TE OGH 2009/3/18 7Ob288/08s

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Veröffentlicht am 18.03.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Antonius B*****, vertreten durch Neumayer, Walter & Haslinger Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei A*****-Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Egger & Musey Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, und der Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei D***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Cerha Hempel Spiegelfeld Hlawati Partnerschaft von Rechtsanwälten in Wien, wegen 16.374,75 EUR sA, über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 15. September 2008, GZ 4 R 90/08x-35, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 10. März 2008, GZ 40 Cg 81/06x-29, infolge Berufung des Klägers bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten und der Nebenintervenientin die jeweils mit 1.049,04 EUR (darin enthalten jeweils 174,84 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Vater des am 27. 12. 1984 geborenen Klägers schloss für diesen am 30. 9. 1999 bei der Beklagten für die Zeit vom 1. 11. 1999 bis 1. 11. 2009 eine Kinderunfallversicherung ab. Da der Vater, ein Rechtsanwalt, in Eile war, unterfertigte er das betreffende Antragsformular, ohne es zu lesen. Erst danach wurden die Versicherungssumme und die Prämienhöhe von Christian K*****, einem Mitarbeiter der Nebenintervenientin, die für die Beklagte als Versicherungsagentin tätig war, darin eingetragen. Die Höhe der Versicherungssumme von 4 Mio ATS (= 290.691,34 EUR) hatte der Vater mit K***** besprochen. Im Antragsformular waren unter dem Titel „Individuelle Unfallvorsorge" als Produktvarianten „Optimal-Schutz", „Kompakt-Schutz" und „Basis-Schutz", und weiters zwei Varianten einer „Einzelunfallversicherung für Erwachsene", eine „Einzelunfallversicherung für Jugendliche bis zum 20. Lebensjahr, dann Reduktion der Versicherungssummen um 20 %", mehrere Varianten einer „Familienunfallversicherung" und eine (einzige) „Einzelunfallversicherung für Kinder bis zum 15. Lebensjahr, dann Reduktion der Versicherungssummen um 50 %" angeführt. Von diesen Produktvarianten wurde lediglich der „Basis-Schutz" angekreuzt.

Dem Versicherungsvertrag wurden die eine „automatische Werterhöhung nach dem Verbraucherpreisindex" enthaltende Klausel „Bes. Bed. 3599" und die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen 1994 für den Basisunfallschutz (AUVB 1994-B) zugrundegelegt, deren Artikel 13.1 folgenden Wortlaut hat:

„Versicherungssummen, Altersgrenzen

1. Für einen als Kinderunfallversicherung abgeschlossenen Vertrag gelten die Versicherungssummen in der vereinbarten Höhe bis zum Ende des Versicherungsjahres, in dem der Versicherte das 15. Lebensjahr vollendet hat. Ab diesem Zeitpunkt reduzieren sich die Versicherungssummen für den betreffenden Vertrag um 50 %.

Der Versicherungsnehmer kann durch Umstellung auf die Prämie für Jugendliche die Beibehaltung der Versicherungssummen bewirken.

2. Für einen als Jugendunfallversicherung abgeschlossenen Vertrag gelten die Versicherungssummen in der vereinbarten Höhe bis zum Ende des Versicherungsjahres, in dem der Versicherte das 20. Lebensjahr vollendet hat. Ab diesem Zeitpunkt reduzieren sich die Versicherungssummen für den betreffenden Vertrag um 20 %.

Der Versicherungsnehmer kann durch Umstellung auf die Prämie für Erwachsene die Beibehaltung der Versicherungssummen bewirken.

3. Für Erwachsene gelten die Versicherungssummen in der vereinbarten Höhe bis zum Ende des Versicherungsjahres, in dem der Versicherte das 70. Lebensjahr vollendet hat. Ab diesem Zeitpunkt reduzieren sich die Versicherungssummen für den betreffenden Versicherten um 30 %.

Der Versicherungsnehmer kann gegen einen entsprechenden Prämienzuschlag die Beibehaltung der Versicherungssummen bewirken."

Die AUVB 1994-B wurden dem Vater des Klägers mit der Polizze, die dem Antrag entsprechend ausgestellt wurde, übermittelt.

Am 29. 6. 2003 erlitt der Kläger beim Fußballspielen eine Luxation der linken Schulter. Dadurch trat bei ihm eine dauernde Teilinvalidität mit einer Beeinträchtigung des Armes im Ausmaß von 15 % ein. Die Beklagte leistete dem Kläger mit Zustimmung des Vaters zunächst eine Teilakontierung von 10.916,50 EUR. Später überwies sie ihm auch noch einen weiteren Betrag von 5.458,25 EUR, insgesamt demnach 16.374,75 EUR. Die Beklagte ist der Meinung, damit ihrer Zahlungsverpflichtung hinsichtlich des Versicherungsfalls vom 29. 6. 2003 entsprochen zu haben; die Versicherungssumme habe sich für dauernde Invalidität nach Art 13 AUVB 1994-B halbiert, da der Kläger zum Unfallszeitpunkt das 15. Lebensjahr vollendet gehabt habe.

Der Kläger forderte zuletzt von der Beklagten die Zahlung eines weiteren Betrags von 16.374,74 EUR (sA) mit der wesentlichen Begründung, diese Restforderung stehe ihm aus dem Titel des Schadenersatzes zu, weil Christian K*****, dessen Verhalten als Versicherungsagent sich die Beklagte zuzurechnen habe, seinen Vater nicht über die in Art 13 AUVB 1994-B vorgesehene altersbedingte Reduktion der Versicherungssumme aufgeklärt habe. K***** wäre dazu verpflichtet gewesen, weil der Vater des Klägers offensichtlich Versicherungsdeckung in Höhe von 4 Mio ATS angestrebt habe. Bei entsprechender Aufklärung hätte der Kläger eine Variante mit entsprechend höherer Prämie gewählt. Neben dieser schadenersatzrechtlichen Anspruchsgrundlage werde das Klagebegehren auch auf den Versicherungsvertrag selbst gestützt. Das von seinem Vater blanko unterzeichnete Versicherungsantragsformular habe keinen Hinweis auf die 50%ige Reduktion der Versicherungssumme enthalten. Es gelte daher die mündlich ausgehandelte höhere Versicherungssumme. Artikel 13 AUVB 1994-B stelle eine überraschende Bedingung im Sinn des § 864a ABGB dar. Bei Durchsicht der wesentlichen Versicherungsdaten der Polizze sei von einer Versicherungssumme von 4 Mio ATS auszugehen gewesen.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung. Dem Kläger stehe nur eine Versicherungsleistung auf Basis der nach Artikel 13 AUVB 1994-B reduzierten Versicherungssumme zu. Die Reduktion habe der Kläger durch die Unterfertigung des Versicherungsantrags, der eine entsprechende handschriftliche Ergänzung auf S 3 enthalten habe, zur Kenntnis genommen. Die Abschlussvariante mit einer Reduktion der Versicherungssumme auf 50 % ab dem Ende des Versicherungsjahres, in dem der Versicherungsnehmer das 15. Lebensjahr vollende, sei bewusst gewählt worden. Der Kläger habe sich den Inhalt des von seinem Vater als gesetzlichen Vertreter ungelesen unterfertigten Versicherungsantrags zuzurechnen. Von der Möglichkeit einer Prämienumstellung zur Aufrechterhaltung der ursprünglich vereinbarten Versicherungssumme sei kein Gebrauch gemacht worden. Ein Beratungsfehler liege nicht vor. Die in Artikel 13 AUVB 1994-B enthaltenen Altersgrenzen seien Standardbestandteil der Produktvarianten der Beklagten. Die Klausel entspreche dem Verhältnis von Risiko und Prämie. Eine Kinderunfallversicherung sehe günstigere Prämien als eine Jugendversicherung vor.

Die Nebenintervenientin schloss sich dem Vorbringen der Beklagten an. Gegenstand des Vertrags sei eine Einzelunfallversicherung für Kinder bis zum 15. Lebensjahr gewesen. Im Antrag, den der Vater des Klägers blanko unterfertigt habe, sei auf die Reduktion der Versicherungssumme hingewiesen worden. Hätte der Vater die Versicherungsbedingungen gelesen, wäre ihm die Summenreduktion bewusst geworden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus die Negativfeststellung, dass nicht festgestellt werden könne, dass sich zum Zeitpunkt der Unterfertigung durch den Vater des Klägers auf dem Antragsformular bereits der handschriftliche Vermerk „Einzelunfall für Kinder ab dem 15 LJ 50 % reduzierte VS" befunden habe.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, dass keine Abweichungen zwischen dem Versicherungsantrag und dem Versicherungsschein im Sinn des § 5 VersVG vorlägen. Eine Aufklärungspflicht bestehe nur dann, wenn dem Versicherer oder Versicherungsagenten aus den Äußerungen des Kunden klar erkennbar sei, dass dieser über einen für ihn ganz wesentlichen Vertragspunkt eine irrige Vorstellung habe, nicht jedoch, wenn über diesen Punkt überhaupt nicht gesprochen worden sei. Der Vater des Klägers habe als dessen gesetzlicher Vertreter dadurch, dass er den Versicherungsantrag ungelesen unterfertigt habe, in Kauf genommen, dass darin etwas stehe, was nicht seinen Vorstellungen entspreche. Der Antrag habe eine Kinderunfallversicherung für den Kläger mit einer Versicherungssumme von vorerst 4 Mio ATS enthalten, was dem Wunsch des Antragstellers entsprochen habe. Der Zeitraum für diese Versicherungssumme decke sich zwar nicht mit den Vorstellungen des Vaters des Klägers. Dies habe sich dieser aber selbst zuzuschreiben, da ihm auffallen hätte müssen, dass sich die angebotenen Produktvarianten nach dem Alter für Kinder, Jugendliche und Erwachsene unterschieden hätten. Aufgrund der Formulierung dieser Produktvarianten bereits im unterschriebenen Antragsformular seien die weiteren Bestimmungen in den Versicherungsbedingungen weder ungewöhnlich noch überraschend im Sinn des § 864a ABGB. Hätte der Vater des Klägers - auch mit dem Spezialwissen eines Rechtsanwalts - die Polizze dahingehend überprüft, ob sie seinen Vorstellungen entspreche, hätte ihm auffallen müssen, dass der von ihm gewünschte Versicherungsschutz lediglich knapp über ein Jahr aufrecht sei und die Beibehaltung dieses Versicherungsschutzes bedingt hätte, dass danach sein Sohn mit einer erhöhten Prämie als Jugendlicher versichert worden wäre.

Das vom Kläger angerufene Berufungsgericht teilte die Rechtsansichten des Erstgerichts und bestätigte dessen Entscheidung. Es führte im Wesentlichen aus: Der Umstand, dass in der Unfallversicherung Erwachsener die Schadenshäufigkeit und die Schäden deutlich höher seien als in der Unfallversicherung von Kindern, rechtfertige es, Kinder zu geringeren Versicherungsprämien zu versichern als Erwachsene. Daraus folge, dass mit Vollendung der Volljährigkeit die Fortgeltung unveränderten Versicherungsschutzes zu der Prämie des Kindertarifs nicht mehr in Betracht kommen könne. Dies erscheine als eine aus der Natur der Sache folgende Selbstverständlichkeit. Das statistisch nachweisbar erhöhte Risiko des Versicherers bei der Unfallversicherung Erwachsener stehe in keinem angemessenen Verhältnis zu den niedrigeren Prämien der Kinderunfallversicherung. Zusatzbedingungen in der deutschen Unfallversicherung, die bei Erreichen der Volljährigkeit eine Reduktion der Versicherungssumme vorsähen oder dem Versicherungsnehmer das Recht gäben, mit einer höheren Versicherungsprämie den bisherigen Unfallversicherungsschutz aufrechtzuerhalten, verstießen nach deutscher Judikatur nicht gegen die Normen des AGBG. Einem Versicherungsnehmer müsse klar sein, dass in Antragsformularen mehrere Produktvarianten mit Kurzbeschreibung zur Auswahl stünden. Im vorliegenden Fall sei eine Kinderunfallversicherung gewünscht worden. Auf eine vereinbarungswidrige Ausfüllung des Blanketts (Antragsformular) habe sich der Kläger gar nicht berufen und ebenso wenig einen Irrtum geltend gemacht. Da der Kläger im Zeitpunkt der Antragstellung das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet gehabt habe, sei nur das Versicherungsprodukt „Einzelunfallversicherung für Kinder bis zum 15. Lebensjahr, dann Reduktion der Versicherungssummen auf 50 %" in Frage gekommen, weshalb auch ohne Ankreuzen dieses Punktes die Beklagte ohne jeden Zweifel davon ausgehen habe dürfen, dass dieses Produkt gewünscht werde. Da die Versicherungspolizze in diesem Sinn ausgestellt worden sei, entspreche sie dem Antrag, auch wenn erst aus der dritten Seite hervorgehe, dass der Versicherungsschutz „Kinder" gewählt worden sei. Der Kläger behaupte erkennbar die Ungewöhnlichkeit sowohl des Artikels 13 AUVB 1994-B als auch der Klausel im Versicherungsantrag, wonach es in der Kinderunfallversicherung zu einer Reduktion der Versicherungssumme um 50 % unter den erwähnten Voraussetzungen komme. Diese Klausel befinde sich an der Stelle, an der ein verständiger Versicherungsnehmer damit rechnen müsse, nämlich bei der Anführung der Produktvarianten. Von einer subjektiven Ungewöhnlichkeit aufgrund der fehlenden Erörterung der Reduktion mit dem Versicherungsagenten könne daher nicht gesprochen werden. Dem Kläger sei die Klausel zuzurechnen, ohne dass es darauf ankomme, ob sich der daran anschließende handschriftliche Vermerk schon vor oder erst nach Unterfertigung des Versicherungsantrags durch den Vater auf dem Antragsformular befunden habe. Mangels Relevanz werde die betreffende, von den Berufungsgegnerinnen bekämpfte Feststellung des Erstgerichts „nicht übernommen". Die bloße Nennung einer Versicherungssumme lasse noch nicht zwingend darauf schließen, dass es dem Vater des Klägers darauf angekommen sei, dass diese Versicherungssumme für die Dauer der Versicherungsperiode ungekürzt bleibe. Die entsprechende Bestimmung über die Versicherungssummenreduktion sei auch nicht überraschend, ungewöhnlich oder intransparent; die Formulierungen im Antrag und in Artikel 13 AUVB 1994-B ließen vielmehr an Verständlichkeit nichts zu wünschen übrig. Der Versicherungsvertrag sei daher entgegen der Ansicht des Klägers mit der 50%igen Reduktion der Versicherungssumme nach Ende des Jahres, in dem der Versicherungsnehmer das 15. Lebensjahr vollendet habe, zustandegekommen.

Es bleibe die Frage einer schadenersatzrechtlichen Haftung der Beklagten infolge einer Aufklärungspflichtverletzung zu prüfen. Versicherungsagenten nach § 43 VersVG seien Erfüllungsgehilfen des Versicherers, und zwar auch bezüglich vorvertraglicher Aufklärungspflichten. Eine Aufklärungspflicht bestehe dann, wenn dem Versicherungsagenten aus den Äußerungen des Versicherungsinteressenten klar erkennbar sei, dass dieser über einen für ihn ganz wesentlichen Vertragspunkt eine irrige Vorstellung habe. Der Agent müsse Fehlvorstellungen, die der Versicherungsnehmer über den Deckungsumfang äußere, richtig stellen. Es bestehe auch eine Aufklärungspflicht, wenn erkennbar sei, dass der Versicherungsnehmer den Versicherungsschutz etwa gerade für ein ausgeschlossenes Risiko anstrebe. Ausgehend von diesen Grundsätzen sei ein Aufklärungsbedürfnis des Vaters des Klägers nicht zu erkennen. Auch wenn diesem eine hohe Versicherungssumme (während des gesamten versicherten Zeitraums) wichtig gewesen sein sollte, sei ein solches Interesse dem Mitarbeiter der Nebenintervenientin aber nicht erkennbar gewesen. Eine entsprechende Fehlvorstellung des Vaters des Klägers habe dem Versicherungsagenten daher nicht auffallen müssen.

Schließlich sei die Nichtigkeit einer Vereinbarung nach oberstgerichtlicher Judikatur nicht von Amts wegen, sondern nur auf Einwendung wahrzunehmen. Ein Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG oder gegen § 178f VersVG sei vom Kläger nicht geltend gemacht worden, weshalb darauf nicht eingegangen werden müsse.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zuzulassen sei, weil die Beurteilung von Klauseln in Versicherungsverträgen eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung darstelle. Auch bedürfe die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage der absoluten Nichtigkeit von Verbraucherschutzvorschriften im Hinblick auf die Entscheidung des EuGH vom 27. 6. 2000, Rs C-240-244/98, einer Überprüfung durch das Höchstgericht.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers, der unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und „die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen unter Klagsstattgebung, in eventu Zurückweisung" beantragt.

Die Beklagte stellt in der Revisionsbeantwortung den Antrag, dem Rechtsmittel ihres Prozessgegners keine Folge zu geben und die Entscheidungen der Vorinstanzen zu bestätigen.

Von der Nebenintervenientin wird in erster Linie die Zurückweisung der Revision beantragt; in eventu möge ihr keine Folge gegeben werden.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die vielen Versicherungsverträgen zugrundeliegende Bestimmung des Artikel 13 AUVB 1994 bisher vom Obersten Gerichtshof noch nicht zu beurteilen und insbesondere noch nicht einer Geltungskontrolle nach § 864a ABGB zu unterziehen war; sie ist aber nicht berechtigt.

Die Revisionsausführungen des Klägers können nicht überzeugen, während die damit bekämpften, hier (zusammengefasst) wiedergegebenen Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils in allen vom Revisionswerber gerügten Punkten - sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung - zutreffend sind. Gemäß § 510 Abs 3 zweiter Satz ZPO kann daher auf die Richtigkeit der Entscheidungsbegründung der zweiten Instanz verwiesen werden. Zur Rechtsrüge des Klägers ist lediglich wie folgt Stellung zu nehmen:

Der Kläger wendet sich vor allem gegen die Rechtsansicht der Vorinstanzen, Artikel 13 Punkt 1. AUVB 1994-B und die dieser Bestimmung entsprechende Bezeichnung der Produktvariante der Kinderunfallversicherung im Versicherungsantrag seien im Sinn des § 864a nicht ungewöhnlich. Das Gegenteil sei richtig, da sich durch diese Klausel die Versicherungssumme „in unmittelbarer zeitlicher Nähe" um die Hälfte geändert habe und somit das ursprüngliche Deckungskonzept sich nur zur Hälfte erfülle. Demnach sei aber auch nicht zutreffend, dass die vorbehaltlose Unterfertigung des Versicherungsantrags die Genehmigung dieser Versicherungsbedingung mitumfasst habe und keine Aufklärung über die Versicherungssummenreduktion bei Vollendung des 15. Lebensjahres erforderlich gewesen sei.

Entgegen diesen Ausführungen hält Artikel 13 Punkt 1. AUVB 1994-B sowohl der Geltungskontrolle des § 864a ABGB als auch der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB stand. Nach der der Inhaltskontrolle vorangehenden (1 Ob 638/94, RdW 1995, 258 ua; Bollenberger1 in KBB2 § 864a Rz 9) Geltungskontrolle nach § 864a ABGB werden Bestimmungen ungewöhnlichen Inhalts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder in Vertragsformblättern, die ein Vertragsteil verwendet, nicht Vertragsbestandteil, wenn sie dem anderen Teil nachteilig sind und er mit ihnen nach den Umständen, vor allem nach dem äußeren Erscheinungsbild der Urkunde, nicht zu rechnen brauchte, es sei denn, der eine Vertragsteil hätte den anderen besonders darauf hingewiesen. Verstößt eine Vertragsbestimmung gegen diese Vorschrift, so gilt der Vertrag ohne sie (Rummel in Rummel3 § 864a Rz 9 mwN). Als objektiv ungewöhnlich ist eine Klausel dann zu beurteilen, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, sodass er nach den Umständen mit ihr vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Einer solchen Vertragsbestimmung muss somit ein Überrumpelungs- oder gar Übertölpelungseffekt innewohnen (1 Ob 567/87, SZ 60/52; RIS-Justiz RS0014646). Wie die Vorinstanzen richtig erkannt haben, ist ein solcher Überrumpelungs- oder Übertölpelungseffekt hier zu verneinen. Schon das Berufungsgericht hat, deutscher Judikatur und Lehre zu einer ähnlichen Klausel (vgl VersR 1988, 263; Knappmann in Prölss/Martin VVG27 § 179 Rn 5) folgend, richtig ausgeführt, dass eine Reduktion der Versicherungssumme bei gleichbleibender, gegenüber einer Jugend- oder Erwachsenenunfallversicherung wesentlich niedrigerer Prämie jedenfalls sachlich gerechtfertigt ist, wenn ein Kind 16 Jahre alt wird. Es ist nämlich allgemein bekannt, dass die Schadenshäufigkeit und Schadenshöhe bei Jugendlichen (die schadensgeneigtere Tätigkeiten, wie etwa Mopedfahren, ausüben) wesentlich höher ist als bei Kindern. Jeder durchschnittlich versierte Versicherungsnehmer wird daher einsehen, dass zur Aufrechterhaltung einer Übereinstimmung von Leistung und Prämie bei gleichbleibender Prämienhöhe der Kinderunfallversicherung bei einem Jugendlichen die Leistungspflicht des Versicherers reduziert werden muss. Damit kann aber eine diesem Umstand Rechnung tragende Klausel grundsätzlich nicht als ungewöhnlich oder überraschend angesehen werden.

Unter diesen Umständen bestand keine Veranlassung für den Versicherungsagenten, den Vater des Klägers auf diese Klausel besonders hinzuweisen. Dies umso mehr, als die mit Vollendung des 15. Lebensjahres (genauer: mit dem Ende des Versicherungsjahres, in dem der Versicherte das 15. Lebensjahr vollendet; hier also ab 1. 11. 2000) eintretende Versicherungssummenreduktion ja schon in der Produktbezeichnung im Versicherungsantrag erwähnt und dadurch betont wird. Dass der Vater des Klägers den Versicherungsantrag unterfertigte, ohne ihn zu lesen und daher keine Kenntnis von diesem Hinweis durch die Produktbezeichnung hatte, vermag daran nichts zu ändern: Macht doch derjenige, der eine Urkunde unterfertigt, den durch seine Unterschrift gedeckten Text auch dann zum Inhalt seiner Erklärung, wenn er den Text nicht gekannt hat (RIS-Justiz RS0014893 und RS0014753). Eine Hinweis- oder Aufklärungspflicht des der Beklagten zuzurechnenden Agenten K***** hätte daher nur dann bestanden, wenn der Vater zu erkennen gegeben hätte, dass es ihm besonders darum zu tun sei, dass die Versicherungssumme den gesamten versicherten Zeitraum über gleich bleibe; stand doch die Reduktion der Versicherungssumme bereits am Antrag. Ein solcher Wunsch des Vaters, mag er auch tatsächlich bestanden haben, war dem Agenten K***** nach den unbekämpft gebliebenen erstgerichtlichen Feststellungen aber nicht erkennbar.

Da die betreffende Klausel sachlich gerechtfertigt ist, kann sie weiters auch nicht im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB als den Versicherungsnehmer gröblich benachteiligend angesehen werden. Eine gröbliche Benachteiligung ist dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht (RIS-Justiz RS0016914). Davon kann hier keine Rede sein, zumal Artikel 13 Punkt 1. AUVB 1994-B es dem Versicherungsnehmer ausdrücklich freistellt, durch Umstellung auf die entsprechend höhere Prämie für Jugendliche die Beibehaltung der Versicherungssumme zu bewirken.

Ausgehend davon, dass die Klausel keinen ungewöhnlichen Inhalt im Sinn des § 864a ABGB hat und daher für den Versicherungsagenten der Beklagten keine Aufklärungspflicht bestand, muss auch der Einwand des Revisionswerbers, der Inhalt der ihm übermittelten Polizze sei insofern irreführend, als dort (nur) eine Versicherungssumme von 4 Mio ATS angegeben werde, ins Leere gehen. Die Polizze enthält den Hinweis, dass die Bestimmungen der AUVB 1994-B Vertragsinhalt wurden und entspricht dem Versicherungsantrag in jeder Hinsicht. Im Übrigen wäre, wenn die Polizze vom Versicherungsantrag abwiche, nach § 5 Abs 3 VersVG ohnehin der Inhalt des Versicherungsantrags als vereinbart anzusehen.

Da die altersbedingte Änderung der Versicherungssumme auch im Sinn des § 6 Abs 2 Z 3 KSchG sachlich gerechtfertigt ist und weiters dagegen im Hinblick auf § 178f VersVG keine Bedenken bestehen, stellt sich die vom Berufungsgericht für erheblich erachtete Rechtsfrage einer absoluten Nichtigkeit von gegen Verbraucherschutzvorschriften verstoßenden Vereinbarungen nicht.

Die Revision muss erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

Textnummer

E90480

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0070OB00288.08S.0318.000

Im RIS seit

17.04.2009

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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