TE OGH 2009/9/28 2Ob109/09g

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Veröffentlicht am 28.09.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 2.) Vera F*****, 3.) Gerlinde S*****, 4.) Paul D*****, 5.) mj Simone D*****, 6.) mj Marcel D*****, 7.) mj Pierre B*****, alle vertreten durch Mag. Axel Bauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Markus B*****, vertreten durch Dr. Josef Sailer, Rechtsanwalt in Bruck an der Leitha, wegen Räumung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 27. Jänner 2009, GZ 22 R 5/09d-37, womit das Urteil des Bezirksgerichts Bruck an der Leitha vom 9. Oktober 2008, GZ 1 C 28/08k-30, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den Klägern die mit 967,12 EUR (darin 161,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Auf der Liegenschaft EZ *****, Grundbuch *****, mit der Anschrift *****, steht ein Einfamilienhaus. Das Grundstück stand ursprünglich im Eigentum von Elfriede D*****. Nach deren Tod im Jahr 1999 erbten die vormalige Erstklägerin Irmtraud D***** (verstorben am 20. 2. 2007) und die Zweit- bis Viertkläger sowie Sabine B***** die Liegenschaft, wobei diese in der Folge ihren Fünftelanteil ihren Kindern, den Fünft- bis Siebentklägern, übertrug. Grundbücherliche Eigentümer sind Irmtraud D***** und die Zweit- bis Viertkläger zu je einem Fünftel und die Fünft- bis Siebentkläger zu je einem Fünfzehntel.

Die Erben nach Elfriede D***** vereinbarten, dass Sabine B***** mit ihrer Familie, somit mit den Fünft- bis Siebentklägern und ihrem damaligen Ehemann, dem Beklagten, im Haus auf unbestimmte Zeit wohnen bleiben könne. Es wurde niemals eine Vereinbarung zwischen den Klägern und dem Beklagten über eine Benützung des Hauses durch ihn (allein) getroffen.

Im April 2004 wurde die Ehe von Sabine B***** und dem Beklagten geschieden, wobei beide zunächst noch gemeinsam das Haus bewohnten. Am 1. 10. 2006 zog Sabine B***** mit ihren Kindern aus dem Haus aus und der Beklagte verblieb alleine im Haus.

Die Verlassenschaft nach Irmtraud D***** wurde mit Einantwortungsbeschluss vom 13. 6. 2007 ihren Töchtern Michaela M***** und Katharina H***** eingeantwortet. Der Beklagte trat in der Folge an die beiden Frauen heran und bot ihnen an, ihre Liegenschaftsanteile um insgesamt 6.000 EUR, sohin jeweils 3.000 EUR pro Liegenschaftsanteil, zu kaufen. Michaela M***** und Katharina H***** nahmen dieses Angebot an. Auf dem Weg zum Notar ersuchte der Beklagte die Verkäuferinnen, sie sollten beim Notar angeben, dass der Kaufpreis bereits bezahlt worden sei, weil dies für ihn steuerlich günstiger wäre. Weiters wurde vereinbart, dass der Beklagte den Verkäuferinnen den Kaufpreis nach der Vertragserrichtung in bar entrichten sollte. Die Kaufvertragsparteien unterzeichneten in der Folge beim Notar den Kaufvertrag und vereinbarten sodann, dass die Verkäuferinnen warten sollten, während der Beklagte die 6.000 EUR von der Bank holen würde. Die Verkäuferinnen warteten jedoch vergeblich, weil der Beklagte in der Folge nicht mehr kam und auch telefonisch nicht mehr erreichbar war.

Der Klagevertreter forderte den Beklagten mit Schreiben vom 18. 8. 2008 auf, den Kaufpreis bis spätestens 3. 9. 2008 zu bezahlen, und erklärte namens der Verkäuferinnen für den Fall der Nichtzahlung den Rücktritt vom Kaufvertrag. Es erfolgte auch weiterhin keine Bezahlung des Kaufpreises.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts Korneuburg vom 30. 5. 2008 wurde der Beklagte wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen gemäß § 206 Abs 1 StGB und wegen des Vergehens des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB, begangen an der Fünftklägerin, zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Bis zu seinem Haftantritt bewohnte der Beklagte das Haus und befindet sich auch im Besitz sämtlicher Schlüssel. Er leistet kein Entgelt für die Benützung des Hauses und bezahlt überdies zumeist weder die das Haus betreffenden Gemeindeabgaben noch die Gebühren für die Abfallentsorgung.

Die Kläger begehrten, den Beklagten für schuldig zu erkennen, den Klägern das genannte Einfamilienhaus binnen 14 Tagen geräumt von eigenen Fahrnissen zu übergeben. Sie brachten im Wesentlichen vor, der Beklagte benütze die Liegenschaft seit dem Auszug von Sabine B***** und ihren Kindern im November 2006 ohne Rechtstitel. Er habe kein außerbücherliches Miteigentum erworben, weil der zwischen ihm einerseits und Michaela M***** und Katharina H***** andererseits abgeschlossene Kaufvertrag durch Rücktritt infolge Zahlungsverzugs beseitigt worden sei.

Der Beklagte wandte ein, er habe den Fünftelanteil der mittlerweile verstorbenen Erstklägerin von deren Erbinnen erworben und den Kaufpreis bereits bezahlt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Zwischen den Klägern und dem Beklagten sei weder ausdrücklich noch schlüssig eine Benützung der Liegenschaft durch den Beklagten vereinbart worden. Katharina H***** und Michaela M***** seien wegen des Zahlungsverzugs des Beklagten vom Kaufvertrag gemäß § 918 Abs 1 ABGB wirksam zurückgetreten, wodurch der für den Eigentumserwerb des Beklagten erforderliche Titel und somit auch ein allfälliges außerbücherliches Eigentum weggefallen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Die Kaufvertragsparteien hätten den Kaufpreis gestundet und die Liegenschaft übergeben. Sofern die Urkunde mit der Aufsandungserklärung an den Käufer übergeben worden wäre (wozu die Feststellungen allerdings ergänzungsbedürftig seien), hätte die Verkäuferseite alles getan, was dem Käufer die Einverleibung ins Grundbuch ermöglicht habe. Diesfalls entfiele das Rücktrittsrecht des Verkäufers wegen Verzugs unter analoger Anwendung von Art 8 Nr 21 EVHGB. Infolge der Aufhebung dieser Bestimmung durch das HaRÄG sei der Ausschluss des Rücktrittsrechts des Vorleistungspflichtigen im Handelsrecht beseitigt worden. Auch im analogen Anwendungsbereich der aufgehobenen Norm im allgemeinen Zivilrecht sei von einer Beseitigung des Ausschlusses des Rücktrittsrechts zu Lasten des Vorleistungspflichtigen auszugehen. Der Rücktritt der Verkäuferinnen sei daher wirksam. Der Beklagte könne dem Räumungsbegehren wegen titelloser Benützung der Liegenschaft somit auch keine Rechte als außerbücherlicher Miteigentümer mehr entgegenhalten.

Das Berufungsgericht ließ die Revision zu, weil es aufgrund der neuen Rechtslage von der bisherigen Rechtsprechung des Höchstgerichts abgewichen sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Beklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klagsabweisung abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Kläger beantragen in der Revisionsbeantwortung, die Revision mangels Vorliegens einer Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Die gerügte Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

In der Rechtsrüge vertritt der Revisionswerber zusammengefasst die Ansicht, trotz des Außerkrafttretens von Art 8 Nr 21 EVHGB sei an der bisherigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung festzuhalten, wonach bei Stundung des Kaufpreises auch im Fall eines Liegenschaftskaufs der Käufer kein Rücktrittsrecht gemäß § 918 ABGB habe.

Hiezu wurde erwogen:

Nach Art 8 Nr 21 EVHGB stand dem Verkäufer einer Ware ein Rücktrittsrecht nach § 918 ABGB dann nicht zu, wenn er dem Käufer die Ware übergeben und den Kaufpreis gestundet hatte.

Im Gefolge der (früher) überwiegenden Lehre judizierte der Oberste Gerichtshof, gegen die analoge Anwendung dieser Bestimmung im Bereich des allgemeinen Zivilrechts bestünden keine Bedenken (RIS-Justiz RS0018370; 1 Ob 649/87 = JBl 1988, 108 mwN aus der Lehre). Der Oberste Gerichtshof hielt die genannte Bestimmung auch für den Liegenschaftskauf für analog anwendbar (3 Ob 290/99i = RIS-Justiz RS0113636). Nach dieser Entscheidung war die Übergabe einer Liegenschaft im Sinn des Art 8 Nr 21 EVHGB dann als erfolgt anzusehen, sobald der Verkäufer alles das getan hatte, was dem Käufer seine Einverleibung als Eigentümer im Grundbuch ermögliche. Damit sei von der Seite des Verkäufers der Vertrag zur Gänze erfüllt und somit im Sinn der im bürgerlichen Recht analog anzuwendenden Gesetzesstelle auch übergeben. Die bloße Abgabe der Aufsandungserklärung genüge als „Übergabe" nicht, vielmehr sei auch die Übergabe der entsprechenden Urkunde an den Käufer erforderlich, weil dieser sonst nicht in der Lage sei, allein die Einverleibung zu bewerkstelligen.

Zutreffend hat schon das Berufungsgericht ausgeführt, dass zur Beurteilung, ob diese Voraussetzungen vorliegen, die Feststellungen nicht ausreichen. Die entsprechenden Feststellungen sind jedoch entbehrlich.

Bereits zur Rechtslage vor dem HaRÄG (BGBl I 2005/120) war die analoge Anwendung von Art 8 Nr 21 EVHGB im bürgerlichen Recht (und bei Liegenschaftskaufverträgen) in der Lehre umstritten (dafür F. Bydlinski in Klang IV/22 137 f; Hämmerle/Wünsch III3 207; Kramer in Straube, HGB3 Art 8 Nr 21 Rz 3; dagegen Kerschner in Jabornegg, HGB Art 8 Nr 21 Rz 2 und 8; Reischauer in Rummel, ABGB3 § 918 Rz 10; Binder/Reidinger in Schwimann, ABGB3 § 918 Rz 79; Bruner, Rücktritt beim Kreditkauf - Plädoyer für die Abschaffung des Art 8 Nr 21 4. EVHGB, RdW 1992, 105; Walter Doralt, Vorausleistung und Rücktritt beim Zahlungsverzug, RdW 2003, 8).

Die 4. EVHGB, somit auch deren Art 8 Nr 21, ist gemäß Art XXIX HaRÄG mit Ablauf des 31. Dezember 2006 außer Kraft getreten und ist auf Sachverhalte, die sich - wie im vorliegenden Fall - nach diesem Zeitpunkt ereignet haben, nicht anzuwenden. Aus den Erläuternden Bemerkungen zur RV zum HaRÄG (1058 BlgNR 22. GP 83) ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Norm wegen ihres „grundsätzlich wenig überzeugenden rechtspolitischen Gehalt(s)" aufgehoben hat. Der Verkäufer, der freiwillig vorausleiste, erscheine gerade im besonderen Maße schutzwürdig und solle nicht auch um jene Rechte gebracht werden, die ihm im Verzug des Schuldners im Allgemeinen zustünden.

Durch die Aufhebung von Art 8 Nr 21 EVHGB ist diese Norm als Grundlage für eine (ohnehin umstrittene) Analogie im bürgerlichen Recht weggefallen. Dieser Ansicht ist auch die Lehre (Schauer in Krejci, Reformkommentar zum UGB Art XXIX Rz 7; derselbe, Handelsrechtsreform: Die Neuerungen im Vierten und Fünften Buch, ÖJZ 2006, 64 [79]; P. Bydlinski in KBB2 § 918 Rz 11).

Mangels Kaufpreiszahlung durch den Beklagten ist der von den Verkäuferinnen erklärte Rücktritt somit jedenfalls wirksam. Der Beklagte wurde daher nicht (außerbücherlicher) Eigentümer der Liegenschaftsanteile, weshalb er keinen Rechtstitel zur Benützung des gegenständlichen Hauses hat. Das Räumungsbegehren der Kläger besteht somit zu Recht.

Ob unter den festgestellten Umständen ein kurzfristiges Zuwarten bis zur Erledigung des Bankwegs überhaupt als Stundung des Kaufpreises im Sinne der früheren Rechtslage aufzufassen wäre, kann auf sich beruhen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.

Textnummer

E92226

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0020OB00109.09G.0928.000

Im RIS seit

28.10.2009

Zuletzt aktualisiert am

19.09.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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