TE Vwgh Erkenntnis 2014/6/18 2013/09/0131

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Veröffentlicht am 18.06.2014
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
77 Kunst Kultur;

Norm

AVG §56;
DMSG 1923 §1 Abs1;
DMSG 1923 §3;
DMSG 1923 §5;
MRKZP 01te Art1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulyok und die Hofräte Dr. Rosenmayr, Dr. Bachler, Dr. Doblinger und Mag. Feiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Senft, über die Beschwerde der E H in X, vertreten durch Knirsch Gschaider & Cerha Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Wipplingerstraße 5, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur vom 2. Juli 2013, Zl. BMUKK-33.003/0005-IV/3/2013, betreffend Unterschutzstellung nach dem Denkmalschutzgesetz nach Durchführung einer öffentlich-mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bundesdenkmalamtes vom 19. August 1999 wurde festgestellt, dass die Erhaltung des im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden Bürgerhauses in Waidhofen an der Ybbs, U-Platz (Anonymisierungen durch den Verwaltungsgerichtshof), gemäß § 1 und § 3 des Denkmalschutzgesetzes (DMSG) im öffentlichen Interesse liege. Die Behörde erster Instanz stützte sich in ihrer Bescheidbegründung auf das eingeholte Gutachten des Amtssachverständigen Mag. KB vom 2. November 1998, der Folgendes fest ausgeführt hatte:

"Das Haus U-Platz liegt in der geschlossenen Verbauung der unteren westlichen Platzfront unweit des ehemaligen Amstettner Stadttores. An seiner Rückseite schließt dieses Gebäude an die ehemalige Stadtmauer des 13. - 15. Jahrhunderts an, deren Kern, in den heutigen Bau integriert, noch weiterbesteht. Die Parzelle befindet sich in der Zone der 2. Stadterweiterung, die von ca. 1250 bis 1273 durchgeführt wurde. Die über Jahrhunderte gewachsene Bausubstanz des Bürgerhauses reicht im ältesten Kern bis in diese Periode zurück. Wie aus den Bauformen geschlossen werden kann, gehört der überwiegende Teil des Mauerwerks allerdings dem 16., die zahlreichen Gewölbe meist der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts an. Eine letzte, stark prägende Fassadenumgestaltung erfolgte um 1900. Von 1634 an lassen sich durchwegs Hutterermeister, deren Gerechtsame am Hause radiziert war, als Eigentümer nachweisen. 1848 betrieb hier der Seifensieder Eduard Sänger sein Gewerbe.

Der Bau erhebt sich zweigeschossig über tiefgestreckter Parzelle und schließt einen kleinen Hof ein. Der Vordertrakt zum Stadtplatz wird von einem Mansarddach mit Helmknauf und Wiener Taschenziegeldeckung abgeschlossen. Die vierachsige Platzfront zeigt im Obergeschoss eine Fassadengliederung der Zeit um 1900 (Ecktaschen mit kapitellartigen Schmuckelementen, profilleistengerahmte Fenster über Sohlbankgesims und Putzplattenparapeten). Am Erdgeschoss, das infolge des Einbaues von Eloxalauslagen in jüngerer Zeit nachteilig verändert wurde, blieb aus der gleichen Bauphase ein seitliches Steingewändeportal mit Originaltürblatt und schmiedeeisernem Oberlichtgitter erhalten. Die zweigeschossige Rückfront zur M-Straße (Nr. 9) ist weitgehend neu fassadiert, doch lässt sich an der Krümmung der Verlauf der Stadtmauer nachvollziehen.

Im Keller ist ein spätmittelalterliches Stichkappentonnengewölbe mit Schalbretterabdrucken erhalten, in Erd- und Obergeschoss finden sich dagegen mehrjochige Platzlgewölbe über Korbbogengurten, die, wie eine Spiegeldecke und der mit Schnitzelementen versehene Dachstuhl, in die 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts datieren. Ein Türdurchgang im hinteren Erdgeschossflur mit abgefastem Rechteckgewände und aufgedoppeltem Türblatt zeigt, dass noch Binnenteilungen der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts vorhanden sind.

Die an der Mündung des Schwarzbaches in die Ybbs strategisch günstig positionierte Stadt wurde ab der Mitte des 12. Jahrhunderts bis gegen 1400 unter bischöflich freisingischer Herrschaft in fünf Etappen planmäßig ausgebaut und erlangte um 1500 als stark befestigter Hauptort eines Gauhandelsverbandes mit ca. 250 ansässigen Schmieden im Bereich der niederösterreichischen Eisenwurzen höchste wirtschaftliche Blüte bzw. Bedeutung. Die vom Spätmittelalter bis gegen Ende der Freisinger Herrschaft (1803) prosperierende, auf Eisen verarbeitendem Gewerbe und Handel basierende Wirtschaftsentwicklung fand in der überlieferten urbanen Verbauung ihren architektonischen Ausdruck und ist noch heute weitgehend an der gotischen Grundstruktur bzw. der vorwiegend aus dem 15, und 16. Jahrhundert stammenden Bausubstanz ablesbar.

Diese Besonderheiten der alten Eisenstadt Waidhofen an der Ybbs werden durch den im Haus U-Platz gegebenen frühneuzeitlichen Typus des tiefgestreckt zweigeschossigen Seitenflurhauses mit kleinem Hof und nicht zuletzt durch dessen Einbindung in die ehemalige Stadtmauer signifikant repräsentiert bzw. dokumentiert. Darüberhinaus erwächst dem Gebäude durch seine Gestaltung - - hier sei vor allem auf die Umbauten der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts (Gewölbe, Dachstuhl) als Ausdruck bürgerlicher Wohn- und Baukultur am Ausgang der Freisinger Herrschaftsperiode verwiesen - auch baukünstlerische Qualität, die in ihrer Eigenart ebenso zu würdigen ist wie die Fassadengliederungen der letzten Jahrhundertwende. Diese Gegebenheiten verleihen dem Bürgerhaus besondere geschichtliche, künstlerische und kulturelle Bedeutung.

Im Zusammenhang damit wird auch auf nachfolgende einschlägige Literatur verwiesen:

Adalbert KLAAR, Baualterpläne österreichischer Städte, Niederösterreich 5. Teil, hg. v. d. Akademie d. Wissenschaften, Wien 1983, Stadtplan Waidhofen an der Ybbs.

Friedrich RICHTER, Häuserchronik der Stadt Waidhofen an der Ybbs, Teil II - Untere Stadt, in:

Zeitschrift 'Bote von der Ybbs' vom 6.1.1989.

Friedrich RICHTER/Matthias SETTELE/Wolfgang SOBOTKA/Walter ZAMBAL, 800 Jahre Waidhofen an der Ybbs 1186-1986, Waidhofen an der Ybbs 1986, S. 161ff.

Gabriele RUSSWURM-BIRO, ungedr. Manuskript zum Dehio - Niederösterreich südlich der Donau, Stichwort 'Waidhofen an der Ybbs (Unterer Stadtplatz)', erscheint voraussichtlich 1999.

Bundesdenkmalamt (Hsg.), Atlas der historischen Schutzzonen in Österreich, Bd. 1, Städte und Märkte, Wien 1970

Bundesdenkmalamt (Hsg.), Kunstwerk Stadt, Salzburg 1988"

Die Behörde erster Instanz führte aus, dass das Bürgerhaus der Beschwerdeführerin einen integrierenden Bestandteil bzw. ein wichtiges Strukturelement der Altstadt von Waidhofen an der Ybbs, die in ihrer heutigen Form noch ein weitgehend homogenes Verbauungsgefüge einer mittelalterlichen Stadtanlage darstelle. Dieses Haus, dessen Bausubstanz vorwiegend aus dem 15./16. Jdh. stamme, dokumentiere durch eben diese Bauweise die wirtschaftliche Entwicklung der ehemaligen "Eisenstadt Waidhofen an der Ybbs" auf eindrucksvolle Weise. Hiezu komme, dass die überwiegend als spätbarocke baukünstlerische Ausgestaltung, die in Gewölben, Dachstuhl und Fassade besondere Entfaltung finde, einen eigenen schutzwürdigen Aspekt bilde.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung, in der sie die Schutzwürdigkeit ihres Hauses nach dem DMSG bestritt. Dass ein Haus aus dem 15./16. Jdh. einen integrierenden Bestandteil einer Altstadt bilde, sei selbstverständlich, weil kein solches Gebäude denkbar sei, bei dem dies nicht der Fall wäre. Es stelle für österreichische Verhältnisse keine Seltenheit dar, dass einzelnes Mauerwerk des Hauses noch aus dem 16. Jdh. stammten. Daraus ließe sich kein öffentliches Interesse ableiten. Das Alter allein mache aus einem Werk noch kein Kunstwerk. Gewölbe, Dachstühle oder Fassaden aus der Barockzeit seien in Österreich noch zahlreich vorhanden, auch daraus ergebe sich kein öffentliches Interesse an der Erhaltung. Aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts stammende Schnitzelemente auf Dachstühlen seien ebenfalls nichts Seltenes. Wer das Haus bewohnt habe, könne allenfalls nur dann für die Beurteilung eines öffentlichen Interesses von Bedeutung sein, wenn es sich um historische Persönlichkeiten gehandelt habe. Dies sei jedoch bei nicht genannten Hutterermeistern oder dem Seifensieder Eduard Senger nicht der Fall. Das Haus sei um die Jahrhundertwende (gemeint: vom 19. ins 20. Jahrhundert) komplett umgestaltet worden. Dabei sei auch der Charakter des Hauses grundlegend verändert worden, sodass von authentischer Baustubstanz, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse wäre, nicht mehr gesprochen werden könne.

Die belangte Behörde führte am 4. November 1999 einen Ortsaugenschein in Anwesenheit des Vertreters der Beschwerdeführerin sowie des Landeskonservators durch und hielt mit Note an die Beschwerdeführerin vom 11. April 2000 fest, dass bei einer Begehung amtssachverständig festgestellt worden sei, dass im Inneren des Objektes die alten Raumstrukturen im Wesentlichen erhalten geblieben seien. Das Haus, dessen hauptsächliche Bausubstanz aus dem 15. und 16. Jahrhundert stamme, weise eine ungebrochene Baukontinuität auf. Die im Laufe der Zeit erfolgten Veränderungen seien bereits selbst Teil der Geschichte des Objektes. An Details sei zusätzlich noch fachkundig hervorgehoben worden: - im Obergeschoss: barocke Türen, Gewölbe des 18. Jhd. und Spiegeldecken; - im Keller: spätmittelalterliches Schalungsgewölbe sowie das in der Fassade zur Mühlgasse verborgene Mauerwerk der spätmittelalterlichen Stadtmauer.

Hinsichtlich des Daches sei erläutert worden, dass trotz eines teilweisen inneren Ausbaues platzseitig der historische Dachstuhl aus der 2. Hälfte des 18. Jhd. im Wesentlichen erhalten geblieben sei. Die Beschwerdeführerin habe die Unterschutzstellung des Hauses als Eingriff in das Eigentum im Hinblick darauf abgelehnt, dass im Erdgeschoß eine Bäckerei eingemietet sei, es würden betriebswirtschaftliche Einschränkungen sowie insgesamt finanzielle und wirtschaftliche Belastungen befürchtet.

Die Beschwerdeführerin nahm mit Schreiben vom 24. Mai 2000 zu den Ergebnissen des Ortsaugenscheins Stellung und führte im Wesentlichen aus, dass das Nachbarhaus nicht unter Denkmalschutz gestellt sei, dies sei sachlich nicht gerechtfertigt. Zwischen dem Nachbarhaus und dem Haus der Beschwerdeführerin sei ein enger wirtschaftlicher Zusammenhang gegeben, weil fast die Hälfte des Hauses der Beschwerdeführerin an den Eigentümer des Nachbarhauses vermietet sei, der sowohl in seinem eigenen Haus als in dem damit verbundenen, von ihm angemieteten Teilen des Hauses der Beschwerdeführerin den Betrieb seiner Bäckerei und Konditorei führe. Eine Unterschutzstellung wäre mit derartigen Nachteilen verbunden, dass dadurch möglicherweise sogar der Weiterbestand seines Betriebes gefährdet wäre, dies hätte den Entgang sämtlicher Mieteinnahmen zur Folge, da eine Neuvermietung infolge der eingeschränkten Benützbarkeit faktisch unmöglich wäre.

Mit Stellungnahme vom 15. November 2000 sprach sich die Beschwerdeführerin neuerlich aus diesen Gründen gegen die Unterschutzstellung ihres Hauses aus.

Die belangte Behörde holte daraufhin ein Ergänzungsgutachten des Mag. KB vom 20. Juni 2001 ein, der wie folgt ausführte:

"a) Bedeutung des Objektes für sich allein betrachtet:

Es handelt sich um ein Bürgerhaus im frühneuzeitlichen Typus des tiefgestreckt zweigeschossigen Seitenflurhauses mit kleinem Hof, das rückseitig einen Abschnitt der aus dem 13.-

15. Jahrhundert stammenden Stadtmauer integriert. Durch seine über Jahrhunderte gewachsene Substanz dokumentiert es die bürgerliche Bau- und Wohnkultur des Spätmittelalters (Keller), der frühen Neuzeit (Umfassungsmauern und teilweise Binnenstruktur), des Barockzeitalters (Platzlgewölbe, Spiegeldecken, einige Türen, Dachstuhl) sowie des Historismus (Fassadengliederungen). Auch wenn einige Überformungen aus jüngerer Zeit festzustellen sind, bleibt das Gebäude mit den zahlreichen Veränderungen, die selbst bereits Teil seiner Geschichte sind, aussagekräftig für Bauformen und deren soziologische Hintergründe in den oben genannten Epochen.

Auf Grund der weit gehenden Verflechtung historisch wertvoller Substanz mit Adaptierungen der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts (wie z.B. Dachstuhl und Dachausbau) erscheint aus Sicht der Denkmalpflege eine allfällige Teilunterschutzstellung nicht sinnvoll.

b) Bedeutung des Objektes aus Beziehung und Lage zu anderen Objekten der Stadt:

Das Bürgerhaus bildet einen integrierenden Bestandteil bzw. ein wichtiges Strukturelement des Stadtdenkmals von Waidhofen an der Ybbs, das in seiner heutigen Form noch ein weitgehend homogenes Verbauungsgefüge einer mittelalterlichen Stadtanlage darstellt. Die an der Mündung des Schwarzbaches in die Ybbs strategisch günstig positionierte Stadt erfuhr um die Mitte des 12. Jahrhunderts bis gegen 1400 unter bischöflich freisingischer Herrschaft planmäßige Ausbauten in fünf Etappen und erlangte um 1500 als stark befestigter Hauptort eines Gauhandelsverbandes mit ca. 250 ansässigen Schmieden im Bereich der niederösterreichischen Eisenwurzen höchste wirtschaftliche Blüte bzw. Bedeutung. Die vom Spätmittelalter bis gegen Ende der Freisinger Herrschaft (1803) prosperierende, auf Eisen verarbeitendem Gewerbe und Handel basierende Wirtschaftsentwicklung fand in der überlieferten urbanen Verbauung ihren architektonischen Ausdruck und ist noch heute weitgehend in der gotischen Grundstruktur bzw. der vorwiegend aus dem 15. und 16. Jahrhundert stammenden Bausubstanz ablesbar. Diese Besonderheiten der alten Eisenstadt Waidhofen an der Ybbs werden durch das Haus U-Platz signifikant repräsentiert. Darüber hinaus kommt dem in das Gebäude integrierten Stadtmauerabschnitt ein nicht unwesentlicher Dokumentationswert hinsichtlich der mittelalterlichen Stadtentwicklung und -befestigungsanlagen zu. Somit ist eine historische Beziehung zu diesem herausragenden Stadtdenkmal sowie die Lage innerhalb desselben gegeben.

Die Bedeutung des gegenständlichen Gebäudes als Teil eines Ensembles ist einerseits in Bezug auf das Stadtdenkmal, welches in der Gesamtheit seiner historischen Substanz ein Ensemble bildet, und andererseits in Bezug auf den U-Platz, der ein Teilensemble bildet, gegeben. Von Letzterem stehen bereits 27 Objekte bescheidmäßig unter Denkmalschutz. Weitere Unterschutzstellungen sind auf Grund noch durchzuführender Erhebungen vorgesehen.

Mag. K B, 20.6.01"

Im Gegenstand wurde schließlich ein weiteres Amtssachverständigengutachten der Amtssachverständigen DI BK und des Landeskonservators Dr. HF vom 28. März 2013 erstattet, das folgenden Wortlaut hat:

"BEFUND

Das Haus U-Platz liegt in der geschlossenen Verbauung der unteren westlichen Platzfront unweit des ehemaligen Amstettner Stadttores. An seiner Rückseite schließt dieses Gebäude an die ehemalige Stadtmauer des 13. - 15. Jahrhunderts an deren Kern, in den heutigen Bau integriert, noch weiterbesteht. Die Parzelle befindet sich in der Zone der 2. Stadterweiterung, die von ca. 1250 bis 1273 durchgeführt wurde.

Die an der Mündung des Schwarzbaches in die Ybbs, strategisch günstig positionierte Stadt wurde ab der Mitte des 12. Jahrhunderts bis gegen 1400 unter bischöflich freisingischer Herrschaft in fünf Etappen planmäßig ausgebaut und erlangte um 1500 als stark befestigter Hauptort eines Gauhandelsverbandes mit ca. 250 ansässigen Schmieden im Bereich der niederösterreichischen Eisenwurzen höchste wirtschaftliche Blüte bzw. Bedeutung. Die vom Spätmittelalter bis gegen Ende der Freisinger Herrschaft (1803) prosperierende, auf Eisen verarbeitendem Gewerbe und Handel basierende Wirtschaftsentwicklung fand in der überlieferten urbanen Verbauung ihren architektonischen Ausdruck.

Von 1634 an lassen sich durchwegs Hutterermeister, deren Gerechtsame am Hause radiziert waren, als Eigentümer des Hauses nachweisen. 1848 betrieb hier der Seifensieder Eduard Sänger sein Gewerbe.

Das Haus U-Platz erhebt sich zweigeschossig über tiefgestreckter Parzelle und schließt einen kleinen Hof ein. Der Vordertrakt zum Stadtplatz wird von einem Mansarddach mit Heimknauf und Wiener Taschenziegeldeckung abgeschlossen. Die vierachsige Platzfront zeigt im Obergeschoss eine Fassadengliederung der Zeit um 1900 (Eckfaschen mit kapitellartigen Schmuckelementen, profilleistengerahmte Fenster über Sohlbankgesims und Putzplattenparapeten). Am Erdgeschoss, das infolge des Einbaues von Eloxalauslagen in jüngerer Zeit verändert wurde, blieb aus der gleichen Bauphase ein seitliches Steingewändeportal mit Originaltürblatt und schmiedeeisernem Oberlichtgitter erhalten. Die zweigeschossige Rückfront zur M-Straße (Nr. 9) ist weitgehend neu fassadiert, doch lässt sich an der Krümmung der Verlauf der Stadtmauer nachvollziehen.

Im Keller ist ein spätmittelalterliches Stichkappentonnengewölbe mit Schalbretterabdrucken erhalten. Der überwiegende Teil des Mauerwerks gehört dem 16. Jahrhundert an. Ein Türdurchgang im hinteren Erdgeschossflur mit abgefastem Rechteckgewände und aufgedoppeltem Türblatt zeigt, dass noch Binnenteilungen der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts vorhanden sind.

Die zahlreichen Gewölbe sind überwiegend in die 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts zu datieren wie die mehrjochigen Platzlgewölbe über Korbbogengurten in Erd- und Obergeschoss und die Spiegeldecke.

GUTACHTEN

Die Besonderheiten der Bebauung der alten Eisenstadt Waidhofen an der Ybbs werden durch den im Haus U-Platz gegebenen frühneuzeitlichen Typus des tiefgestreckt zweigeschossigen Seitenflurhauses mit kleinem Hof und nicht zuletzt durch dessen Einbindung in die ehemalige Stadtmauer signifikant repräsentiert. Durch seine über Jahrhunderte gewachsene Substanz dokumentiert es die bürgerliche Bau- und Wohnkultur des Spätmittelalters (Keller), der frühen Neuzeit (Umfassungsmauern und teilweise Binnenstruktur), des Barockzeitalters (Platzlgewölbe, Spiegeldecken, einige Türen) sowie des Historismus (Fassadengliederungen, Eingangsportal). Auch wenn einige Überformungen aus jüngerer Zeit festzustellen sind, bleibt das Gebäude mit den zahlreichen Veränderungen, die selbst bereits Teil seiner Geschichte sind, aussagekräftig als baukünstlerisches Dokument und belegt die soziologischen Verhältnisse in den oben genannten Epochen. Damit ist es ein signifikantes Dokument der historischen Bau- und Wohnkultur innerhalb der Stadt Waidhofen an der Ybbs.

Darüber hinaus bildet das Bürgerhaus einen integrierenden Bestandteil und ein wichtiges Strukturelement des Stadtdenkmals von Waidhofen an der Ybbs, das in seiner heutigen Form noch ein weitgehend homogenes Verbauungsgefüge einer mittelalterlichen Stadtanlage darstellt. Die planmäßig ausgebaute Stadt erlangte um 1500 als stark befestigter Hauptort eines Gauhandelsverbandes mit ca. 250 ansässigen Schmieden im Bereich der niederösterreichischen Eisenwurzen höchste wirtschaftliche Blüte bzw. Bedeutung. Die prosperierende Wirtschaftsentwicklung fand in der überlieferten urbanen Verbauung ihren architektonischen Ausdruck und ist noch heute weitgehend in der gotischen Grundstruktur bzw. der vorwiegend aus dem 15. und 16. Jahrhundert stammenden Bausubstanz ablesbar. Diese Besonderheiten der alten Eisenstadt Waidhofen an der Ybbs werden durch das Haus U-Platz signifikant repräsentiert. Darüber hinaus kommt dem in das Gebäude integrierten Stadtmauerabschnitt ein wesentlicher Dokumentationswert hinsichtlich der mittelalterlichen Stadtentwicklung und -befestigungsanlagen zu.

Die Bedeutung des gegenständlichen Gebäudes ist daher auch durch Beziehung und Lage an diesem einzigartigen Stadtplatz gegeben.

LITERATUR

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Adalbert Klaar, Baualterpläne österreichischer Städte. Niederösterreich 5. Teil. hg. v. d. Akademie d. Wissenschaften, Wien 1983, Stadtplan Waidhofen an der Ybbs.

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Friedrich Richter, Häuserchronik der Stadt Waidhofen an der Ybbs. Teil II - Untere Stadt, in: Zeitschrift 'Bote von der Ybbs' vom 6.1.1989.

-

Friedrich Richter/Matthias Settele/Wolfgang SobotkaWalter Zambal. 800 Jahre Waidhofen an der Ybbs 1186-1986, Waidhofen an der Ybbs 1986, S. 161ff.

-

Gabriele Russwurm-Giro, ungedr. Manuskript zum Dehio - Niederösterreich südlich der Donau, Stichwort 'Waidhofen an der Ybbs (Unterer Stadtplatz)', erscheint voraussichtlich 1999.

-

Bundesdenkmalamt (Hsg.), Atlas der historischen Schutzzonen in Osterreich, Bd. 1, Städte und Märkte, Wien 1970

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Bundesdenkmalamt (Hsg.). Kunstwerk Stadt, Salzburg 1988"

Die Beschwerdeführerin erstattete dazu eine Äußerung vom 4. Juni 2013, in welcher sie es als ungeheuerlich bezeichnete, dass das Gutachten der Amtssachverständigen nahezu wörtlich die Begründung des erstinstanzlichen Bescheides wiederholte. Es sei nicht erkennbar, warum ausgerechnet das (gesamte) Gebäude der Beschwerdeführerin unter Schutz gestellt werden solle, wenn es etliche "Überformungen" aus verschiedener Zeit aufweise, die insgesamt für ein Innenstadthaus in einer österreichischen Stadt keine Selten- bzw. Besonderheit darstellten. Das Gebäude der Beschwerdeführerin weise keinerlei Besonderheiten im Vergleich mit den umliegenden Häusern auf, die nicht unter Denkmalschutz stünden. Es sei keine sachliche Rechtfertigung für den mit der Unterschutzstellung verbundenen bedeutenden Eingriff in das Eigentumsrecht gegeben.

Da nur ein Teil des Gebäudes an der Stadtmauer liege, sei eine vollständige Unterschutzstellung keinesfalls gerechtfertigt. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 3. Juni 2004, Zl. 2002/09/0130, betreffend das unmittelbar an das Gebäude der Beschwerdeführerin angrenzende Nachbarhaus ausgesprochen, dass eine Teilung der Unterschutzstellung immer dort vorzunehmen sei, wo sie fachlich ausreichend scheine. Es seien nur jene Teile unter Schutz zu stellen, die für eine denkmalgerechte Erhaltung der eigentlich geschützten Teile notwendig seien.

Im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Gebäude seien die für eine Unterschutzstellung in Frage kommenden Teile des Gebäudes anlässlich eines Lokalaugenscheins am 8. März 2006 ausführlich erörtert und dabei festgestellt worden, dass höchstens Teile der Fassade dafür in Frage kämen, ferner die Stadtmauer sowie ein geringer Teil des Dachstuhls. Die übrigen Teile des Gebäudes, insbesondere im Inneren, seien durchwegs im vergangenen Jahrhundert umgebaut und adaptiert worden. Auf all das gehe der Amtssachverständige in keiner Weise ein. Es wäre die Aufgabe des Amtssachverständigen gewesen, jene Teile des Gebäudes zu identifizieren, welche tatsächlich unter Schutz zu stellen seien, dies habe der Amtssachverständige jedoch verabsäumt. Es sei zu beachten, dass bei einer vollständigen Unterschutzstellung des Gebäudes auch jener Teil umfasst wäre, welcher seit 1957 an den Nachbarn vermietet sei, welcher dort seit ebenso langer Zeit einen Gewerbebetrieb (Bäckerei/Konditorei) führe. Es sei ausgeschlossen, dass dieser Teil des Gebäudes, welcher seit 1957 als Gastgewerbebetrieb umgebaut und genutzt werde, denkmalschutzrechtlich schutzwürdig sei. Der dadurch bewirkte Eingriff in das Eigentumsrecht sei nicht zu rechtfertigen. Es sei auch nicht zu rechtfertigen, warum die beiden benachbarten, im inneren physisch miteinander verbundenen Gebäude denkmalschutzrechtlich unterschiedlich behandelt werden sollten. Nachdem das benachbarte Haus, welches die vorzitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes betreffe, nicht unter Schutz gestellt worden sei, sei eine Unterschutzstellung des Gebäudes der Beschwerdeführerin nicht zu vertreten. Eine gänzliche Unterschutzstellung des Gebäudes der Beschwerdeführerin sei jedenfalls auch wirtschaftlich unzumutbar. Einer sachlich gerechtfertigten Teilunterschutzstellung ihres Gebäudes (beispielsweise betreffend die Stadtmauer) würde die Beschwerdeführerin jedoch nicht widersprechen, soweit diese eben in einem sachlich gerechtfertigten und begründeten Ausmaß erfolgen würde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 29 Abs. 1 DMSG keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid vollinhaltlich bestätigt.

Zur Begründung stellt die belangte Behörde den Verfahrensgang und die Rechtslage dar und führte dann wie folgt aus:

"Die Berufungsbehörde folgt den Ausführungen der Amtssachverständigen, die sowohl im erstinstanzlichen Gutachten, im Ergänzungsgutachten des Amtssachverständigen Mag. K B als auch in dem neuerlichen Ergänzungsgutachten der Amtssachverständigen DI B K schlüssig und nachvollziehbar ausführen, dass es sich bei dem Haus U-Platz um einen frühneuzeitlichen Typus des tiefgestreckt zweigeschossigen Seitenflurhauses mit kleinem Hof handelt, dessen Besonderheit vor allem in der Einbindung in die ehemalige Stadtmauer liegt.

Die Bedeutung des verfahrensgegenständlichen Gebäudes liegt somit einerseits in seiner Form und Ausgestaltung. Andererseits handelt es sich aufgrund der erhaltenen Bausubstanz um ein aussagekräftiges baukünstlerisches Dokument, das die soziologischen Verhältnisse verschiedener Epochen belegt. Wie den amtssachverständigen Ausführungen zu entnehmen ist, ist im Keller Substanz des Spätmittelalters erhalten. Die Umfassungsmauern und teilweise die Binnenstruktur reichen in die frühe Neuzeit zurück. Substanz des Barockzeitalters ist mit den Platzlgewölben in Erd- und Obergeschoss. den Spiegeldecken und einigen Türen erhalten. Schließlich belegen die Fassadengliederung sowie das Eingangsportal die Zeit des Historismus. Die Berufungsbehörde folgt den Amtssachverständigen daher insofern als feststeht, dass es sich bei dem Haus U-Platz um ein gewachsenes Denkmal handelt. Im Zusammenhang mit über die Zeit stattgefundenen Veränderungen an einem Denkmal ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach spätere Veränderungen für die bedeutensten Denkmale geradezu charakteristisch sind und für sich alleine nicht den Denkmalcharakter zerstören (VwGH 10. Oktober 1974, 0665/74).

Gemäß § 1 Abs. 1 DMSG kann die denkmalschutzrechtliche Bedeutung eines Objektes auch aus der Beziehung oder Lage zu anderen Gegenständen entstehen. Im vorliegenden Fall steht aufgrund der Ausführungen der Amtssachverständigen fest, dass das Gebäude auch durch seine Einbindung in die Stadt und die Stadtgeschichte Waidhofen an der Ybbs besondere Bedeutung erlangt. Es bildet einen integrierenden Bestandteil und ein wichtiges Strukturelement des Stadtdenkmals von Waidhofen an der Ybbs, das in seiner heutigen Form noch ein weitgehend homogenes Verbauungsgefüge einer mittelalterlichen Stadtanlage bildet. Wenn die Berufungswerberin vorbringt, die Geschichte Waidhofen an der Ybbs sei für die Bedeutung des gegenständlichen Bauwerkes unbeachtlich, so verkennt sie, dass sich gerade aus der Stadtgeschichte ein wesentlicher Teil der Bedeutung des verfahrensgegenständlichen Hauses ergibt. So fand die prosperierende Wirtschaftsentwicklung der planmäßig ausgebauten Stadt, die um 1500 als stark befestigter Hauptort eines Gauhandelsverbandes mit ca. 250 ansässigen Schmieden im Bereich der niederösterreichischen Eisenwurzen höchste wirtschaftliche Blüte erlangte, in der überlieferten urbanen Verbauungen architektonischen Ausdruck und ist heute noch weitgehend in der gotischen Grundstruktur bzw. vorwiegend in der aus dem 15. und 16. Jahrhundert stammenden Bausubstanz ablesbar. Das ehemals im Eigentum verschiedener Hutterermeister stehende Gebäude U-Platz ist mit seinem authentischen Erhaltungszustand Dokument der oben erwähnten Besonderheiten der alten Eisenstadt.

Wenn die Berufungswerberin ausführt, die Eigentümersituation könne keine Rolle für die Bedeutung des Hauses spielen, weil es sich bei den Bewohnern nicht um bekannte Persönlichkeiten gehandelt habe, so ist darauf hinzuweisen, dass die Eigentümersituation hier im Zusammenhang mit der Lebens und Arbeitsweise der Bevölkerung der ehemaligen Eisenstadt Waidhofen an der Ybbs genannt wird, die durch die gewerbetreibenden Eigentümer auch am gegenständlichen Haus ablesbar ist.

Aufgrund der nachvollziehbaren und schlüssigen amtssachverständigen Ausführungen stellt die Berufungsbehörde fest, dass es sich bei dem Haus U-Platz in Waidhofen an der Ybbs um ein Denkmal handelt.

Wenn die Berufungswerberin in ihrer Stellungnahme die Tatsache beanstandet, dass die Behörde erster Instanz im Berufungsverfahren als Amtssachverständige agiert, so wird darauf hingewiesen, dass ein solches Vorgehen der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entspricht. Grundsätzlich können Amtssachverständige des Bundesdenkmalamtes im Berufungsverfahren auch dann beigezogen werden, wenn sie bereits im Verfahren erster Instanz tätig waren (vgl. VwGH 24. Mai 2007, Zl. 2004/07/0027). Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber hinaus vielmehr erkannt, dass andere Sachverständige nur dann heranzuziehen sind, wenn es die Besonderheit des Falles erfordert (VwGH 25. September 1992, Zl. 92/09/0198).

Eine derartige Besonderheit des Falles liegt jedoch nicht vor. Selbst die Behauptung, die neuerliche Stellungnahme der Amtssachverständigen wiederhole lediglich das erstinstanzliche Gutachten kann für die Beiziehung eines anderen Sachverständigen keine Grundlage bilden. Die Berufungsbehörde sieht in der Tatsache, dass die beiden Gutachten ähnliche Aussagen treffen, eine Bestärkung der Ausführungen des erstinstanzlichen Gutachtens und in der Folge der Bedeutung des Hauses als Denkmal, zumal die Berufungswerberin kein gegenteiliges Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene vorgelegt hat. Für die Berufungsbehörde bestehen keine Zweifel an der Schlüssigkeit der Amtssachverständigengutachten. Bei den Ausführungen der Berufungswerberin handelt es sich lediglich um Behauptungen, denen es an einer nachvollziehbaren wissenschaftlichen Basis mangelt.

Das öffentliche Interesse an der Erhaltung eines Denkmals ist gemäß § 1 Abs. 2 DMSG dann anzunehmen, wenn es sich aus überregionaler oder vorerst auch nur regionaler (lokaler) Sicht um Kulturgut handelt, dessen Verlust eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestandes in seiner Gesamtsicht hinsichtlich Qualität sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung bedeuten würde. Wesentlich ist auch, ob und in welchem Umfang durch die Erhaltung des Denkmals eine geschichtliche Dokumentation erreicht werden kann.

Das öffentliche Interesse ist ausschließlich anhand der Bedeutung zu prüfen (Bazil - Binder-Krieglstein - Kraft, Denkmalschutzrecht 2004, § 1 Anm. 15). Ein öffentliches Interesse an der Erhaltung besteht jedenfalls dann, wenn ein Denkmal einmalig oder selten ist, über ähnliche Denkmale deutlich hinausragt oder ein besonders gutes oder gut erhaltenes Beispiel seiner Art ist (Regierungsvorlage, 1769 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates, XX. GP).

Zu dem Vorbringen der Berufungswerberin, das Haus U-Platz weise im Vergleich mit den umliegenden Häusern keinerlei Besonderheiten auf, ist festzuhalten, dass das Bestehen eines öffentlichen Interesses an der Erhaltung eines Objektes nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes weder eine hervorragende noch eine außerordentliche Bedeutung des Denkmals erfordert. Wesentlich ist nicht der absolute Rang, der dem Denkmal zukommt, sondern inwieweit das Denkmal als Repräsentant einer bestimmten Epoche anzusehen ist (VwGH 14. Juni 1982, Zl. 81/12/0183).

Für die Berufungsbehörde steht fest, dass es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Haus um einen authentischen Repräsentanten der bürgerlichen Bau- und Wohnkultur verschiedener Epochen handelt. Die stattgefundenen Veränderungen im Laufe der Jahrhunderte machen das Gebäude als gewachsenes Denkmal zu einem repräsentativen Dokument der Bau- und Wohnkultur des Spätmittelalters, der frühen Neuzeit, des Barockzeitalters sowie des Historismus. Wie oben bereits erwähnt können auch die Veränderungen aus jüngerer Zeit die Bedeutung des Gebäudes nicht mindern. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist es zudem für das öffentliche Interesse nicht wesentlich, ob das Denkmal in all seinen Details im Originalzustand erhalten ist (VwGH 21. Oktober 1976, Zl. 266/75, oder auch VwGH 20. November 2001, Zl. 2001/09/0072). Das Haus U-Platz dokumentiert als aussagekräftiges baukünstlerisches Dokument die soziologischen Verhältnisse in den oben genannten Epochen.

Darüber hinaus belegt das authentisch erhaltene Haus in seiner Form und Ausgestaltung sowie durch seine Einbindung in die ehemalige Stadtmauer die Besonderheiten der Bebauung der alten Eisenstadt Waidhofen an der Ybbs.

Nicht zuletzt ist auch die städtebauliche Situation des Denkmals durch seine Beziehung und Lage zu den umliegenden Denkmalen eine Besonderheit. Im Zusammenhang mit dem Vorbringen der Berufungswerberin, das verfahrensgegenständlich Haus könne nicht alleine unter Denkmalschutz gestellt werden, da der Amtssachverständige mehrmals auf seine Bedeutung innerhalb des Stadtensembles verweise, ist auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen. Dieser hat in seiner Entscheidung vom 14. September 1981, Zl. 81/12/0052, erkannt, dass dann, wenn die Beziehung und Lage zu anderen Denkmalen alleine ausschlaggebend für die Unterschutzstellung des Denkmals ist, das öffentliche Interesse nur an der Erhaltung des gesamten Ensembles bestehen kann. Wie die bisherigen Ausführungen jedoch zeigen, ist die Lage und Beziehung zu den umliegenden Gebäuden im vorliegenden Fall nicht das einzig ausschlaggebende Moment für die denkmalschutzrechtliche Bedeutung des Bauwerkes, sondern ein zusätzliches.

Zur Frage der Teilunterschutzstellung des verfahrensgegenständlichen Objektes hält die Berufungsbehörde zunächst fest, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes grundsätzlich der ganze Gegenstand, der die geforderte Bedeutung hat und zivilrechtlich eine Einheit bildet, unter Denkmalschutz zu stellen ist (VwGH 1. Juli 1998, Zl. 96/09/0216). Ist die Teilbarkeit einer Sache gegeben, so ist nur jener Teil Gegenstand des Denkmalschutzes, der von geschichtlicher, künstlerischer oder sonstiger kultureller Bedeutung ist (VwGH 8. Oktober 1970, Zl. 351/70). Eine Teilunterschutzstellung ist zulässig, wenn in einem überschaubaren, abgeschlossenen Teil (z.B. das Innere) keine ursprüngliche Bausubstanz erhalten ist (VwGH 3. Juni 2004, ZI. 2002/09/0130).

Im vorliegenden Fall stellt die Berufungsbehörde fest, dass die Voraussetzung eines überschaubaren, abgegrenzten Teiles, der keine denkmalschutzrechtliche Bedeutung aufweist, nicht gegeben ist. Aufgrund der Ermittlungsergebnisse, insbesondere der Ergebnisse des Augenscheines vom 4. November 1999 und dem vom Amtssachverständigen Mag. K B in der Folge erstellten Ergänzungsgutachten ergibt sich, dass die historisch wertvolle Substanz des Gebäudes im Inneren mit den Adaptierungen der

              2.              Hälfte des 20. Jahrhunderts (wie z.B. Dachstuhl und Dachausbau) verflochten ist. Eine klare Abgrenzung der einzelnen Teile ist daher nicht möglich. Wenn die Berufungswerberin in ihren Vorbringen auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Juni 2004, Zl. 2002/09/0130, hinweist, so ist zu bemerken, dass gerade in dieser Entscheidung erkannt wurde, dass eine Teilunterschutzstellung nur überschaubare, abgeschlossene Teile umfassen kann.

Die Berufungswerberin brachte vor, mit der Unterschutzstellung des gegenständlichen Objektes liege eine Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes vor, da das benachbarte Haus nicht unter Denkmalschutz gestellt worden sei. Die Berufungsbehörde weist in diesem Zusammenhang auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hin - insbesondere auch auf die von der Berufungswerberin selbst mehrmals zitierte Entscheidung vom 3. Juni 2004, Zl. 2002/09/0130 - wonach aus der Tatsache, dass andere gleichartige Bauten im Bereich des U-Platzes (noch) nicht unter Denkmalschutz gestellt wurden, keine rechtlichen Konsequenzen für das gegenständliche Verfahren abzuleiten sind.

Abschließend hält die Berufungsbehörde fest, dass auf die in der Berufung vorgebrachten, wirtschaftliche und private Interessen betreffenden Argumente in einem Unterschutz-stellungsverfahren gemäß §§ 1 und 3 DMSG nicht eingegangen werden kann. Entsprechend der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist die Feststellung des öffentlichen Interesses ausschließlich nach der geschichtlichen, künstlerischen und kulturellen Bedeutung des Objektes zu prüfen. Es findet auch keine Abwägung mit anderen öffentlichen oder privaten Interessen statt (VwGH 15. Dezember 2004, Zl. 2003/09/0121).

Vor diesem Hintergrund steht für die Berufungsbehörde fest, dass der Verlust des Hauses U-Platz in Waidhofen an der Ybbs eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturgutbestandes bedeuten würde und seine Erhaltung als Einzeldenkmal somit im öffentlichen Interesse gelegen ist."

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Aktenvorlage, Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung erwogen:

Das gegenständliche Beschwerdeverfahren war am 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängig; die Beschwerdefrist ist vor diesem Zeitpunkt abgelaufen. Gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG waren auf dieses Verfahren daher die am 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen anzuwenden. Dies gilt - gemäß § 3 Z. 1 der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 idF der Verordnung BGBl. II Nr. 8/2014 - auch für die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455/2008. Die folgenden Zitate des VwGG in dieser Entscheidung beziehen sich auf dessen am 31. Dezember 2013 in Kraft gestandene Fassung.

Die Beschwerdeführerin bringt gegen den angefochtenen Bescheid vor, dass die belangte Behörde verabsäumt habe, das Interesse im Sinne des § 1 Abs. 1 DMSG an der Erhaltung ihres Gebäudes zu begründen. Es sei ausgeschlossen, dass irgendein Interesse an der Unterschutzstellung eines Objektes bestehe, wenn das Verfahren mehr als 14 Jahre in Anspruch genommen habe, ohne dass die Behörde irgendwelche Aktivitäten gesetzt habe. Die Verfahrensdauer sei nämlich nicht konkret durch Verzögerungsversuche durch die Beschwerdeführerin verursacht gewesen, sondern ausschließlich durch die jahrelange vollständige Inaktivität der belangten Behörde. Schon allein daraus ergebe sich, dass die Voraussetzungen für eine Unterschutzstellung des gegenständlichen Gebäudes nicht gegeben seien.

Mit diesem Einwand zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Zwar hat das Verfahren über die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid außerordentlich lange gedauert. Allein aus der Dauer des Verfahrens ist jedoch nicht abzuleiten, dass die Beurteilung der belangten Behörde, es handle sich beim Gebäude der Beschwerdeführerin um ein schutzwürdiges Denkmal im Sinne des § 1 Abs. 1 DMSG, rechtswidrig wäre. Vielmehr hat die belangte Behörde ihrer Beurteilung auf Gutachten von zwei Sachverständigen gestützt und angesichts der langen Verfahrensdauer auch ein neuerliches Gutachten im Jahr 2013 eingeholt, in welchem die Sachverständigen ebenfalls zu dem Ergebnis gelangten, dass das Gebäude als Objekt zu bewerten ist, dessen Verlust eine Beeinträchtigung des österreichischen Kulturbestandes in seiner Gesamtheit hinsichtlich Qualität sowie ausreichender Vielzahl, Vielfalt und Verteilung bedeuten würde. Dieser Beurteilung ist die Beschwerdeführerin nicht auf gleicher sachlicher Ebene und nicht substanziiert entgegengetreten und auch der Verwaltungsgerichtshof kann nicht finden, dass diese Beurteilung nicht schlüssig wäre.

Zwar ist die Verfahrensdauer tatsächlich unvertretbar lang, jedoch weist die belangte Behörde diesbezüglich in ihrer Gegenschrift nicht unzutreffend darauf hin, dass der Beschwerdeführerin das Instrument der Säumnisbeschwerde offen stand und sie dieses ungenützt ließ.

Eine weitere Rechtswidrigkeit erblickt die Beschwerdeführerin darin, dass die belangte Behörde eine Teilunterschutzstellung nicht in Betracht gezogen habe und insbesondere jene Teile ihres Gebäudes, welche an den benachbarten Betrieb einer Bäckerei und Konditorei vermietet seien, ebenfalls unter Schutz gestellt habe. Die belangte Behörde habe nicht ausreichend begründet, weshalb das Gebäude zur Gänze unter Schutz zu stellen sei.

Auch mit diesen Argumenten zeigt die Beschwerdeführerin letztlich keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die belangte Behörde hat nämlich gestützt auf die Gutachten der Sachverständigen und von der Beschwerdeführerin unwidersprochen ausgeführt, dass im vorliegenden Gebäude eine weitgehende Verflechtung historisch wertvoller Substanz mit Adaptierungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts (mit z.B. Dachstuhl und Dachausbau) gegeben sei. Eine Teilunterschutzstellung sei nicht sinnvoll. Die für eine teilweise Unterschutzstellung erforderliche Voraussetzung, dass ein überschaubarer, abgegrenzter Teil gegeben sei, der keine denkmalschutzrechtliche Bedeutung aufweise, sei nicht gegeben. Die Sachverständigen haben ausgeführt, dass das vorliegende Gebäude auch in seinem Inneren schutzwürdige Merkmale aufweise. Im Keller sei ein spätmittelalterliches Stichkappentonnengewölbe mit Schalbretterabdrucken erhalten, der überwiegende Teil des Mauerwerks gehöre dem 16. Jahrhundert an. Ein Türdurchgang im hinteren Erdgeschoßflur mit abgefasstem Rechteckgewände und aufgedoppelten Türblatt zeige, dass noch Binnenteilungen der 1. Hälfte des 16. Jahrhunderts vorhanden seien. Die zahlreichen Gewölbe seien überwiegend in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts zu datieren ebenso wie die mehrjochigen Platzlgewölbe über Korbbogengurten in Erd- und Obergeschoß. Es sei weiters eine Spiegeldecke vorhanden.

Diesen Feststellungen ist die Beschwerdeführerin auf gleicher sachlicher Ebene nicht entgegengetreten. Die Beschwerdeführerin hat insbesondere nicht dargelegt, welche abgrenzbaren Teile, insbesondere des Inneren, in dem als Bäckerei und Konditorei genutzten Gebäude keine Merkmale der Schutzwürdigkeit aufwiesen.

Die Beschwerdeführerin hat keine Hinweise darauf gegeben, dass die von den Sachverständigen und der belangten Behörde aufgezeigten Merkmale im Inneren des Gebäudes nicht gegeben seien und dass kein ausreichender Grund für die Unterschutzstellung auch des, teilweise als Konditorei und Bäckerei genutzten Inneren des Gebäudes gegeben sei.

Soweit die Beschwerdeführerin meint, durch die Unterschutzstellung werde eine bestehende, auf Grund einer gewerberechtlichen Betriebsanlagenbewilligung rechtmäßige Nutzung von Teilen ihres Gebäudes gefährdet und in Frage gestellt, so ist auf § 1 Abs. 1 DMSG hinzuweisen, wonach die Feststellung des öffentlichen Interesses an der Erhaltung eines Denkmals stets in jenem Zustand erfolgt, in dem es sich im Zeitpunkt des Rechtswirksamwerdens der Unterschutzstellung befindet. Die Beschwerdeführerin ist daher angesichts dieser Bestimmung durch den angefochtenen Bescheid nicht gehalten, Änderungen an ihrem Gebäude vorzunehmen und sie hat auch nicht aufgezeigt, auf welche Weise und in welcher Hinsicht Änderungen ihres nunmehr unter Schutz gestellten Gebäudes für den Betrieb ihres Mieters erforderlich wären. Wären derartige Änderungen erforderlich, so hätte diese das Bundesdenkmalamt in einem Verfahren auf Grund eines Antrages gemäß § 5 DMSG unter Achtung des in Art. 1 1. ZP-EMRK geschützten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Achtung des Eigentums und bei Gewährleistung eines angemessenen Ausgleichs zwischen den Erfordernissen des Allgemeininteresses am Schutz von Kulturgütern und jenen des Schutzes der Rechte des Einzelnen zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. März 2011, Zl. 2010/09/0144).

Nach dem Gesagten wurde die Beschwerdeführerin sohin nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten verletzt, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG.

Wien, am 18. Juni 2014

Schlagworte

Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2013090131.X00

Im RIS seit

08.07.2014

Zuletzt aktualisiert am

15.09.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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