TE OGH 2009/9/3 2Ob126/09g

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Veröffentlicht am 03.09.2009
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G***** Immobilien GmbH, *****, vertreten durch Schuppich Sporn & Winischhofer, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Tina L*****, vertreten durch Dr. Hans Böck, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, über die ordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 12. November 2008, GZ 39 R 339/08d-25, womit das Urteil des Bezirksgerichts Josefstadt vom 24. Mai 2008, GZ 5 C 614/07z-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 997,20 EUR (darin 136,54 EUR USt und 175 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei ist Eigentümerin des Hauses J***** Wien. Die L***** GmbH, deren Geschäftsführer Fritz L***** und deren Prokuristin Ines M*****, die Lebensgefährtin des Geschäftsführers, waren, verwaltete die Liegenschaft mit der Vollmacht auch Mietverträge abzuschließen. Es bestand aber keine Berechtigung ein Weitergaberecht ohne Zustimmung der Hauseigentümer zu vereinbaren, weil die Hauseigentümer in ihren Mietverträgen keine Weitergaberechte wünschten.

Im Jahr 1997 wurde die streitgegenständliche Wohnung frei, worauf die Hausverwaltung bei der klagenden Partei anfragte, ob die Wohnung zum gesetzlichen Mietzins nach dem bestehenden Zustand (Kategorie C) vermietet oder eine Sanierung und Anhebung auf Kategorie A durchgeführt werden sollte. Die klagende Partei antwortete entgegen dem sonst Üblichen, dass die Wohnung nicht renoviert, sondern als Kategorie C vermietet werden solle. Daraufhin schloss die Hausverwaltung mit ihrer Prokuristin, Ines M*****, einen Mietvertrag ab, nach dessen Inhalt die Mieterin auf eigene Kosten eine Etagenheizung, Bad/WC, Elektrik, Parkettböden etc erneuern lassen kann und als Gegenleistung ein einmaliges Weitergaberecht bis 30. November 2012 erhält. Tatsächlich erbrachte Ines M***** beträchtliche Investitionen. Eine Zusage der Hauseigentümer, dass die Hausverwaltung berechtigt sei, die Wohnung an die eigene Prokuristin zu vermieten, erfolgte ebenso wenig wie die Zustimmung zum Weitergaberecht. Im Jahr 2000 trat Ines M***** die Wohnung ihrer eintrittsberechtigten Tochter, der Beklagten, ab und gab dies der Hausverwaltung bekannt. Mit Schreiben vom 13. März 2006 teilte Ines M***** der klagenden Partei mit, dass nunmehr das vereinbarte Weitergaberecht ausgeübt und die Wohnung an Herrn Martin L***** abgetreten werde. Diese Abtretungserklärung wurde von den Hauseigentümern jedoch nicht akzeptiert, sondern die Beklagte zur Räumung aufgefordert.

Das Erstgericht erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und die beklagte Partei für schuldig, die Wohnung zu räumen. Die Hausverwaltung habe bei Abschluss des Weitergaberechts ihre Verwaltervollmacht überschritten. Ein Weitergaberecht von 15 Jahren sei als eher außergewöhnlich und jedenfalls keine übliche Vorgangsweise der konkreten Vermieterin anzusehen. Die Vereinbarung sei auch nicht nachträglich genehmigt worden. Die Mieterin habe den Vollmachtsmissbrauch der Hausverwaltung gekannt und sei daher nicht schutzwürdig. Der Mietvertrag sei daher im Sinne geltungserhaltender Reduktion ohne das Weitergaberecht wirksam. Die Mieterin habe das Mietobjekt gemäß § 12 MRG zulässig an ihre Tochter weitergeben können. Die nunmehrige Weitergabe an eine nicht eintrittsberechtigte Person sei dagegen unzulässig und der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG verwirklicht.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahingehend ab, dass es die Aufkündigung als rechtsunwirksam aufhob und das Klagebegehren auf Räumung abwies. Ob die Einräumung des Weitergaberechts von der Hausverwaltervollmacht gedeckt gewesen sei oder nicht, könne dahingestellt bleiben. Missbrauche der Vertreter seine Vertretungsmacht, werde dadurch die Gültigkeit des mit dem Dritten abgeschlossenen Geschäfts nicht berührt. Dies gelte nur dann nicht, wenn der Dritte vom Vollmachtsmissbrauch des Vertreters Kenntnis gehabt habe, weil er dann nicht schutzwürdig sei. Nun habe zwar die Mutter der Beklagten als Lebensgefährtin des Hausverwalters und Prokuristin der Hausverwaltung davon Kenntnis gehabt, dass ihr Lebensgefährte nicht befugt gewesen sei, ohne Zustimmung der Hausinhabung ein Weitergaberecht einzuräumen. Sie sei daher nicht schutzwürdig. Dafür, dass auch ihre Tochter, die Beklagte, von der Beschränkung der Verwaltervollmacht gewusst habe oder fahrlässig nicht gewusst habe, gebe es dagegen keinerlei Anhaltspunkte. Dasselbe gelte für Martin L*****. Die Einräumung eines auf 15 Jahre befristeten Weitergaberechts sei nicht schlechthin als ungewöhnlich und daher von der Verwaltervollmacht nicht gedeckte Vereinbarung anzusehen, sondern hänge von den besonderen Umständen ab, etwa davon, ob dies eine übliche Vorgangsweise der konkreten Vermieter gewesen sei. Sowohl die Tochter der Prokuristin als auch Martin L***** könnten sich daher auf das eingeräumte Weitergaberecht verlassen und seien schutzwürdig. Dagegen könne sich die klagende Partei nicht auf den Missbrauch der Verwaltungsvollmacht berufen, sodass sie auch das Weitergaberecht gegen sich gelten lassen müsse. Damit sei Martin L***** in die Mietrechte der Beklagten eingetreten und die Beklagte für die Aufkündigung nicht mehr passiv legitimiert.

Die ordentliche Revision sei zulässig, da zur Frage ob ein durch Missbrauch der Vertretungsmacht des Verwalters eingeräumtes Weitergaberecht dem Vermieter gegenüber gelte, wenn der Einzelrechtsnachfolger keine Kenntnis vom Vollmachtsmissbrauch gehabt habe, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht vorliege.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist zulässig und berechtigt.

Gemäß § 1029 Abs 1 Satz 2 ABGB wird von jemandem, der einem anderen eine Verwaltung anvertraut, vermutet, dass er ihm auch die Macht eingeräumt hat, all dasjenige zu tun, was die Verwaltung selbst erfordert und was gewöhnlich damit verbunden ist. Dementsprechend umfasst die Verwaltervollmacht die Befugnis zu gewöhnlich erforderlichen und mit der Verwaltung verbundenen Maßnahmen, das heißt zur ordentlichen Verwaltung. Ihr Umfang ist nach den örtlichen, zeitlichen und branchenmäßigen Anschauungen zu beurteilen (Apathy in Schwimann, ABGB³, § 1029 Rz 2; P. Bydlinski in KBB² § 1029 ABGB Rz 3; Strasser in Rummel³ §§ 1027 bis 1033 Rz 7 f). Die Hausverwaltervollmacht berechtigt demnach zu allem, was gewöhnlich mit ihr verbunden ist, darunter auch die Einräumung von Weitergabe- oder Präsentationsrechten des Mieters, vorausgesetzt, dass es sich um gewöhnliche Bedingungen, etwa ortsübliche, handelt (Strasser aaO Rz 9; Apathy aaO Rz 5). Nicht von der Hausverwaltervollmacht gedeckt sind dagegen Abschlüsse von Mietverträgen mit unüblichem, den Eigentümern nachteiligem Inhalt (P. Bydlinski aaO Rz 4).

Überschreitet der Gewalthaber die Grenzen seiner Vollmacht, ist der Gewaltgeber nur insofern verbunden, als er das Geschäft genehmigt, oder sich den aus dem Geschäft entstandenen Vorteil zuwendet (§ 1016 ABGB). Diese Bestimmung betrifft das Außenverhältnis. Hat der Handelnde im Zeitpunkt seines Agierens keine ausreichende, oder überhaupt keine Vollmacht, ist die Konsequenz daraus die Unwirksamkeit der Vertretungshandlung. Die im fremden Namen abgegebene Willenserklärung geht ins Leere, es entsteht kein Vertrag. Der Vollmachtsmangel kann nachträglich durch Genehmigung oder Vorteilszuwendung saniert werden. Von dieser Vollmachtsüberschreitung zu unterscheiden ist der Vollmachtsmissbrauch, der wegen der rechtlichen Trennung der Vertretungsmacht vom Innenverhältnis dann eintritt, wenn der Machthaber zwar mit ausreichender Vertretungsmacht handelt, die Vornahme des konkreten Rechtsgeschäfts jedoch im Innenverhältnis pflichtwidrig ist. Da das Innenverhältnis den Dritten regelmäßig nicht tangiert, kommt das Geschäft wirksam zustande. Missbraucht der Verwalter seine Vertretungsmacht, wird dadurch die Gültigkeit des vom Vertreter mit dem Dritten abgeschlossenen Geschäfts im Allgemeinen aus Gründen des Verkehrsschutzes nicht berührt. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Dritte vom Vollmachtsmissbrauch des Vertreters Kenntnis hatte, weil er dann nicht schutzwürdig ist (1 Ob 600/94 = wobl 1996/4; P. Bydlinski aaO § 1016 ABGB Rz 5; RIS-Justiz RS0019576; 6 Ob 693/89; SZ 62/218).

Dass keine Genehmigung seitens der Vermieterin erteilt wurde, steht ausdrücklich fest. Auch für eine Vorteilszuwendung im Sinne einer bewussten Willensbetätigung, den Vorteil aus einem ohne Vollmacht abgeschlossenen Geschäft zu lukrieren (vgl P. Bydlinski aaO, § 1016 ABGB Rz 4), liegen keinerlei Feststellungen vor.

Im vorliegenden Fall hatte der Hausverwalter ausdrücklich keine Vollmacht ein Weitergaberecht zu vereinbaren. Dies war der mietvertragabschließenden Prokuristin der Hausverwaltung auch bekannt. Auf die Frage, ob die Vereinbarung eines auf 15 Jahre befristeten, einmaligen Weitergaberechts bei Vereinbarung von Investitionen durch den Mieter ein ungewöhnliches Geschäft ist, kommt es daher nicht mehr an. Das Weitergaberecht wurde in beiden Varianten (Vollmachtsüberschreitung oder Vollmachtsmissbrauch) nicht wirksam vereinbart.

Auch ein gutgläubiger Erwerb des Mietrechts aufgrund des Weitergaberechts bzw des Weitergaberechts selbst war nicht möglich. Wie sich auch aus § 442 ABGB ergibt, kann grundsätzlich niemand mehr (dingliche oder andere) Rechte übertragen, als er selbst hat. Dabei handelt es sich um einen allgemeinen Grundsatz (Spielbüchler in Rummel³ § 442 Rz 2) der im Ergebnis nur durch die Vorschriften über den gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten durchbrochen wird. Die allgemeinen Vorschriften des Gutglaubenserwerbs nach § 367 ABGB sind auf den Erwerb von Mietrechten weder unmittelbar noch im Wege der Analogie anwendbar (RIS-Justiz RS0115735; 4 Ob 241/01x); der gutgläubige Erwerb von Forderungsrechten ist regelmäßig ausgeschlossen, wie sich überdies aus § 1394 ABGB über die Wirkungen der Zession ergibt (Koziol/Welser I, 332; Klicka in Schwimann ABGB³ § 367 ABGB Rz 2; Neumayr in KBB² § 1394 ABGB Rz 1).

Die Weitergabe des Bestandsobjekts erfüllt daher den Tatbestand des § 30 Abs 1 Z 4 MRG, weshalb die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

Textnummer

E91878

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0020OB00126.09G.0903.000

Im RIS seit

03.10.2009

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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