TE OGH 2009/5/12 10Ob12/09a

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Veröffentlicht am 12.05.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Andrea B*****, vertreten durch Dr. Georg Uher, Rechtsanwalt in Mistelbach, gegen den Antragsgegner Leopold B*****, vertreten durch Dr. Harald Hauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Abänderung des Beschlusses des Bezirksgerichts Laa an der Thaya vom 29. November 2006, GZ 3 C 10/05h-56, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 11. Dezember 2008, GZ 23 R 165/08i-86, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Laa an der Thaya vom 17. September 2008, GZ 3 C 10/05h-82, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird eine neue Entscheidung über den Abänderungsantrag unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Im Verfahren 3 C 10/05h des Erstgerichts beantragte die Antragstellerin die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens unter anderem in der Form, dass der Antragsgegner verpflichtet werde, die Verbindlichkeiten aus zwei Darlehen bei der ***** E***** Bank ***** AG zur alleinigen Rückzahlung zu übernehmen. Der Antragsgegner beantragte seinerseits unter anderem, der Antragstellerin die alleinige Rückzahlung dieser Darlehen aufzutragen.

Das Erstgericht wies mit Beschluss vom 29. 11. 2006 (ON 56) unter anderem den Aufteilungsantrag hinsichtlich dieser beiden Darlehen zurück. Nach den wesentlichen Feststellungen war zwischen den Parteien mündlich vereinbart, dass die Antragstellerin dem Antragsgegner ihre ideelle Liegenschaftshälfte (betreffend die Ehewohnung) im Schenkungsweg überträgt und dieser im Gegenzug im Innenverhältnis alle Schulden, insbesondere auch die bei der ***** E***** Bank ***** AG aushaftenden Darlehen, zur alleinigen Rückzahlung übernimmt. Über diese Vereinbarung wurde zwischen den Parteien am 2. 6. 1999 ein Schenkungsvertrag in Form eines Notariatsakts errichtet, in welchem allerdings abweichend von der mündlich getroffenen Vereinbarung ohne Wissen und Willen der Antragstellerin festgehalten wurde, dass hinsichtlich der bei der ***** E***** Bank ***** AG aushaftenden Darlehen keine Schuldübernahme seitens des Antragsgegners erfolgen sollte. Im Zusammenhang damit wurde über Initiative des Antragsgegners zwischen den Parteien noch am selben Tag ein weiterer Notariatsakt geschlossen, in welchem die Antragstellerin im Fall einer Scheidung auf eine Ausgleichszahlung für die gegenständliche Liegenschaft verzichtete. Auch diesen Notariatsakt unterzeichnete die Antragstellerin in dem Vertrauen, mit der Schenkung und dem Verzicht auf eine Ausgleichszahlung im Fall einer Scheidung von allen ihren diesbezüglichen Verpflichtungen sowohl im Innen- als auch im Außenverhältnis befreit zu sein. ***** E***** Bank ***** AG entließ daraufhin die Antragstellerin aus ihrer Haftung für die Darlehen gegenüber diesem Institut. In der Folge wurde mit 18. 7. 1999 die häusliche Gemeinschaft zwischen den Parteien aufgehoben und die Ehe mit Urteil des Bezirksgerichts Poysdorf vom 10. 4. 2000 rechtskräftig geschieden. In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, es liege eine wirksame Vereinbarung der Parteien über die Übernahme der Darlehensverbindlichkeiten im Innenverhältnis vor, weshalb das diesbezügliche Aufteilungsbegehren zurückzuweisen sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Oberste Gerichtshof wies den vom Antragsgegner dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs mit Beschluss vom 26. 6. 2007, AZ 10 Ob 63/07y, mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurück. Der erkennende Senat ging bei seiner Entscheidung aufgrund der getroffenen Feststellungen von einem inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen der von der Antragstellerin für ihre Entlassung aus der Haftung vorgenommenen Übertragung ihres Hälfteeigentums an der Liegenschaft sowie ihres gleichzeitig für den Fall einer Scheidung erklärten Verzichts auf eine Ausgleichszahlung und dem in der Folge von ihr am 29. 9. 1999 eingeleiteten Scheidungsverfahren aus. Die zwischen den Parteien daher rechtswirksam (vgl § 97 Abs 2 EheG) getroffene mündliche Vereinbarung über die mit der Aufteilung der Ehewohnung im Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten schloss daher auch nach Ansicht des erkennenden Senats die weiterhin angestrebte Aufteilung der Verpflichtung zur Rückzahlung der Darlehensverbindlichkeiten aus.

Mit Eingabe vom 10. 3. 2008 begehrt der Antragsgegner nunmehr die Abänderung der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung des Erstgerichts vom 29. 11. 2006, GZ 3 C 10/05h-56, dahin, dass die Antragstellerin zur alleinigen - in eventu zur teilweisen - Rückzahlung der beiden Darlehen verpflichtet werde, in eventu ihm eine Ausgleichszahlung von 100.000 EUR für die Rückzahlung der Kredite zuerkannt werde. Die Antragstellerin habe bei ihrer Einvernahme als Zeugin in einem beim Landesgericht Korneuburg anhängigen Verfahren am 26. 2. 2008 angegeben, dass bei Abschluss der Notariatsakte im Juni 1999 von Scheidung noch keine Rede gewesen sei. Diese Aussage der Antragstellerin stelle ein neues Beweismittel dar, welches ihm bisher nicht zur Verfügung gestanden sei. Durch diese Aussage der Antragstellerin könne nunmehr bewiesen werden, dass die Notariatsakte nicht im Zusammenhang mit einem Scheidungsverfahren abgeschlossen worden seien, weshalb keine verbindliche Vereinbarung im Sinn des § 97 Abs 2 EheG vorliege.

Die Antragstellerin beantragte die Zurück- bzw Abweisung des Abänderungsantrags unter anderem mit der Begründung, der Antragsgegner habe im Aufteilungsverfahren kein Vorbringen dahin erstattet, dass der Notariatsakt nicht im Zusammenhang mit einem Scheidungsverfahren errichtet worden sei. Der Antragsgegner könne dieses versäumte Vorbringen nicht im Wege eines Abänderungsantrags nachholen. Im Übrigen sei das vom Antragsgegner vorgebrachte Beweismittel nicht geeignet, eine für ihn günstigere Entscheidung herbeizuführen.

Der Antragsgegner hält dem entgegen, es wäre Sache der Antragstellerin im Aufteilungsverfahren gewesen, zu behaupten, dass die Vereinbarung über die Schuldenstragung im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren getroffen worden sei. Ein solches Vorbringen habe auch die Antragstellerin nicht erstattet.

Das Erstgericht wies den Abänderungsantrag zurück. Ein Abänderungsantrag im Sinn des § 73 AußStrG könne nur dann gestellt werden, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außer Stande gewesen sei, die neuen Tatsachen oder Beweismittel im Hauptverfahren geltend zu machen. Dafür, dass es ihm nicht möglich gewesen sei, die neuen Beweismittel schon im Hauptverfahren geltend zu machen, sei der Abänderungswerber behauptungs- und beweispflichtig. Komme er dieser Pflicht nicht nach oder ergebe sich sein Verschulden schon aus seinen Angaben, sei der Antrag zurückzuweisen. Der anwaltlich vertretene Antragsgegner habe im Aufteilungsverfahren gar nicht behauptet, dass die Notariatsakte nicht im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren gestanden seien. Daher sei dazu auch keine Beweisaufnahme erfolgt. Ein das Versäumnis des anwaltlich vertretenen Antragsgegners rechtfertigender Grund sei nicht ersichtlich, weshalb der Abänderungsantrag zurückzuweisen sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und teilte im Wesentlichen die Rechtsansicht des Erstgerichts. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragsgegners mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Stattgebung seines Abänderungsantrags abzuändern.

Die Antragstellerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs des Antragsgegners als unzulässig zurückzuweisen bzw ihm keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Vorinstanzen von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen sind, und im Sinne der beschlossenen Aufhebung auch berechtigt.

Der Revisionsrekurswerber macht im Wesentlichen geltend, beide Parteien hätten im Aufteilungsverfahren erster Instanz gar nicht geltend gemacht, dass der Notariatsakt im Zusammenhang mit der Scheidung abgeschlossen worden sei. Es sei daher nicht in seine Verpflichtung als Antragsgegner gefallen, zu behaupten, dass eine Regelung, auf die sich keine der Parteien berufen habe, rechtsunwirksam wäre. Als das Erstgericht im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung im Aufteilungsverfahren rechtsirrig davon ausgegangen sei, dass der Notariatsakt im Zusammenhang mit der Scheidung abgeschlossen worden sei, habe er die Richtigkeit dieser Ansicht in seinen Rechtsmittelschriften bekämpft.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Gemäß § 73 Abs 1 Z 6 AußStrG kann nach dem Eintritt der Rechtskraft eines Beschlusses, mit dem über die Sache entschieden wurde, seine Abänderung beantragt werden, wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt hätte. Diese Gründe eines Abänderungsantrags entsprechen dem Wiederaufnahmsklagegrund nach § 530 Abs 1 Z 7 ZPO. Die neuen Tatsachen müssen im vorangegangenen Verfahren bereits entstanden oder vorhanden gewesen sein. Bei den neuen Beweismitteln kommt es nicht darauf an, wann diese entstanden sind; sie müssen sich nur auf Tatsachen beziehen, die schon vor Verfahrensabschluss erster Instanz vorhanden waren (Feil/Marent, AußStrG² § 73 Rz 11 mwN).

Ein Abänderungsgrund nach § 73 Abs 1 Z 6 AußStrG liegt nur dann vor, wenn die Partei ohne ihr Verschulden außer Stande war, die neuen Tatsachen oder Beweismittel in dem vorangegangenen Verfahren geltend zu machen (§ 73 Abs 3 AußStrG). Sinn und Zweck des Abänderungsantrags nach § 73 Abs 1 Z 6 AußStrG ist es, eine unrichtige Tatsachengrundlage des mit dem Abänderungsantrag angefochtenen Beschlusses zu beseitigen, nicht aber von den Parteien begangene Fehler ihrer Verfahrensführung zu beheben. Dafür, dass er ohne sein Verschulden die neuen Beweismittel nicht schon im Hauptverfahren geltend machen konnte, ist - wie im Verfahren nach den §§ 530 ff ZPO, dem das Abänderungsverfahren nach dem AußStrG in vielfacher Hinsicht nachgebildet ist - der Abänderungswerber behauptungs- und beweispflichtig. Kommt er dieser Pflicht in seinem Antrag nicht nach oder ergibt sich das Verschulden des Abänderungswerbers schon aus seinen Angaben, ist der Antrag zurückzuweisen (vgl 9 Ob 106/06p unter Hinweis auf die Rechtsprechung zum insoweit vergleichbaren Wiederaufnahmsverfahren nach den §§ 530 ff ZPO). Ein Verschulden wegen Unterlassung entsprechender Behauptungen im Vorprozess oder wegen Unterlassung der Namhaftmachung von Beweismittel kann aber immer nur dann angenommen werden, wenn die Bedeutung der Tatsachen oder Beweismittel ohne weiteres erkennbar gewesen wäre (RIS-Justiz RS0106894). An die von einem Rechtsanwalt vertretene Partei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die Grenze bildet aber auch hier die Anwendung der zumutbaren Sorgfalt (Jelinek in Fasching/Konecny² § 530 ZPO Rz 213 mwN).

Im vorliegenden Fall sind beide Parteien im Aufteilungsverfahren erster Instanz ganz offensichtlich übereinstimmend davon ausgegangen, dass zwischen ihnen über die Aufteilung ihrer die Finanzierung der Ehewohnung betreffenden Verbindlichkeiten bei der ***** E***** Bank ***** AG keine rechtswirksame Vereinbarung im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren vorliege, weil beide Parteien die Aufteilung dieser Verbindlichkeiten nach §§ 81 ff EheG beantragt haben. Es würde daher nach Ansicht des erkennenden Senats eine Überspannung der prozessualen Diligenzpflicht des Antragsgegners darstellen, von ihm zu verlangen, er hätte bereits im Aufteilungsverfahren erster Instanz ausdrücklich geltend machen müssen, dass die von der Antragstellerin behauptete Vereinbarung über die Aufteilung dieser Verbindlichkeiten in keinem Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren der Parteien gestanden sei. Würde man eine diesbezügliche Behauptungslast überhaupt annehmen, würde sie wohl eher die Antragstellerin treffen, zumal es sich bei der Bestimmung des § 97 Abs 2 EheG um eine Ausnahmebestimmung (vgl SZ 61/54) zur allgemeinen Regelung des § 97 Abs 1 EheG handelt, wonach auf den Anspruch auf Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens (dazu gehören gemäß § 81 Abs 2 EheG auch die Aufteilung der Ehewohnung und der damit im Zusammenhang stehenden Schulden) im Voraus grundsätzlich nicht rechtswirksam verzichtet werden kann. Auch dem anwaltlich vertretenen Antragsgegner kann daher nach Ansicht des erkennenden Senats nicht als Verschulden im Sinn des § 73 Abs 3 AußStrG zur Last gelegt werden, dass er im Hauptverfahren in erster Instanz nicht behauptet habe, die Notariatsakte seien nicht im Zusammenhang mit dem Scheidungsverfahren abgeschlossen worden. Auch der weitere Vorwurf des Rekursgerichts, dem Antragsgegner sei ein Verschulden im Sinn des § 73 Abs 3 AußStrG anzulasten, weil er in seinen Rechtsmittelschriften im Hauptverfahren nicht geltend gemacht habe, dass sich keine der Parteien (ausdrücklich) auf eine Regelung im Sinn des § 97 Abs 2 EheG berufen habe, trifft schon deshalb nicht zu, weil eine rechtliche Qualifikation des Antragsbegehrens der Parteien im Aufteilungsverfahren nicht notwendig ist. Nach § 9 Abs 1 AußStrG muss der Antrag im Außerstreitverfahren im Gegensatz zur Grundregel des Zivilprozesses auch kein bestimmtes Begehren enthalten, er muss lediglich hinreichend erkennen lassen, welche Entscheidung der Antragsteller anstrebt und aus welchem Sachverhalt er dies ableitet (vgl Rechberger in Rechberger, AußStrG § 9 Rz 1). Schließlich ist nach den Behauptungen des Antragsgegners in seinem Abänderungsantrag davon auszugehen, dass die Antragstellerin die Aussage, auf die sich der Antragsgegner in seinem Abänderungsantrag nunmehr stützt, erst im Zuge ihrer Einvernahme als Zeugin in einer Verhandlung am 26. 2. 2008 getätigt hat, sodass es dem Antragsgegner ebenfalls nicht möglich war, dieses neue Beweismittel im Hauptverfahren geltend zu machen. Die Zurückweisung des Abänderungsantrags durch die Vorinstanzen wegen Verschuldens des Abänderungswerbers im Sinn des § 73 Abs 3 AußStrG erweist sich daher als nicht berechtigt.

Nach § 73 Abs 1 Z 6 AußStrG berechtigen nur solche neuen Tatsachen und Beweismittel zum Abänderungsantrag, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine der Partei günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde. „Geeignet" sind nicht nur (neue) Haupttatsachen und Beweismittel zum Nachweis von Haupttatsachen. Beruht die Entscheidung im Vorverfahren auf Schlussfolgerungen aus Hilfstatsachen, dann ist das Vorbringen neuer Hilfstatsachen, die solche Tatsachenschlüsse in Frage stellen, ausreichend. Dasselbe gilt für die Beweismittel zur Dartuung oder Widerlegung von Hilfstatsachen; hier reicht das Vorbringen von Beweismitteln aus, die, wenn sie im Vorprozess bekannt gewesen wären, allenfalls zu einer anderen Würdigung der streitentscheidenden Beweismittel geführt hätten (8 ObA 74/06z mwN). Der Abänderungsgrund soll daher der materiellen Wahrheit in jenen Fällen zum Durchbruch verhelfen, in denen die tatsächliche Entscheidungsgrundlage unrichtig oder unvollständig war (vgl RIS-Justiz RS0044676 [T3] zur Bestimmung des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO).

Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung 10 Ob 63/07y vom 26. 6. 2007 ausgehend von den von den Vorinstanzen im Hauptverfahren getroffenen und oben bereits im Wesentlichen wiedergegebenen Feststellungen einen inhaltlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen der von der Antragstellerin für ihre Entlassung aus der Haftung vorgenommenen Übertragung ihres Hälfteeigentums an der Liegenschaft sowie ihres gleichzeitig - ausdrücklich - für den Fall einer Scheidung erklärten Verzichts auf eine Ausgleichszahlung und dem in der Folge von ihr tatsächlich eingeleiteten Scheidungsverfahren bejaht. Nach ständiger Rechtsprechung stehen nämlich auch Vereinbarungen über die gerichtliche Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, die schon vor Einleitung eines Verfahrens auf Scheidung der Ehe zustandekamen, mit einem solchen Verfahren „im Zusammenhang" (§ 97 Abs 2 EheG), wenn damit die Regelung der Scheidungsfolgen der §§ 81 ff EheG beabsichtigt war (vgl RIS-Justiz RS0057618). Es wurde ebenfalls bereits darauf hingewiesen, dass es bei der Beurteilung des Zusammenhangs nach § 97 Abs 2 EheG in erster Linie auf den inhaltlichen, also „ursächlichen" Zusammenhang zwischen Vereinbarung und dem (späteren) Scheidungsverfahren ankommt. Darunter versteht man die beim Abschluss der Vereinbarung vorhandene - wenn auch einseitige - Absicht auf Scheidung zu klagen oder die beiderseitige Absicht, sich einvernehmlich scheiden zu lassen. Ab dem Entstehen dieser Absicht ist eine außergerichtliche und formlose Vereinbarung - durch die künftige richterliche Ehescheidung aufschiebend bedingt - wirksam, sofern nur zwischen dem Abschluss einer solchen Vereinbarung und dem später geltend gemachten Scheidungsgrund ein Zusammenhang besteht (RIS-Justiz RS0057710) bzw sofern der Zusammenhang mit der damals beabsichtigten Scheidung nicht durch Zwischenursachen (zB vorübergehende Versöhnung) beseitigt wurde (RIS-Justiz RS0057619). Der ursächliche Zusammenhang fehlt hingegen, wenn keine konkrete Scheidungsabsicht zum Vereinbarungszeitpunkt bestanden hat, sondern eine solche Vereinbarung nur für den abstrakten Fall einer eventuellen Scheidung in fernerer Zukunft getroffen wurde (Deixler-Hübner in Gitschthaler/Höllwerth, EheG § 97 Rz 11).

Ausgehend von den dargelegten Erwägungen ist es aber durchaus möglich, dass der vom Abänderungswerber durch das neue Beweismittel geltend gemachte Umstand, zwischen den Parteien sei bei Abschluss der Vereinbarung im Juni 1999 noch keine Rede von einer Scheidung gewesen, zu einer anderen, für den Abänderungswerber günstigeren Beurteilung führen könnte, wonach der im Hauptverfahren angenommene Zusammenhang zwischen Vereinbarung und Scheidungsverfahren doch nicht vorliege und die von den Parteien getroffene Vereinbarung daher keine rechtswirksame Regelung im Sinn des § 97 Abs 2 EheG darstelle. Treffen Ehegatten - ohne Zusammenhang mit einem Verfahren auf Scheidung, Aufhebung oder Nichtigerklärung der Ehe - eine Vereinbarung über eine künftige Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und wendet sich später im Fall der Scheidung einer der Ehegatten wegen der Aufteilung dennoch an das Gericht, so wird dieses bei der Beurteilung der Frage, auf welche Weise das Vermögen billig zu teilen ist, auch den Inhalt der von den Ehegatten geschlossenen Vereinbarung und die Gründe, warum die Ehegatten zu einer solchen Vereinbarung gelangt sind, zu beachten und zu werten haben. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die nach den §§ 81 ff EheG zu treffende Entscheidung inhaltlich der nach § 97 Abs 1 EheG unwirksamen Vereinbarung entsprechen muss (Hopf/Kathrein, Eherecht² § 97 EheG Anm 2 mwN).

Der Einwand der Antragstellerin in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, der zwischen den Parteien in Form eines Notariatsakts errichtete Schenkungsvertrag vom 2. 6. 1999 schließe eine Aufteilung nach den §§ 81 ff EheG aus, ist schon deshalb nicht berechtigt, weil diese Vereinbarung auch nach dem eigenen Vorbringen der Antragstellerin in ihrem Aufteilungsantrag die Ehewohnung und damit eheliches Gebrauchsvermögen (vgl § 81 Abs 2 EheG) betrifft und über den Anspruch auf Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens nach den §§ 81 ff EheG gemäß § 97 Abs 1 EheG im Vorhinein kein wirksamer Vertrag - auch nicht in Form eines Notariatsakts - geschlossen werden kann (vgl Stabentheiner in Rummel³ § 97 EheG Rz 1). Zum weiteren Einwand der Antragstellerin, es liege im Hinblick auf das rechtskräftige Urteil des Bezirksgerichts Poysdorf vom 14. 6. 2002, C 543/00y, res iudicata vor, kann derzeit noch nicht Stellung genommen werden, weil sich die Vorinstanzen mit diesem Einwand der Antragstellerin bisher nicht befasst und daher auch keine Feststellungen über Gegenstand und Ausgang dieses Verfahrens getroffen haben.

Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Zurückweisung des Abänderungsantrags durch die Vorinstanzen derzeit als nicht gerechtfertigt. Es ist daher dem außerordentlichen Revisionsrekurs Folge zu geben, die Beschlüsse der Vorinstanzen sind aufzuheben und dem Erstgericht eine neue Entscheidung über den Abänderungsantrag unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen. Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren zu berücksichtigen haben, dass im Verfahren über den Abänderungsantrag nach den §§ 72 ff AußStrG (anders als bei der Wiederaufnahme nach den §§ 530 ff ZPO) keine Zweiteilung des Verfahrens in Aufhebungsverfahren und Erneuerungsverfahren vorgesehen ist, sondern im Verfahren auch sogleich zu prüfen ist, ob die geltend gemachten Umstände über ihre abstrakte Eignung zur Herbeiführung einer Änderung der im vorangegangenen Verfahren ergangenen Entscheidung hinaus tatsächlich im konkreten Verfahren zu einer günstigeren Entscheidung führen würden, also eine inhaltlich andere Entscheidung zu Gunsten des Abänderungswerbers zu fällen wäre. Ist dies der Fall, so ist der Beschluss abzuändern. Andernfalls ist der Abänderungsantrag abzuweisen (vgl Fucik/Kloiber, AußStrG § 77 Rz 2).

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 78 Abs 4 AußStrG iVm § 52 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E90978

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0100OB00012.09A.0512.000

Im RIS seit

11.06.2009

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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