TE OGH 2009/3/17 10Ob8/09p

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Veröffentlicht am 17.03.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen Samira G*****, geboren am 5. März 2005, *****, vertreten durch das Land Wien als Jugendwohlfahrtsträger (Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung Bezirk 21, Am Spitz 1, 1210 Wien), über den Revisionsrekurs des Kindes gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14. Oktober 2008, GZ 44 R 314/08i-U26, womit infolge Rekurses des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien der Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 28. April 2008, GZ 16 P 41/06a-U10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Text

Begründung:

Die am 5. 3. 2005 geborene Samira G***** lebt bei ihrer Tante Karin E***** und wird von dieser versorgt. Die Mutter Yvonne G***** ist aufgrund des rechtkräftigen Beschlusses des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 12. 3. 2008 zu einem monatlichen Unterhaltsbeitrag von 60 EUR verpflichtet. Diesem Unterhaltstitel liegt als Bemessungsgrundlage der Kinderbetreuungsgeldbezug der Mutter (von täglich 14,53 EUR zzgl 6,06 EUR Zuschusss [ON U21], also monatlich 617,7 EUR) bei zwei weiteren Sorgepflichten für den am 9. 11. 2003 geborenen Melvin und den am 19. 1. 2007 geborenen Marco zugrunde (ON U7).

Mit Beschluss vom 28. 4. 2008 gewährte das Erstgericht dem Kind auf die Geldunterhaltspflicht der Mutter Unterhaltsvorschüsse nach §§ 3, 4 Z 1 UVG in Titelhöhe für den Zeitraum vom 1. 4. 2008 bis 31. 3. 2011 (ON U10). Da die Unterhaltsschuldnerin derzeit Kinderbetreuungsgeld beziehe, sei die Exekutionsführung aussichtslos.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss dahin ab, dass es den Antrag auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen abwies. Die bisherige Rechtsprechung, wonach das Kinderbetreuungsgeld als Einkommen des Unterhaltspflichtigen in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen sei, könne aufgrund der Änderung der Rechtslage (§ 42 KBGG in der seit 1. 1. 2008 geltenden Fassung, BGBl I 2007/76) nicht aufrecht erhalten werden. Nunmehr gelte nämlich weder das Kinderbetreuungsgeld noch der Zuschuss dazu als eigenes Einkommen des Kindes noch des beziehenden Elternteils und minderten nicht deren Unterhaltsansprüche. Der Mutter stehe somit kein Einkommen zur Verfügung, aus dem sie ihre Geldunterhaltsverpflichtung tilgen könne. Daher bestünden begründete Zweifel im Sinn des § 7 Abs 1 Z 1 UVG am materiellen Bestand des titelmäßigen Unterhaltsanspruchs, die inhaltlich zu einer Abweisung des Antrags auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen führten. Das Rekursgericht räumte ein, dass diese Beurteilung zu einer erheblichen Ungleichbehandlung zwischen dem vom Leistungsempfänger betreuten Kind und seinen anderen Kindern, sowie zwischen Kindern eines Beziehers von Kinderbetreuungsgeld und jenen eines anderen Elternteils, der ein Arbeitseinkommen oder sonstiges Einkommen in gleicher Höhe beziehe, führe; wobei geldunterhaltsberechtigten Kindern eines Leistungsbeziehers jedenfalls ein geringerer Unterhaltsanspruch zustehe, als bei einem Arbeitseinkommen oder sonstigem Einkommen in gleicher Höhe. Trotzdem bestehe kein Anlass für eine Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil (noch) nicht durch höchstgerichtliche Rechtsprechung geklärt sei, ob verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 42 KBGG bestünden. Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Kindes mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss ersatzlos zu beheben (also den antragsstattgebenden Beschluss des Erstgerichts wieder herzustellen).

Bund, Mutter und Zahlungsempfängerin haben sich am Revisionsrekursverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil der Beschluss des Rekursgerichts von der zwischenzeitig ergangenen Entscheidung des erkennenden Senats vom 24. 2. 2009, 10 Ob 112/08f abweicht; er ist auch berechtigt.

In seinem Revisionsrekurs rügt das Kind die bereits vom Rekursgericht dargelegten, aber verneinten Gleichheitswidrigkeiten: Die Ansicht des Rekursgerichts führe zur Ungleichbehandlung zwischen dem von der unterhaltspflichtigen Mutter betreuten und dem vom Jugendwohlfahrtsträger vertretenen Kind, dem der Gesetzgeber durch § 42 KBGG den Unterhaltsanspruch versage; was auch eine Ungleichbehandlung anderer Elternteile darstelle, die Arbeitseinkommen oder sonstiges Einkommen in ähnlicher Höhe bezögen und sehr wohl zu Unterhaltsleistung verpflichtet würden. Davon abgesehen wäre der Mutter erlaubt, ein zusätzliches Einkommen zu erzielen, ohne dass einerseits ihr Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld geschmälert würde, andererseits wäre ihr möglich, auch den nicht in ihrem Haushalt lebenden Kindern „Unterhalt zu reichen". Im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz werfe dies jedenfalls verfassungsrechtliche Bedenken auf.

Dazu hat der Senat bereits Folgendes erwogen (10 Ob 112/08f):

1. § 42 KBGG lautete bis zum 31. 12. 2007 unter der Überschrift „Unterhaltsanspruch" folgendermaßen: „Das Kinderbetreuungsgeld gilt nicht als eigenes Einkommen des Kindes und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch."

1.1. In seiner Rechtsprechung zu dieser Bestimmung hat der OGH das Kinderbetreuungsgeld als Eigeneinkommen des Beziehers beurteilt (1 Ob 157/03z = RIS-Justiz RS0047456 [T9]), so wie wenn der Bezieher eine Gegenleistung für die Betreuung (irgend-)eines Kindes erhält. Tatsächlich steht als Zweck des Kinderbetreuungsgelds (siehe RV 620 BlgNR 21. GP 54) die Einkommensersatzfunktion im Vordergrund. In zweiter Linie kann es der Abgeltung der finanziellen Belastungen durch eine außerhäusliche Betreuung des Kindes dienen, wenn der beziehende Elternteil zB wieder erwerbstätig ist.

1.2. Die bis 31. 12. 2007 geltende Fassung des § 42 KBGG entspricht nach den ersten beiden Worten ganz dem Wortlaut § 12a FamLAG in der bis 12. 9. 2002 (BGBl I 2002/152 im Hinblick auf VfGH G 7/02 ua = VfSlg 16.562) geltenden Fassung: „Die Familienbeihilfe gilt nicht als eigenes Einkommen des Kindes und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch."

1.3. Mit der Frage, ob ein „eigener" Familienbeihilfenanspruch des unterhaltspflichtigen Elternteils nach § 6 Abs 5 FamLAG in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen ist, hat sich der OGH ausführlich in der Entscheidung 6 Ob 89/01h auseinandergesetzt und ist zum Ergebnis gekommen, dass der Eigenanspruch des unterhaltspflichtigen Elternteils, der fehlende Unterhaltsleistungen der Eltern substituiert, als frei verfügbares Einkommen - gleich wie Unterhaltsansprüche - in die Unterhaltsbemessungsgrundlage einzubeziehen ist. Grundsätzlich sind nämlich alle tatsächlich erzielten Einnahmen des Unterhaltspflichtigen in Geld oder geldwerten Leistungen, über die er verfügen kann, bei Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage zu berücksichtigen, sofern sie nicht der Abgeltung effektiver Auslagen dienen (RIS-Justiz RS0107262).

1.4. § 43 KBGG lautete bis 31. 12. 2007 unter der Überschrift „Pfändungsverbot und Steuerbefreiung" folgendermaßen:

„§ 43. (1) Der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld ist gemäß § 290 der Exekutionsordnung, RGBl. Nr. 79/1896, nicht pfändbar.

(2) Kinderbetreuungsgeld ist von der Einkommensteuer befreit und gehört auch nicht zur Bemessungsgrundlage für sonstige Abgaben und öffentlich-rechtliche Beiträge."

2. Mit dem Bundesgesetz, mit dem das Kinderbetreuungsgeldgesetz, das Karenzgeldgesetz und das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz geändert werden (BGBl I 2007/76), wurden die §§ 42 und 43 KBGG - unter Beibehaltung der Überschriften - geändert; die neue Fassung lautet wie folgt:

„§ 42. Das Kinderbetreuungsgeld und der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld gelten weder als eigenes Einkommen des Kindes noch des beziehenden Elternteils und mindern nicht deren Unterhaltsansprüche."

„§ 43. (1) Der Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld und der Anspruch auf Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld sind gemäß § 290 der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, nicht pfändbar.

(2) Kinderbetreuungsgeld und Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld sind von der Einkommensteuer befreit und gehören auch nicht zur Bemessungsgrundlage für sonstige Abgaben und öffentlich-rechtliche Beiträge."

2.1. In den Gesetzesmaterialien (RV 229 BlgNR 23. GP 7) findet sich nur folgende Begründung der Änderung der §§ 42, 43 KBGG:

„Das Kinderbetreuungsgeld und der Zuschuss zum KBG gelten auch für den beziehenden Elternteil nicht als Einkommen.

Die Unpfändbarkeit und die Steuerfreiheit des Zuschusses sollen explizit geregelt werden. Dazu gehört die Klarstellung, dass auch der Zuschuss nicht zur Bemessungsgrundlage für sonstige Abgaben und öffentlich-rechtliche Beiträge zählt."

2.2. Der Regierungsvorlage ging ein Begutachtungsverfahren in Bezug auf einen Ministerialentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit, Familie und Jugend voraus (77/ME 23. GP), in dessen Begründung auf die Einfügung der vorgeschlagenen Wortfolge „noch des beziehenden Elternteils" in § 42 KBGG nicht Bezug genommen wird; es finden sich nur Erwägungen zur vorgeschlagenen Änderung des § 43 KBGG.

3. Der Oberste Gerichtshof hat sich bisher in drei Entscheidungen mit der Auslegung des § 42 KBGG in der seit 1. 1. 2008 geltenden Fassung befasst. Dabei lagen ihm zwei unterschiedliche Konstellationen vor:

3.1. In den Entscheidungen 6 Ob 200/08t und 6 Ob 219/08m, je vom 6. 11. 2008, ging es jeweils um die Frage, ob bei der selbst (gegenüber dem Ehegatten) unterhaltsberechtigten Frau das von ihr bezogene Kinderbetreuungsgeld als eigenes Einkommen anzusehen ist. Dies wurde vom 6. Senat im Hinblick auf den Wortlaut des § 42 KBGG verneint: Die mit „Unterhaltsanspruch" überschriebene Bestimmung sehe nunmehr ausdrücklich vor, dass das Kinderbetreuungsgeld und der Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld weder als eigenes Einkommen des Kindes noch des beziehenden Elternteils gelten und nicht deren Unterhaltsansprüche mindern (Unterstreichung nicht im Original).

3.2. Nach Gesetzeswortlaut und -zweck schließt es § 42 KBGG eindeutig aus, das Kinderbetreuungsgeld bei der Bemessung von Unterhaltsansprüchen des Beziehers als Eigeneinkommen unterhaltsmindernd anzurechnen. Der Gesetzgeber verfolgte mit der Novellierung offensichtlich das Ziel, diese Familienleistung dem Haushalt des beziehenden Elternteils zukommen zu lassen, ohne damit mittelbar eine Entlastung von Unterhaltspflichtigen herbeizuführen.

3.3. Die beiden Entscheidungen 6 Ob 200/08t und 6 Ob 219/08m enthalten als obiter dictum die Ausführung, dass der Gesetzgeber „im Bereich des Unterhaltsrechts das Kinderbetreuungsgeld nicht als Einkommen des Kindes oder eines Elternteils behandelt haben will" (Unterstreichung nicht im Original). Auf mögliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen § 42 KBGG (dieses weite Verständnis unterstellt) brauche laut der Entscheidung 6 Ob 219/08m aber nicht eingegangen werden, weil eine mögliche Verfassungswidrigkeit in der Konstellation, in der es um die Frage der Anrechnung des Kindergeldbezugs einer unterhaltsberechtigten Person gehe, nicht zu erkennen sei.

3.4. In seinem „Praxistipp" zu den beiden Entscheidungen (EF-Z 2009, 24) weist Gitschthaler darauf hin, dass § 42 KBGG in einer anderen Konstellation verfassungswidrig sein könnte: Wenn eine geldunterhaltspflichtige Mutter im Zusammenhang mit der Geburt eines weiteren Kindes Kinderbetreuungsgeld beziehe, leiste sie für dieses (weitere) Kind Naturalunterhalt, während ihr erstes Kind keine Unterhaltsleistungen von ihr erhalte. Würde die Frau ein fremdes Kind betreuen und dafür eine Entlohnung in Höhe des Kinderbetreuungsgeldes beziehen, wäre dieses der Unterhaltsbemessung zugrunde zu legen; betreue sie ihr eigenes Kind, bleibe das Kinderbetreuungsgeld aufgrund des seit 1. 1. 2008 geltenden § 42 KBGG unbeachtlich. Diese Ungleichbehandlung mehrerer Kinder derselben Frau sei nicht (zumindest nicht leicht) begründbar.

3.5. Über eine solche Konstellation war jüngst zu 7 Ob 223/08g zu entscheiden. Der Oberste Gerichtshof stellte am 17. 12. 2008 an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, in § 42 KBGG idF BGBl I 2007/76 die Wortfolge „noch des beziehenden Elternteils" und § 43 Abs 1 KBGG idF BGBl I 2007/76 als verfassungswidrig aufzuheben, hilfsweise in § 42 KBGG idF BGBl I 2007/76 die Wortfolge „noch des beziehenden Elternteils" als verfassungswidrig aufzuheben.

Der Entscheidung lag ein Unterhaltsherabsetzungsantrag der geldunterhaltspflichtigen Mutter zugrunde, die nunmehr im Zusammenhang mit der Geburt von Zwillingen aus einer neuen Beziehung Kinderbetreuungsgeld von täglich 21,80 EUR (monatlich 654 EUR) bezieht. Die Mutter argumentierte, sie sei ab 1. 1. 2008 als einkommenslos anzusehen. Während die Vorinstanzen den Herabsetzungsantrag abgewiesen hatten, stellte der 7. Senat des Obersten Gerichtshofes einen Gesetzesprüfungsantrag. Dem vom 6. Senat in der Entscheidungsbegründung (obiter) vorgezeichneten Verständnis eines weiten Anwendungsbereichs des § 42 KBGG folgend wird in dem Gesetzesprüfungsantrag nicht zwischen unterhaltsberechtigten und unterhaltspflichtigen Kinderbetreuungsgeldbeziehern differenziert. Im konkreten Fall erbringe die Mutter Betreuungsleistungen für ihre neugeborenen Zwillinge, wofür sie Kinderbetreuungsgeld erhalte, müsse aber ihren anderen Kindern keinen Geldunterhalt leisten, sodass diese Kinder aus erster Ehe ohne sachliche Rechtfertigung ungleich schlechter behandelt würden.

3.6. Ziel des Gesetzesprüfungsantrags ist es also zu erreichen, dass zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung einerseits von Kindern, die von einem Kindergeldbezieher Naturalunterhalt erhalten, und andererseits von Kindern, die gegenüber einem Kindergeldbezieher einen Geldunterhaltsanspruch haben, auch das Kinderbetreuungsgeld in die Unterhaltsbemessungsgrundlage des Unterhaltspflichtigen einbezogen wird.

4. Gegen eine derartige Ungleichbehandlung bestünden auch nach Ansicht des erkennenden Senats verfassungsrechtliche Bedenken. Allerdings ergibt sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut die Möglichkeit einer verfassungskonformen Differenzierung, sodass nach Ansicht des Senats eine Anrufung des Verfassungsgerichtshofs nicht notwendig ist. Ein Gesetzesprüfungsantrag stünde im Übrigen dem gerade in Unterhaltsvorschusssachen bedeutsamen Ziel entgegen, im Interesse des Kindeswohls den Vorschussanspruch möglichst rasch zu effektuieren (vgl Neumayr in Schwimann, ABGB3 I § 12 UVG Rz 9).

4.1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass es in den knappen Gesetzesmaterialien keine Hinweise gibt, der Gesetzgeber habe mit der Novellierung des § 42 KBGG von der Rechtsprechung abrücken wollen, dass das Kinderbetreuungsgeld als Eigeneinkommen des unterhaltspflichtigen Beziehers gilt (siehe 1.1.). Auch das Belassen der Überschrift „Unterhaltsanspruch" und der Wortfolge „und mindert nicht dessen Unterhaltsanspruch" deuten in diese Richtung (Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht4 10).

4.2. Neben dieser klaren Bezugnahme auf Unterhaltsansprüche, nicht auf Unterhaltspflichten, wird in § 42 KBGG das „eigene Einkommen" des Kindes und des beziehenden Elternteils angesprochen. „Eigeneinkommen" steht in Zusammenhang mit einer Unterhaltsberechtigung, nicht einer Unterhaltspflicht.

Auf den Umstand, dass die ursprüngliche, mit der Novelle BGBl I 2007/76 nur in einem Teilaspekt ergänzte Textierung des § 42 KBGG offensichtlich der ursprünglichen Fassung des § 12a FamLAG entspricht, wurde bereits hingewiesen (1.2.), ebenso auf die aus § 12a FamLAG für den Fall einer Unterhaltspflicht des Familienbeihilfenbeziehers von der Rechtsprechung gezogenen Konsequenz der Einbeziehung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage (1.3.).

4.3. Aus all dem ist der Schluss zu ziehen, dass § 42 KBGG keine Aussage zur Frage der Einbeziehung des Kinderbetreuungsgeldes in die Unterhaltsbemessungsgrundlage für die Beurteilung einer Unterhaltspflicht des Kinderbetreuungsgeldbeziehers trifft. Es entscheiden die allgemeinen unterhaltsrechtlichen Grundsätze über die entsprechende Behandlung des Kinderbetreuungsgeldes. Sozialleistungen, die für den Allgemeinbedarf des Empfängers zur Verfügung stehen, fallen nach ständiger Rechtsprechung unabhängig von einer Zweckbestimmung in die Unterhaltsbemessungsgrundlage (RIS-Justiz RS0047456, RS0080395). Dies gilt auch für das Kinderbetreuungsgeld, zumindest wenn ihm Einkommensersatzfunktion zukommt: Auch im hier gegebenen Fall wird von der Mutter „langes" und damit unter dem Existenzminimum liegendes Kinderbetreuungsgeld bezogen, das für die Betreuung eines Kindes im eigenen Haushalt verwendet wird. Die Unpfändbarkeit des Kinderbetreuungsgeldes (§ 43 Abs 1 KBGG) hat für die unterhaltsrechtliche Bewertung als Einkommen nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0003799 uva) keine Bedeutung.

4.4. Wie schon zu § 12a FamLAG (siehe 1.3.) bestehen gegen die unterschiedliche Behandlung des Kinderbetreuungsgeldbezugs einerseits bei Unterhaltsansprüchen und andererseits bei Unterhaltspflichten keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kommt dem einfachen Gesetzgeber bei der Gewährung familienfördernder Maßnahmen ein großer Gestaltungsspielraum zu (zuletzt etwa B 1397/06 mwN). Damit, dass das Kinderbetreuungsgeld - in Bezug auf den Unterhaltsanspruch - nicht als eigenes Einkommen des Kinderbetreuungsgeldbeziehers gilt (und dementsprechend seinen Unterhaltsanspruch nicht mindert), wird zum Ausdruck gebracht, dass der Bezieher der staatlichen Leistung seinen Unterhaltsanspruch nicht ganz oder teilweise verlieren soll, wenn der Staat eine solche zweckgerichtete Leistung (zum Zweck der Familienförderung) erbringt. Der Unterhaltsanspruch des Kindergeldbeziehers soll also so beurteilt werden, als gäbe es diese staatliche Leistung nicht. Ist er aber unterhaltspflichtig, stellt das Kinderbetreuungsgeld nach ganz allgemeinen Grundsätzen des Unterhaltsrechts sehr wohl Einkommen dar, das auch den unterhaltsberechtigten Familienangehörigen zugute kommen soll, und zwar sowohl den naturalunterhaltsberechtigten als auch den geldunterhaltsberechtigten eigenen Kindern.

4.5. Im Übrigen sind für das Kinderbetreuungsgeld die zur Teilaufhebung des § 12a FamLAG führenden Ausführungen des VfGH (G 7/02 ua) zum Zweck der Familienbeihilfe nicht einschlägig, weil das Kinderbetreuungsgeld nicht der steuerlichen Entlastung des Unterhaltspflichtigen dienen soll (Gitschthaler, Unterhaltsrecht2 [2008] Rz 343).

5. Insgesamt besteht daher kein Anlass zur Einstellung des Unterhaltsvorschusses, weshalb die gegenteiligen, auf ein amtswegiges Vorgehen zurückzuführenden Entscheidungen der Vorinstanzen ersatzlos aufzuheben sind.

Von diesen Überlegungen ausgehend wurden die beantragten Vorschüsse auch im vorliegenden Fall zu Recht gewährt, weshalb in Stattgebung des Revisionsrekurses des Kindes der Beschluss des Erstgerichts wieder herzustellen ist.

Anmerkung

E9035110Ob8.09p

Schlagworte

Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inEF-Z 2009/79 S 105 - EF-Z 2009,105XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0100OB00008.09P.0317.000

Zuletzt aktualisiert am

12.06.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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