TE OGH 2009/5/14 6Ob78/09b

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Veröffentlicht am 14.05.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Landesgerichts Linz zu FN ***** eingetragenen „*****" ***** GmbH mit dem Sitz in L***** über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Geschäftsführers Johann K*****, vertreten durch Dr. Bernhard Birek, Rechtsanwalt in Schlüßlberg, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 16. März 2009, GZ 6 R 41/09f-17, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 23. Februar 2009, GZ 13 Fr 325/08t-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden unter Nichtigerklärung des ab Beschlussfassung vom 21. 10. 2008 durchgeführten Verfahrens als nichtig aufgehoben.

Text

Begründung:

Über die beiden Geschäftsführer der im Firmenbuch des Landesgerichts Linz zu FN ***** eingetragenen „J*****" ***** GmbH mit Sitz in L*****, Johann K***** und Alfred D*****, wurden mit (rechtskräftigem) Beschluss vom 13. 3. 2008 gemäß §§ 283 UGB infolge Nichtoffenlegung der Unterlagen gemäß § 277 ff UGB für das Geschäftsjahr 2006/2007 Zwangsstrafen in Höhe von jeweils 400 EUR verhängt.

Infolge Nichtzahlung dieser Zwangsstrafen erließ die Kostenbeamtin des Landesgerichts Linz am 9. 4. 2008 Aufträge zur Zahlung der Zwangsstrafen binnen 14 Tagen, denen die Geschäftsführer ebenfalls nicht nachkamen. Diese Zahlungsaufträge sind vollstreckbar.

Johann K***** teilte am 14. 4. 2008 mit, er habe die Einreichung des Jahresabschlusses am 17. 3. 2008 nachgeholt und ersuche nunmehr „formlos" die Kostenbeamtin, keinen weiteren Auftrag zur Zahlung einer Zwangsstrafe mehr zu erteilen.

Während Alfred D***** die über ihn verhängte Zwangsstrafe am 20. 6. 2008 bezahlte, behängt gegen Johann K***** zu 22 E 4700/08m des Bezirksgerichts Linz ein Exekutionsverfahren zur Hereinbringung der über ihn verhängten Zwangsstrafe in Höhe von 400 EUR zuzüglich Kosten.

Am 4. 9. 2008 erhob Johann K***** Einwendungen nach § 35 Abs 2 letzter Satz EO an das Landesgericht Linz als Firmenbuchgericht und wies dabei ausdrücklich darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (3 Ob 199/03s; 3 Ob 258/07y) derartige Einwendungen „im Verwaltungsverfahren geltend zu machen" sind; der „Rechtsweg für Oppositionsklagen [sei] hingegen unzulässig". In der Sache selbst berief sich der Geschäftsführer wiederum darauf, dass er seiner Offenlegungspflicht zwischenzeitig nachgekommen sei, und stellte den Antrag, die Exekution 22 E 4700/08m für unzulässig zu erklären bzw einzustellen.

Mit Beschluss vom 21. 10. 2008 wies das Erstgericht durch seine Rechtspflegerin den Geschäftsführer darauf hin, dass gemäß § 35 Abs 2 letzter Satz EO Einwendungen gegen einen Anspruch, der sich auf einen der in §§ 1 Z 10 und 12 bis 14 EO angeführten Exekutionstitel stützt, bei jener Behörde anzubringen seien, von welcher der Exekutionstitel ausgegangen ist; die Eingabe werde daher „zur Berichtigung des Antragsbegehrens und gegen Wiedervorlage" zurückgestellt. Im Akt erliegt in diesem Zusammenhang ein Aktenvermerk der Rechtspflegerin, aus dem sich die Rechtsauffassung ergibt, dass für derartige Einwendungen nicht das Exekutionsgericht zuständig sei, weil „es sich um einen Zahlungsauftrag handelt"; die Entscheidung habe vielmehr „im Justizverwaltungswege" zu erfolgen.

Mit Schriftsatz vom 30. 10. 2008 teilte der Geschäftsführer dem „Landesgericht Linz, Firmenbuch" mit, die Einwendungen seien nach der zitierten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bei jener Behörde anzubringen, von welcher der Exekutionstitel stammt; „dies [sei] das Landes- als Handelsgericht Linz, Geschäftsabteilung 13, Kostenbeamte, GZ: FN *****, 13 Fr 325/08t". Es werde daher der Antrag gestellt, „das Anbringen an das zuständige Landes- als Handelsgericht Linz, Geschäftsabteilung 13, hinsichtlich des Zahlungsauftrags vom 9. 4. 2008 zu übermitteln und dieses über die Einwendungen nach § 35 EO entscheiden zu lassen".

Mit Schriftsatz vom 19. 12. 2008 wiederholte der Geschäftsführer unter Hinweis auf ein Schreiben vom 10. 12. 2008, das nicht im Akt erliegt, seinen Hinweis auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs und seine Auffassung, dass über seine Einwendungen im Verwaltungsverfahren zu entscheiden ist. Es handle sich um keinen Berichtigungsantrag, er begehre einen Bescheid.

Am 16. 1. 2009 teilte der Präsident des Landesgerichts Linz (zu Jv 2585/08d-33, Rev 93/08 (ON 13 des erstgerichtlichen Aktes) dem Landes- als Handelsgericht Linz, Geschäftsabteilung 13, mit, dass „im gegenständlichen Fall kein Berichtigungsverfahren nach § 7 Abs 1 GEG gestellt wurde und somit keine Zuständigkeit des Präsidenten des Landesgerichts Linz (§ 7 Abs 3 GEG) gegeben ist".

Das Erstgericht wies die „Eingabe" mangels Zulässigkeit des Rechtswegs zurück. Die Rechtmäßigkeit einer schon rechtskräftig verhängten Geldstrafe könne nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs in einem Berichtigungsverfahren nach § 7 GEG nicht mehr aufgerollt werden, doch sei daraus nicht abzuleiten, es wäre überhaupt unmöglich, Einwendungen im Sinne des § 35 EO im Verwaltungsverfahren geltend zu machen. Eine Zuständigkeit des Firmenbuchgerichts sei jedenfalls nicht gegeben.

Das Rekursgericht bestätigte die Zurückweisung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist, weil der Auslegung der Eingaben des Geschäftsführers über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung nicht zukomme. In der Sache selbst meinte das Rekursgericht, entgegen der Auffassung des Geschäftsführers habe das Erstgericht nicht eine Kompetenz in Anspruch genommen, die von ihm gar nicht beabsichtigt worden sei; schließlich habe er seine Eingabe an das Landesgericht Linz, Firmenbuch, gerichtet und damit zum Ausdruck gebracht, sein Begehren bei Gericht (§ 7 UGB) einzubringen. Er könne sich daher nicht als beschwert erachten, wenn dann tatsächlich das Gericht entschieden habe. Die Unzulässigkeit des Rechtswegs werde vom Geschäftsführer nicht bestritten, es wäre daher seine Sache gewesen, die Sachentscheidung bei der zuständigen Behörde zu beantragen. § 44 JN gelte nicht im Verhältnis zwischen Rechtsprechung und Verwaltung.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht die Rechtslage verkannt hat; er ist auch berechtigt.

1. Die Entscheidung des Rekursgerichts wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter des Geschäftsführers am 27. 3. 2009, einem Freitag, zugestellt; der außerordentliche Revisionsrekurs wurde erst am 14. 4. 2009, einem Dienstag, zur Post gegeben. Er ist dennoch rechtzeitig, weil die 14-tägige Revisionsrekursfrist zwar am 10. 4. 2009 geendet hätte, es sich bei diesem Tag jedoch um den Karfreitag handelte und nach § 1 BGBl 1961/37 bei einer Frist, deren Ablauf durch einen gesetzlichen Feiertag gehemmt wird, die Hemmung auch dann eintritt, wenn das Ende der Frist auf einen Karfreitag fällt. In einem solchen Fall endet die Frist dann am nächstfolgenden Werktag (Gitschthaler in Rechberger, ZPO³ [2006] §§ 124-126 Rz 8), im vorliegenden Fall somit am Dienstag nach Ostern (14. 4. 2009).

2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist im Falle der Verhängung von Geld(-zwangs-)strafen durch die Firmenbuchgerichte Exekutionstitel im Sinne der Exekutionsordnung nicht der vom Firmenbuch erlassene Strafbeschluss, sondern (erst) der Zahlungsauftrag des Kostenbeamten (6 Ob 43/05z SZ 2005/60; 3 Ob 258/07y; RIS-Justiz RS0119232). Davon sind sowohl die Vorinstanzen als auch der Geschäftsführer ausgegangen.

3. Nach den Entscheidungen 6 Ob 208/03m; 6 Ob 209/03h; 6 Ob 212/03z besteht für den Fall, dass der Kostenbeamte bereits einen Zahlungsauftrag erlassen hat, keine Befugnis des Firmenbuchgerichts mehr, von der Vollstreckung der verhängten Zwangsstrafe abzusehen; der Verpflichtete könne jedoch vor Einleitung des Exekutionsverfahrens mit negativer Feststellungsklage das Erlöschen des Exekutionstitels feststellen lassen und nach Einleitung des Exekutionsverfahrens ein Oppositionsverfahren einleiten.

4. Demgegenüber sprach der für Exekutionssachen als Fachsenat zuständige 3. Senat des Obersten Gerichtshofs aus, die Frage des Erlöschens des betriebenen Strafverfolgungsanspruchs liege nicht in der alleinigen Entscheidungskompetenz des Exekutionsgerichts; wohl könnte die Exekution mit Zustimmung der betreibenden Partei vom Exekutionsgericht eingestellt werden, ansonsten sei jedoch ein Oppositionsverfahren vor Gericht unzulässig, weil im Hinblick auf § 35 Abs 2 letzter Satz EO Einwendungen gegen Titel von Verwaltungsbehörden, also auch gegen jene eines Kostenbeamten, bei jener Behörde anzubringen seien, von welcher der Exekutionstitel ausgegangen ist (3 Ob 199/03s3 Ob 258/07y EvBl 2008/103).

5. In der Literatur wandte sich G. Kodek (in Kodek/Nowotny/Umfahrer, FBG [2005] § 24 Rz 130) gegen die Rechtsprechung des 6. Senats und meinte, im Hinblick auf § 35 Abs 2 letzter Satz EO stehe einer Oppositionsklage gegen einen verwaltungsbehördlichen Exekutionstitel die Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen; selbst wenn man den Zahlungsauftrag als Exekutionstitel sui generis nicht unter § 35 Abs 2 letzter Satz EO iVm § 1 Z 12 und 13 EO subsumierte, könnte in einem Oppositionsverfahren wohl keine weitergehende Prüfung des Anspruchs erfolgen als im zugrunde liegenden Titelverfahren; im Einbringungsverfahren könne aber nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die Berechtigung der Zwangsstrafe nicht geprüft werden, sodass zur Vermeidung unerträglicher Rechtsschutzlücken eine Befugnis des Firmenbuchgerichts anzunehmen sei, von der Einbringung einer verhängten Zwangsstrafe abzusehen.

Jakusch (in Angst, EO² [2008] § 35 Rz 6e) wiederum lehnt die Auffassung des 3. Senats ab und meint, solle gegen einen Zahlungsauftrag nach § 6 Abs 1 GEG, der seinerseits auf einer gerichtlichen Entscheidung basiert, ein Oppositionsbegehren erhoben werden, so richte sich die Zuständigkeit zur Entscheidung über dieses Begehren nach der Art des geltend gemachten Oppositionsgrundes; die Verwaltungsbehörde sei zur Entscheidung nur berufen, wenn ein Grund im Sinne des § 7 Abs 1 dritter Satz GEG geltend gemacht wird; werde das Begehren hingegen etwa auf die mittlerweilige Nachholung der Leistung, die durch die Beugestrafe erzwungen werden sollte, gestützt, sei die Oppositionsklage bei Gericht zu erheben; in diesem Fall habe jene Behörde zu entscheiden, die nach den Vorschriften, die für das dem Exekutionstitel zugrunde liegende Verfahren gelten, zuständig ist. Ansonsten würde dem Verpflichteten im Ergebnis der Rechtsschutz verweigert, wenn er sein Oppositionsbegehren auf einen Grund stützt, der vom Kostenbeamten im Titelverfahren nicht zu beachten wäre, weil die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsbehörde im Rahmen des Oppositionsverfahrens nicht weiter gehen könne als im Titelverfahren.

6. Der erkennende Senat hält die in der Literatur gegen die Entscheidungen 6 Ob 208/03m6 Ob 209/03h und 6 Ob 212/03z vertretene Rechtsansicht, habe der Kostenbeamte bereits einen Zahlungsauftrag erlassen, bestehe keine Befugnis des Firmenbuchgerichts mehr, von der Vollstreckung der verhängten Zwangsstrafe abzusehen, geäußerte Kritik im Hinblick auf die aufgezeigten Rechtsschutzdefizite für zutreffend (vgl schon 6 Ob 204/01w6 Ob 205/01t; 6 Ob 210/01b). Im vorliegenden Verfahren kann darauf jedoch nicht näher eingegangen werden, weil der Geschäftsführer im gesamten Verfahren mehrfach klargestellt hat, bewusst einen Antrag im Verwaltungsverfahren, nämlich beim Kostenbeamten des Landesgerichts Linz, Geschäftsabteilung 13 (= Firmenbuchgeschäftsabteilung), gestellt zu haben und diese Rechtswegswahl auch aufrecht erhalten zu wollen. Die gegenteilige Auffassung des Rekursgerichts, der Geschäftsführer habe sein Begehren bei Gericht gestellt, er könne sich nicht als beschwert erachten, sei es doch seine Sache, die Sachentscheidung bei der zuständigen Behörde zu beantragen, erweist sich als unhaltbare Missinterpretation des Vorbringens des Geschäftsführers, der ausdrücklich eine Entscheidung im „Verwaltungsverfahren" und die Erlassung eines Bescheides begehrte.

Gemäß § 42 JN ist die Unzulässigkeit des Rechtswegs von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen. Ist die Rechtssache den Gerichten überhaupt entzogen und gehört sie tatsächlich vor eine Verwaltungsbehörde, sind Verfahren und ergangene (gerichtliche) Entscheidungen für nichtig zu erklären bzw als nichtig aufzuheben.

Über die Eingabe des Geschäftsführers vom 4. 9. 2008 wird nunmehr der (zuständige) Kostenbeamte zu entscheiden haben. Die Mitteilung des Präsidenten des Landesgerichts Linz vom 16. 1. 2009, Jv 2585/08d-33, Rev 93/08 (ON 13 des erstgerichtlichen Aktes) stellt keine Erledigung dieser Eingabe dar.

Textnummer

E91066

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0060OB00078.09B.0514.000

Im RIS seit

13.06.2009

Zuletzt aktualisiert am

20.12.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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