RS Vfgh 2013/10/3 G88/2011

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Veröffentlicht am 03.10.2013
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Index

21/01 Handelsrecht

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
B-VG Art140 Abs1 / Prüfungsumfang
B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
UGB §277, §280, §281, §282, §283
VerlautbarungsG 1985 §1, §2a

Leitsatz

Abweisung des - zulässigen - Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des Unternehmensgesetzbuches betreffend die Verpflichtung zur Veröffentlichung des Jahresabschlusses großer Aktiengesellschaften im Amtsblatt zur Wiener Zeitung; zusätzlich zur Veröffentlichung in der Datenbank des Firmenbuchs vorgesehene Veröffentlichung in einem periodisch erscheinenden, weitgehend unentgeltlich zugänglichen Medium angesichts der besseren Zugänglichkeit von Informationen für die interessierte Öffentlichkeit im rechtspolitischen Ermessen des Gesetzgebers

Rechtssatz

Zulässigkeit des Individualantrags auf Aufhebung des §277 Abs2 und Abs3 sowie der Worte "und 2" in §277 Abs4 UGB, des zweiten Satzes des §280 Abs1 leg cit sowie der Worte "und in welcher Nummer des Bekanntmachungsblattes" in §281 Abs2 vierter Satz leg cit.

Die antragstellende Gesellschaft ist als große Aktiengesellschaft Normadressatin der Veröffentlichungspflicht des §277 Abs2 UGB und der Aufstellung eines Konzernabschlusses des §280 Abs1 zweiter Satz leg cit; die Rechtsfolgen der Veröffentlichungspflicht gemäß §283 Abs7 leg cit treffen - neben den Vorstand einer großen Aktiengesellschaft - jedenfalls auch die antragstellende Gesellschaft selbst.

Anfechtungsumfang im Antrag nicht zu eng gewählt; einerseits würde durch die isolierte Aufhebung des §277 Abs2 leg cit bzw des §280 Abs1 zweiter Satz leg cit die mögliche Verfassungswidrigkeit beseitigt und andererseits würde §283 Abs7 leg cit auch nicht einen dem Gesetzgeber nicht zusinnbaren Inhalt annehmen oder als sprachlich unverständlicher Torso inhaltsleer und unanwendbar überbleiben.

Die ebenfalls beantragte Aufhebung der Wortfolge "und in welcher Nummer des Bekanntmachungsblattes" in §281 Abs2 UGB ist zulässig, weil diese Bestimmung unmittelbar an die Veröffentlichungspflicht anknüpft.

Aufgrund der durch BGBl I 111/2010 erfolgten Änderung des Zwangsstrafenregimes liegt ein zumutbarer Umweg nun nicht mehr vor. Dem Betroffenen ist es - im Gegensatz zur früheren Rechtslage (VfSlg 15589/1999) - nun nicht mehr möglich, der Verhängung der Zwangsstrafe durch ihre Bekämpfung und die Erfüllung der Verpflichtung zu entgehen.

Die mit dem vorliegenden Antrag angefochtenen Bestimmungen wären in einem zivilrechtlichen Verfahren, in dem Prozessgegenstand die Rückforderung der Entgeltzahlung auf Grund einer Inseratenschaltung wäre, für das zuständige Gericht auch nicht präjudiziell.

Abweisung des Antrags.

Im Rahmen der Darlegung ihrer Bedenken bringt die antragstellende Gesellschaft ausschließlich Gründe vor, weswegen die angefochtene Bestimmung unsachlich sei, somit allenfalls das Gleichheitsrecht verletze. Da die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Freiheit der Erwerbsbetätigung einen anderen Schutzbereich und Inhalt haben als der Gleichheitsgrundsatz und bei diesen dementsprechend nach der Rechtsprechung des VfGH andere Eingriffsvoraussetzungen bestehen, ist auf die Behauptung einer Verletzung dieser Rechte nicht weiter einzugehen.

Es liegt im rechtspolitischen Ermessen des Gesetzgebers, für Veröffentlichungen, die als Folge des rechtsstaatlichen Prinzips oder aus sonstigen Gründen im öffentlichen Interesse liegen, ein besonderes Amtsblatt vorzusehen, das mit einer Tageszeitung verbreitet wird. Der Umfang der Veröffentlichungspflichten ist in sachlicher Weise abzugrenzen.

Die Veröffentlichung in der Datenbank des Firmenbuchs erfolgt insbesondere im Wege des Internets, während die Veröffentlichung im Amtsblatt zur Wiener Zeitung auch in Papierform ergeht. Ungeachtet der starken Verbreitung des Internets und dessen leichter weltweiter Verfügbarkeit darf nicht übersehen werden, dass schon die - in regelmäßigen Abständen erfolgende - Veröffentlichung in Papierform die Zugänglichkeit einer Veröffentlichung für einen nicht bloß unerheblichen Personenkreis, der das Internet bzw die Möglichkeit der Einsichtnahme bei Gericht und bei Notaren nicht nutzt, ermöglicht.

Dazu kommt, dass die Veröffentlichung in einem Periodikum eine andere Informationsmöglichkeit bietet als die bloße Zugänglichkeit in einer Datenbank, besteht doch bei der periodischen Information die Möglichkeit, sich laufend über die Veröffentlichungen einen Überblick zu verschaffen, während in der Datenbank des Firmenbuchs gezielt - mittels konkreter Abfrage unter Angabe der Firmenbuchnummer - nach einer bestimmten Veröffentlichung gesucht werden muss.

Nach der Absicht des Gesetzgebers (vgl §1 VerlautbarungsG 1985) erhält das "Amtsblatt zur Wiener Zeitung" die Stellung eines zentralen Publikationsorgans, dem die Funktion zukommt, grundsätzlich jedem von öffentlichen Bekanntmachungen Betroffenen einen laufenden Überblick über diese Veröffentlichungen zu verschaffen, ohne dass der Betroffene bereits wissen muss, welche Informationen für ihn von Relevanz sind, wie dies bei der bloßen Zugänglichmachung im Wege einer im Internet verfügbaren Datenbank erforderlich ist.

Die gesetzliche Anordnung des §2a VerlautbarungsG, den Inhalt des "Amtsblattes zur Wiener Zeitung" unentgeltlich im Internet bereit zu stellen, ermöglicht die Zugänglichkeit des Amtsblattes auch ohne den entgeltlichen Erwerb in Papierform. Das Amtsblatt zur Wiener Zeitung ist im Internet für jedermann unentgeltlich abrufbar, während sowohl Auszüge als auch Abfragen aus dem Firmenbuch im Hinblick auf Jahresabschlüsse kostenpflichtig sind.

Es liegt es daher im rechtspolitischen Ermessen des Gesetzgebers, zusätzlich zur Veröffentlichung in der Datenbank des Firmenbuchs auch eine Veröffentlichung in einem periodisch erscheinenden bzw weitgehend unentgeltlich zugänglichen Medium wie dem Amtsblatt zur Wiener Zeitung vorzusehen.

Dem Gesetzgeber kann auch nicht entgegengetreten werden, wenn er die Veröffentlichungspflicht im Amtsblatt zur Wiener Zeitung auf Grund der spezifischen Ausgestaltung von großen Aktiengesellschaften auf diese beschränkt und damit in sachlicher Weise an eine bestimmte Rechtsform anknüpft (zur Zulässigkeit der Differenzierung nach der Rechtsform vgl VfSlg 12175/1989).

Entscheidungstexte

Schlagworte

Handelsrecht, Gesellschaftsrecht, VfGH / Individualantrag, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Bedenken

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:G88.2011

Zuletzt aktualisiert am

29.12.2014
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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