TE AsylGH Erkenntnis 2013/07/08 A10 409592-1/2009

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Veröffentlicht am 08.07.2013
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Spruch

A10 409.592-1/2009/6E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Dr. Pipal als Vorsitzenden und die Richterin Dr. Schnizer-Blaschka als Beisitzerin über die Beschwerde von XXXX, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.10.2009, GZ 09 10.512-BAT, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8 und 10 AsylG 2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011 als unbegründet abgewiesen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

 

I. 1. Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:

 

Die Beschwerdeführerin brachte nach der illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 01.09.2009 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz ein.

 

Bei der Erstbefragung am 01.09.2009 gab die Beschwerdeführerin im Beisein eines Dolmetschers im Wesentlichen an, sie stamme aus einer bestimmten Stadt im Edo State und gehöre der Volksgruppe der Benin und einer christlichen Kirche an. Sie habe von 1994 bis 1996 die Grundschule besucht und von 2006 bis 2008 als Friseurin gearbeitet. In ihrer Heimat leben noch die Mutter und zwei Brüder. Auf die Frage nach ihrem Fluchtgrund antwortete die Beschwerdeführerin, dass ihr Vater im Jahr 2009 von Mitgliedern eines Kultes getötet worden sei und dass diese auch sie hätten töten wollen.

 

Im Zuge ihrer niederschriftlichen Einvernahme beim Bundesasylamt am 07.09.2009 gab die Beschwerdeführerin unter Mitwirkung eines Dolmetschers im Wesentlichen an, dass Mitglieder einer Geheimgesellschaft vor einem Monat ihren Vater getötet haben. Dieser sei Mitglied der Geheimgesellschaft gewesen. Sie hätten die Beschwerdeführerin töten wollen, diese aber nicht gefunden und deswegen ihren Vater getötet. Die Beschwerdeführerin sei in einen Jungen verliebt gewesen. Sie haben den Jungen töten wollen und die Beschwerdeführerin habe ihm gesagt, dass er davonlaufen solle. Deshalb hätten sie die Beschwerdeführerin töten wollen. Auf weitere Nachfragen erklärte die Beschwerdeführerin noch, dass ein Mädchen diesen Jungen habe töten wollen. Die Beschwerdeführerin sei Mitglied dieser Geheimgesellschaft mit dem Namen XXXX gewesen. Dieses Mädchen habe das bei einem Treffen des Geheimbundes im Jahr 2006 gesagt. Der Junge sei auf Anraten der Beschwerdeführerin im Jahr 2006 davongelaufen. In der Folge sagte die Beschwerdeführerin aus, dass sie dem Jungen vor einem Monat gesagt habe, er solle davonlaufen. Der Geheimbund sei im Jahr 2006 begonnen worden, und zwar vom Obersten namens XXXX. Die Beschwerdeführerin sei als einziges Familienmitglied in dem Geheimbund Mitglied gewesen. Dass ihr Vater getötet worden sei, wisse sie aus der Zeitung. XXXX habe nach der Beschwerdeführerin geschickt, aber ihr Vater habe ihr gesagt, dass sie getötet werden würde, wenn sie dort hinginge. Den Geheimbund gebe es überall. Deswegen suche man alle Mitglieder, um sie zu verhaften. Alle Mitglieder des Geheimbundes seien schon davongerannt. Der Geheimbund regiere das ganze Land. Nach der Rückübersetzung ihrer Aussage korrigierte sich die Beschwerdeführerin: Ihr Vater sei nicht Mitglied der Geheimgesellschaft gewesen. Nicht der Vater, sondern die Freundin der Beschwerdeführerin habe ihr gesagt, dass sie wahrscheinlich getötet werden würde, wenn sie zu XXXX ginge.

 

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde I. der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen, II. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 abgewiesen und III. die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria ausgewiesen.

 

In der Begründung führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, dass die geltend gemachten Fluchtgründe wegen der vagen, widersprüchlichen und unplausiblen Angaben als nicht glaubhaft zu beurteilen seien. Es bestünden auch keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Beschwerdeführerin im Fall einer Rückkehr nach Nigeria Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden. Schließlich seien auch weder familiäre noch besondere private Anknüpfungspunkte in Österreich gegeben, sodass die Ausweisung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 EMRK darstelle. Das Bundesasylamt traf im angefochtenen Bescheid auch detaillierte Länderfeststellungen zur Lage in Nigeria.

 

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, worin im Wesentlichen das bisherige Vorbringen kurz wiederholt wurde.

 

I.2. Der Asylgerichtshof gelangte aufgrund des folgenden ergänzten Ermittlungsverfahrens zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts:

 

Mit Schreiben des Asylgerichtshofes vom 05.03.2013 wurde der Beschwerdeführerin zur Wahrung des Parteiengehörs das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens betreffend die aktuelle Lage in Nigeria zur Kenntnis gebracht und dieser die Möglichkeit geboten, ein weiteres Vorbringen zu erstatten, insbesondere auch zu privaten und familiären Bindungen zu Österreich sowie zu ihrem Gesundheitszustand.

 

Die Beschwerdeführerin brachte in ihrer Stellungnahme vom 25.03.2013 neben allgemeinen Ausführungen, insbesondere zur Lage in Nigeria, unter anderem vor, dass die Beschwerdeführerin als einfache Person durch die Fragestellungen im Verfahren überfordert gewesen sei. Zur Integration der Beschwerdeführerin in die österreichische Gesellschaft wurde ausgeführt, dass diese einen Deutschkurs der Niveaustufe A1/A2 mit gutem Erfolg besucht habe. Sie sei selbstständig erwerbstätig als Prostituierte und sie sei auch sozialversichert.

 

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens stellt der Asylgerichtshof folgenden Sachverhalt fest:

 

Zur Person und den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin wird festgestellt:

 

Die Beschwerdeführerin ist nach eigenen Angaben Staatsangehörige von Nigeria und stammt aus einer Stadt im Edo State. Sie gehört der Volksgruppe der Benin und einer christlichen Kirche an. Die Beschwerdeführerin ist volljährig, gesund und arbeitsfähig.

 

Es ist nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin im Fall einer Rückkehr in den Herkunftsstaat aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Ansichten von staatlicher Seite oder von Seiten Dritter bedroht wäre. Die Beschwerdeführerin behauptete eine Bedrohung durch einen Geheimkult wegen eines Geheimnisverrats, doch ist das gesamte diesbezügliche Vorbringen als unglaubwürdig zu qualifizieren und stünde außerdem im Fall einer lokal begrenzten Privatverfolgung eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.

 

Das Bundesasylamt ging insgesamt zu Recht davon aus, dass die Beschwerdeführerin eine drohende Verfolgung nicht glaubhaft machen konnte. Im Rahmen der Beweiswürdigung ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin keinerlei Beweismittel für ihr Vorbringen vorlegen konnte. Außerdem stellen sich die Angaben der Beschwerdeführerin zu den fluchtauslösenden Ereignissen in wesentlichen Punkten als vage und widersprüchlich dar. Die Beschwerdeführerin wurde vom Bundesasylamt sehr ausführlich zu ihrem Fluchtgrund einvernommen. Dabei behauptete sie beispielsweise, dass ihr Vater Mitglied der fraglichen Geheimgesellschaft gewesen sei, und gab später wiederum an, dass sei als einziges Familienmitglied bei dem Geheimbund gewesen und ihr Vater nicht Mitglied gewesen sei. Weiters sprach die Beschwerdeführerin zweimal von Ereignissen im Jahr 2006, nämlich einem Treffen des Geheimbundes sowie der Flucht eines Jungen nach dessen Warnung durch sie, und sagte dann in der Folge aus, dass dies erst vor einem Monat stattgefunden habe. Die Beschwerdeführerin gab einmal an, ihr Vater habe ihr gesagt, dass sie getötet werden würde, wenn sie zu XXXX ginge, und später korrigierte sie diese Aussage; nicht ihr Vater, sondern ihre Freundin habe ihr gesagt, dass sie wahrscheinlich getötet werden würde, wenn sie zu XXXX ginge. Unplausibel blieben auch die Behauptungen der Beschwerdeführerin, dass es einerseits den Geheimbund überall gebe und dieser das ganze Land regiere, dass aber andererseits alle Mitglieder des Geheimbundes gesucht werden und verhaftet werden sollen und bereits davongerannt seien. In diesem Zusammenhang vermag auch der floskelhafte Hinweis auf eine intellektuelle Überforderung der Beschwerdeführerin nicht zu überzeugen.

 

Der Asylgerichtshof geht außerdem hinsichtlich der Frage einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Nigeria davon aus, dass es selbst im Fall einer tatsächlichen Bedrohung in einem Teil Nigerias, etwa durch gewalttätige Einzelpersonen oder Gruppen, nach den Länderberichten für eine Einzelperson möglich ist, sich auf zumutbare Weise in einem anderen Landesteil, etwa in einer der großen Städte, niederzulassen und auf diese Weise mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einer Gefahr zu entziehen, insbesondere angesichts der Bevölkerungsdichte sowie des fehlenden Meldewesens (z. B. Österreichische Botschaft Abuja, Asylländerbericht Nigeria, November 2011; U. S. Department of State, 2011 Country Reports on Human Rights Practices - Nigeria, 24.05.2012). Die Beschwerdeführerin vermochte die diesbezüglichen Länderberichte nicht auf substanziierte Weise in Zweifel zu ziehen. Es ist letztlich nicht glaubhaft, dass die Beschwerdeführerin in einem derart großen Staat wie Nigeria mit einer Einwohnerzahl von über 160 Millionen Menschen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von allfälligen Verfolgern aufgefunden werden könnte. Bei der Beschwerdeführerin handelt es sich um eine arbeitsfähige junge Frau. Diese konnte also im Verfahren nicht näher ausführen, warum es ihr nicht möglich sein sollte, erforderlichenfalls in einem anderen Teil Nigerias eine Beschäftigung aufzunehmen und sich eine Existenzgrundlage aufzubauen.

 

Insgesamt gesehen konnte somit von der Beschwerdeführerin eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende Verfolgung in ihrem Herkunftsstaat nicht glaubhaft gemacht werden.

 

Es konnten im konkreten Fall auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin Gefahr liefe, in ihrem Herkunftsstaat einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe, der Todesstrafe oder einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr ausgesetzt zu sein. Insbesondere ist laut den Länderfeststellungen in Nigeria die Basisversorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln grundsätzlich gewährleistet und herrscht keine Hungersnot. Die Beschwerdeführerin selbst ist volljährig, gesund und arbeitsfähig, sodass sie in Nigeria zumindest durch einfache Arbeit ihr nötiges Einkommen erzielen könnte, um sich eine Existenzgrundlage zu schaffen.

 

Zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin wird Folgendes festgestellt:

 

Die Beschwerdeführerin verbrachte nach eigenen Angaben den Großteil ihres Lebens in Nigeria. Erst im September 2009 reiste die Beschwerdeführerin illegal nach Österreich ein und hält sich seither dreieinhalb Jahre aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerberin im Bundesgebiet auf. In Nigeria leben noch mehrere nahe Verwandte der Beschwerdeführerin.

 

Auf besondere private oder familiäre Bindungen der Beschwerdeführerin zu Österreich, etwa eine Tätigkeit in einem Verein oder einer sonstigen Organisation, gibt es keinen Hinweis. Die Beschwerdeführerin besuchte einen Deutschkurs der Niveaustufe A1/A2 mit gutem Erfolg. Sie ist als Prostituierte erwerbstätig und sie ist sozialversichert. Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

 

Zur Lage in Nigeria wird festgestellt:

 

Die Situation in Nigeria ist trotz momentaner Staatskrise grundsätzlich ruhig und von gegenseitiger Dialogbereitschaft geprägt, die Staatsgewalt, insbesondere Polizei und Justiz, ist funktionsfähig. Anzumerken ist jedoch, dass die nigerianische Bundespolizei in personeller Hinsicht im Vergleich zu westlichen Staaten relativ schlecht ausgestattet und verschiedentlich auch mangelhaft ausgebildet ist, weshalb in einzelnen Bundesstaaten so genannte Bürgerwehren polizeiliche Aufgaben übernommen haben. In einzelnen Landesteilen Nigerias, z. B. im Plateau State, kommt es wiederholt zu religiös motivierten gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Christen und Moslems. Außerdem gibt es in einigen nördlichen Bundesstaaten, z. B. Kano State und Kaduna State, Angriffe auf kirchliche Einrichtungen und auf moderate Muslime durch radikalislamische Gruppierungen und Einzeltäter. Teilweise wird die Zivilbevölkerung in die gewalttätigen Konflikte hineingezogen und öffentliches Gut zerstört. Zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung setzt die Regierung das Militär und hier insbesondere die Spezialtruppe JTF ein. Abgesehen von diesen lokal und zeitlich begrenzten Auseinandersetzungen ist die Situation in Nigeria jedoch ruhig.

 

Die Präsidentschaftswahlen im April 2011 zeichneten sich als die freisten und fairsten Wahlen in der Geschichte Nigerias aus. Während des Wahlkampfes und nach Bekanntgabe der Ergebnisse kam es jedoch in vielen Städten des Nordens zu schweren Ausschreitungen, bei welchen mindestens 800 Personen ums Leben kamen. Das gewählte Staatsoberhaupt Goodluck Jonathan, ein Christ aus dem Niger Delta, führte sein bisheriges Programm des Ausgleichs zwischen Norden und Süden und der Reintegration ehemaliger Kämpfer in der Niger-Delta-Region fort. Während das Niger-Delta-Programm gut läuft, kam es aufgrund der ungleichen Lage des Südens und des Nordens immer wieder zu gewalttätigen Angriffen von extremistischen Kräften.

 

Die im Mai 1999 in Kraft getretene nigerianische Verfassung verfügt im Kapitel V über einen Grundrechtskatalog, der sich an den einschlägigen völkerrechtlichen Instrumenten orientiert. Die nigerianische Regierung bekennt sich auch politisch zum Schutz der Menschenrechte und zählt diesen zu den Prioritäten des Regierungshandelns. Die Verfassung garantiert die Religionsfreiheit, definiert Nigeria als säkularen Staat und verbietet es dem Bundesstaat oder einzelnen Staaten, eine Religion zur Staatsreligion zu machen.

 

Grundsätzlich kann, insbesondere wegen des fehlenden Registrierungswesens, örtlich begrenzten Konflikten bzw. Verfolgungsmaßnahmen durch Übersiedlung in einen anderen Landesteil ausgewichen werden. Diese Migrationsbewegungen finden auch statt. Die nigerianische Gesellschaft ist hochflexibel und obendrein mehrsprachig. Alle nigerianischen Großstädte sind multi-ethnisch. In der Regel wohnen die Angehörigen der jeweiligen Volksgruppe möglichst in derselben Gegend, wenn sie nicht sogar ausschließlich ganze Stadtviertel belegen. Jeder der fremd in eine Stadt kommt, wird sich in die Gegend begeben, wo er "seine Leute" findet. Unter "seinen Leuten" können nicht nur Angehörige derselben Ethnie, sondern auch Personen desselben Religionsbekenntnisses, Absolventen derselben Schule oder Universität, Personen derselben Berufsgruppe sowie Bewohner desselben Dorfes oder derselben Region verstanden werden. Von diesen Personengruppen kann der Betreffende Unterstützung erwarten. In der Regel wird ihm die Bestreitung des Lebensunterhaltes ermöglicht werden. Es kann also davon ausgegangen werden, dass es selbst im Fall einer tatsächlichen Bedrohung in einem Teil Nigerias möglich ist, sich auf zumutbare Weise in einem anderen Landesteil Nigerias, etwa in einer der großen Städte, niederzulassen und auf diese Weise mit hinreichender Wahrscheinlichkeit der Gefahr zu entziehen, insbesondere angesichts der Bevölkerungsdichte in Nigeria sowie des fehlenden Meldewesens. In einem derart großen Staat wie Nigeria mit einer Einwohnerzahl von über 160 Millionen Menschen kann eine Einzelperson im Allgemeinen nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von allfälligen Verfolgern aufgefunden werden.

 

Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass abgelehnte Asylwerber bei der Rückkehr nach Nigeria nach Beantragung von Asyl in einem westeuropäischen Land mit staatlichen Repressionen zu rechnen hätten. Außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise (z. B. Verhaftung) von abgeschobenen oder freiwillig ausgereisten Asylwerbern sind bisher nicht bekannt geworden. Die Basisversorgung der Bevölkerung mit Grundnahrungsmitteln ist zumindest im städtischen Bereich grundsätzlich gewährleistet. Auch Frauen können sich in Nigeria - wenn auch auf niedrigem wirtschaftlichem Niveau - eine Existenzgrundlage schaffen. In den Großstädten ist eine ausreichende medizinische Versorgung gegeben, es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser. Auch psychische Erkrankungen können grundsätzlich behandelt werden. Die Kosten für die Medikamente und oft auch die Kosten für die Behandlung müssen grundsätzlich von den Patienten bzw. deren Angehörigen getragen werden.

 

Quellen: Home Office, U. K. Border Agency, Operational Guidance Note Nigeria, Oktober 2012; Bundesasylamt - Staatendokumentation, Feststellungen zu Nigeria in 10 Teilen, Oktober 2012; BAMF-IOM, Rückkehr nach Nigeria - Länderinformationsblatt, August 2012; österreichisches Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, Außen- und Europapolitischer Bericht 2011, 08.07.2012; United States Department of State, Nigeria - Country Report on Human Rights Practices 2011, 24.05.2012; Amnesty International Deutschland, Amnesty Report 2012 - Nigeria, 24.05.2012; deutsches Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria, 06.05.2012; Konrad-Adenauer-Stiftung, Nigeria ein Jahr nach der Wahl - Die Konflikte nehmen zu, April 2012; Österreichische Botschaft Abuja, Asylländerbericht Nigeria, November 2011.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention - GFK droht.

 

§ 11 AsylG 2005 lautet:

 

"(1) Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

 

(2) Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerber zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen."

 

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

 

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459; 28.05.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031; 06.11.2009, 2008/19/0012). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011; 28.05.2009, 2008/19/1031). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid (bzw. das Asylerkenntnis) erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233).

 

Wenn Asylsuchende in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen, bedürfen sie nicht des Schutzes durch Asyl (VwGH 15.03.2001, 99/20/0036; 15.03.2001, 99/20/0134). Damit ist nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "internen Flucht- oder Schutzalternative" innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 29.03.2001, 2000/20/0539; 17.03.2009, 2007/19/0459).

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 17.09.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).

 

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinn ist die Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat nicht gewillt oder nicht in der Lage sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793).

 

Im vorliegenden Fall ist auf Grund der Sachverhaltsfeststellungen davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin eine drohende Verfolgung im Sinn der wiedergegebenen Gesetzesbestimmungen nicht glaubhaft machen konnte. Ihr Fluchtvorbringen war als unglaubwürdig zu beurteilen und außerdem stünde im Fall einer lokal begrenzten Privatverfolgung eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung.

 

II.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird und wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

 

Die Voraussetzungen dafür, einem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 subsidiären Schutz zu gewähren, unterscheiden sich im Ergebnis nicht von jenen nach § 8 Abs. 1 AsylG 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 in Verbindung mit § 57 Abs. 1 FrG (VwGH 19.02.2004, 99/20/0573; 28.06.2005, 2005/01/0080), weshalb zur Auslegung die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu diesen Bestimmungen herangezogen werden kann.

 

Nach dieser Rechtsprechung ist Voraussetzung für eine positive Entscheidung betreffend den subsidiären Schutz, dass eine konkrete, den Asylwerber betreffende, aktuelle, durch staatliche Stellen zumindest gebilligte oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt von diesen nicht abwendbare Gefährdung bzw. Bedrohung vorliege. Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 MRK gewährleisteten oder anderer in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erwähnter Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Landes in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 FrG gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 08.06.2000, 99/20/0203; 17.09.2008, 2008/23/0588). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 MRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 20.06.2002, 2002/18/0028; 06.11.2009, 2008/19/0174).

 

Gemäß § 8 Abs. 3 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag auch in Bezug auf den subsidiären Schutz abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

 

Der Asylwerber hat glaubhaft zu machen, dass er aktuell bedroht sei, dass die Bedrohung also im Fall seiner Abschiebung in dem von seinem Antrag erfassten Staat gegeben wäre und durch staatliche Stellen zumindest gebilligt wird oder durch sie nicht abgewendet werden kann. Gesichtspunkte der Zurechnung der Bedrohung im Zielstaat zu einem bestimmten "Verfolgersubjekt" sind nicht von Bedeutung; auf die Quelle der Gefahr im Zielstaat kommt es nicht an (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509; 22.08.2006, 2005/01/0718). Diese aktuelle Bedrohungssituation ist mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender Angaben darzutun, die durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauert werden (VwGH 02.08.2000, 98/21/0461; 25.01.2001, 2001/20/0011). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in seiner Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).

 

Im vorliegenden Fall liegen nach den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen keinerlei Umstände vor, welche ein Refoulement der Beschwerdeführerin in ihren Herkunftsstaat als unzulässig erscheinen ließen, zumal in Nigeria weder eine objektiv extreme Gefahrenlage in dem geschilderten Sinn noch eine konkrete Gefährdung der Beschwerdeführerin aus in ihrer Person gelegenen Gründen zu befürchten ist.

 

Aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin sowie den Länderberichten zu Nigeria lässt sich insbesondere keineswegs eine reale Gefahr ableiten, dass etwa eine arbeitsfähige Frau in Nigeria keinerlei Existenzgrundlage vorfinden oder sonst einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein könnte. Die Beschwerdeführerin hat jedenfalls wie jede Rückkehrerin auch die Möglichkeit, Unterstützung bei ihren Verwandten und Freunden bzw. bei Angehörigen ihrer Volksgruppe oder ihrer Kirche zu suchen.

 

Letztlich stellen sich also die von der Beschwerdeführerin angesprochenen Gefahren für Rückkehrer nach Nigeria in hohem Maße als spekulativ dar. Es trifft zwar nach den Länderberichten zu, dass die Lage in Nigeria regional instabil ist, doch kann im Sinn der maßgeblichen Rechtsprechung keineswegs von einer realen Gefahr der Verletzung von Bestimmungen der EMRK für Rückkehrer nach Nigeria schlechthin, etwa aufgrund eines Bürgerkrieges oder einer Hungersnot, ausgegangen werden, sodass die Voraussetzungen für die Gewährung des subsidiären Schutzes nicht vorliegen.

 

II.3. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

 

Nach § 10 Abs. 2 AsylG 2005 sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn

 

1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder

 

2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

a) die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

 

b) das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

 

c) die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

 

d) der Grad der Integration;

 

e) die Bindungen zum Herkunftsstaat des Fremden;

 

f) die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

 

g) Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

 

h) die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

 

i) die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 ist dann, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

 

Nach § 10 Abs. 4 AsylG 2005 gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Gemäß § 10 Abs. 5 AsylG 2005 ist über die Zulässigkeit der Ausweisung jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

Gemäß § 10 Abs. 6 AsylG 2005 bleiben Ausweisungen nach Abs. 1 binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht.

 

§ 10 Abs. 7 AsylG 2005 ordnet Folgendes an: Wird eine Ausweisung durchsetzbar, gilt sie als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem FPG und hat der Fremde binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht, wenn gegen den Fremden ein Rückkehrverbot erlassen wurde und für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 oder § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 38 durchführbar wird; in diesen Fällen hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

Gemäß § 10 Abs. 8 AsylG 2005 ist der Fremde mit Erlassung der Ausweisung über seine Pflicht zur unverzüglichen oder fristgerechten Ausreise und gegebenenfalls über die Möglichkeit eines Antrages auf Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise bei der örtlich zuständigen Fremdenpolizeibehörde (§ 55a FPG) zu informieren, insbesondere auf Rückkehrhilfe, sowie auf mögliche fremdenpolizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung (§ 46 FPG) hinzuweisen.

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

 

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

 

Bei dieser Interessenabwägung sind insbesondere folgende Kriterien zu berücksichtigen: die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung, die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die näheren Umstände der Zumutbarkeit der Übersiedlung des Partners in das Heimatland des Beschwerdeführers sowie die Frage, inwieweit die Dauer des Asylverfahrens dem Beschwerdeführer anzulasten ist (EGMR 12.01.2010, 47486/06, A. W. Khan, RN 39; 24.11.2009, 1820/08, Omojudi, RN 41; VfGH 07.10.2010, B 950/10; 01.07.2009, U 992/08 und U 1104/08; 29.09.2007, B 1150/07; 12.06.2007, B 2126/06; VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216 bis 0219).

 

Im vorliegenden Fall stellt die Verfügung einer Ausweisung der Beschwerdeführerin - im Hinblick auf ihren dreieinhalbjährigen Aufenthalt in Österreich - einen Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 Abs. 1 EMRK dar.

 

Jedoch ergab die Interessenabwägung nach den Gesichtspunkten des Art. 8 Abs. 2 EMRK, insbesondere der öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen sowie am wirtschaftlichen Wohl des Landes, dass dieser Eingriff in das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens im gegenständlichen Fall notwendig und verhältnismäßig ist (vgl. zur zwingend vorgesehenen Ausweisung von Asylwerbern nach dem negativen Abschluss des Asylverfahrens zwecks Vermeidung einer Umgehung von Einwanderungsvorschriften durch das Stellen von Asylanträgen z. B. VfGH 17.03.2005, G 78/04, und VwGH 08.09.2000, 2000/19/0043).

 

Denn nach den Feststellungen verbrachte die Beschwerdeführerin den Großteil ihres Lebens in Nigeria. In Nigeria leben noch mehrere nahe Verwandte der Beschwerdeführerin. Erst im September 2009 reiste die Beschwerdeführerin illegal nach Österreich ein und hält sich seither dreieinhalb Jahre als Asylwerberin im Bundesgebiet auf. Trotz dieser langen Aufenthaltsdauer misslang der Beschwerdeführerin jedoch eine entsprechende Integration in die österreichische Gesellschaft.

 

Die Beschwerdeführerin konnte keine aktuell bestehenden familiären Anknüpfungspunkte in Österreich glaubhaft machen. Jedenfalls wäre ein Familienleben auch zu einem Zeitpunkt entstanden, in dem den Beteiligten der bloß vorübergehende Aufenthaltsstatus der Beschwerdeführerin bewusst gewesen sein musste. Es trifft zwar zu, dass die Beschwerdeführerin auf Grund eines Asylantrages vorläufig zum Aufenthalt in Österreich berechtigt war, doch erwies sich dieser letztlich als unbegründet, sodass die Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt über einen gesicherten Aufenthaltsstatus verfügte. Im vorliegenden Fall kann die Verfahrensdauer des Asylverfahrens allerdings nicht der Beschwerdeführerin angelastet werden, weil sich diese nie dem Verfahren entzog.

 

Auch kamen im Zuge des Verfahrens keine besonders schützenswerten Aspekte des Privatlebens hervor. Insgesamt ist nicht zu erkennen, dass etwa von der Beschwerdeführerin besondere Schritte zu ihrer Integration gesetzt worden wären, etwa eine besondere Teilnahme am sozialen Leben in Österreich. Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten. Sie besuchte einen Deutschkurs der Niveaustufe A1/A2 mit gutem Erfolg, ist als Prostituierte erwerbstätig sowie sozialversichert.

 

Insgesamt ergab also die Abwägung der persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin mit den öffentlichen Interessen, dass die öffentlichen Interessen an der Ausweisung illegal eingereister Drittstaatsangehöriger sowie am wirtschaftlichen Wohl des Landes schwerer wiegen als die Auswirkungen der Ausweisung auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin. Diese ist letztlich mit ihrem Einwanderungswunsch auf die Möglichkeiten zu verweisen, einen Aufenthaltstitel in Österreich nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zu erlangen. Die vom Bundesasylamt ausgesprochene Ausweisung begegnet daher auch zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt keinen Bedenken.

 

Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 41 Abs. 7 AsylG 2005 unterbleiben, weil der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint bzw. sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Daran kann auch der Antrag auf Durchführung einer Verhandlung nichts ändern (VwGH 22.08.2007, 2005/01/0015, 0017).

Schlagworte
Ausreiseverpflichtung, Ausweisung, Glaubwürdigkeit, innerstaatliche Fluchtalternative, Interessensabwägung, mangelnde Asylrelevanz, non refoulement, private Verfolgung, soziale Verhältnisse, vorläufige Aufenthaltsberechtigung
Zuletzt aktualisiert am
16.07.2013
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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