TE Vwgh Beschluss 2000/11/8 98/04/0193

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Veröffentlicht am 08.11.2000
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Index

L78000 Elektrizität;
L78100 Starkstromwege;
L82800 Gas;
yy41 Rechtsvorschriften die dem §2 R-ÜG StGBl 6/1945 zuzurechnen
sind;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
58/02 Energierecht;

Norm

EnergiewirtschaftsG 1935 §4;
VwGG §47 Abs2 Z2;
VwGG §48 Abs2 Z1;
VwGG §48 Abs2 Z2;
VwGG §53 Abs1;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/04/0194 98/04/0199

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, in den Beschwerdesachen der Dr. EL und des JL, beide in L und vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W (Zl. 98/04/0193), des KH und der MH, beide in Z und vertreten durch Dr. F und Mag. D, Rechtsanwälte in L (Zl. 98/04/0194), sowie des AS und der IS, beide in H und vertreten durch Dr. F und Mag. D, Rechtsanwälte in L (Zl. 98/04/0199), gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten (nunmehr Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) vom 2. September 1998, Zl. 556.115/42-VIII/6/97, betreffend Feststellung der Parteistellung und Einwendungen in einem Verfahren nach § 4 Energiewirtschaftsgesetz (mitbeteiligte Partei: O Aktiengesellschaft in L), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerden werden als gegenstandslos geworden erklärt und die Verfahren eingestellt.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund insgesamt Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenersatzbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurden (u.a.)

"Die Anträge auf Feststellung der Parteistellung und die Einwendungen gegen die von der O geplante Erdgashochdruckleitung (EHDL) 026 'Bad Leonfelden-Linz', enthalten in den Schriftsätzen vom 11.9.1997,

des KH und der MH, ...

...

des AS und der IS, ...

...

     der Antrag auf Feststellung der Parteistellung des JL und der

Dr. EL, ... enthalten im Schriftsatz vom 8.8.1997 sowie deren

Einwendungen, enthalten in den Schriftsätzen vom 19.6.1997 (dieser

wurde vom Magistrat der Stadt Linz mit Schreiben vom 4.8.1997 dem

Ministerium zuständigkeitshalber übermittelt) und vom 13.11.1997,

     ... mangels derzeit exakt definierbarer Betroffenheit und

mangels daraus ableitbarer Parteistellung gem. § 8 AVG 1991,

BGBl. Nr. 51 und gem. § 4 Energiewirtschaftsgesetz 1935,

GBlÖ Nr. 156/1939,

     zurückgewiesen."

Nach der Begründung dieses Bescheides habe die mitbeteiligte Partei mit Eingabe vom 3. Februar 1997 bei der belangten Behörde eine Anzeige gemäß § 4 Energiewirtschaftsgesetz für eine von ihr geplante Erdgashochdruckleitung von Bad Leonfelden nach Linz eingebracht. Mit diesem Schreiben habe die mitbeteiligte Partei auch mitgeteilt, dass auf Grund der Komplexität des gesamten Leitungssystems noch nicht alle Detailunterlagen und Pläne vorlägen. Sie habe beantragt, zunächst einen Feststellungsbescheid nach § 56 AVG zu erlassen, der über die Frage der Notwendigkeit der Nordanspeisung Linz über die Frage, inwieweit die Erdgashochdruckleitung-Trasse nicht den sonstigen berührten Interessen widerspreche, entscheide.

Bei ihrer rechtlichen Beurteilung geht die belangte Behörde im Wesentlichen davon aus, dass die mitbeteiligte Partei Detailunterlagen noch nicht ausgearbeitet habe, weil sie offenbar vorab eine mit den berührten öffentlichen Interessen abgestimmte generelle Trasse abgesteckt haben wolle, auf der sie dann die Detailprojektierung vornehmen könne. Die Betroffenheit von Grundeigentümern könne (erst) nach Ausarbeitung und Einreichung eines Detailprojektes festgestellt werden. Dann sei derjenige, auf dessen Liegenschaftseigentum sich die Erdgashochdruckleitung beziehe, bereits dadurch, dass das Projekt ohne Beanspruchung seines Eigentums nicht ausführbar sei, in seinen rechtlichen Interessen berührt und habe daher Parteistellung; und zwar nicht nur in dem - eine "Genehmigung" des Projektes voraussetzenden - Enteignungsverfahren, sondern auch im "Genehmigungsverfahren" selbst. Dieses "Genehmigungsverfahren" sei aber mangels Detailunterlagen noch gar nicht beantragt und schon gar nicht eingeleitet worden. Aus diesen Gründen hätten die Anträge auf Zuerkennung der Parteistellung und die damit verbundenen Einwendungen zurückgewiesen werden müssen.

Die Beschwerdeführer wurden mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Mai 2000 aufgefordert, zur Frage Stellung zu nehmen, inwieweit im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 19. Juni 1998, G 454/97, mit dem § 4 Energiewirtschaftsgesetz als verfassungswidrig aufgehoben und bestimmt wurde, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31. Dezember 1999 in Kraft tritt, noch eine Rechtsverletzungsmöglichkeit für die Beschwerdeführer besteht.

Die Erst- und Zweitbeschwerdeführer vertraten daraufhin (im Wesentlichen) die Auffassung, ein "positiver Feststellungsbescheid" nach § 4 Energiewirtschaftsgesetz habe (auch) die Wirkung, dass bescheidmäßig das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der Errichtung der Energieversorgungsanlage festgestellt werde, was eine neuerliche Ventilierung der Frage des öffentlichen Interesses in späteren Verfahren bezüglich dieser Energieversorgungsanlage ausschlösse. Die für nachfolgende Verfahren bindende Feststellung des Vorliegens eines öffentlichen Interesses an der betreffenden Energieversorgungsanlage sei trotz der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes aufrecht geblieben. Aus diesem Grunde seien aber auch die Interessen der Erst- und Zweitbeschwerdeführer nach wie vor berührt.

Die Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer teilten (gleich lautend) mit, dass mit dem zur hg. Zl. 2000/04/0225 angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 20. Dezember 1999, Zl. 556.115/143-VIII/6/99, ihre, im vorangegangenen Ermittlungsverfahren erhobenen Einwendungen auch inhaltlich behandelt und ihnen im dortigen Verfahren Parteistellung eingeräumt worden sei. Soweit sie im vorliegenden Verfahren den Bescheid, mit welchem ihre Einwendungen und Anträge mangels Parteistellung zurückgewiesen worden seien, angefochten hätten, erschienen sie somit - wenngleich außerhalb der im § 56 zweiter Satz VwGG in Verbindung mit § 36 Abs. 1 VwGG normierten Frist - klaglos gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerdesachen wegen ihres Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlussfassung verbunden.

Gemäß § 33 Abs. 1 VwGG ist, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde, nach dessen Einvernahme die Beschwerde in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen. Eine derartige Klaglosstellung (im engeren Sinne) setzt allerdings eine Beseitigung des beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides durch wen und aus welchem Titel auch immer, insbesondere eine formelle Aufhebung durch die belangte Behörde oder die allenfalls in Betracht kommende Oberbehörde oder durch den Verfassungsgerichtshof voraus (formelle Klaglosstellung). Eine zur Verfahrenseinstellung führende Gegenstandslosigkeit der Beschwerde kann jedoch auch dann eintreten (materielle Klaglosstellung), wenn durch Änderung maßgebender Umstände das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung wegfällt (vgl. zum Ganzen etwa den hg. Beschluss vom 23. September 1994, Zl. 92/17/0134, und die dort angegebene Vorjudikatur).

Die belangte Behörde ging davon aus, dass ein "Genehmigungsverfahren" nach § 4 Energiewirtschaftsgesetz noch gar nicht eingeleitet worden sei. Dies steht im Einklang damit, dass die im Grunde des § 4 Energiewirtschaftsgesetz erfolgte Anzeige der mitbeteiligten Partei den Antrag enthält, zunächst einen Feststellungsbescheid zu erlassen, der über die Frage der Notwendigkeit der Nordanspeisung Linz und über die Frage, inwieweit die Erdgashochdruckleitung-Trasse nicht den sonstigen berührten Interessen widerspreche, entscheide.

Der Verwaltungsgerichtshof ist daher der Auffassung, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides erst (lediglich) ein Verfahren über den Antrag der mitbeteiligten Partei auf die Erlassung eines - der Art nach - vorgelagerten "Grundlagen-Feststellungsbescheides" anhängig war (und noch kein "Genehmigungsverfahren" bzw. Verfahren zur Erlassung eines, wie die Erst- und Zweitbeschwerdeführer meinen, positiven Feststellungsbescheides, mit dem ausgesprochen werde, dass die betreffende Anlage dem Gemeinwohl entsprechen würde).

Ein solcher "Grundlagen-Feststellungsbescheid" wurde nicht erlassen und fehlt es der Behörde - jedenfalls - seit dem Ablauf des 31. Dezember 1999 an der gesetzlichen Grundlage, unter Berufung auf § 4 Energiewirtschaftsgesetz einen solchen "Grundlagen-Feststellungsbescheid" zu erlassen, weil der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 19. Juni 1998, G 454/97, § 4 Energiewirtschaftsgesetz in der Fassung der Verordnung über die Vereinfachung des Verfahrens nach § 4 des Energiewirtschaftsgesetzes als verfassungswidrig aufgehoben und bestimmt hat, dass die Aufhebung mit Ablauf des 31. Dezember 1999 in Kraft tritt.

Unter Berücksichtigung des Grundsatzes, dass die prozessualen Rechte einer Partei nur der Durchsetzung ihrer materiellen Rechte dienen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1993, Zl. 93/10/0106), besteht daher für die Beschwerdeführer eine Rechtsverletzungsmöglichkeit - jedenfalls seit Ablauf des 31. Dezember 1999 - nicht mehr. Ist doch ein allfälliger Eingriff in Rechte der Beschwerdeführer durch einen "Grundlagen-Feststellungsbescheid" mangels gesetzlicher Grundlage nicht mehr möglich (unabhängig von der Frage, ob ein solcher Feststellungsbescheid nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zulässig ist).

Eine "bindende Feststellung des Vorliegens eines öffentlichen Interesses an der betreffenden Energieversorgungsanlage", weshalb sich die Erst- und Zweitbeschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren nach wie vor berührt erachten, könnte lediglich durch den (zwischenzeitig ergangenen) Bescheid der belangten Behörde vom 20. Dezember 1999, Zl. 556.115/143-VIII/6/99, erfolgt sein (wobei hier dahingestellt bleiben kann, ob es sich um einen "Genehmigungsbescheid" oder im Sinne der Ausführungen der Erst- und Zweitbeschwerdeführer um einen "positiven Feststellungsbescheid" über das Vorliegen eines öffentlichen Interesses an der Errichtung der Energieversorgungsanlage handelt). Gegen diesen Bescheid vom 20. Dezember 1999, mit dem Einwendungen (auch) der Erst- und Zweitbeschwerdeführer (als Parteien des Verfahrens) inhaltlich behandelt wurden, haben auch die Erst- und Zweitbeschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof zur hg. Zl. 2000/04/0023 Beschwerde erhoben. In diesem Sinne haben sich auch die Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer als klaglos gestellt erklärt.

Die Beschwerden waren daher schon deshalb in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG als gegenstandslos geworden zu erklären und die Beschwerdeverfahren einzustellen.

Hinsichtlich der Kostenentscheidung ist zunächst darauf zu verweisen, dass - im Sinne des oben Gesagten - keine formelle Klaglosstellung eingetreten ist. Es war daher bei der Kostenentscheidung nicht § 56 erster Satz VwGG, sondern § 58 Abs. 2 VwGG anzuwenden. Nach der letztgenannten Bestimmung ist der nachträgliche Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens nicht zu berücksichtigen; würde hiebei die Entscheidung über die Kosten einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordern, so ist darüber nach freier Überzeugung zu entscheiden.

Im vorliegenden Fall ist ohne unverhältnismäßigen Prüfungsaufwand nicht zu ersehen, welchen Ausgang die verwaltungsgerichtlichen Verfahren genommen hätten, wären die Beschwerden nicht gegenstandslos geworden. Bei Gegenüberstellung der Argumentation des angefochtenen Bescheides mit jener der Beschwerden kommt der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der ihm gemäß § 58 Abs. 2 zweiter Halbsatz VwGG aufgetragenen Prüfung zum Ergebnis eines Kostenzuspruches an die belangte Behörde, weil er zur Annahme neigt, die belangte Behörde hätte im vorliegenden Fall obsiegt. Da die belangte Behörde nur eine (gemeinsame) Gegenschrift zu den (drei) Verfahren erstattet hat, in der sie Kostenzuspruch für die Erstattung einer Gegenschrift und den Pauschalersatz für die Aktenvorlage beantragt hat, ohne den Antrag auf Kostenzuspruch ausdrücklich auf ein bestimmtes Verfahren einzuschränken, war der Kostenersatz den Beschwerdeführern in diesen Verfahren anteilsmäßig aufzuerlegen. Die belangte Behörde ist nämlich in allen Verfahren als obsiegende Partei anzusehen. Der Fall, dass die belangte Behörde auf Grund mehrerer getrennter Beschwerden verschiedener Beschwerdeführer nur eine Gegenschrift erstattet und den Kostenersatz nur einmal beantragt, ist in den §§ 47 ff VwGG nicht ausdrücklich geregelt. Es war daher die sachlich nahe liegendste Regelung des § 53 Abs. 1 letzter Satz VwGG analog heranzuziehen (vgl. den hg. Beschluss vom 27. September 1999, Zl. 98/17/0307). Der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Zuerkennung von Schriftsatzaufwand war im Hinblick auf § 49 Abs. 1 VwGG in der Fassung

BGBl. I Nr. 88/1997 abzuweisen, weil die mitbeteiligte Partei bei der Einbringung der Gegenschrift nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war.

Wien, am 8. November 2000

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2000:1998040193.X00

Im RIS seit

28.09.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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