TE Dok 2016/9/30 01069/7-DK/14 01072/7-DK/15

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Veröffentlicht am 30.09.2016
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Norm

BDG 1979 §43 Abs2
BDG 1979 §44
StGB §302 Abs1

Schlagworte

Dienstpflichtsverletzungen, Amtsmissbrauch, nicht dienstlich veranlasste Datenbankabfragen

Text

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Finanzen, Senat I, hat im Disziplinarverfahren gegen Amtsdirektor Beschuldigter (B), Beamter des Finanzamtes XY, durch HR Mag. Wolfgang Puchleitner als Senatsvorsitzenden sowie HR Mag. Anna Holper und OR Mag. Friedrich Mannsberger als weitere Mitglieder des Disziplinarsenats nach durchgeführter mündlicher Verhandlung am XX.2016 in Anwesenheit des Disziplinarbeschuldigten sowie im Beisein seines Verteidigers RA Mag. XX, des stellvertretenden Disziplinaranwaltes Dr. Gerhard Weinmann und des Schriftführers
Mag. Thomas Knechtl, zu Recht erkannt:

AD B ist schuldig,

1)  durch die Verwirklichung des Tatbestandes des Amtsmissbrauchs gem. § 302 Abs. 1 StGB, wie durch das Landesgericht XY mit Urteil unter Aktenzeichen XY vom XX.2016 festgestellt, seine Dienstpflichten gem. § 43 Abs. 2 BDG 1979 schuldhaft verletzt zu haben,

2)  durch die Vornahme dienstlich nicht veranlasster Abfragen im AIS, wie im Einleitungsbeschluss GZ. 01 069/6-DK/14 vom 03.07.2014 unter Punkt zwei dargestellt und im Einleitungsbeschluss GZ. 01 072/4-DK/15 vom 09.03.2016 dargestellt, seine Dienstpflichten gem. § 44 Abs. 1 BDG 1979 schuldhaft verletzt zu haben.

AD B hat dadurch Dienstpflichtverletzungen gem. § 91 BDG 1979 begangen.

Es wird daher über Amtsdirektor B gem. § 92 Abs. 1 Z. 3 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von € 5.000,00 (in Worten: Euro fünftausend) verhängt.

AD B hat die Kosten des Verfahrens mit Bezug auf die Reisekosten der Senatsmitglieder und der Schriftführer zu ersetzen, die in einem gesonderten Bescheid festgesetzt werden.

Hingegen wir AD B vom Verdacht der Dienstpflichtverletzung betreffend der Ausübung einer unzulässigen Nebenbeschäftigung im Sinne des § 56 BDG 1979 gem. § 118 Abs. 1 Z. 2 BDG 1979 freigesprochen.

Begründung

I Abkürzungen

AD=Amtsdirektor

AIS=Abgabeninformationssystem

AS=Aktenseite

BIA=Büro für Interne Angelegenheiten

BMF=Bundesministerium für Finanzen

BV=Betriebliche Veranlagung

FA= Finanzamt

TL=Teamleiterin/Teamleiter

II Beweismittel:

Die in der Folge dargestellten Beweismittel waren Gegenstand der Beweisaufnahme der mündlichen Verhandlung und sind für die Feststellung des dem Verfahren zugrunde liegenden Sachverhaltes zu würdigen:

Disziplinarakt GZ 01 069/DK/14

1. Disziplinaranzeige vom XX.2014 (AS 3-5),

2. Protokoll des FA XY vom XX.2014 (AS 6-7)

3. Mail des TL G an VS Dr. T vom XX.2014 (AS 8)

4. Mail des TL T an VS Dr. T vom XX.2014 (AS 9)

5. AIS Hardcopy für Dr. T zu StNr. 00 vom XX.2014 (AS 10,12,13,14,16,18,20,21,22, 23)

6. AIS Hardcopy für TL T zu St. Nr. 00 vom X und XX.2014 (AS 11, 15)

7. Einkommensteuererklärung zu St. Nr. 00 (AS 17)

8. Schriftliche Eingabe des AD B an das FA XY vom XX.2014 (AS 19)

9. Einkommensteuererklärung zu St. Nr. 00 (AS 24)

10. BMF GZ. 66 1009/30-VI/6/00 vom 30. Oktober 2000 (AS 27)

11. BMF GZ. 66 1009/19-VI/6/01 vom 13. Juni 2001 (AS 26)

12. BMF GZ. 16 1270/1-I/20/04 vom 19. März 2004 (AS 28)

13. BMF, Richtlinie vom 31.03.2014, BMF-280000/0016-IV/2/2014, Organisationshandbuch

der Finanzverwaltung, (AS 29-30)

14. Verständigung des Landesgerichts XY über die Verurteilung (268-278)

15. Verhandlungsschrift vom XX.2016 (AS 287-290)

Disziplinarakt GZ 01 072/DK/15

1. Disziplinaranzeige vom XX.2015 (AS 2-204)

2. Bericht des BIA vom XX.2015 an das FA XY (AS 208–244)

3. Bericht des BIA vom XX.2015 an das FA XY (AS 245–246)

4. Niederschrift der Auskunftsperson A (AS 247-249)

5. Niederschrift der Auskunftsperson B (AS 250-252)

6. Niederschrift der Auskunftsperson B (AS 253-255)

7. Niederschrift der Auskunftsperson B (AS 256-259)

8. Niederschrift der Auskunftsperson B (AS 260-262)

9. Niederschrift der Auskunftsperson E (AS 263-266)

10. Niederschrift der Auskunftsperson E (AS 267-269)

11. Niederschrift der Auskunftsperson Beschuldigter (AS 270-273)

12. Niederschrift der Auskunftsperson G (AS 274-277)

13. Niederschrift der Auskunftsperson G (AS 278-280)

14. Niederschrift der Auskunftsperson G (281-283)

15. Niederschrift der Auskunftsperson G (AS 284-286)

16. Niederschrift der Auskunftsperson Beschuldigter (AS 287-291)

17. Niederschrift der Auskunftsperson Beschuldigter vom XX.2014 (AS 292-310)

18. Niederschrift der Auskunftsperson M (AS 311-313)

19. BMF GZ. 320700/001-I/20/2004 vom 16.11.2004 (BIA Erlass)

III Sachverhalt

Aufgrund der unter Punkt II dargestellten Beweismittel ist als erwiesener Sachverhalt festzustellen: Das FA XY hat gegen AD B am XX.2014 gem. § 109 BDG 1979 Disziplinaranzeige erstattet und gegen AD B den Verdacht der Dienstpflichtverletzungen gem. §§ 43 Abs. 2, 44 Abs. 1 und 56 Abs. 2 BDG 1979 erhoben.

Der Disziplinarsenat hat aufgrund dieser Disziplinaranzeige gegen AD B am XX.2014 ein Disziplinarverfahren unter GZ 01 069/3-DK/14 eingeleitet und dem Verfahren folgende Sachverhalte zugrunde gelegt:

1) AD B habe für die unter den Steuernummern 00, 01 und 02 beim Finanzamt XYim BV Team, XX erfassten Abgabepflichtigen für das Veranlagungsjahr 2012 die Steuererklärungen erstellt und er habe diesen Steuerpflichtigen zugesagt, die Steuererklärungen fristgerecht einzureichen. Da er die fristgerechte Abgabe der Steuererklärungen versäumt hatte, worauf er erst durch die Festsetzung von Zwangsstrafen Kenntnis erlangt hatte, habe er auf die am Schreibtisch seines Büros im Finanzamt aufbewahrten und vergessenen Steuererklärungen den Erklärungseingang mit XX.2014 mit dem Zusatz „persönlich übernommen“ angemerkt. Im Fall M habe er am XX.2014 persönlich in der AIS der Finanzverwaltung den Erklärungseingang mit XX.2014 angemerkt. Bei allen drei Fällen habe er im Infocenter des Finanzamtes erwirkt, dass die jeweils festgesetzten Zwangsstrafen im Hinblick auf den von ihm unzutreffend angebrachten Vermerk auf den Steuererklärungen „XX.2014, persönlich übernommen“ wiederum abgeschrieben wurden.

1) AD B habe ohne dienstliche Veranlassung am XX.2014 als funktional nicht zuständiger Beamter auf den Steuerakt des Herrn M, StNr. 00, zugegriffen und eine (tatsachenwidrige) Eintragung im Abgabeninformationssystem (AIS) der Finanzverwaltung vorgenommen. Aufgrund dieser Sachverhalte wurde gegen AD B der Verdacht der Dienstpflichtverletzungen gem. § 43 Abs. 1 und 2 sowie gem. § 44 BDG 1979 erhoben (AS 32-40).

Im Weiteren hat der Vorsitzende des Disziplinarsenates der Staatsanwaltschaft XY den Sachverhalt mit Bezug auf § 302 StGB angezeigt (AS 49-57). Das FA XY hat gegen AD B am XX.2015 gem. § 109 BDG 1979 eine ergänzende Disziplinaranzeige erstattet und gegen AD B den Verdacht weiterer Dienstpflichtverletzungen gem. §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 1 BDG 1979 erhoben (AS 71-78). Der Disziplinarsenat hat aufgrund dieser Disziplinaranzeige gegen AD B am XX.2015 ein weiteres Disziplinarverfahren unter GZ 01 072/3-DK/15 eingeleitet und dem Verfahren folgende Sachverhalte zugrunde gelegt: Gegen AD B wurde der Verdacht erhoben, er habe unter Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen und gegen dienstrechtliche Bestimmungen ohne dienstliche Veranlassung auf Daten im Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung zugegriffen. Aufgrund dieses Sachverhaltes wurde gegen AD B der Verdacht der Dienstpflichtverletzungen gem. § 43 Abs. 2 sowie gem. § 44 BDG 1979 erhoben (AS 136-145). Im Weiteren hat die Dienstbehörde der Staatsanwaltschaft XY den Sachverhalt mit Bezug auf § 302 StGB angezeigt. Am XX.2015 hat das FA XY gegen AD B abermals eine Disziplinaranzeige erstattet und gegen AD B den Verdacht erhoben, er habe in weiteren konkretisiert dargelegten Einzelfällen unter Verletzung datenschutzrechtlicher Bestimmungen und entgegen dienstrechtlicher Bestimmungen ohne dienstliche Veranlassung auf Daten im Abgabeninformationssystem der Finanzverwaltung zugegriffen (Bd. II
AS 2-204). Der Disziplinarsenat hat aufgrund dieser Disziplinaranzeige gegen AD B am XX.2016 abermals ein Disziplinarverfahren unter GZ 01 072/4-DK/15 eingeleitet. Dabei wurden AD B die vom BIA bzw. BAK im Auftrag der Staatsanwaltschaft konkret ermittelten Datenbankabfragen (vgl. den Spruch dieser Entscheidung, der auf den Einleitungsbeschluss verweist) als Dienstpflichtverletzungen angelastet und der Verdacht erhoben, AD B?habe seine Dienstpflichten gem. §§ 44 Abs. 1 und 43 Abs. 2 BDG 1979 schuldhaft verletzt (AS 151-264). Am XX.2016 hat das Landesgericht XY der Disziplinarkommission beim BMF die Benachrichtigung von der Beendigung des Strafverfahrens des AD B übermittelt. Aus dem beigefügten Protokollvermerk und der gekürzten Urteilsausfertigung unter 123 ist ersichtlich:

„ADir B ist schuldig, er hat im Zeitraum von 2008 bis 2014 in XY als Beamter, mit dem Vorsatz dadurch einen anderen an seinen Rechten zu schädigen, seine Befugnis im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er im genannten Zeitraum als Beamter des Finanzamtes XY

1) Ohne dienstliche Veranlassung und ohne Wissen und Einwilligung der Betroffenen aus privatem Interesse, Zugriffe auf ihm bis dahin unbekannte Datensätze mehrerer hundert Personen im internen Abgabeninformationssystem des Finanzamts (AIS) tätigte, wodurch die abgefragten Personen in ihrem Grundrecht auf Datenschutz nach § 1 Abs 1 DSG geschädigt wurden, und zwar durch mehrere tausend Angriffe auf Datensätze von

I./ seinen Kollegen im Finanzamt (detailliert angeführt sind hier 16 Personen)

II./ Personen mit dem Familiennamen D in über 700 Angriffen

III./ Prominenten und Sportlern (detailliert angeführt sind hier 16 Personen)

IV./ über 1000 Personen seines Heimatortes Weissenkirchen mit dem Zusatz der Postleitzahl und weiterer Personen, die teilweise in die Zuständigkeit anderer Finanzämter fallen (detailliert angeführt sind hier 70 Personen)

A) am XX.2014 zu den nicht in seine Zuständigkeit fallenden Steuerakten des Finanzamtes XY 01 betreffend M, 02 betreffend SCH und 03 betreffend S und S, die Aufhebung der durch das Finanzamt bereits festgesetzten Zwangsstrafen wegen verspäteter Abgabe der Steuererklärungen iHv jeweils 250 € (gesamt 750 €) veranlasst, obwohl er selbst vergessen hatte, die ihm von den Genannten privat übergebenen Steuererklärungen rechtzeitig anzugeben, diese mit einem rückdatierten Eingangsvermerk versah und dadurch die Republik Österreich in ihrem Recht auf Einhebung von rechtmäßig vorgeschriebenen Zwangsstrafen wegen verspäteter Einreichung von Steuererklärungen iHv 750 € geschädigt. Strafbare Handlungen: das Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs. 1 StGB

Strafe: nach dieser Gesetzesstelle unter Anwendung des § 43a Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 (sechs) Monaten sowie zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen a EUR 40,--= EUR 4.800,--, im Nichteinbringungsfall 60 Tage Ersatzfreiheitsstrafe; gem. § 43 Abs. 1 StGB wird die verhängte Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.“

In der mündlichen Verhandlung erklärte AD B, dass er sich zu den Dienstpflichtverletzungen gem. §§ 43 Abs. 2 und 44 BDG 1979 für schuldig bekenne. Er gab mit Bezug auf die Veranlassung der Abschreibung der Zwangsstrafen an, dass er in einem kleinen Ort wohne und dort Mitglied im Musikverein und bei der Feuerwehr sei. Er sei der einzige Finanzbeamte in einem größeren räumlichen Gebiet, weshalb er wiederholt ersucht wurde in steuerlichen Belangen zu helfen. Herr M war seinerzeit psychisch belastet und Herr Sch sei ein Jugendfreund, weshalb er beiden aus Mitleid geholfen habe.

III Rechtslage

Durch diesen Sachverhalt sind die folgenden Bestimmungen des Beamten-Dienstrechts berührt: § 44 Abs. 1 BDG 1979: Der Beamte hat seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.

§ 45 Abs. 1 BDG 1979: Der Vorgesetzte hat darauf zu achten, daß seine Mitarbeiter ihre dienstlichen Aufgaben gesetzmäßig und in zweckmäßiger, wirtschaftlicher und sparsamer Weise erfüllen. Er hat seine Mitarbeiter dabei anzuleiten, ihnen erforderlichenfalls Weisungen zu erteilen, aufgetretene Fehler und Mißstände abzustellen und für die Einhaltung der Dienstzeit zu sorgen. Er hat das dienstliche Fortkommen seiner Mitarbeiter nach Maßgabe ihrer Leistungen zu fördern und ihre Verwendung so zu lenken, daß sie ihren Fähigkeiten weitgehend entspricht

§ 95 Abs. 1 BDG 1979: Wurde der Beamte wegen einer gerichtlich oder verwaltungsbehördlich strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt und erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes, ist von der disziplinären Verfolgung des Beamten abzusehen. Erschöpft sich die Dienstpflichtverletzung nicht in der Verwirklichung des strafbaren Tatbestandes (disziplinärer Überhang), ist nach § 93 vorzugehen.

§ 95 Abs. 2 BDG 1979: Die Disziplinarbehörde ist an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes (Straferkenntnis eines unabhängigen Verwaltungssenates) gebunden. Sie darf auch nicht eine Tatsache als erwiesen annehmen, die das Gericht (der unabhängige Verwaltungssenat) als nicht erweisbar angenommen hat.

§ 118 Abs. 1 BDG 1979: Das Disziplinarverfahren ist mit Bescheid einzustellen, wenn

1. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen,

2. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat nicht erwiesen werden kann oder keine Dienstpflichtverletzung darstellt.

Erlässe des BMF, die im Sinne des § 44 Abs. 1 BDG 1979 zu beachten sind: BMF GZ. 66 1009/30-VI/6/00 vom 30. Oktober 2000 (Auszug): „Die Eingabe oder Abfrage von Daten im AIS oder im DB7A bzw. DB7B ist nur dann zulässig, wenn eine dienstliche Veranlassung vorliegt. Werden Eingaben oder Abfragen ohne solche Begründung durchgeführt, ist zumindest ein dienstrechtlich relevanter Sachverhalt gegeben“

BMF GZ. 66 1009/19-VI/6/01 vom 13. Juni 2001 (Auszug): „Um die Bediensteten entsprechend zu informieren und damit weitere Fehlverhalten von Bediensteten der Finanzverwaltung möglichst zu vermeiden, sind in allen Dienststellen Dienstbesprechungen abzuhalten. Dabei sind insbesondere folgende Inhalte zu vermitteln: 1. … 2. Erlass O 299 vom 30.10.2000, BMF GZ. 66 1009/30-VI/6/00“

BMF GZ. 16 1270/1-I/20/04 vom 19. März 2004 (Auszug): „Aus gegebenem Anlass werden den Bediensteten des Finanzressorts die Erlässe…vom 30.10.2009, GZ 66 1009/30-VI/6/00, über die illegale Abfrage von internen Datenbanken in Erinnerung gerufen.“

BMF GZ. – 320700/0001-I/20/2004 vom 16.11.2004 (Auszug): „Der Dienstgeber hat seit dem Jahr 2000 wiederholt und nachdrücklich darauf hingewiesen, dass die Verwendung (das Abfragen) des Datenbestandes der österreichischen Finanzverwaltung ausschließlich im dienstlichen Interesse zulässig ist.“ „Dem beim Bundesministerium für Finanzen eingerichteten Büro für interne Angelegenheiten…obliegt unter anderem auch die Überwachung der Rechtmäßigkeit von Zugriffen auf das AIS für das gesamte Ressort.“

IV Rechtliche Würdigung

Faktum 1 (Dienstpflicht gem. § 43 Abs. 2 BDG 1979 in Verbindung mit der gerichtlichen Verurteilung wegen Amtsmissbrauch) Gem. § 95 Abs. 2 BDG 1979 ist der Disziplinarsenat an die dem Spruch eines rechtskräftigen Urteils zugrunde gelegte Tatsachenfeststellung eines Strafgerichtes gebunden. Somit sind die Feststellungen des Landesgerichts XY für den Disziplinarsenat in jeder Hinsicht bindend und erwiesene Tatsachen. Gem. § 95 Abs. 1 BDG 1979 hat der Disziplinarsenat zu prüfen, ob sich die Dienstpflichtverletzung in der Verwirklichung der gerichtlich strafbaren Handlung erschöpft, oder ob ein disziplinärer Überhang vorliegt. Dazu ist auszuführen, dass bei sogenannten echten Beamtendelikten, wie im vorliegenden Fall der Amtsmissbrauch, dienstrechtliche Aspekte durch eine gerichtliche Entscheidung nicht abgedeckt werden. Davon ist im Besonderen der dienstrechtliche Gesichtspunkt der Vertrauenswahrung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern gem. § 43 Abs. 2 BDG 1979 betroffen. Im § 43 Abs. 2 BDG 1979 hat der Gesetzgeber normiert, dass der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf zu achten hat, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. Davon sind in erster Linie jene Grundsätze betroffen, die unser Verhalten bestimmen. Zu diesen Grundsätzen zählt im Besonderen die Einhaltung aller gesetzlichen Bestimmungen, im Besonderen das Datenschutzgesetz. In der Charta der österreichischen Finanzverwaltung (https://portal.bmf.gv.at/personal-online/schwerpunkte initiativen/lehrlinge/Charta_der_oesterreichischen_Finanzverwaltung) wirbt das Finanzministerium um die Einhaltung der Pflichten, die die Bürgerinnen und Bürger wahrzunehmen haben. Auf S. 18 dieser Publikation, die sich im Jahr 2012 unmittelbar an die Bürgerinnen und Bürger wendet, bekennt sich das BMF auch ausdrücklich zum Datenschutz. Unter der Überschrift „Steuergeheimnis und Datenschutz“ wird für die Einhaltung dieser speziellen gesetzlichen Bestimmungen eine Garantie abgegeben. Wörtlich ist formuliert: „Wir führen die Steuerakten mit Hilfe elektronischer Datenverarbeitung und garantieren Ihnen dabei selbstverständlich die Einhaltung sämtlicher Datenschutzbestimmungen“. Ein Verstoß gegen die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes ist daher geeignet einen enormen Vertrauensverlust des Dienstgebers bei den Bürgerinnen und Bürgern nach sich zu ziehen, weil die Steuerverwaltung insgesamt durch das unrechtmäßige Handeln Einzelner in ihrer Vertrauenswürdigkeit Schaden nimmt. Der Disziplinarsenat erkennt daher das Vorliegen eines disziplinarrechtlichen Überhangs im Zusammenhang mit der vorliegenden Verurteilung wegen des Verbrechens des Amtsmissbrauchs und eine Dienstpflichtverletzung gem.
§ 43 Abs. 2 BDG 1979.

Faktum 2 (Nichteinhaltung von Weisungen durch dienstlich nicht veranlasste Abfragen im AIS) Wie aus der wesentlichen Aussage der Erlässe des BMF (siehe Punkt III Rechtslage) ersichtlich, ist ein Zugriff im AIS ausschließlich mit dienstlicher Veranlassung zulässig. Eine dienstliche Veranlassung liegt dann vor, wenn sachlich und örtlich zuständige Bedienstete aufgrund der Organisationsvorschriften konkret beauftragt sind, bestimmte Daten zu bearbeiten. Ein Zugriff auf eigene Daten, auf Daten von Personen, auf die die Befangenheitsbestimmungen anzuwenden sind und ein Zugriff auf Daten aus privater Veranlassung (Hilfestellung, Neugier et cet.) kann daher niemals dienstlich veranlasst sein und ist durch die Erlässe ausdrücklich untersagt. Erlässe sind Weisungen und verpflichtend einzuhalten. Wie das Landesgericht XY festgestellt hat, sind die verfahrensgegenständlichen Datenzugriffe im AIS dienstlich nicht veranlasst. Dadurch liegt ein Verstoß des AD B gegen die Dienstpflicht des § 44 BDG 1979 vor, wonach der Beamte verpflichtet ist, die Weisungen der Vorgesetzten zu befolgen.

Faktum 3 (Nebenbeschäftigung) Soweit das Disziplinarverfahren wegen des Verdachtes des Verstoßes gegen die Dienstpflicht des § 56 BDG 1979 eingeleitet wurde, wonach AD B eine unerlaubte Nebenbeschäftigung ausgeübt habe, wird das Verfahren eingestellt. Eine Hilfestellung in steuerlichen Angelegenheiten ist Bediensteten der Finanzverwaltung dann zuzugestehen, wenn sie dadurch nicht an der Erfüllung ihrer dienstlichen Aufgaben behindert werden, dadurch keine Befangenheit begründen und wenn durch die Nebenbeschäftigung keine sonstigen wesentlichen dienstlichen Interessen gefährdet werden. Im gegenständlichen Verfahren wurde nicht nachgewiesen, dass AD B in den vom Einleitungsbeschluss erfassten Sachverhalt gegen die Dienstpflicht des § 56 BDG 1979 schuldhaft verstoßen hat, sodass keine Dienstpflichtverletzung vorliegt. Das schuldhafte Verhalten des AD B ist vielmehr seinem Verhalten im Anschluss an die Nebenbeschäftigung zuzurechnen gewesen, wofür auch eine strafgerichtliche Verurteilung vorliegt und unter Faktum 1 in dieser Entscheidung gewürdigt wurde.

V Verschulden

Dazu ist als Rechtslage zu beachten:

§ 5 StGB Abs. 1: Vorsätzlich handelt, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, daß der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.

Abs. 2: Der Täter handelt absichtlich, wenn es ihm darauf ankommt, den Umstand oder Erfolg zu verwirklichen, für den das Gesetz absichtliches Handeln voraussetzt.

Abs. 3: Der Täter handelt wissentlich, wenn er den Umstand oder Erfolg, für den das Gesetz Wissentlichkeit voraussetzt, nicht bloß für möglich hält, sondern sein Vorliegen oder Eintreten für gewiß hält. Der Disziplinarsenat stellt als erwiesen fest, dass AD B seine Dienstpflichten mit Vorsatz, somit schuldhaft, nicht beachtet hat. Wie bereits zitiert ist der Disziplinarsenat an gerichtliche Entscheidungen gebunden, wovon auch die innere Tatseite betroffen ist. Das Gericht hat festgestellt, dass AD B gem. § 5 Abs. 3 StGB mit Wissensvorsatz gehandelt hat. Somit ist ihm auch das Wissen zuzurechnen, dass er bei diesem Rechtsbruch auch wissentlich seine Dienstpflichten nicht eingehalten hat. Der Disziplinarsenat erkennt daher ein schuldhaftes Verhalten des AD B und somit Dienstpflichtverletzungen gem. § 91 BDG 1979.

VI Strafbemessung

§ 93 Abs. 1 BDG 1979: Das Maß für die Höhe der Strafe ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken. Die nach dem Strafgesetzbuch für die Strafbemessung maßgebenden Gründe sind dem Sinne nach zu berücksichtigen; weiters ist auf die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Beamten Bedacht zu nehmen.

§ 92. Abs. 1 BDG 1979 (Disziplinarstrafen)

1. der Verweis,

2. die Geldbuße bis zur Höhe eines halben Monatsbezuges

3. die Geldstrafe in der Höhe von einem Monatsbezug bis zu fünf Monatsbezügen

4. die Entlassung.

Abs. 2: In den Fällen des Abs. 1 Z 2 und 3 ist von dem Monatsbezug auszugehen, der dem Beamten auf Grund seiner besoldungsrechtlichen Stellung im Zeitpunkt der Fällung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses beziehungsweise im Zeitpunkt der Verhängung der Disziplinarverfügung gebührt. Allfällige Kürzungen des Monatsbezuges sind bei der Strafbemessung nicht zu berücksichtigen.

In Interpretation des § 93 BDG 1979 hat der VwGH zuletzt am 12.11.2013 unter VwGH Zl. 2013/09/0045 wörtlich ausgeführt: „Gem. § 93 Abs. 1 erster Satz BDG 1979 ist die Schwere der Dienstpflichtverletzung als Maß für die Höhe der Strafe festgelegt. Dieser Maßstab richtet sich nach dem Ausmaß der Schuld im Sinne der Strafbemessungsschuld des Strafrechts. Für die Strafbemessung ist daher sowohl das objektive Gewicht der Tat maßgebend wie auch der Grad des Verschuldens (vgl. die ErläutRV zur Vorgängerbestimmung des § 93 BDG 1979 im BDG 1977, 500 Blg. Nr. 14 GP 83). Das objektive Gewicht der Tat (der Unrechtsgehalt) wird dabei in jedem konkreten Einzelfall - in Ermangelung eines typisierten Straftatbestandskatalogs im Sinne etwa des StGB – wesentlich durch die objektive Schwere der in jedem Einzelfall konkret festzustellenden Rechtsgutbeeinträchtigung bestimmt.“ Der Disziplinarsenat billigt dem objektiven Unrechtsgehalt der beiden betroffenen Dienstpflichtverletzungen erhebliches Gewicht zu und bewertet die Verletzung der Dienstpflicht gem. § 43 Abs. 2 BDG 1979 als die schwerste der zu beurteilenden Dienstpflichtverletzungen. Nach dem vorliegenden Sachverhalt ist diese Pflichtverletzung am ehesten geeignet das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die österreichische Finanzverwaltung zu erschüttern. Eine Dienstpflichtverletzung von Beamtinnen oder Beamten, die zu einer strafrechtlichen Verurteilung führt ist nach Erwägung des Disziplinarsenates jedenfalls eher geeignet, einen Vertrauensverlust in der Bevölkerung herbeizuführen, als eine Dienstpflichtverletzung, die bloß behördenintern zu sanktionieren ist. Hinsichtlich der subjektiven Schwere der Tat ist auf die Feststellungen zum Verschulden zu verweisen. Von den gem. § 92 Abs. 1 BDG 1979 möglichen Disziplinarstrafen erachtet der Disziplinarsenat die Festsetzung einer Geldstrafe als zutreffende Sanktion. Bei der Ausmessung der Geldstrafe sind die Gebote der Spezialprävention und der Generalprävention gem. § 93 Abs. 1 BDG zu beachten. Dabei ist darauf Rücksicht zu nehmen, inwieweit die beabsichtigte Strafe erforderlich ist, um den Beamten von der Begehung weiterer Dienstpflichtverletzungen abzuhalten oder der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere Beamte entgegenzuwirken. Dazu hat der Disziplinarsenat erwogen, dass dem Gebot der Spezialprävention kein Übergewicht beizumessen ist, da AD B seine Fehler eingesehen hat, und sein Geständnis reumütig und glaubwürdig dargelegt hat. Im Weiteren ist im Sinne des § 93 Abs. 1 BDG 1979 der generalpräventive Aspekt bei der Festsetzung der Strafe im gleichen Ausmaß zu berücksichtigen wie die Spezialprävention. Auch diesem gesetzlichen Erfordernis ist durch die Höhe der Ausmessung der Geldstrafe zu entsprechen und ein deutliches Signal zu setzen, dass Erlässe und Weisungen der Vorgesetzten zu beachten sind und eine Beliebigkeit deren Befolgung jedenfalls nicht im Einklang mit einer funktionierenden und korrekten Verwaltung stehen kann. Um aber vorzubeugen, dass unter Missachtung interner Weisungen im Weiteren auch noch strafrechtliche Tatbestände gesetzt werden, ist durch die Verhängung einer exemplarischen Geldstrafe auch der generalpräventive Zweck eines Strafausspruches zu erfüllen. Auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse wurde Bedacht genommen. Unter Bezugnahme auf § 92 Absatz 1 Ziffer 2 BDG 1979 ist der Strafrahmen für die Geldstrafe mit fünf Monatsbezügen (Grundbezug XX + Funktionszulage XX = XX x 5 = XX) zu errechnen. Bei der Ausmessung der Geldstrafe hat der Disziplinarsenat die bisherige disziplinarrechtliche Unbescholtenheit, das reumütige Geständnis und das Wohlverhalten nach der Tat als mildernd berücksichtigt. Erschwerend waren mehrere Taten und der lange Zeitraum (bei § 44 BDG 1979) zu werten. Die Strafe war im Hinblick auf die schwerste Dienstpflichtverletzung (§ 43 Abs. 2 BDG 1979) zu bemessen, die Dienstpflichtverletzung gem. § 44 BDG 1979 war erschwerend zu werten. Der Disziplinarsenat erkennt die Ausmessung dieser Geldstrafe unter Hinweis auf sämtliche dargelegten Erwägungen als den Taten und der Schuld angemessen und ausgewogen.

-END-

Zuletzt aktualisiert am

08.08.2017
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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