TE OGH 2009/5/5 1Ob195/08w

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.05.2009
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** GmbH, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. DI Johann B*****, vertreten durch Berlin & Partner, Rechtsanwälte in Salzburg, und 2. ***** B***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger und Dr. Brigitte Piber, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 863.350,75 EUR sA, infolge außerordentlicher Revisionen der klagenden Partei und der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 18. Juni 2008, GZ 4 R 99/08v-46, womit das Teil- und Zwischenurteil des Landesgerichts Salzburg vom 27. Dezember 2007, GZ 10 Cg 46/05f-35, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Beide außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der klageweise geltend gemachte Schadensbetrag resultiert aus der nach Ansicht der Klägerin von den Beklagten vertragswidrig und schuldhaft verursachten „Überzahlung" von Werklohn an das von der Klägerin mit der Errichtung eines Bauwerks beauftragte, letztlich insolvent gewordene Unternehmen. Die Vorinstanzen wiesen die Klage gegen den von der Klägerin mit der örtlichen Bauaufsicht betrauten Erstbeklagten ab und erkannten die Klagsforderung gegen die von der Klägerin mit den Architektenleistungen und der „Verwaltung aller Sicherstellungen für Erfüllungsgarantien, Deckungsrücklässe und eventuelle Vorauszahlungen" beauftragten Zweitbeklagten dem Grunde nach als zu Recht bestehend.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Klägerin und der Zweitbeklagten erhobenen außerordentlichen Revisionen sind unzulässig.

I. Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn infolge einer wesentlichen Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RIS-Justiz RS0042936).

Keiner der beiden Rechtsmittelwerberinnen ist es gelungen, eine derart erhebliche Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht aufzuzeigen.

II. Zur Revision der Klägerin:

1. Zur örtlichen Bauaufsicht gehören alle jene Kontrolltätigkeiten, die sich unmittelbar auf den Baufortschritt beziehen und nur im Zusammenhang mit Wahrnehmungen auf der Baustelle selbst sinnvoll ausgeübt werden können. Alle anderen zur Bauüberwachung gehörenden Tätigkeiten sind nicht örtliche Bauaufsicht (RIS-Justiz RS0058803), insbesondere nicht die Überprüfung, ob die Rechnungspositionen des Werkunternehmers jeweils von Erfüllungsgarantien abgedeckt waren. Dies oblag im vorliegenden Fall der Zweitbeklagten.

2. Die Anwendung der von der Rechtsprechung zur Sorgfaltspflicht bei der Ausübung der Bauaufsicht aufgestellten Grundsätze ist jeweils eine Entscheidung des Einzelfalls (vgl 1 Ob 238/07t). So ist auch im vorliegenden Fall nicht die Auslegung der Aufgaben der örtlichen Bauaufsicht nach § 4 BTHOA-A im Allgemeinen vorzunehmen, sondern über die konkreten Pflichten des Erstbeklagten auf Basis der konkreten Vertragslage abzusprechen.

3. Das Berufungsgericht beurteilte die Tätigkeit des Erstbeklagten - der von der Klägerin unter anderem mit der Überwachung der Einhaltung von anerkannten Regeln der Technik, der behördlichen Vorschriften und des Terminplans, mit dem Aufstellen und gegebenenfalls der Aktualisierung eines Zahlungsplans und der vertragsmäßigen, rechnerischen und fachtechnischen Überprüfung aller Rechnungs- und Aufmaßunterlagen beauftragt war (Anlage 1 zum Werkvertrag Beilage ./A) - im Gesamtzusammenhang als nicht sorgfaltswidrig. Diese Beurteilung ist aufgrund folgender Umstände zumindest vertretbar:

Die gegenständlichen Rechnungen enthielten jeweils keine Leistungspositionen, die im Rahmen einer örtlichen Bauaufsicht auf deren Erbringung geprüft werden konnten. Die Prüfung des Erstbeklagten musste sich daher darauf beschränken, ob die Teilrechnungen dem Zahlungsplan entsprachen. Dass dies der Fall war, ist unbestritten. Zu prüfen bleibt aber, ob es aufgrund der eingetretenen Bauverzögerungen Aufgabe des Erstbeklagten gewesen wäre, den Zahlungsplan zu aktualisieren, um die Zahlungen der Klägerin an den „Baufortschritt" anzupassen. Dies wäre wohl grundsätzlich im Rahmen seiner vertraglichen Verpflichtungen gelegen - siehe den oben wiedergegebenen Auftragsumfang -, wurde vom Erstbeklagten der Zweitbeklagten bzw dem Bauunternehmen gegenüber auch angekündigt (Beilagen ./AA, ./BB), konnte jedoch aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls hier unterbleiben. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass der Erstbeklagte in den - auch von Vertretern der Klägerin und der Zweitbeklagten besuchten - Baubesprechungen mehrmals auf das Vorliegen von Verzögerungen, und auch darauf, dass diese im Wesentlichen mit ausständigen Bauherrnentscheidungen im Zusammenhang stünden, hingewiesen hat (Beilagen ./8 - ./18). Der Umstand, dass der Baufortschritt hinter den ursprünglichen Planungen zurück blieb, war somit allen Beteiligten bekannt und bedurfte daher keines gesonderten Hinweises des Erstbeklagten auf den Vermerken zu den (entsprechend dem vereinbarten Zahlungsplan gelegten) Rechnungen. Im Zusammenhang mit dem Umstand, dass der Erstbeklagte die Ursache der Verzögerungen zunächst in ausständigen Bauherrnentscheidungen begründet sah (siehe Protokoll zur Baubesprechung vom 10. 7. 2002, Beilage ./11:

„Terminsituation: Die ÖBA hält fest, dass der Terminplan aufgrund fehlender Freigaben bzw nicht erfolgter Bauherrnentscheidungen nicht mehr zu halten ist"), ist es durchaus nachvollziehbar, die Anpassung des Zahlungsplans erst dann in Angriff nehmen zu wollen, als für ihn die verzögerten Bauherrnentscheidungen nicht mehr im Vordergrund standen. Schließlich gebührt gemäß § 1168 Abs 1 ABGB dem Werkunternehmer gleichwohl das vereinbarte Entgelt, wenn er zur Leistung bereit war und durch Umstände, die auf Seite des Bestellers liegen, daran verhindert worden ist. Es ergibt sich daher nicht zwingend, dass der Erstbeklagte zur Adaptierung des Zahlungsplans zugunsten der Klägerin aus Anlass deren eigenen Verzögerungen verhalten gewesen wäre. Im Übrigen war der Beginn der Stahlbaumontage erst mit August 2002 vorgesehen (Auftragsschreiben Beilage ./B, Pkt. 5.1), sodass die Adaptierung des Zahlungsplans frühestens mit Wirksamkeit für die 6. Teilzahlung (September 2002) hätte erfolgen können. Den Feststellungen der Tatsacheninstanzen ist jedoch nicht zu entnehmen, dass für den Erstbeklagten vor seinem tatsächlichen Tätigwerden in Richtung Zahlungsplanänderung (Beilagen ./AA und ./BB) dem Bauunternehmen - und nicht der Klägerin - zurechenbare Verzögerungen erkennbar gewesen wären (siehe die oben bezeichneten Hinweise des Erstbeklagten in den Baubesprechungsprotokollen). Dazu kommt, dass es nicht Sache des Erstbeklagten war, die einzelnen Rechnungssummen auf deren Deckung durch entsprechende Erfüllungsgarantien zu überprüfen, da nicht er, sondern die Zweitbeklagte mit der „Verwaltung" aller Sicherstellungen für Erfüllungsgarantien, Deckungsrücklässe und eventuelle Vorauszahlungen beauftragt war.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach dem Erstbeklagten keine Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten vorzuwerfen sei, ist daher vertretbar und stellt keine grobe Fehlbeurteilung dar, die vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen wäre.

III. Zur Revision der Zweitbeklagten:

1. Zur Frage der Einzelfallentscheidung wird auf die obigen Ausführungen zur Revision der Klägerin verwiesen.

2. Sofern die Zweitbeklagte meint, dass sie sich aufgrund der „Abzeichnung" der Rechnungen durch den Erstbeklagten darauf habe verlassen können, dass sie mit dem Leistungsstand übereinstimmten, sind ihr die zahlreichen Terminüberschreitungs-Mitteilungen des Erstbeklagten in den Baubesprechungen entgegen zu halten. So stellte das Erstgericht ausdrücklich fest (Urteil S 16): „Auch in den Baubesprechungen am ... wurde seitens des Erstbeklagten auf Terminverzögerungen und Terminüberschreitungen des ursprünglichen Terminplans hingewiesen. Bei diesen Baubesprechungen war immer auch die zweitbeklagte Partei vertreten."

Dass die Frage, ob eine Rechnung freigegeben werden kann, weil der in Rechnung gestellte Betrag noch mit dem Leistungsstand übereinstimmt, nichts mir der Frage zu tun hätte, ob Terminverzögerungen vorliegen, ist unzutreffend. Gerade der Zweitbeklagten, welche die Gesamtkoordination des Bauvorhabens über (siehe Beilage ./B) und welche die Vertragsverhandlungen mit dem Bauunternehmen geführt hatte (Ersturteil Seite 15), musste dieser Zusammenhang bewusst sein.

3. Die Zweitbeklagte bemängelt, dass sich das Berufungsgericht nicht mit der Frage auseinandergesetzt habe, ob sie gegenüber der Klägerin vertraglich verpflichtet gewesen wäre, „den Leistungsstand auf der Baustelle der einzelnen Professionisten zu überprüfen". Diesbezüglich ist allerdings zwischen sämtlichen Parteien unstrittig, dass diese Aufgabe dem Erstbeklagten zufiel. Dieser kam durch seine ausführliche Berichterstattung in den Baubesprechungen und nachfolgende Übermittlung der entsprechenden Protokolle seiner Verpflichtung insoweit auch nach. Ob auch die Zweitbeklagte dafür zuständig gewesen wäre, kann dahinstehen, da sie jedenfalls für die „Verwaltung aller Sicherstellungen für Erfüllungsgarantien, Deckungsrücklässe und eventuelle Vorauszahlungen" zuständig war, sodass die Unterbesicherung der Teilzahlungen - wie vom Berufungsgericht zutreffend erkannt - zu ihren Lasten geht. Damit erübrigt sich aber auch ein Eingehen auf die von der Zweitbeklagten angestellten - theoretischen - Überlegungen zum Begriff der „geschäftlichen Oberleitung".

4. Die Zweitbeklagte argumentiert schließlich, es habe auch der Klägerin klar sein müssen, dass die Freigabe weiterer Rechnungen zu Überzahlungen führen werde - sofern man unterstelle, dass allen Beteiligten klar gewesen sein müsste, dass der Erstbeklagte die Rechnungen nicht auf Übereinstimmung mit dem Leistungsstand überprüft gehabt habe. Dem ist entgegen zu halten, dass der Klägerin deswegen nicht klar sein musste, dass die entsprechenden Teilzahlungen unterbesichert waren.

Es mag sein, dass es nicht zu den Verpflichtungen der Zweitbeklagten gehörte, die Klägerin in jedem Fall vor dem Insolvenzrisiko eines Professionisten zu schützen. Es gehörte aber jedenfalls zu ihren Verpflichtungen, durch sorgfältige „Verwaltung aller Sicherstellungen für Erfüllungsgarantien, Deckungsrücklässe und eventuelle Vorauszahlungen" ihren Auftraggeber vor entsprechenden Unterbesicherungen zu schützen.

Mangels erheblicher Rechtsfragen im Sinne von § 502 Abs 1 ZPO sind beide Revisionen als unzulässig zurückzuweisen.

Anmerkung

E908061Ob195.08w

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0010OB00195.08W.0505.000

Zuletzt aktualisiert am

09.07.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten