TE OGH 2009/8/5 6Ob11/09z

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.08.2009
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Parteien 1. M***** C***** GmbH, ***** 2. K***** T***** AG, ***** 3. Y***** J***** D***** H***** GmbH, ***** alle vertreten durch Dr. Bettina Windisch-Altieri, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagten Parteien und Gegner der gefährdeten Parteien 1. O***** R***** GmbH & Co KG, 2. O***** O***** GmbH & Co KG, beide ***** vertreten durch Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner Anwaltssocietät in Linz, wegen Unterlassung, Widerruf, Veröffentlichung und Schadenersatz, über den Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 25. November 2008, GZ 3 R 192/08p-11, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Linz vom 23. September 2008, GZ 4 Cg 187/08z-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien und Gegner der gefährdeten Parteien haben die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Erstklägerin produziert und vertreibt Spielprogramme für Casinosoftware und ist Lizenznehmerin der Marke „K*****". Die Zweitklägerin vertreibt diese Marke und führt gleichnamige Wettbüros, in denen sie Sportwetten annimmt. Die Drittklägerin stellt unter dem Markennamen „K*****" Schmuckeinfassungen her. Keine der Klägerinnen vertreibt Spielautomaten.

Die Erstbeklagte ist Medieninhaberin der Tageszeitung „O***** N*****", die Zweitbeklagte ist Medieninhaberin der Onlineausgabe dieser Tageszeitung.

Am 7. Juni 2008 erschien sowohl in der Print- als auch in der Onlineausgabe der „O***** N*****" ein Artikel mit dem Titel „Glücksspiel-Mafia hat bereits Teile der Behörden korrumpiert". Der Text enthält die Wiedergabe des Inhalts einer parlamentarischen Anfrage eines namentlich genannten Abgeordneten an die Innen-, Finanz- und Justizminister vom 6. Juni 2008, in der gegen „Firmengeflechte, von welchen aus das Glücksspiel organisiert wird" zusammengefasst der Vorwurf illegaler Manipulation bewilligter Glücksspielautomaten, des Betrugs, der Bildung einer kriminellen Organisation und der Steuerhinterziehung erhoben wird. Auch zahlreiche Teile „der Behörden" seien korrumpiert worden und würden Betreiber vor Razzien warnen. Bis zu 1.200 Glücksspielautomaten, vor allem der Marke „K*****", seien in Oberösterreich im Betrieb. Gestützt auf § 1330 ABGB begehren die Klägerinnen und gefährdeten Parteien, den Beklagten die Unterlassung des Aufstellens und Verbreitens der im Artikel enthaltenen, näher bezeichneten oder sinngleicher Behauptungen aufzutragen, weiters werden Schadenersatz-, Widerrufs- und Veröffentlichungsbegehren gestellt. Für die Dauer des Verfahrens wird die Erlassung einer mit dem Unterlassungsbegehren gleichlautenden einstweiligen Verfügung beantragt.

Erst- und Rekursgericht wiesen den Sicherungsantrag mangels Verstoßes gegen § 1330 ABGB ab. Die Beklagten hätten keine eigenen Vorwürfe erhoben, sondern wertfrei und wahrheitsgemäß über Tatsache und Inhalt einer parlamentarischen Anfrage eines Nationalratsabgeordneten berichtet. Ein öffentliches Interesse an einer derartigen Berichterstattung sei zu bejahen. Den Beklagten und Antragsgegnern komme § 30 MedienG, aber auch der Rechtfertigungsgrund des § 6 Abs 2 Z 4 MedienG zugute.

Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil einem Anspruch nach § 1330 ABGB nach der herrschenden Lehre und Rechtsprechung nur dann der Rechtfertigungsgrund des § 6 Abs 2 Z 4 MedienG entgegengehalten werden könne, wenn der Verletzte gegen den Urheber der zitierten Äußerung vorgehen könne. Diese Möglichkeit könne im vorliegenden Fall nicht festgestellt werden, weil der anfragende Nationalratsabgeordnete im Rahmen seiner beruflichen Immunität gehandelt habe.

Der Revisionsrekurs beruft sich auf diese Ausführungen und bekämpft die Heranziehung des § 6 Abs 2 Z 4 MedienG. Im Falle unwahrer kreditschädigender Behauptungen sei dieser Rechtfertigungsgrund überhaupt nicht anwendbar, auch habe kein wichtiges öffentliches Interesse an der konkreten Berichterstattung bestanden.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs in Ermangelung der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Gegen die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts, die verfahrensgegenständliche Berichterstattung sei als wahrheitsgetreuer Bericht über Geschehnisse in einer öffentlichen Sitzung des Nationalrates jedenfalls von jeder Verantwortung frei, führt der Revisionsrekurs nichts ins Treffen.

Dieser Rechtsansicht ist auch beizupflichten. Die Freiheit wahrheitsgemäßer Berichterstattung über die Verhandlungen in den öffentlichen Sitzungen des Nationalrates und seiner Ausschüsse ist in Art 33 B-VG garantiert und wird in § 30 MedienG auf die Sitzungen und Ausschüsse des Bundesrates, der Bundesversammlung oder eines Landtages erweitert. Diese Freistellung steht zu § 6 Abs 2 Z 4 MedienG im Rang einer lex specialis, sodass es im vorliegenden Verfahren nicht darauf ankommt, ob die Kläger gegen den Urheber der streitgegenständlichen Behauptungen Ansprüche geltend machen könnten (zB wenn er sie außerhalb seiner parlamentarischen Funktion wiederholt hat) oder ob dieser ausschließlich im Rahmen seiner Immunität als Abgeordneter gehandelt hat. Die Entscheidung hängt daher auch nicht von den im Zulassungsausspruch genannten und im Rechtsmittel erörterten Rechtsfragen ab.

Die Gegner der gefährdeten Parteien haben in ihrer Revisionsrekursbeantwortung nicht auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen, sodass sie die Kosten ihres Rechtsmittelschriftsatzes selbst zu tragen haben.

Anmerkung

E917446Ob11.09z

Schlagworte

Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inRZ 2010,42 EÜ23 - RZ 2010 EÜ23XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0060OB00011.09Z.0805.000

Zuletzt aktualisiert am

23.03.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten