TE OGH 2008/12/16 1Ob238/08v

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Veröffentlicht am 16.12.2008
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei Gudrun S*****, vertreten durch Urbanek Lind Schmied Reisch Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wider den Gegner der gefährdeten Partei Ferdinand S*****, vertreten durch Dr. Michael Koth, Rechtsanwalt in Gänserndorf, wegen einstweiliger Verfügung gemäß § 382b EO, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 3. Oktober 2008, GZ 20 R 117/08h-11, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 2. Juli 2008, GZ 3 C 74/08v-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78 und 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 erster Satz ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Dem Gegner der gefährdeten Partei (Antragsgegner) wurde mit einstweiliger Verfügung des Erstgerichts gemäß § 382b EO die Rückkehr in das mit der gefährdeten Partei (Antragstellerin) gemeinsam bewohnte Haus und in dessen unmittelbare Umgebung sowie die Kontaktaufnahme mit ihr bis zum Abschluss des anhängigen Scheidungsverfahrens verboten. Er sei äußerst aggressiv und habe die Antragstellerin in der Vergangenheit bereits mehrmals geschlagen. Am 23. 6. 2008 sei er nach Hause gekommen, habe fürchterlich und grundlos herumgebrüllt und versucht, die Antragstellerin zu schlagen. Diese Verhaltensweise mache der Antragstellerin, der die Ehewohnung zur Befriedigung ihres dringenden Wohnbedürfnisses diene, ein weiteres Zusammenleben mit dem Antragsgegner unzumutbar.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Das aggressive Verhalten des Antragsgegners sei der Antragstellerin nicht zumutbar.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene außerordentliche Revisionsrekurs des Antragsgegners ist unzulässig.

1. Die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten einer Person den an sie gerichteten Auftrag zum Verlassen der Wohnung gemäß § 382b EO rechtfertigt, stellt, weil dabei immer die Umstände des Einzelfalls entscheidend sind, grundsätzlich keine Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0118857; RS0123926).

2. Es begründet zwar einen Verfahrensmangel, wenn das Rechtsmittelgericht von den tatsächlichen Feststellungen des Erstgerichts ohne Wiederholung der Beweisaufnahmen abgeht (RIS-Justiz RS0043461) bzw zusätzliche Feststellungen ohne eigene Beweisaufnahme trifft. Allerdings ist dieser Anfechtungsgrund nur gegeben, wenn der Verstoß gegen ein Verfahrensgesetz abstrakt geeignet war, eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern (RIS-Justiz RS0043049).

Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht festgestellt, dass der Antragsgegner die Antragstellerin bereits 2007 im Zuge eines Streits mehrmals geschlagen hat und dass er am 23. 6. 2008 neuerlich versuchte, sie zu schlagen. Dies erfüllt den Tatbestand des körperlichen Angriffs bzw der Drohung mit einem solchen (§ 382b Abs 1 EO). Für die rechtliche Beurteilung des Verhaltens des Antragsgegners ist unerheblich, ob er zusätzlich - wovon das Rekursgericht ausgeht - „Möbelstücke durch die Luft geschleudert" hat. Der geltend gemachte Verfahrensmangel stellt daher keinen Anfechtungsgrund dar. Gleichermaßen ist unmaßgeblich, ob der Antragsgegner die Antragstellerin beschimpft und ob dies eine psychische Beeinträchtigung bewirkte, wurden doch - unbekämpft und unbekämpfbar - vollzogene bzw versuchte körperliche Angriffe des Antragsgegners festgestellt.

3. Richtig ist, dass bei Verfügungen nach § 382b Abs 2 EO - anders als bei solchen nach Abs 1 - eine Abwägung der Interessen der Streitparteien vorzunehmen ist (SZ 72/101 ua). Eine solche Interessenabwägung hat das Erstgericht ohnehin vorgenommen und ist die Frage, ob die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382b EO schwerwiegenden Interessen des Antragsgegners zuwiderläuft, grundsätzlich nach den Umständen des Einzelfalls zu beantworten und stellt daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage dar (5 Ob 131/06k). Im vorliegenden Fall ist keine wesentliche Verkennung der Rechtslage festzustellen, insbesondere wenn man bedenkt, dass dem Antragsgegner schon gemäß § 382b Abs 1 EO die Rückkehr in die unmittelbare Umgebung des Hauses verboten würde.

4. Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, wonach das Verhalten des Antragsgegners die Erlassung der einstweiligen Verfügung rechtfertige, ist im Lichte der obigen Ausführungen vertretbar und stellt jedenfalls keine grobe Fehlbeurteilung dar, die vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen wäre. Erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 528 Abs 1 ZPO wurden vom Antragsgegner nicht dargetan, sodass sein außerordentlicher Revisionsrekurs zurückzuweisen ist.

Textnummer

E89798

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2008:0010OB00238.08V.1216.000

Im RIS seit

15.01.2009

Zuletzt aktualisiert am

31.05.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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