TE OGH 2009/8/19 15Os37/09v

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Veröffentlicht am 19.08.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. August 2009 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krajina als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Vesna T***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. Dezember 2008, GZ 032 Hv 127/08s-26, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Höpler, der Angeklagten und ihres Verteidigers Dr. Frysak zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlass wird das Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen I.B.1. und I.B.2., in der dazu gebildeten Subsumtionseinheit als das Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB sowie im Strafausspruch aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt:

Vesna T***** wird von der wider sie erhobenen Anklage, sie habe am 26. Juni 2006 in Wien als Beamtin des Magistratischen Bezirksamts für den 22. Wiener Gemeindebezirk, ihre Befugnis im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich dadurch missbraucht, dass sie mit dem Vorsatz, die Republik Österreich im Recht auf ordnungs- und gesetzesgemäße Vollziehung des Pass- und Meldewesens zu schädigen, in laufenden Verfahren über Passanträge Stornierungen von Passrohlingen vornahm, ohne dass die Voraussetzungen dafür vorlagen, und zwar

1. im Verfahren betreffend Georg W*****, geboren am 29. September 1990, ein Storno des Passrohlings *****;

2. im Verfahren betreffend Ann-Kathrin L*****, geboren am 27. April 2001, ein Storno des Passrohlings *****,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Sie hat durch die ihr weiter zur Last liegenden Taten (I.A., II.1. und II.2.) das Verbrechen des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB begangen und wird hiefür nach dieser Gesetzesstelle zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von

15 Monaten

verurteilt.

Gemäß § 43 Abs 1 StGB wird die verhängte Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Der Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Mit ihrer Berufung wird sie auf die Entscheidung zur Strafneubemessung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Vesna T***** des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat sie in Wien als Beamtin des Magistratischen Bezirksamtes für den 22. Wiener Gemeindebezirk ihre Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, und zwar

I. mit dem Vorsatz, dadurch die Republik Österreich im Recht auf ordnungs- und gesetzesgemäße Vollziehung des Pass- und Meldewesens zu schädigen, indem sie

A. Mitte 2006 der abgesondert verfolgten Ivana I***** zwei Reisepassrohlinge mit den Nummern ***** und ***** überließ;

B. am 26. Juni 2006 zur Deckung der zu Punkt I.A. beschriebenen Tathandlung in laufenden Verfahren über Passanträge Stornierungen von Passrohlingen vornahm, ohne dass die Voraussetzungen dafür vorlagen, und zwar

1. im Verfahren betreffend Georg W*****, geboren 29. September 1990, ein Storno des Passrohlings (richtig:) *****;

2. im Verfahren betreffend Ann-Kathrin L*****, geboren 27. April 2001, ein Storno des Passrohlings *****;

II. am 26. Juli 2006 mit dem Vorsatz, die Republik Österreich im Recht auf richtige Führung des Zentralen Melderegisters zu schädigen, indem sie aufgrund von Ivana I***** vorgelegter falscher Passdokumente, welche aus den zu Punkt I.A. bezeichneten Rohlingen hergestellt worden waren, Anmeldungen tatsächlich nicht existenter Aliasidentitäten im ZMR vornahm, und zwar

1./ für Ivana I***** auf deren Aliasnamen Kristina M*****, geboren 10. Oktober 1977, eine Meldung in *****, seit 26. Juli 2006; 2./ für den abgesondert verfolgten Özgür A***** auf dessen Aliasnamen Denis W*****, geboren 24. April 1977, eine Meldung in *****, seit 26. Juli 2006.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt:

Dieser Nichtigkeitsgrund greift seinem Wesen nach nämlich erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen, mit anderen Worten intersubjektiv gemessen an Erfahrungs- und Vernunftsätzen eine unerträgliche Fehlentscheidung qualifiziert nahelegen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Ausseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen - wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt - wird dadurch nicht ermöglicht (RIS-Justiz RS0119583; Ratz in WK-StPO § 281 Rz 490). Indem die Beschwerdeführerin lediglich die Glaubwürdigkeit der - in der Hauptverhandlung verlesenen (ON 25/S 29) - Angaben der Zeugin I***** in Frage stellt und mit spekulativen Erwägungen zum zukünftigen Aussageverhalten der Zeugin sowie dem Aufzeigen möglicher alternativer Geschehensabläufe ihrer leugnenden Verantwortung zum Durchbruch zu verhelfen sucht, zielt das Vorbringen im Ergebnis auf eine solche Überprüfung der Beweiswürdigung des Erstgerichts außerhalb der von der Tatsachenrüge erfassten Sonderfälle ab. Erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde liegenden Tatsachen vermag sie damit nicht zu erwecken.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aus deren Anlass überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass durch die Schuldsprüche I.B.1. und I.B.2. das Gesetz zum Nachteil der Angeklagten unrichtig angewendet worden ist (§ 290 Abs 1 StPO). Das Erstgericht sprach die Angeklagte insofern wegen zweier zur Deckung der unrechtmäßigen Weitergaben von Passrohlingen (I.A.) getätigter Stornierungen von Passrohlingen in zwei Verwaltungsverfahren schuldig.

Eine Deckungshandlung (Nachtat), die - ua - der Verschleierung der Vortat dient, ist jedoch straflos, wenn sie über die durch die Vortat begangene Rechtsverletzung nicht hinausgeht und durch die Bestrafung der Vortat in ihrem Unrechtsgehalt als miterfasst angesehen werden kann. Dies ist dann der Fall, wenn sich die Angriffshandlungen nicht gegen verschiedene Rechtsgüter oder Rechte verschiedener Personen richten (RIS-Justiz RS0091587, RS0091298; Ratz in WK² Vorbem zu §§ 28 bis 31 Rz 66).

Diese Voraussetzungen liegen im vorliegenden Fall vor, weil durch die den Schuldsprüchen I.A. einerseits und I.B.1. und I.B.2. andererseits zugrunde liegenden Taten jeweils die Republik Österreich in ihrem Recht auf ordnungsgemäße und gesetzmäßige Vollziehung des Pass- und Meldewesens geschädigt wurde (Identität der geschützten Rechtsgüter) und die Stornierungen zweier Passrohlinge in den Georg W***** und Ann-Kathrin L***** betreffenden Verwaltungsverfahren ausschließlich zur Deckung der Weitergabe der Passrohlinge an Ivana I***** dienten, sodass diese Handlungen unter dem Scheinkonkurrenztyp der straflosen Nachtat verdrängt werden. In diesem Umfang war daher ein Freispruch zu fällen.

Bei der dadurch erforderlichen Strafneubemessung war die Tatmehrheit als erschwerend, der bisher ordentliche Lebenswandel hingegen als mildernd zu werten. Von einer unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer kann dem Berufungsvorbringen zuwider noch nicht gesprochen werden, weil die hier abgeurteilten Straftaten erst mit zeitlicher Verzögerung entdeckt wurden, nur einen Teil eines größeren Strafverfahrens darstellen und die Erhebungen durch flüchtige Mitbeschuldigte erschwert wurden.

Unter Abwägung dieser Strafzumessungsgründe erachtet der Oberste Gerichtshof eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten als tat- und tätergerecht. Im Hinblick auf den bisher ordentlichen Lebenswandel der Angeklagten und das Fehlen generalpräventiver Notwendigkeiten konnte diese Sanktion bedingt nachgesehen werden. Bei der Rechtsfolge des Amtsverlustes hingegen kam dies aufgrund der Art der strafbaren Handlung (Verstoß im Kernbereich der Amtspflichten eines Beamten) nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Anmerkung

E9164715Os37.09v

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0150OS00037.09V.0819.000

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2009
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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