TE AsylGH Erkenntnis 2013/05/06 S2 434521-1/2013

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.05.2013
beobachten
merken
Spruch

S2 434.519-1/2013/2E

 

S2 434.520-1/2013/2E

 

S2 434.521-1/2013/2E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch die Richterin Dr. Schnizer-Blaschka als Einzelrichterin über die Beschwerden 1.) des XXXX, 2.) der XXXX,

3.) des XXXX, 3.) gesetzlich vertreten durch die Mutter, XXXX, alle StA: Georgien, gegen die Bescheide des Bundesasylamtes vom 15.03.2013, Zlen. 13 01.037-EAST-Ost (ad. 1.), 13 01.038-EAST-Ost (ad. 2.), 13 01.039-EAST-Ost (ad. 3.), zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerden werden gemäß §§ 5 Abs. 1 iVm 10 Abs. 1 Z 1 und 10 Abs. 4 AsylG idF BGBl. I Nr. 38/2011 als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I.1. Die Beschwerdeführer (im Folgenden: "BF") sind alle Staatsangehörige Georgiens. Sie gelangten illegal in das österreichische Bundesgebiet und stellten am 24.01.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der 1.-BF ist der Ehemann der 2.-BF und beide sind die Eltern des minderjährigen 3.-BF.

 

Hinsichtlich des 1.- und der 2.-BF scheint jeweils ein EURODAC-Treffer für Polen (XXXX, AS 7 im Akt des 1.-BF und AS 7 im Akt der 2.-BF) auf.

 

Im Verlauf der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 24.01.2013 gaben der 1.-BF und die 2.-BF im Wesentlichen übereinstimmend an, dass sie keine Verwandten innerhalb der Europäischen Union hätten. Sie seien gemeinsam nach Minsk geflogen und danach mit einem Pkw nach Brest gefahren. Von Brest seien sie mit einem Zug nach Polen gereist. Im Zug seien die Beschwerdeführer von den polnischen Behörden kontrolliert und zur Polizeistation gebracht worden. Nachdem sie befragt und fotografiert worden seien, seien sie aufgefordert worden, in ein Lager zu gehen. Die Beschwerdeführer seien jedoch nicht in ein Lager gegangen, sondern mit einem Taxi nach Österreich gefahren. Sie seien nicht in Polen geblieben, weil ihnen vom Taxifahrer gesagt worden sei, dass die Entfernung zum Lager oder woanders hin dieselbe sei. Es sei überall besser als in Polen. Sie hätten sich nur einige Stunden in Polen aufgehalten und könnten nichts zu ihrem Aufenthalt in diesem Land angeben. Gegen eine Rückkehr nach Polen könnten sie nichts sagen. Der 1.-BF gab zu seinem Fluchtgrund an, seit dem Regierungswechsel Probleme zu haben, weil er davor für die XXXX tätig gewesen sei. Außerdem habe er tschetschenische Kämpfer mit Lebensmitteln versorgt. Die Zweitbeschwerdeführerin gab noch an, dass sie und ihr Sohn keine eigenen Fluchtgründe hätten und nur dem 1.-BF gefolgt seien. Die Zweitbeschwerdeführerin sorge sich um das Leben ihres Mannes. Sie habe Angst vor den georgischen Behörden (AS 11ff im Akt des 1.-BF und AS 11ff im Akt der 2.-BF).

 

Das Bundesasylamt richtete am 28.01.2013 ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung Nr. 343/2003 (EG) des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (im Folgenden: "Dublin II-VO") gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Polen (AS 29ff im Akt des 1.-BF und AS 27ff im Akt der 2.-BF).

 

Am 31.01.2013 wurde den 1.-2.-BF gemäß § 29 Abs. 3 AsylG mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, ihre Anträge auf internationalen Schutz zurückzuweisen und dass seit 28.01.2013 Konsultationen mit Polen geführt würden (AS 63ff im Akt des 1.-BF, AS 59ff im Akt der 2.-BF und AS 45ff im Akt des 3.-BF).

 

Mit Schreiben vom 04.02.2013, eingelangt am selben Tag, stimmte Polen dem Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO ausdrücklich zu (AS 79 im Akt des 1.-BF, AS 75 im Akt der 2.-BF und AS 61 im Akt des 3.-BF).

 

Im Verlauf einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 25.02.2013 antwortete der 1.-BF nach erfolgter Rechtsberatung auf die Frage, wie er sich fühle, dass er Halsschmerzen und einen hohen Blutdruck habe. Er sei aber in der Lage, der Einvernahme zu folgen. Er sei beim Lagerarzt in Behandlung und habe eine Überweisung erhalten. Alle Angaben in seiner Erstbefragung würden der Wahrheit entsprechen. Auf die Frage, wie lang er in Polen aufhältig gewesen sei, gab der 1.-BF an, ein paar Tage. Er habe eine kurze Einvernahme gehabt, aber sei nicht zu seinen Fluchtgründen befragt worden. Er habe den Abschluss seines Asylverfahrens in Polen nicht abgewartet, weil er gesundheitliche Probleme habe. Der 1.-BF habe in Polen nicht versucht, medizinische Behandlung in Anspruch zu nehmen, weil diese dort schlecht sei. Von anderen Leuten in Polen sei ihm gesagt worden, dass die Behandlung dort schlecht sei. Weiters gab der 1.-BF an, dass er in Polen keine Probleme gehabt habe. Innerhalb der Europäischen Union habe er keine Verwandten. Außerdem führte der Beschwerdeführer noch an, dass er behindert sei. Er habe Probleme mit der Blase und sei inkontinent. Am 26.02.2013 habe er einen Arzttermin (AS 93ff im Akt des 1.-BF).

 

Auch die 2.-BF wurde am 25.02.2013 nach erfolgter Rechtsberatung vor dem Bundesasylamt einvernommen. Dabei gab sie im Wesentlichen an, dass sie sich gut fühle und in der Lage sei, die Einvernahme durchzuführen. Sie sei die gesetzliche Vertreterin des 3.-BF und ihre Angaben würden auch für diesen gelten. Sie sei zwei Tage in Polen aufhältig gewesen, habe eine kurze Einvernahme gehabt und sei nicht zu den Fluchtgründen befragt worden. Alle hätten gesagt, dass die medizinische Versorgung in Polen nicht gut sei, weshalb die BF nach Österreich gekommen seien. Die 2.-BF habe keine gesundheitlichen Probleme gehabt. Sie habe während ihres Aufenthaltes in Polen keine Probleme mit Behörden oder sonstigen Personen gehabt. Innerhalb der Europäischen Union habe die 2.-BF keine Verwandten. Sie seien nach Österreich gekommen, weil die medizinische Versorgung in Polen schlecht sei. Ihr Mann sei inkontinent und benötige medizinische Hilfe. Dieser habe die Probleme schon lange. Ihr Mann sei in Polen nicht in Behandlung gewesen, weil ihnen gesagt worden sei, dass die medizinische Behandlung in Polen schlecht sei. Ihnen sei gesagt worden, dass die medizinische Versorgung in Österreich sehr gut sei, weswegen die BF hier her gekommen seien. Der 3.-BF habe Halsschmerzen und Probleme mit den Mandeln. Er sei bei einem Arzt gewesen und habe Medikamente bekommen (AS 87ff im Akt der 2.-BF).

 

Laut einer gutachterlichen Stellungnahme einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutische Medizin vom 04.03.2013 lägen beim 1.-BF und der 2.-BF keine belastungsabhängige krankheitswertige psychische Störung sowie keine sonstigen psychischen Krankheitssymptome vor. Der 1.-BF leide an einer körperlichen Beeinträchtigung. Es liege ein Zustand nach einer XXXX nach einer Mähdrescherverletzung im Jahr XXXX sowie eine XXXX nach einem Unfall mit einer XXXX vor (AS 113ff im Akt des 1.-BF und AS 107ff im Akt der 2.-BF).

 

In einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 13.03.2013 gab der 1.-BF im Wesentlichen an, dass er innerhalb der Europäischen Union keine Verwandten habe. Nachdem ihm das Untersuchungsergebnis der gutachterlichen Stellungnahme zur Kenntnis gebracht wurde, gab dieser an, ihm werde nicht geglaubt, dass er psychische Störungen habe. Er werde einmal von einem Gebäude hinunter springen oder sich mit einem Messer Verletzungen zufügen. Er fühle sich schlecht (AS 121ff im Akt des 1.-BF).

 

Vorgelegt wurde ein Befund eines Facharztes für Innere Medizin und Kardiologe vom 26.02.2013, woraus hervorgeht, dass beim 1.-BF Hypertonie, ein atypischer Thoraxschmerz und ein Zustand nach einer XXXX diagnostiziert worden seien. Der Versuch einer antidepressiven Therapie und eventuell auch PPI (Protonenpumpenhemmer, "Magenschutz") wegen gelegentlich auftretender Oberbauschmerzen seien vorgeschlagen worden (AS 133f im Akt des 1.-BF).

 

Die 2.-BF gab in einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 13.03.2013 nach Vorhalt des Untersuchungsergebnisses der gutachterlichen Stellungnahme im Wesentlichen an, dass in Polen eine Gefahr für die BF bestehe. Deswegen seien sie nach Österreich gekommen (AS 113ff im Akt der 2.-BF).

 

2. Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des Bundesasylamtes wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung der gegenständlichen Asylanträge gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO Polen zuständig sei. Gleichzeitig wurden die Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen, und gemäß § 10 Abs. 4 AsylG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführer nach Polen zulässig sei.

 

Begründend wurde hervorgehoben, dass im Verfahren kein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen besonderer, bescheinigter außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung ernstlich möglich erscheinen lassen, hervorgekommen sei. Die Regelvermutung des § 5 Abs 3 AsylG treffe daher zu. Es hätten sich keine Anhaltspunkte für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO ergeben. Weiters könne nicht festgestellt werden, dass die BF bei einer Überstellung nach Polen einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt werden würden. Auch würden der Überstellung nach Polen keine familiären Gründe entgegenstehen.

 

Die Bescheide enthalten auch eine ausführliche Darstellung zur Lage in Polen, insbesondere zum polnischen Asylverfahren, zum Non-Refoulement-Schutz sowie zu Versorgungsleistungen (AS 137ff im Akt des 1.-BF, AS 119ff im Akt der 2.-BF, AS 83ff im Akt des 3.-BF).

 

Gegen diese Bescheide des Bundesasylamtes wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, die samt Verwaltungsakten am 23.04.2013 beim Asylgerichtshof einlangten. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass der 1.-BF bei seiner Einvernahme falsche Angaben gemacht habe. Im Lager habe es Gerüchte gegeben, dass der gesamte Inhalt der Einvernahmen heimlich weitergegeben werde. Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer an, dass er sich aktiv gegen den Wahhabismus engagiert habe und seine Auftritte auch gefilmt worden seien. Es sei sein Hund getötet worden und am Eingang seines Hauses sei eine Sprengvorrichtung deponiert worden. Nach diesen Vorfällen seien die BF gezwungen gewesen, das Land zu verlassen. Seine Angehörigen hätten ihre Ausreise geplant und gesagt, dass die BF in jedes beliebige Land reisen könnten, nur nicht nach Polen. Angeblich gebe es dort Wahhabiten-Vereinigungen. Sie hätten von Polen nach Frankreich weiterreisen sollen, aber der Taxifahrer habe die Abmachung nicht eingehalten und die BF nach Wien gebracht (AS 239ff im Akt des 1.-BF, AS 221ff im Akt der 2.-BF, AS 183ff im Akt des 3.-BF).

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Die 1.- bis 3.-BF reisten gemeinsam über Minsk und Brest in Polen in den Bereich der Mitgliedstaaten ein, wo sie am XXXX einen Asylantrag stellten. Sie warteten das Verfahren dort jedoch nicht ab, sondern reisten illegal in das österreichische Bundesgebiet weiter, wo sie am 24.01.2013 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellten. Das Bundesasylamt richtete am 28.01.2013 ein auf Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin-II-VO gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Polen, welchem die polnischen Behörden mit Schreiben vom 04.02.2013 gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO ausdrücklich zustimmten. Ein die BF betreffendes Asylverfahren ist in Polen anhängig.

 

Die 2.-BF ist gesund. Der 1.-BF leidet an Hypertonie, einem atypischen Thoraxschmerz, ihm wurde im Jahr XXXX und er hat eine XXXX, nach eigenen Angaben leidet er an Inkontinenz. Dass der 1.-BF an psychischen Störungen leidet, die ein krankheitswertiges Maß erreichten, kann nicht festgestellt werden.

 

Der 3.-BF leidet bzw. litt an Halsschmerzen und hat Probleme mit den Mandeln.

 

Die BF haben keine Verwandten oder Personen mit Familienbezug in Österreich oder der EU.

 

Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF im Falle einer aktuellen Überstellung nach Polen Gefahr liefen, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

 

2. Die Feststellungen zum Reiseweg der Beschwerdeführer, zu ihrer Asylantragstellung in Polen sowie ihren persönlichen Verhältnissen ergeben sich aus den eigenen Vorbringen der 1.-2.-BF iZm der damit im Einklang stehenden Aktenlage. Die Feststellungen zum Verfahrensstand in Polen ergeben sich aus der ausdrücklichen Zustimmungserklärung Polens. Zum gesundheitlichen Zustand des 1.- BF ist anzuführen, dass sich dieser aus den eigenen Angaben des 1.-BF und aus dem Befund eines Facharztes für Innere Medizin und Kardiologie vom 26.02.2013 ergeben. Soweit der 1.-BF vorbrachte, an psychischen Störungen zu leiden, so ist dementgegen vor dem Hintergrund der gutachterlichen Stellungnahme der Ärztin für Allgemeinmedizin und Psychotherapeutische Medizin vom 04.03.2013 davon auszugehen, dass dieser an keiner belastungsabhängigen krankheitswertigen psychische Störung sowie an keinen sonstigen psychischen Krankheitssymptome leidet. Selbst wenn der 1-BF daher subjektive Beschwerden haben sollte, ergeben sich keine ausreichend konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Erkrankungen schwer oder gar lebensbedrohlich wären. Der gesundheitliche Zustand des 3.- BF ergibt sich aus den Angaben der 2.-BF, wobei sich auch hinsichtlich des 3.-BF kein Anhaltspunkt für einen (über die mitgegebene Medikation hinausgehenden) aktuell noch bestehenden medizinischen Behandlungsbedarf oder gar eine tatsächlich bestehende lebensbedrohliche Erkrankung ergeben hat. Eine die BF in Polen betreffende Bedrohungssituation wurde nicht ausreichend konkret dargelegt, und zwar auch nicht in der Beschwerde, in der der 1.-BF - im Übrigen unter Verstoß gegen das Neuerungsverbot - völlig unsubstantiiert vorbrachte, in Polen gebe es Wahhabiten-Vereinigungen. Inwiefern er in Polen konkret von solchen bedroht werden könnte, hat er ebenso wenig dargelegt wie Umstände, die gegen die Schutzfähigkeit des polnischen Staates sprechen könnten (siehe dazu auch unten die rechtlichen Ausführungen zur Gefährdung durch Dritte in Polen, Punkt 3.2.b.bb).

 

3. Rechtlich ergibt sich Folgendes:

 

3.1. Mit 01.01.2006 ist das AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in Kraft getreten und ist auf alle ab diesem Zeitpunkt gestellten Asylanträge idgF anzuwenden.

 

Im gegenständlichen Fall wurde der Antrag auf internationalen Schutz nach diesem Zeitpunkt gestellt, weshalb das AsylG 2005 in den maßgeblichen Bestimmungen idF BGBl. I Nr. 38/2011 zur Anwendung gelangt.

 

3.2. Zur Frage der Zuständigkeit eines anderen Staates (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

 

a) Gemäß § 5 Abs. 1 AsylG ist ein nicht gemäß § 4 erledigter Antrag auf internationalen Schutz als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder aufgrund der Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit dem Zurückweisungsbescheid hat die Behörde auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 2 AsylG ist auch nach Abs. 1 vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin II-VO dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Gemäß § 5 Abs. 3 AsylG ist, sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder bei der Behörde offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

 

Die Dublin II-VO sieht in den Art. 6 bis 14 des Kapitels III Zuständigkeitskriterien vor, die gemäß Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO in der im Kapitel III genannten Reihenfolge Anwendung finden. Gemäß Art. 5 Abs. 2 Dublin II-VO wird bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt. Gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat im Sinne dieser Verordnung und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen.

 

In Art. 16 sieht die Dublin II-VO in den hier relevanten Bestimmungen Folgendes vor:

 

"Art. 16 (1) Der Mitgliedstaat der nach der vorliegenden Verordnung zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, ist gehalten:

 

(...)

 

c) einen Antragsteller, der sich während der Prüfung seines Antrags unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates aufhält, nach Maßgabe des Artikels 20 wieder aufzunehmen.

 

(...)

 

(3) Die Verpflichtungen nach Absatz 1 erlöschen, wenn der Drittstaatsangehörige das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten für mindestens drei Monate verlassen hat, es sei denn, der Drittstaatsangehörige ist im Besitz eines vom Mitgliedstaat ausgestellten gültigen Aufenthaltstitels."

 

Unter Zugrundelegung des festgestellten Sachverhaltes, wonach die BF zunächst in Polen einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt sowie sich vor Abschluss dieses Verfahrens nach Österreich begeben, das sie seither nicht verlassen haben, sie weiters auch keine "Familienangehörigen" (iSd Art. 7 iVm Art. 2 lit. i Dublin II-VO) in Österreich haben, kommt nach den Kriterien der Dublin II-VO deren Art. 16 Abs. 1 lit. c (iVm Art. 13) für die Wiederaufnahme in Betracht. Die erste Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der getroffenen Unzuständigkeitsentscheidung ist somit gegeben.

 

Polen hat im Übrigen auch auf Grundlage dieser Bestimmung seine Zuständigkeit bejaht und sich zur Übernahme der BF und Behandlung ihrer Anträge bereit erklärt.

 

b) Das Bundesasylamt hat ferner von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO keinen Gebrauch gemacht. Es war daher noch zu prüfen, ob von diesem Selbsteintrittsrecht im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK zwingend Gebrauch zu machen gewesen wäre.

 

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 17.06.2005, B 336/05, festgehalten, die Mitgliedstaaten hätten kraft Gemeinschaftsrecht nicht nachzuprüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat generell sicher sei, da eine entsprechende normative Vergewisserung durch die Verabschiedung der Dublin II-VO erfolgt sei, dabei aber gleichzeitig ebenso ausgeführt, dass eine Nachprüfung der grundrechtlichen Auswirkungen einer Überstellung im Einzelfall gemeinschaftsrechtlich zulässig und bejahendenfalls das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO zwingend geboten sei.

 

Die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu den Determinanten dieser Nachprüfung lehnt sich an die Rechtsprechung des EGMR an und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigende notorische Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter auf den betreffenden Fremden bezogener Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 26.11.1999, 96/21/0499, VwGH 09.05.2003, 98/18/0317; vgl auch VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059): "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, 2006/01/0949).

 

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl VwGH 17.02.1998, 96/18/0379; EGMR Mamatkulov & Askarov v Türkei, Rs 46827, 46951/99, 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde (Art. 16 Abs. 1 lit. e Dublin II-VO). Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 31.03.2005, 2002/20/0582, VwGH 31.05.2005, 2005/20/0025, VwGH 25.04.2006, 2006/19/0673), ebenso andere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Sprung, Dublin II VO, K15. zu Art. 19 Dublin II-VO).

 

aa) Mögliche Verletzung des Art. 8 EMRK:

 

In Österreich leben keine Personen, zu denen ein Familienbezug bestünde, es liegen auch keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration in Österreich, etwa aufgrund sehr langer Verfahrensdauer vor. Dies wurde auch von den Beschwerdeführern nicht behauptet. Allfälliger enger Familienbezug in Österreich oder einem anderen Mitgliedstaat wurde - wie oben ausgeführt - nicht dargetan. Es ist daher nicht erkennbar, dass im Falle einer Überstellung der Beschwerdeführer nach Polen ein Eingriff in ihr durch Art. 8 EMRK geschütztes Recht zu befürchten wäre.

 

bb) Mögliche Verletzung des Art. 3 EMRK:

 

Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

 

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 3 EMRK im Zusammenhang mit der Abschiebung von Kranken habe im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leide oder selbstmordgefährdet sei. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver sei, sei unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gebe. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führe die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche lägen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben. Bei der Ausweisung und Abschiebung Fremder in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union werde auch zu berücksichtigen sein, dass dieser zur Umsetzung der Aufnahmerichtlinie verpflichtet sei. Gemäß Art. 15 dieser Richtlinie hätten die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass Asylwerber die erforderliche medizinische Versorgung erhalten, die zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst bzw. dass Asylwerber mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe erlangen. Dennoch könnte der Transport vorübergehend oder dauernd eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, etwa bei fortgeschrittener Schwangerschaft oder der Erforderlichkeit eines ununterbrochenen stationären Aufenthalts (EGMR Große Kammer, 27.05.2008, 26565/05, N./Vereinigtes Königreich, RN 42ff; EGMR 03.05.2007, 31246/06, Goncharova & Alekseytsev; 07.11.2006, 4701/05, Ayegh; 04.07.2006, 24171/05, Karim; 10.11.2005, 14492/03, Paramasothy; VfGH 21.09.2009, U 591/09; 06.03.2008, B 2400/07; VwGH 31.03.2010, 2008/01/0312; 23.09.2009, 2007/01/0515).

 

Zum gesundheitlichen Zustand des 1.-BF ist anzuführen, dass er - wie festgestellt - an Hypertonie, einem atypischen Thoraxschmerz, ihm wurde im Jahr XXXX und er hat eine XXXX, und an Inkontinenz leidet, die von ihm vorgebrachten psychischen Störungen erreichen jedenfalls kein krankheitswertiges Maß. Der 3.-BF leidet bzw. litt an Halsschmerzen und hat Probleme mit den Mandeln.

 

Damit weisen die Beeinträchtigungen des 1.- BF und 3.-BF insgesamt gesehen offenkundig keine solche besondere Schwere auf, die nach der o. a. Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes zu Art. 3 EMRK eine Überstellung nach Polen als eine unmenschliche Behandlung erscheinen ließe, insbesondere besteht auch kein konkreter Anhaltspunkt dafür, dass diese Erkrankungen akut lebensbedrohlich wären. Dazu kommt, dass allenfalls notwendige Behandlungen - sollten solche künftig erforderlich sein - jedenfalls in Polen erfolgen können. In diesem Mitgliedstaat der Union sind nämlich alle Krankheiten uneingeschränkt behandelbar und der medizinische Standard entspricht europäischen Standards. Asylwerber haben das Recht auf medizinische Betreuung nach denselben Regeln wie polnische Staatsbürger (Österreichische Botschaft Warschau, Anfragebeantwortungen vom 31.01.2008, 17.06.2008 und 06.07.2010; ECRE, Anfragebeantwortung vom 04.02.2008). Dass die Behandlung in Polen nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver sein könnte - worauf die BF in ihrem Vorbringen in der Einvernahme offenbar abzielten - wäre allerdings auch bei Zutreffen dieser Behauptung (die 1.- und 2.-BF gaben selbst an, in Polen keine medizinische Behandlung in Anspruch genommen zu haben, von der schlechten medizinischen Versorgung in Polen sei ihnen nur erzählt worden) - wie sich ebenfalls aus der oben dargestellten Rechtsprechung ergibt - nicht rechtserheblich, zumal es im Zielstaat eben die angeführten Behandlungsmöglichkeiten gibt.

 

Dazu kommt, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung der Überstellung im Fall von bekannten Erkrankungen durch geeignete Maßnahmen dem Gesundheitszustand des zu Überstellenden Rechnung zu tragen und es ist mit größtmöglicher Schonung der betroffenen Person vorzugehen hat. Insbesondere wird kranken Personen eine entsprechende Menge der (allenfalls) verordneten Medikamente mitgegeben und die Behörde des Mitgliedstaats über den Gesundheitszustand des Dublin-Rückkehrers informiert. Insbesondere sind im Fall einer Selbstmorddrohung wirksame Maßnahmen zur Verhinderung der Ausführung dieser Drohung zu setzen.

 

Gefährdung durch Dritte in Polen: Die 1.- und 2.-BF gaben in ihrer ersten Einvernahme am 24.01.2013 an, nichts zu ihrem Aufenthalt in Polen sowie zu einer Rückkehr nach Polen sagen zu können. In ihrer zweiten Einvernahme am 25.02.2013 gaben die 1.- und 2.-BF lediglich an, dass die medizinische Versorgung in Polen nicht so gut sei, weswegen sie nach Österreich gekommen seien. Somit konnten sie weder in den Einvernahmen noch in der Beschwerde durch konkrete und detaillierte Angaben eine tatsächlich bestehende Gefährdung in Polen, geschweige denn konkrete Vorfälle glaubhaft machen. Bei den erstmals in der Beschwerde aufgestellten Behauptungen, der 1.-BF habe sich in seiner Heimat aktiv gegen den Wahhabismus engagiert, sein Hund sei getötet und am Eingang seines Hauses eine Sprengvorrichtung angebracht worden, sowie, dass ihm gesagt worden sei, er könne in jedes Land reisen, nur nicht nach Polen, weil es dort Wahhabiten-Vereinigungen gebe, handelt es sich - ungeachtet der Frage der Glaubwürdigkeit - um eine unzulässige Neuerung gemäß § 40 AsylG, zudem handelt es sich bei diesem Vorbringen - wie schon in der Beweiswürdigung ausgeführt wurde - um unsubstantiierte, völlig allgemein gehaltene Vermutungen.

 

Insbesondere geht aus den Einvernahmen (bzw. der Beschwerde) nicht einmal ansatzweise hervor, inwiefern Polen seinen Verpflichtungen zur Schutzgewährung dann nicht nachkäme, wenn die BF ein Schutzbedürfnis tatsächlich glaubhaft machen sollten bzw. tatsächlich glaubhaft gemacht hätten. Der Asylgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die allgemeine Lage für nach Polen überstellte Asylwerber keineswegs die reale Gefahr einer gegen menschenrechtliche Bestimmungen verstoßenden Behandlung erkennen lässt. Die BF können gegen eine allfällige Bedrohung ihrer Person den wirksamen Schutz der polnischen Sicherheitskräfte in Anspruch nehmen. Auch wenn kein Staat in der Lage sein kann, Privatpersonen vor jeglichen Angriffen durch Dritte zu schützen, ist doch davon auszugehen, dass die Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit Polens nicht an sich in Zweifel zu ziehen ist. Jedenfalls gibt es keinen ausreichend konkreten Hinweis auf eine reale Gefahr für die Sicherheit der BF in Polen. Auch sind die Praxis der asylrechtlichen und subsidiären Schutzgewährung, die Grund- und Gesundheitsversorgung sowie die Sicherheitslage unbedenklich und genügen den Grundsätzen des Unionsrechts (AsylGH 22.04.2010, S13 412.045-1/2010/2E; 05.02.2009, S4 404.099-1/2009; 21.01.2009, S3 402.665-1/2008; 16.01.2009, S2 403.730-1/2009). Es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass Polen Personen mit tatsächlich glaubhaft gemachtem Schutzbedürfnis außer Landes schafft.

 

Zusammengefasst stellt daher eine strikte Wahrnehmung der Unzuständigkeit Österreichs und die damit verbundene Überstellung der Beschwerdeführer nach Polen kein "real risk" einer Verletzung des Art. 3 EMRK oder des Art. 8 EMRK und somit auch keinen Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechtes Österreichs nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO dar.

 

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. war daher abzuweisen.

 

3.3. Zur Ausweisung der Beschwerdeführer nach Polen (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

 

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

a) die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

 

b) das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

 

c) die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

 

d) der Grad der Integration;

 

e) die Bindungen zum Herkunftsstaat des Fremden;

 

f) die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

 

g) Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

 

h) die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

 

i) die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG ist, wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben. Gemäß § 10 Abs. 4 AsylG gilt eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

§ 10 Abs. 7 und Abs. 8 lauten wie folgt:

 

"7) Wird eine Ausweisung durchsetzbar, gilt sie als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, und hat der Fremde binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht, wenn gegen den Fremden ein Rückkehrverbot erlassen wurde und für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 oder § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 38 durchführbar wird; in diesen Fällen hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

(8) Mit Erlassung der Ausweisung ist der Fremde über seine Pflicht zur unverzüglichen oder fristgerechten Ausreise und gegebenenfalls über die Möglichkeit eines Antrages auf Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise bei der örtlich zuständigen Fremdenpolizeibehörde (§ 55a FPG) zu informieren, insbesondere auf Rückkehrhilfe, sowie auf mögliche fremdenpolizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung (§ 46 FPG) hinzuweisen."

 

Zu diesem Spruchpunkt sind im Beschwerdefall keine Hinweise für eine Unzulässigkeit der Ausweisung im Sinne des § 10 Abs. 2 AsylG ersichtlich, zumal weder ein nicht auf das AsylG gestütztes Aufenthaltsrecht aktenkundig ist, noch die BF in Österreich über Personen verfügen, zu denen sie einen engen Familienbezug hätten. Zum Nichtvorliegen eines unzulässigen Eingriffes in Art. 8 EMRK wird auf die obigen Ausführungen zum Selbsteintrittsrecht verwiesen [Punkt 3.2.b)aa)]. Darüber hinaus sind auch keine Gründe für einen Durchführungsaufschub gemäß § 10 Abs. 3 AsylG zu sehen.

 

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

 

3.4. Gemäß § 41 Abs. 4 AsylG konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Schlagworte
Ausweisung, Behandlungsmöglichkeiten, gesundheitliche Beeinträchtigung, medizinische Versorgung, Neuerungsverbot, real risk, staatlicher Schutz, unverzügliche Ausreiseverpflichtung
Zuletzt aktualisiert am
08.05.2013
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten