TE Vfgh Erkenntnis 2013/9/23 B1473/2012

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Veröffentlicht am 23.09.2013
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Index

72/01 Hochschulorganisation

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlassfall
VfGG §88

Leitsatz

Aufhebung des angefochtenen Bescheides im Anlassfall

Spruch

I.              Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt worden.              

Der Bescheid wird aufgehoben.

II.              Die Universität Innsbruck ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreterin die mit € 2.620,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

1.1. Der Beschwerdeführer ist Studierender der Universität Innsbruck. Die Universität Innsbruck zählt zu jenen Universitäten, die – nachdem der Verfassungsgerichtshof mit VfSlg 19.448/2011, unter anderem §91 Abs1 bis 3 und Abs8 des Bundesgesetzes über die Organisation der Universitäten und ihre Studien (Universitätsgesetz 2002 – in der Folge: UG 2002), BGBl I 120/2002 idF BGBl I 134/2008, als verfassungswidrig aufgehoben und der Gesetzgeber bis zum Ablauf der vom Verfassungsgerichtshof gesetzten Frist für das Außerkrafttreten am 29. Februar 2012 keine Ersatzregelungen getroffen hatte – ihre Satzungen dahingehend änderten bzw. ergänzten, dass Bestimmungen eingeführt wurden, die mit Wirksamkeit ab dem Wintersemester 2012/13 eine Studienbeitragspflicht für Studierende vorsahen, die bestimmte, in den jeweiligen Satzungen (über weite Strecken gleichartig) geregelte Voraussetzungen erfüllen.

Gestützt auf §44 des Satzungsteiles "Studienrechtliche Bestimmungen" der Satzung der Universität Innsbruck, wiederverlautbart im Mitteilungsblatt der Universität Innsbruck vom 3. Februar 2006, 16. Stück, Nr 90 idF Mitteilungsblatt der Universität Innsbruck vom 19. Juni 2012, 35. Stück, Nr 322, wurde dem Beschwerdeführer für das Wintersemester 2012/13 ein Studienbeitrag in der Höhe von € 363,36 vorgeschrieben. Der Beschwerdeführer entrichtete den Studienbeitrag in der vorgeschrieben Höhe und stellte in der Folge einen Antrag auf Rückerstattung. Dieser Antrag wurde vom Rektorat der Universität Innsbruck in erster Instanz abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wies der Senat der Universität Innsbruck mit der Begründung ab, der Beschwerdeführer habe die beitragsfreie Studiendauer überschritten und sei somit auf Grund von §44 des Satzungsteiles "Studienrechtliche Bestimmungen" der Satzung der Universität Innsbruck idF Mitteilungsblatt der Universität Innsbruck vom 19. Juni 2012, 35. Stück, Nr 322, zur Leistung des vorgeschriebenen und geleisteten Studienbeitrages verpflichtet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte und insbesondere die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer gesetz- und verfassungswidrigen Verordnung, in concreto der eine Studienbeitragspflicht vorsehenden Bestimmung der Satzung der Universität Innsbruck, behauptet wird. Der Senat der Universität Innsbruck legte die Verwaltungsakten vor, sah aber von der Erstattung einer Gegenschrift ab. Der Bundesminister für Wissenschaft und Forschung übermittelte auf Einladung des Verfassungsgerichtshofes eine Äußerung.

1.2. Nachdem der Verfassungsgerichtshof in seinem (anlässlich der Behandlung der zu B878/2012 protokollierten Beschwerde eines Studierenden der Universität Wien gefassten) Prüfungsbeschluss vom 10. Oktober 2012 Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit von Studienbeitragsregelungen, die ohne entsprechende gesetzliche Grundlage als Teil von im Verordnungsrang stehenden Satzungen öffentlicher Universitäten erlassen wurden, geäußert hatte, wurde am 11. Jänner 2013 das Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 und das Studienförderungsgesetz 1992 geändert werden, im BGBl I 18/2013 kundgemacht. Der durch dieses Bundesgesetz eingeführte §143 Abs30 Satz 3 UG 2002 ordnete an, dass die in den Ziffern 1 bis 9 genannten "Regelungen über Studienbeiträge in Satzungen von Universitäten […] vom 1. Juni 2012 bis zum Wirksamwerden des §91 Abs1 bis 3 in der Fassung BGBl I Nr 18/2013 als Bundesgesetze" gelten. Zu diesen Regelungen zählte gemäß Ziffer 3 auch §44 des Satzungsteiles "Studienrechtliche Bestimmungen" der Satzung der Universität Innsbruck idF Mitteilungsblatt der Universität Innsbruck vom 19.6.2012, 35. Stück, Nr 322.

1.3. Ob der Verfassungsmäßigkeit dieser (u.a.) die, den angefochtenen Bescheid tragende Studienbeitragsregelung der Satzung der Universität Innsbruck in Gesetzesrang hebenden Bestimmung entstanden beim Verfassungsgerichtshof (u.a.) aus Anlass der vorliegenden Beschwerde Bedenken. Daher beschloss der Verfassungsgerichtshof am 16. März 2013, sowohl die Verfassungsmäßigkeit von §143 Abs30 Satz 3 UG 2002 idF BGBl I 18/2013 als auch die Gesetzes- und Verfassungsmäßigkeit (u.a.) des §44 des Satzungsteiles "Studienrechtliche Bestimmungen" der Satzung der Universität Innsbruck, Mitteilungsblatt der Universität Innsbruck vom 3. Februar 2006, 16. Stück, Nr 90 (Wiederverlautbarung), idF Mitteilungsblatt der Universität Innsbruck vom 19. Juni 2012, 35. Stück, Nr 322, – letzteres auf Grund derselben Bedenken, die den Verfassungsgerichtshof veranlasst hatten, am 10. Oktober 2012 im zu B878/2012 protokollierten Verfahren einen Prüfungsbeschluss hinsichtlich der eine Studienbeitragspflicht vorsehenden Bestimmungen der Satzung der Universität Wien zu fassen – von Amts wegen zu prüfen (VfGH 16.3.2013, B1010/2012-10 ua.).

1.4. Nachdem mit (Teil-)Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 29. Juni 2013 zunächst §143 Abs30 Satz 3 UG 2002 idF BGBl I 18/2013 als verfassungswidrig aufgehoben wurde (VfGH 29.6.2013, G35-40/2013-18, V32-36/2013-18), hob der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 23. September 2013 (VfGH 23.9.2013, G35-40/2013-22, V32-36/2013-22, V71/2012-18) u.a. §44 des Satzungsteiles "Studienrechtliche Bestimmungen" der Satzung der Universität Innsbruck, Mitteilungsblatt der Universität Innsbruck vom 3. Februar 2006, 16. Stück, Nr 90 (Wiederverlautbarung), idF Mitteilungsblatt der Universität Innsbruck vom 19. Juni 2012, 35. Stück, Nr 322, als verfassungswidrig auf.

2. Die – zulässige – Beschwerde ist begründet.

Die belangte Behörde hat eine verfassungswidrige Verordnung angewendet. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde daher durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg 10.303/1984, 10.515/1985).

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. Die Verpflichtung der Universität Innsbruck zum Ersatz der Prozesskosten ergibt sich aus den §§4 und 5 UG 2002 iVm Art81c B-VG (vgl. VfGH 28.6.2004, B1809/02; 28.6.2004, B1852/02; 9.10.2007, B1088/06). In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von € 400,– sowie eine Eingabengebühr gemäß §17a VfGG in der Höhe von € 220,– enthalten.

Schlagworte

VfGH / Anlassfall, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2013:B1473.2012

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2013
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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