TE Vfgh Erkenntnis 2004/6/28 B1809/02

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Veröffentlicht am 28.06.2004
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Index

72 Wissenschaft, Hochschulen
72/01 Hochschulorganisation

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall
VfGG §88

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Die Universität Linz ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit EUR 2.142,-- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen vierzehn Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Der Beschwerdeführer ist als Wissenschaftlicher Mitarbeiter (in Ausbildung) iSd. §6 des Bundesgesetzes über die Abgeltung von wissenschaftlichen und künstlerischen Tätigkeiten an Universitäten und Universitäten der Künste, BGBl. 1974/463, idF BGBl. I 2001/87 und 2002/87, (im Folgenden: UniAbgG) an der Universität Linz tätig.

1.2. Mit Schreiben vom 4. November 2002 beantragte der Beschwerdeführer die Aufnahme in das Wählerinnen- und Wählerverzeichnis für die vom Rektor der Universität Linz gemäß §2 Abs3 der Verordnung der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur über die Durchführung der Wahl der Mitglieder und Ersatzmitglieder zum Gründungskonvent, BGBl. II 2002/375, (im Folgenden: WahlV) ausgeschriebene Wahl der Mitglieder und Ersatzmitglieder zum Gründungskonvent.

1.3. Die Wahlkommission der Personengruppe der UniversitätsdozentInnen und wissenschaftlichen MitarbeiterInnen im Forschungs- und Lehrbetrieb der Universität Linz wies diesen Antrag mit Bescheid vom 6. November 2002 gemäß §3 WahlV iVm. den §§122 Abs2 Z6 und 9 und 120 Abs7 Z2 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I 120, (im Folgenden: UG 2002) ab.

Begründend wird dazu im Wesentlichen ausgeführt, das Wahlrecht zum Gründungskonvent stehe gemäß §3 WahlV nur jenen Personen zu, die kraft §122 UG 2002 am Stichtag den in §120 Abs7 Z1 bis 3 leg. cit. genannten Personengruppen angehörten. Die Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (in Ausbildung) iSd. §6 UniAbgG zählten zu Folge der Bestimmungen des §122 Abs2 Z6 und 9 UG 2002 organisationsrechtlich jedoch nicht zur - zum Gründungskonvent wahlberechtigten - Personengruppe der wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Forschungs-, Kunst- und Lehrbetrieb iSd. §100 leg. cit., sondern seien der - nicht wahlberechtigten - Personengruppe der Forschungsstipendiatinnen und Forschungsstipendiaten iSd. §95 leg. cit. gleichgestellt.

2. In der gegen diesen Bescheid erhobenen, auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wird die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art7 Abs1 B-VG) infolge Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich näher bezeichneter Bestimmungen in §122 Abs2 UG 2002, geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides begehrt.

3. Die Wahlkommission der Personengruppe der UniversitätsdozentInnen und wissenschaftlichen MitarbeiterInnen im Forschungs- und Lehrbetrieb der Universität Linz legte als belangte Behörde die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der resümierend Folgendes ausgeführt wird:

"Festzuhalten bleibt ..., daß auch die Mitglieder der Wahlkommission bei ihrer Beratung der Rechtsfrage keinen sachlichen Grund für einen Ausschluß wissenschaftlicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vom aktiven Wahlrecht zum Gründungskonvent gesehen haben."

II. Die für das Wahlrecht zum Gründungskonvent maßgeblichen Regelungen des §3 WahlV sowie der §§94, 120 und 122 UG 2002 lauten - auszugsweise - wie folgt:

1. §3 WahlV:

"§3. Das aktive und passive Wahlrecht an der betreffenden Universität steht allen Personen zu, die gemäß §122 Universitätsgesetz 2002 am Stichtag den in §120 Abs7 Z1 bis 3 Universitätsgesetz 2002 genannten Personengruppen angehören. ..."

2. §§94, 120 und 122 UG 2002:

"Einteilung

§94. (1) Zu den Angehörigen der Universität zählen:

1.

die Studierenden (§51 Abs3);

2.

die Forschungsstipendiatinnen und Forschungsstipendiaten;

3.

die Ärztinnen und Ärzte in Facharztausbildung;

4.

das wissenschaftliche und das künstlerische Universitätspersonal;

5.

das allgemeine Universitätspersonal;

6.

die Privatdozentinnen und Privatdozenten (§102);

7.

die emeritierten Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren;

8.

die Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren im Ruhestand.

(2) Zum wissenschaftlichen und künstlerischen Universitätspersonal gehören:

1. die Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren;

2. die Universitätsdozentinnen und Universitätsdozenten sowie die wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Forschungs-, Kunst- und Lehrbetrieb.

(3) Zum allgemeinen Universitätspersonal gehören:

1.

das administrative Personal;

2.

das technische Personal;

3.

das Bibliothekspersonal;

4.

das Krankenpflegepersonal;

5.

die Ärztinnen und Ärzte zur ausschließlichen Erfüllung von Aufgaben im Rahmen einer öffentlichen Krankenanstalt."

"Gründungskonvent

§120. (1) An jeder der in §6 Z1 bis 21 vorgesehenen Universitäten ist unverzüglich nach der Kundmachung dieses Bundesgesetzes ein Gründungskonvent einzurichten, der aus zwölf Mitgliedern besteht.

(2) Dem Gründungskonvent gehören Vertreterinnen und Vertreter der Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren, der im §94 Abs2 Z2 genannten Gruppe, des allgemeinen Universitätspersonals und der Studierenden der gleichnamigen Universität gemäß UOG 1993 oder KUOG an.

...

(7) Die Mitglieder und Ersatzmitglieder des Gründungskonvents sind folgendermaßen zu bestellen:

1. Sieben Vertreterinnen und Vertreter der Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren sind von allen

Universitätsprofessorinnen und Universitätsprofessoren (§97) zu wählen.

2. Zwei Vertreterinnen und Vertreter der im §94 Abs2 Z2 genannten Gruppe sind von allen Universitätsdozentinnen und Universitätsdozenten (§122 Abs3) sowie den wissenschaftlichen und künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Forschungs-, Kunst- und Lehrbetrieb zu wählen. Den Gewählten muss zumindest eine Person mit Lehrbefugnis (venia docendi) angehören.

3. Eine Vertreterin oder ein Vertreter des allgemeinen Universitätspersonals ist von allen Angehörigen des allgemeinen Universitätspersonals zu wählen.

4. Zwei Vertreterinnen und Vertreter der Studierenden sind durch die gesetzliche Vertretung der Studierenden zu entsenden.

..."

"Überleitung der Universitätsangehörigen gemäß UOG 1993

und KUOG

§122. (1) Alle zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens dieses Bundesgesetzes in einem Dienstverhältnis, Arbeitsverhältnis oder in einem sonstigen Rechtsverhältnis stehenden oder im Zeitraum zwischen dem In-Kraft-Treten und dem vollen Wirksamwerden dieses Bundesgesetzes neu in ein Dienst-, Arbeits- oder sonstiges Rechtsverhältnis aufgenommenen Universitätsangehörigen haben Rechte und Aufgaben nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes.

(2) Im Übrigen gilt Folgendes:

...

6. Wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Forschungs- und Lehrbetrieb gemäß §32 UOG 1993 und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kunst-, Forschungs- und Lehrbetrieb gemäß §33 KUOG gelten, soweit sie nicht arbeitsrechtlich zur Gruppe der Wissenschaftlichen und Künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (in Ausbildung) gemäß §6 des Bundesgesetzes über die Abgeltung von wissenschaftlichen und künstlerischen Tätigkeiten an Universitäten und Universitäten der Künste, BGBl. Nr. 463/1974 [gemeint: idF BGBl. I 2001/87], gehören, organisationsrechtlich als wissenschaftliche und künstlerische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Forschungs-, Kunst- und Lehrbetrieb gemäß §100 dieses Bundesgesetzes;

...

9. die Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Forschungs- und Lehrbetrieb gemäß §19 Abs2 Z2 UOG 1993 sind, soweit sie arbeitsrechtlich zur Gruppe der Wissenschaftlichen und Künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (in Ausbildung) gemäß §6 des Bundesgesetzes über die Abgeltung von wissenschaftlichen und künstlerischen Tätigkeiten an Universitäten und Universitäten der Künste, BGBl. Nr. 463/1974 [gemeint: idF BGBl. I 2001/87], gehören, organisationsrechtlich den Forschungsstipendiatinnen und Forschungsstipendiaten gemäß §96 [richtig: §95] dieses Bundesgesetzes gleichgestellt;

..."

III. 1. Mit Erkenntnis vom 11. Juni 2004, G32-34/04, hob der Verfassungsgerichtshof die Worte ", soweit sie nicht arbeitsrechtlich zur Gruppe der Wissenschaftlichen und Künstlerischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (in Ausbildung) gemäß §6 des Bundesgesetzes über die Abgeltung von wissenschaftlichen und künstlerischen Tätigkeiten an Universitäten und Universitäten der Künste, BGBl. Nr. 463/1974, gehören," in §122 Abs2 Z6 sowie den §122 Abs2 Z9 UG 2002 als verfassungswidrig auf.

2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlassfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlassfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zu Grunde gelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

3. Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlassfall (im engeren Sinn), anlässlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 11.711/1988).

Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren begann am 11. Juni 2004. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 11. Dezember 2002 eingelangt, war also zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zu Grunde liegende Fall ist somit einem Anlassfall gleichzuhalten.

4. Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides ua. die oben unter Pkt. III.1. bezeichneten, mit dem dort genannten Erkenntnis als verfassungswidrig aufgehobenen Gesetzesbestimmungen an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, dass diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war.

5. Der Beschwerdeführer wurde also durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt (zB VfSlg. 10.515/1985).

Der Bescheid war daher aufzuheben.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. Die Verpflichtung der Universität Linz zum Ersatz der Prozesskosten ergibt sich aus den §§4 und 5 UG 2002 iVm. der Verfassungsbestimmung des §2 Abs2 UOG 1993. Der zugesprochene Betrag enthält jeweils Umsatzsteuer in Höhe von EUR 327,-- sowie den Ersatz der entrichteten Eingabengebühr (§17a VfGG) in Höhe von EUR 180,--.

7. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall, VfGH / Kosten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2004:B1809.2002

Dokumentnummer

JFT_09959372_02B01809_2_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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