TE OGH 2008/12/15 4Ob207/08g

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Veröffentlicht am 15.12.2008
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin Dr. Schenk sowie die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei „Ö*****"***** GmbH, *****, vertreten durch Berger Saurer Zöchbauer Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, 1.000 EUR sA und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 33.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei und der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 16. September 2008, GZ 5 R 125/08a-10, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Beide außerordentlichen Revisionsrekurse werden gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

I. Zum Revisionsrekurs der Klägerin

1.1. Die Rechtsmittelwerberin geht selbst davon aus, dass dem Durchschnittsleser (als von der im redaktionellen Teil der Zeitung auffällig platzierten Eigenwerbung „mit 750.000 Auflage" in erster Linie angesprochenem Erklärungsempfänger) die in Fachkreisen getroffene Unterscheidung nach gedruckter, verbreiteter und verkaufter Auflage nicht geläufig sei. Die angesprochene Maßfigur versteht, legt man den beim Durchblättern von Tageszeitungen aufgewendeten durchschnittlichen Aufmerksamkeitsgrad zugrunde, unter der Auflage einer Zeitung - ebenso wie bei Büchern - die Druckauflage im Sinne der Zahl der produzierten Einheiten (vgl etwa die Definition in Brockhaus Enzyklopädie21: Auflage [Verlagswesen] Anzahl der [nach einer nicht veränderten Satzvorlage] gleichzeitig hergestellten Exemplare eines Druckerzeugnisses [Buch, Zeitung, Zeitschrift]). Diesen Bedeutungsinhalt unterstellt, ist die beanstandete Aussage, die sich tatsächlich auf die Druckauflage bezieht, nicht deshalb irreführend iSd § 2 UWG, weil sie keinen Hinweis darauf enthält, um welche Art der Auflage es sich dabei handelt.

1.2. Ist der Sinngehalt einer beanstandeten Behauptung nach dem Verständnis des Durchschnittsbetrachters in einer bestimmten Richtung klar, so kommt schon aus diesem Grund die Anwendung der sogenannten „Unklarheitenregel" nicht mehr in Betracht (RIS-Justiz RS0085169; Koppensteiner, Wettbewerbsrecht³ § 24 Rz 23; Aicher in Aicher, Das Recht der Werbung 247 f; Rummel in Koziol, Haftpflichtrecht² II 283 f).

2. Dass der beworbene Wert die tatsächliche Druckauflagezahl geringfügig überschreitet, ist im Lichte des erhobenen Teilunterlassungsbegehrens unbeachtlich, das nicht auf das Verbot der Behauptung unrichtiger Auflagezahlen gerichtet ist, sondern allein eine Unvollständigkeit mangels Hinweises auf die Art der Auflage zum Gegenstand hat.

II. Zum Revisionsrekurs der Beklagten

1. Das Rekursgericht hat die Ankündigung, die Zeitung der Beklagten „hat schon 1 Million (!) Leser" angesichts einer bescheinigten Verkaufsauflage von wöchentlich durchschnittlich 526.720 Stück sowie mangels Nachweises eines bestimmten „Lesefaktors" (Anzahl der Leser pro verkaufter Zeitung) als unwahr beurteilt und das auf § 2 UWG gestützte Teilunterlassungsbegehren für berechtigt gehalten.

2. Dem Vorwurf der Beklagten, das Rekursgericht verkenne, dass die beanstandete Aussage richtig sei, wenn man die festgestellten Verkaufszahlen für Wochentage und das Wochenende zusammenrechne, ist entgegenzuhalten, dass in der beanstandeten Ankündigung jeder Hinweis auf diese von der Beklagten zugrunde gelegte Berechnungsart fehlt. Es kann aber auch durch das Verschweigen wesentlicher Umstände ein falscher Gesamteindruck hervorgerufen werden, wenn die Unvollständigkeit geeignet ist, das Publikum in für den Kaufentschluss erheblicher Weise irrezuführen (RIS-Justiz RS0121669). Daran hat sich auch nach Inkrafttreten der UWG-Novelle 2007 BGBl I 79 nichts geändert (RIS-Justiz RS0121669 [T7]). Im Anlassfall liegt die Unvollständigkeit jedenfalls im fehlenden Hinweis auf den bezogenen Erhebungszeitraum.

3. Zu der im Rechtsmittel verfochtenen Ansicht, Reichweitenangaben müssten nur objektiv richtig sein, ohne dass es noch der Anführung einer Quelle und eines Erhebungszeitraums bedürfe, ist mangels Entscheidungsrelevanz nicht Stellung zu nehmen, dürfen doch - nach einem bestimmten Gesichtspunkt - an sich richtige Reichweitenangaben jedenfalls nicht irreführend präsentiert werden.

Anmerkung

E895874Ob207.08g

Schlagworte

Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inÖBl-LS 2009/103 - Mit 750.000 AuflageXPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2008:0040OB00207.08G.1215.000

Zuletzt aktualisiert am

24.04.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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