Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Augenheilkunde dienen.

3.1. Mit dem Schreiben vom 07.03.2016 wurde dem Beschwerdeführer im Wege seiner bevollmächtigten Vertretung aufgetragen, die in der Beschwerde avisierten, bis dato noch nicht übermittelten, sowie aktuelle medizinische Beweismittel vorzulegen.

Mit dem Schriftsatz vom 15.03.2016 wurden die erbetenen Unterlagen vorgelegt.

3.2. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Fachärztin für Augenheilkunde, basierend auf der Aktenlage, mit dem Ergebnis eingeholt, dass 4 Wochen nach der Operation (28.03.2014 Ablatio ret Op und Cataract Op rechts) ein gutes Sehvermögen und Berufsfähigkeit gegeben seien.

3.3. Im Rahmen des vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17 VwGVG iVm § 45 Abs. 3 AVG erteilten Parteiengehörs hat die belangte Behörde keine Einwendungen erhoben.

Die bevollmächtigte Vertretung des Beschwerdeführers hat mit dem Schriftsatz vom 14.06.2016 Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vom 01.01.2014 bis 28.03.2014, 27.03.2014 bis 31.03.2014 und 01.04.2014 bis 12.05.2014 sowie allgemeinmedizinische Behandlungsbestätigungen vom 01.01.2014 bis 31.01.2014 und 01.02.2014 bis 16.02.2014 vorgelegt und eingewendet, dass dadurch eine mehr als 3 Monate andauernde Arbeitsunfähigkeit dokumentiert werde.

3.4. Mit E-Mail vom 15.09.2016 hat der Beschwerdeführer mitgeteilt, dass er seine bevollmächtigte Vertretung ersuchen werde, das Mandat abzugeben, weil er das Verfahren selbst weiterbearbeiten werde.

Mit dem Schriftsatz vom 29.09.2016 wurde mitgeteilt, dass das Vollmachtsverhältnis mit 15.09.2016 aufgelöst wurde.

3.5. In der Folge wurde weder ein weiteres Vorbringen erstattet noch wurden Beweismittel vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die grundsätzlichen Anspruchsvoraussetzungen liegen insofern vor, als der Beschwerdeführer am XXXX geboren, deutscher Staatsbürger ist und am 01.01.2014 in Österreich, 9900 Lienz, Opfer einer mit einer zum Entscheidungszeitpunkt mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung geworden ist und eine Körperverletzung bzw. Gesundheitsschädigung erlitten hat.

Ein Ausschlussgrund gemäß § 8 VOG liegt nicht vor.

Der Antrag auf Hilfeleistungen nach dem VOG ist am 12.03.2014 bei der belangten Behörde eingelangt.

1.2. Der Beschwerdeführer hat durch das Verbrechen vom 01.01.2014 eine schwere Körperverletzung in Form einer bilateralen Fraktur der Kieferhöhlenwand beidseitig, einem Bindehautriss links sowie eine Distorsion der Halswirbelsäule erlitten, woraus eine länger als 3 Monate dauernde Gesundheitsschädigung, jedoch keine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen resultiert.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1) Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich aus dem diesbezüglich widerspruchsfreien, unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2.) Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Kausalität der Funktionseinschränkungen gründen sich – in freier Beweiswürdigung – in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Die Kausalität der erlittenen Körperverletzung liegt zweifelsfrei vor.

Das zum Ausmaß der Gesundheitsschädigung eingeholte Sachverständigengutachten Dris. XXXX ist betreffend die erlittenen Verletzungen und den Krankheitsverlauf vollständig, schlüssig, nachvollziehbar und frei von Widersprüchen.

Die getroffenen Einschätzungen, entsprechen unter Berücksichtigung der vorgelegten Beweismittel dem festgestellten Ausmaß der Körperverletzung. Die vorgelegten Beweismittel sind in die Beurteilung eingeflossen, die befasste Sachverständige hat sich eingehend damit auseinandergesetzt und fasst deren Inhalt nachvollziehbar wie folgt zusammen:

-

03.01.2014 KH Lienz: Geringes Hyposphagma und 2mm Bindehauteinriss rechts, Fundus rechts oB, Links hintere Glaskörperabhebung.

Cat nucl re > li

Visus rechts -1,0sph 0,8p

links -1,0sph 0,8p

-

08.01.2014 KH Lienz: Bindehautriss re. schön adaptiert, Fundi Papille und Macula oB

-

10.01.2014 KH Lienz:

Visus rechts sc 0,05-0,1p

Fundus Glaskörperblutung, NH tw. nicht einsehbar

-

15.01.2014 KH Lienz: Fundus rechts dichte Glaskörperblutung

-

05.02.2014 KH Lienz: Visus rechts sc 0,6p

Fundus Papille und Macula oB, Glaskörperschlieren, Augendruck 18mmHg,

seither keine Augenkontrolle im KH Lienz

-

31.03.2014 Klinikum Bonn:

Visus präop rechts 0,63

links 0,63

-

27.03.2014 Netzhautablösung rechts

-

28.03.2014 Ablatio ret Op und Cataract Op rechts

-

31.03.2014 Visus rechts Handbewegung, links 0,63

-

In der Zeit vom 31.03.14 bis 27.06.2014 liegen keine Augenbefunde vor

-

27.06.2014 Klinikum Bonn:

Visus rechts corr 0,8

links corr 0,6

Fundus Papille und Macula oB, Netzhaut anliegend

-

Dr. XXXX vom 18.08.2014:

Visus rechts corr 0,6

links corr 0,8

Fundus re. zentral oB, blasse NH-Narbe oberer nasaler Gefäßbogen

Gesichtsfeldausfall rechts unten ( keine Größenangabe)

Die Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises, es wird kein höheres Funktionsdefizit beschrieben, als gutachterlich festgestellt wurde und sie enthalten auch keine neuen fachärztlichen Aspekte, welche unberücksichtigt geblieben sind.

Dr. XXXX erörtert den Krankheitsverlauf fachärztlich überzeugend, dass ein folgenlos abgeheilter Zustand nach Bindehautblutung und Bindehauteinriss rechts, ein Zustand nach Glaskörperblutung rechts, ein Zustand nach Netzhautablösung rechts sowie ein Zustand nach Netzhautablösung und Grauer Star-Op mit Hinterkammerlinsenimplantation rechts vorliegen, wobei bei üblichem Heilungsverlauf ca. 4 Wochen nach der Operation (28.03.2014 Ablatio ret Op und Cataract Op rechts) ein gutes Sehvermögen und Berufsfähigkeit gegeben sind.

Zum Beschwerdevorbringen, seit dem Verbrechen bestehe eine schwere Schädigung des Sehvermögens, führt die Sachverständige schlüssig aus, dass lt. den vorliegenden Befunden am 05.02.14 am rechten Auge nach Rückbildung der Glaskörperblutung ein Sehvermögen von 0,6 erreicht, wurde was keiner schweren Schädigung des Sehvermögens entspricht, keine Befunde über das erreichte Sehvermögen des rechten Auges 4 Wochen nach der Netzhautablösung und Grauer Star Op am 28.03.14 vorgelegt wurden und das Sehvermögen im Juni 14 rechts 0,8 betrug, weshalb zwar eine schwere Körperverletzung jedoch keine dauerhafte schwere Sehschädigung vorliegt.

Das eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war dem Vorbringen sowie den eingeholten und vorgelegten Beweismitteln kein Anhaltspunkt zu entnehmen, die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung beziehungsweise Feststellungen in Zweifel zu ziehen.

Der Beschwerdeführer ist dem - nicht als unschlüssig zu erkennenden - Sachverständigengutachten nicht substantiiert und auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.

Die Angaben des Beschwerdeführers konnten nicht über den erstellten Befund hinaus objektiviert werden.

Zur Relevanz der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und zur Erörterung der Rechtsfrage in welcher Höhe die Pauschalentschädigung in Form von Schmerzengeld gebührt, siehe die rechtlichen Erwägungen dazu unter Punkt II 3.1.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 9d Abs. 1 VOG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des VOG durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört. Es liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie

1. durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben

und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist.

(§ 1 Abs. 1 VOG auszugsweise)

Hilfe ist u.a. auch dann zu leisten, wenn

1. die mit Strafe bedrohte Handlung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangen worden ist. (§ 1 Abs. 2 VOG auszugsweise)

Hilfe ist Unionsbürgern sowie Staatsbürgern von Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in gleicher Weise wie österreichischen Staatsbürgern zu leisten, wenn die Handlung nach Abs. 1

1. im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug, unabhängig davon, wo sich dieses befindet, begangen wurde oder

2. im Ausland begangen wurde, die betroffenen Personen ihren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich haben und die Handlung nach dessen Begründung begangen wurde. (§ 1 Abs. 6 VOG)

Als Hilfeleistungen sind u.a. vorgesehen:

10. Pauschalentschädigung für Schmerzengeld. (§ 2 VOG auszugsweise)

Hilfe nach § 2 Z 10 ist für eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 als einmalige Geldleistung im Betrag von 2 000 Euro zu leisten; sie beträgt 4 000 Euro, sofern die durch die schwere Körperverletzung verursachte Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit länger als drei Monate andauert. (§ 6a Abs. 1 VOG idF des BGBl. I Nr. 58/2013)

Zieht die Handlung eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85 StGB) nach sich, gebührt eine einmalige Geldleistung im Betrag von 8 000 Euro; sie beträgt 12 000 Euro, sofern wegen der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen ein Pflegebedarf im Ausmaß von zumindest der Stufe 5 nach dem Bundespflegegeldgesetz (BPGG), BGBl. Nr. 110/1993, besteht. (§ 6a Abs. 2 VOG idF des BGBl. I Nr. 58/2013)

Leistungen nach § 2 dürfen nur von dem Monat an erbracht werden, in dem die Voraussetzungen hiefür erfüllt sind, sofern der Antrag binnen zwei Jahren nach der Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 1 Abs. 1) gestellt wird. (§ 10 Abs. 1 VOG auszugsweise idF des BGBl. I Nr. 58/2013)

Schwere Körperverletzung

Hat die Tat eine länger als vierundzwanzig Tage dauernde Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit zur Folge oder ist die Verletzung oder Gesundheitsschädigung an sich schwer, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. (§ 84 Abs. 1 StGB)

Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen

Hat die Tat für immer oder für lange Zeit

1. den Verlust oder eine schwere Schädigung der Sprache, des Sehvermögens, des Gehörs oder der Fortpflanzungsfähigkeit,

2. eine erhebliche Verstümmelung oder eine auffallende Verunstaltung oder

3. ein schweres Leiden, Siechtum oder Berufsunfähigkeit des Geschädigten zur Folge,

so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.

(§ 85 StGB)

Der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nach, ist für die Auslegung des Begriffes "wahrscheinlich" der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend.

Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn erheblich mehr für als gegen das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 1 Abs. 1 Z 1 VOG spricht.

Es kann mit der nach dem Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass der Beschwerdeführer durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Gesundheitsschädigung im Ausmaß einer schweren Körperverletzung erlitten hat und ihm dadurch Heilungskosten erwachsen sind. Bei schwerer Körperverletzung gemäß § 84 Abs. 1 StGB handelt es sich um ein Vorsatzdelikt, das mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedroht ist. Die allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 Abs. 1 VOG sind erfüllt.

Als Gesundheitsschädigung ist jede nicht ganz unerhebliche Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens einer Person anzusehen, wobei das Andauern dieses Zustandes nicht mit der Heilungsdauer identisch sein muss. (VwGH vom 14.12.2015, Ro 2014/11/0017; OGH RS0092408)

Bei der Beurteilung einer Körperbeschädigung ist eine ganzheitliche Betrachtung der maßgebenden Umstände geboten. (12Os66/92 vom 23.07.1992)

Es kommt bei der Beurteilung der Dauer der Gesundheitsschädigung jedoch nicht auf den verschriebenen oder konsumierten Krankenstand an, sondern auf die tatsächliche verbrechenskausale Berufsunfähigkeit (Messner in Salzburger Kommentar § 84 Rz 42; Wiener Kommentar § 84 Rz 13).

Berufsunfähigkeit bedeutet, dass der Betroffene überhaupt nicht oder doch nicht ohne unzumutbare Erschwernisse nicht in der Lage ist, die mit der Ausübung seines Berufes verbundenen wesentlichen Tätigkeiten zu verrichten.

Nach ständiger Judikatur werden als Gesundheitsschädigung iS des § 84 Abs 1 StGB krankheitswerte Beeinträchtigungen des körperlichen oder seelischen Wohlbefindens nicht nur dann eingestuft, wenn sie unmittelbar Folge der zugefügten Körperverletzung selbst sind, sondern auch dann, wenn es sich um Begleiterscheinungen der erforderlichen medizinischen Behandlung handelt. (Wiener Kommentar § 84 RZ 6, Nachweise bei L/St § 84 Rz 5 und Mayerhofer StGB5 § 84 E 2 und 3.)

Der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zu § 85 StGB nach, können nur solche langdauernde Leiden in Betracht kommen, die eine gewichtige, einer immerwährenden Folge nahekommende Beeinträchtigung des Daseinswertes für die Betroffenen bedeuten.

Der Begriff der langen Zeit bedeutet einen langen Zeitraum, der im Hinblick auf die durchschnittliche Lebensdauer einen wesentlichen Teil des Lebens darstellt. (OGH RS0092616)

Die Beurteilung der Frage des Ausmaßes einer verbrechenskausalen Verletzung, obliegt dem Gericht. Der Sachverständige gibt dem Gericht nur die Grundlagen für dessen Entscheidung an die Hand und nimmt zur Frage vom Standpunkt der medizinischen Wissenschaft Stellung. (OGH 17.09.1951 5 Os 450/51)

Den vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen kommt mangels Beschreibung bzw. Konkretisierung des jeweiligen Gesundheitszustandes keine ausreichende Aussagekraft zu. Lediglich bis Ende März 2014 liegen medizinische Beweismittel vor, welche maßgebende Einschränkungen der Sehfähigkeit des Beschwerdeführers dokumentieren und wahrscheinlich erscheinen lassen. Im Befund Klinikum Bonn vom 31.03.2014 ist ein präoperativer Visus rechts bereits von 0,63 beschrieben. Da jedoch am 28.03.2014 eine Operation mit vierwöchigem Heilungsverlauf erforderlich war, ist von einer länger als 3 Monate dauernden Gesundheitsschädigung auszugehen.

Der Beschwerdeführer hat jedoch keine Einschränkung des Sehvermögens für immer oder für lange Zeit erlitten, welche einem Verlust des Sehvermögens gemäß § 85 Z 1 StGB gleichzuhalten sind. Im Befund Klinikum Bonn vom 27.06.2014 ist ein korrigierter Visus rechts von 0,8 beschrieben.

Da zwar mit der für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden kann, dass die verbrechenskausale Körperverletzung schwer ist und die daraus resultierende Gesundheitsschädigung länger als drei Monate gedauert hat, jedoch keine schweren Dauerfolgen vorliegen, war spruchgemäß zu entscheiden.

Die von der angefochtenen Entscheidung abweichende Beurteilung beruht auf der Berücksichtigung der erforderlichen Operation.

Zum anrechenbaren Schadenersatz ist auszuführen, dass schon aus den erläuternden Bemerkungen zum VOG hervorgeht, dass das VOG im Hinblick auf die Anspruchsberechtigung dem Schadenersatzrecht nachgebildet werden soll:

"Die Pflicht zur Schadenswiedergutmachung an Opfern strafbarer Handlungen schlechthin, also nicht nur an Opfern von Verbrechen, trifft nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes den Schädiger. Das Motiv für die staatliche Hilfeleistung liegt demnach nicht im Mangel eines Anspruchs auf Schadloshaltung, sondern in der Unmöglichkeit diesen Anspruch durchzusetzen." (40 d.Blg., GP XIII).

In den Erläuterungen zur Novelle BGBl. Nr. 40/2009 wird ausgeführt, dass die Ergänzung des Leistungskataloges (Schmerzengeld) nach dem VOG eine weitere staatliche Vorleistung auf den Schadenersatzanspruch gegen den Täter darstellt (678 d.Blg., GP XXIII).

Der Gesetzgeber hat also nicht beabsichtigt eine zum Schadenersatzanspruch gegen den Täter zusätzliche Leistung zu gewähren.

Entsprechend der schadenersatzrechtlichen Anbindung, dem Vorleistungscharakter und der daraus folgenden Subsidiarität der staatlichen Hilfeleistungen des VOG sind Schmerzengeldzahlungen des Täters auf den Pauschalbetrag anzurechnen.

Bereits vom Täter erhaltene Entschädigungen für Schmerzengeld sind sohin auf die allfällige Entschädigung nach § 6a VOG 1972 "anzurechnen", weil das VOG 1972 keinen zusätzlichen Anspruch neben dem Schadenersatzanspruch gegen den Täter schafft. (VwGH vom 20.11.2012, 2011/11/0102)

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(§ 24 Abs. 2 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung, in welcher Höhe dem Beschwerdeführer eine Pauschalentschädigung für Schmerzengeld gebührt, ist die Schwere der durch das Verbrechen erlittenen Körperverletzung.

Zur Klärung des Sachverhaltes wurde ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt. Wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt, wurde dieses als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet.

Im Rahmen des Parteiengehörs hatten die Verfahrensparteien die Möglichkeit sich zu äußern bzw. Beweismittel vorzulegen. Die erhobenen Einwendungen waren allerdings – wie unter Punkt II. 2. bereits ausgeführt – nicht geeignet die sachverständigen Feststellungen und Beurteilungen zu entkräften bzw. relevante Bedenken an den gutachterlichen Schlussfolgerungen hervorzurufen. Das Vorbringen wird durch die beigebrachten Beweismittel nicht substantiiert erhärtet. Sohin ist der Sachverhalt geklärt und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist auch kein absoluter. (VfGH vom 09.06.2017, E 1162/2017)

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Maßgebend sind die Art, die Schwere des Leidenszustandes und die Kausalität der festgestellten Gesundheitsschädigungen.

Die Entscheidung hängt sohin einerseits von Tatsachenfragen ab. Andererseits sind Rechtsfragen zu lösen, welchen keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage zu § 6a VOG stützen.

Es handelt sich um eine einzelfallbezogene Beurteilung, welche im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen worden ist.

Schlagworte

Erhöhung, Gesundheitsschädigung, Körperverletzung,
Sachverständigengutachten, Schmerzengeld, Teilstattgebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2017:W132.2106434.1.00

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2017
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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