TE OGH 2009/8/5 6Ob4/09w

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Veröffentlicht am 05.08.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Josef F*****, 2. Maria Elisabeth F*****, beide *****, vertreten durch Dr. Georg Huber, Rechtsanwalt in Kufstein, gegen die beklagten Parteien 1. Mag. Reinhard M*****, 2. Isolde M*****, beide *****, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Räumung (Streitwert 3.000 EUR) und Unterlassung (Streitwert 2.000 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 5. November 2008, GZ 4 R 415/08w-122, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Kufstein vom 7. August 2008, GZ 4 C 443/03y-107, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, den Beklagten die mit 514,86 EUR (darin 85,81 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts ist die ordentliche Revision nicht zulässig:

Das Berufungsgericht hat seinen über Antrag der Kläger abgeänderten Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob ein behördliches Benützungsverbot den Liegenschaftseigentümer und Vermieter verpflichte, vom Mieter die Räumung und Unterlassung einer weiteren Benützung der von einem behördlichen Verbot betroffenen Anlage zu fordern, und das Versäumnis des Vermieters im Verwaltungsverfahren, durch zumutbare und zulässige Rechtsbehelfe doch eine Benützungsbewilligung ganz oder teilweise zu erreichen, lediglich zu allfälligen Schadenersatzansprüchen des Mieters führen könne oder ob dieses Versäumnis mangels Nachweises, dass eine Benützungsbewilligung gar nicht erreicht werden könnte, zur Abweisung des Räumungs- und Unterlassungsbegehrens führen müsse.

1. Nach § 1112 ABGB löst sich der Bestandvertrag von selbst auf, wenn die bestandene Sache zu Grunde geht. Geschieht dies aus Verschulden des einen Teils, so gebührt dem anderen Ersatz; geschieht es durch einen Unglücksfall, so ist kein Teil dem anderen dafür verantwortlich. Die vom Berufungsgericht als erheblich im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO bezeichnete Rechtsfrage ist somit klar im Gesetz geregelt.

2. Im Übrigen kommt es auf diese Frage auch gar nicht an:

2.1. Nach nunmehr herrschender Rechtsprechung (verstSenat 3 Ob 37/94 SZ 67/64; RIS-Justiz RS0021159, RS0027764, RS0020757, RS0020955) und Lehre (Würth in Rummel, ABGB³ [2000] § 1112 Rz 3; Binder in Schwimann, ABGB³ [2006] § 1112 Rz 6; Iro in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB² [2007] § 1112 Rz 2) bedeutet die Aufhebung des (verwaltungsbehördlichen) Benützungskonsens für den Bestandgegenstand im Allgemeinen noch nicht dessen rechtlichen Untergang im Sinne des § 1112 ABGB. Solange eine rechtliche und wirtschaftlich zumutbare Möglichkeit besteht, die Benützungsbewilligung wieder zu erwirken, bleibt der Bestandvertrag aufrecht. Ein vom Bestandgeber durch Unterlassung des Ansuchens um baupolizeiliche Genehmigung provoziertes Benützungsverbot ermöglicht es ihm somit nicht, sich der bestandvertraglichen Verpflichtung zu entziehen.

Da die Vorinstanzen übereinstimmend davon ausgegangen sind, eine Verweigerung der baubehördlichen Genehmigung für die Benützung der den Beklagten in Bestand gegebenen Terrasse könne auch bei fehlender Zustimmung des Grundstücksnachbarn nicht mit Gewissheit angenommen werden, ist der Bestandvertrag nach wie vor aufrecht. Auf den Umstand, dass es derzeit einen rechtskräftigen Bescheid gemäß § 37 Abs 1 TBO gibt, mit dem den Klägern aufgetragen worden ist, das als begehbare Terrasse ausgeführte Garagendach zu beseitigen, kommt es somit entgegen der Auffassung der Kläger in ihrer Revision nicht ausschließlich an.

2.2. Die Beweislast, alle ihm zu Gebote stehenden Mittel ausgeschöpft zu haben, um dem Bestandnehmer den bedungenen Gebrauch zu verschaffen, trifft den Bestandgeber. Seiner Beweispflicht hat er im Fall der Nichtanrufung der Baubehörde dabei nur dann genügt, wenn er eine so klare Rechtslage dartut, dass mit Gewissheit eine Verweigerung der baubehördlichen Genehmigung angenommen werden muss (1 Ob 573/94 SZ 67/112 = wobl 1995/2 [Dirnbacher]; RIS-Justiz RS0016405).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen steht zwar fest, dass der Grundstücksnachbar seine Zustimmung im Sinne des § 6 Abs 3 lit a) letzter Teilsatz Tiroler Bauordnung (TBO 2001), LGBl 92/1998, nicht (mehr) erteilen wird. Nicht festgestellt werden konnte jedoch, ob und allenfalls in welchem Ausmaß die als Terrasse genutzte Fläche des begehbar ausgestalteten Garagendachs im Mindestabstandsbereich zum Nachbargrundstück von 4 m das ursprüngliche Gelände (vor der Bauführung) um mehr als 1,5 m überschritten hat. Da nach § 6 Abs 3 lit a) vorletzter Teilsatz TBO die Ausstattung von oberirdischen baulichen Anlagen mit begehbaren Dächern bei Fehlen einer Zustimmung des Grundstücksnachbarn in Mindestabstandsflächen nur zulässig ist, wenn diese höchstens 1,5 m über dem anschließenden Gelände liegen (vgl dazu auch Kotter/Walter/Mair, Tiroler Baurecht, ErgBd 94), geht die non-liquet-Feststellung angesichts ihrer Beweislast zu Lasten der Kläger als Bestandgeber.

2.3. Die Kläger meinen in ihrer Revision schließlich noch, das Berufungsgericht habe ihre Mängelrüge unrichtig erledigt; da die beiden vom Erstgericht beigezogenen Sachverständigen zur Frage der Höhe der Garage samt Terrasse aufgrund unterschiedlicher Methoden zu unterschiedlichen Ergebnissen gekommen seien, hätte beiden Sachverständigen - und nicht nur einem von ihnen - die Möglichkeit gegeben werden müssen, zum Gutachten jeweils des anderen Stellung zu nehmen.

Abgesehen davon, dass der Oberste Gerichtshof nicht dazu berufen ist, sich zu angeblichen Mängeln des Verfahrens erster Instanz zu äußern, wenn die Mängelrüge vom Berufungsgericht bereits erledigt worden ist, kann sich das Gericht in Anwendung des § 361 ZPO im Rahmen seiner freien Beweiswürdigung einem der beiden Gutachten anschließen, wenn diese einander widersprechen; es reicht dabei aus, wenn es einen der beiden Sachverständigen zur Aufklärung und Ergänzung des Gutachtens auffordert (1 Ob 719/82 EFSlg 41.693; Rechberger in Fasching/Konecny, ZPO² [2004] § 361 Rz 1).

3. Damit war die Revision der Kläger zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Der Schriftsatz ist daher als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig anzusehen.

Textnummer

E91753

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0060OB00004.09W.0805.000

Im RIS seit

04.09.2009

Zuletzt aktualisiert am

20.09.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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