TE AsylGH Erkenntnis 2012/10/23 D1 407319-2/2010

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Veröffentlicht am 23.10.2012
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Spruch

D1 407319-2/2010/18E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

Der Asylgerichtshof hat durch den Richter Mag. STRACKER als Vorsitzenden und den Richter Mag. KANHÄUSER als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, geborene XXXX, StA. Russische Föderation, gegen Spruchpunkt III. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 10.05.2010, Zl. 09 00.027-BAL, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.09.2012 zu Recht erkannt:

 

Die Beschwerde wird gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, als unbegründet abgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I.1. Die Beschwerdeführerin stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 02.01.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, den sie im Wesentlichen mit dem Umstand begründete, bei ihren in Österreich lebenden minderjährigen Kindern sein zu wollen.

 

2. Mit Bescheid vom 10.06.2009, Zl. 09 00.027-BAL, wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz vom 02.01.2009 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, als unzulässig zurück und erklärte für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Polen für zuständig. Überdies wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG für zulässig erklärt.

 

3. Der dagegen erhobenen Beschwerde gab der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 02.11.2009, Zl. S15 407.319-1/2009/4E, gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) 1991, BGBl. Nr. 1991/50 statt und behob den bekämpften Bescheid ersatzlos.

 

4. Mit Bescheid vom 10.05.2010, Zl. 09 00.027-BAL, wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz vom 02.01.2009 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, ab (Spruchpunkt I.), wies gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Antrag auf internationalen Schutz auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation ab (Spruchpunkt II.) und wies die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus (Spruchpunkt III.).

 

5. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin binnen offener Rechtsmittelfrist Beschwerde und wies insbesondere auf das mit ihrem nunmehrigen Ehemann bestehende Familienleben sowie den Umstand, dass ihre beiden minderjährigen Kinder in Österreich aufhältig seien, hin.

 

6. Am 18.09.2012 führte der Asylgerichtshof zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts in Anwesenheit eines Dolmetschers für die russische Sprache eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher die Beschwerdeführerin zu ihren maßgeblichen Fluchtgründen sowie ihrem Familien- und Privatleben in Österreich samt Integrationsaspekten befragt wurde. Die belangte Behörde wurde ordnungsgemäß geladen, ein Vertreter erschien jedoch nicht.

 

7. In ihrem Schriftsatz vom 21.09.2012 nahm die (vertretene) Beschwerdeführerin umfassend zu ihrem Familien- und Privatleben in Österreich Stellung und zog überdies die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 10.05.2010, Zl. 09 00.027-BAL, zurück.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

1. Nachstehender Sachverhalt wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:

 

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und führt den im Spruch genannten Namen. Sie brachte nach zuvor erfolgter illegaler Einreise am 02.01.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich ein, welchen das Bundesasylamt zunächst mit Bescheid vom 10.06.2009, Zl. 09 00.027-BAL, ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückwies und für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 16 Abs. 1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Polen für zuständig erklärte. Überdies wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Polen ausgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Polen gemäß § 10 Abs. 4 AsylG für zulässig erklärt. Der dagegen erhobenen Beschwerde gab der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 02.11.2009, Zl. S15 407.319-1/2009/4E, gemäß § 66 Abs. 4 AVG statt und behob den bekämpften Bescheid ersatzlos.

 

In weiterer Folge wies das Bundesasylamt den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 10.05.2010, Zl. 09 00.027-BAL, bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab, wies gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 den Antrag auf internationalen Schutz auch bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation ab und wies die Beschwerdeführerin gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation aus. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin zunächst vollinhaltlich Beschwerde, zog diese jedoch mit Schriftsatz vom 21.09.2012 im Hinblick auf die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 10.05.2010, Zl. 09 00.027-BAL, zurück.

 

Die Beschwerdeführerin ist die leibliche Mutter des minderjährigen XXXX, und des minderjährigen XXXX, welchen mit Bescheiden des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 03.08.2005, Zlen. 254.848/0-XI/33/04 und 254.849/0-XI/33/04, gemäß §§ 10, 11 Abs. 1 AsylG 1997 Asyl gewährt wurde. Die Kinder leben mit ihrem Vater, dessen nunmehriger Ehefrau und ihren Geschwistern im gemeinsamen Haushalt. Die Beschwerdeführerin hat ihre Kinder - von einem Zusammentreffen im Rahmen einer Verhandlung vor einem österreichischen Gericht abgesehen - zuletzt im Jahr 2000 gesehen; zwischen ihr und den Kindern bestand somit seit diesem Zeitpunkt keinerlei Kontakt.

 

Mit Beschluss vom 02.05.2011, Zl. XXXX, wies das Bezirksgericht XXXX den Antrag der Beschwerdeführerin auf Einräumung eines Besuchsrechtes zur Gänze ab. Dem dagegen erhobenen Rekurs gab das Landesgericht für Zivilrechtssachen XXXX mit Beschluss vom 20.09.2011, Zl. XXXX, nicht Folge. Mit Beschluss vom 22.12.2011, Zl. XXXX, wies der Oberste Gerichtshof den dagegen erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 AußStrG zurück.

 

Am XXXX ehelichte die Beschwerdeführerin den österreichischen Staatsbürger XXXX, mit welchem sie seit dem 08.01.2009 in einem gemeinsamen Haushalt lebt. In der Russischen Föderation leben insbesondere eine Schwester und ein Bruder der Beschwerdeführerin.

 

Die unbescholtene Beschwerdeführerin nimmt keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch und geht keiner regelmäßigen legalen Beschäftigung nach, sondern lebt im Wesentlichen von den Einkünften ihres Ehemannes, der eine Pension bezieht. Die Beschwerdeführerin verfügt auch nicht über eine Beschäftigungsbewilligung. Insgesamt kann somit von keiner Selbsterhaltungsfähigkeit ausgegangen werden.

 

Die Beschwerdeführerin ist in keinen gemeinnützigen, wohltätigen oder kulturellen Vereinen engagiert. Besonders intensive soziale Kontakte oder Bindungen zu Verwandten oder österreichischen Bekannten/Freunden im Bundesgebiet sind nicht hervorgekommen.

 

Die Beschwerdeführerin verfügt über Deutschkenntnisse in Wort und Schrift; sie legte ein Sprachzertifikat Deutsch, Niveaustufe A2 des Europarates, vor. Festgehalten wird, dass der Großteil der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof in deutscher Sprache abgehalten wurde.

 

2. Beweiswürdigung:

 

Beweis wurde erhoben durch umfassende Einsichtnahme in den gesamten Verfahrensakt der Beschwerdeführerin, insbesondere in die Einvernahmeprotokolle und den Beschwerdeschriftsatz samt nachfolgender ergänzender Stellungnahme(n), Einholung eines aktuellen Strafregisterauszuges und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung am 18.09.2012 sowie Sichtung der im Laufe des gesamten Asylverfahrens in Vorlage gebrachten Bescheinigungsmittel.

 

Die Feststellungen zu Herkunft und Identität der Beschwerdeführerin beruhen insbesondere auf der Vorlage eines russischen Inlandspasses sowie eines internationalen Reisepasses (in Kopie) und der österreichischen Heiratsurkunde sowie deren diesbezüglichen konsistenten Angaben, an denen kein maßgeblicher Grund zu zweifeln hervorkam.

 

Die zu Familien- und Privatleben samt Integrationsaspekten getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem gesamten Akteninhalt, den ergänzenden Schriftsätzen, den Angaben der Beschwerdeführerin in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof am 18.09.2012 sowie aus den im Laufe des Verfahrens in Vorlage gebrachten Unterlagen.

 

3. Rechtlich folgt:

 

3.1. Der Asylgerichtshof entscheidet gemäß Art. 129c Bundes-Verfassungsgesetz - B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 2/2008, in Verbindung mit § 61 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009 in Senaten oder, soweit dies in Abs. 3 oder 3a leg. cit. vorgesehen ist, durch Einzelrichter über

 

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesasylamtes und

 

2. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesasylamtes.

 

Gemäß § 23 Abs. 1 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, sind soweit sich aus dem Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, nicht anderes ergibt, auf das Verfahren vor dem Asylgerichtshof die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass an die Stelle des Begriffs "Berufung" der Begriff "Beschwerde" tritt. Gemäß § 23 Abs. 2 AsylGHG, BGBl. I Nr. 4/2008 in der Fassung BGBl. I Nr. 147/2008, sind die Erkenntnisse im Namen der Republik zu verkünden und auszufertigen.

 

Gemäß § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz - AVG, BGBl. Nr. 51, hat die Berufungsbehörde außer in dem in Abs. 2 erwähnten Fall, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung (§ 60) ihre Anschauung an die Stelle jener der Unterbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern.

 

Gemäß § 73 Abs. 1 AsylG 2005 tritt dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2006 in Kraft. Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 1997 - AsylG), BGBl. I Nr. 76, tritt mit Ausnahme des § 42 Abs. 1 mit Ablauf des 31. Dezember 2005 außer Kraft (§ 73 Abs. 2 AsylG 2005).

 

Mit Zurückziehung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 10.05.2010, Zl. 09 00.027-BAL, (Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz bezüglich des Status der Asylberechtigten und der subsidiär Schutzberechtigten) erwuchs dieser in Rechtskraft.

 

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist in Bezug auf den einzig verbliebenen angefochtenen Spruchpunkt III. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 10.05.2010, Zl. 09 00.027-BAL, § 10 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idgF, anzuwenden.

 

3.2. Gemäß § 10 Abs. 1 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Ausweisung zu verbinden, wenn

 

1. der Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird;

 

2. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird;

 

3. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

 

4. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

 

und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

 

Gemäß § 10 Abs. 2 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011, sind Ausweisungen nach Abs. 1 unzulässig, wenn

 

1. dem Fremden im Einzelfall ein nicht auf dieses Bundesgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zukommt oder

 

2. diese eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen würden. Dabei sind insbesondere zu berücksichtigen:

 

die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war;

 

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens;

 

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens;

 

der Grad der Integration

 

die Bindungen zum Herkunftsstaat des Fremden;

 

die strafgerichtliche Unbescholtenheit;

 

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts;

 

die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren;

 

die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

 

Die weiteren Absätze des § 10 AsylG 2005 in der derzeit geltenden Fassung lauten wie folgt:

 

"(3) Wenn die Durchführung der Ausweisung aus Gründen, die in der Person des Asylwerbers liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

 

(4) Eine Ausweisung, die mit einer Entscheidung gemäß Abs. 1 Z 1 verbunden ist, gilt stets auch als Feststellung der Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den betreffenden Staat. Besteht eine durchsetzbare Ausweisung, hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

(5) Über die Zulässigkeit der Ausweisung ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Ausweisung ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Ausweisung schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein gemeinschaftsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre.

 

(6) Ausweisungen nach Abs. 1 bleiben binnen 18 Monaten ab einer Ausreise des Fremden aufrecht.

 

(7) Wird eine Ausweisung durchsetzbar, gilt sie als durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100, und hat der Fremde binnen einer Frist von 14 Tagen freiwillig auszureisen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht, wenn gegen den Fremden ein Rückkehrverbot erlassen wurde und für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 5 AsylG 2005 oder § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 38 durchführbar wird; in diesen Fällen hat der Fremde unverzüglich auszureisen.

 

(8) Mit Erlassung der Ausweisung ist der Fremde über seine Pflicht zur unverzüglichen oder fristgerechten Ausreise und gegebenenfalls über die Möglichkeit eines Antrages auf Verlängerung der Frist für die freiwillige Ausreise bei der örtlich zuständigen Fremdenpolizeibehörde (§ 55a FPG) zu informieren, insbesondere auf Rückkehrhilfe, sowie auf mögliche fremdenpolizeiliche Maßnahmen zur Durchsetzung der Ausreiseverpflichtung (§ 46 FPG) hinzuweisen."

 

Ein nicht auf das Asylgesetz 2005 gestütztes Aufenthaltsrecht liegt im gegenständlichen Fall nicht vor, sodass § 10 Abs. 2 Z 1 AsylG 2005 nicht zum Tragen kommt.

 

Im Hinblick auf § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 ist festzuhalten, dass bei einer Ausweisung auf das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Asylwerbers nach Art. 8 Abs. 1 EMRK Bedacht zu nehmen ist, wobei in diesem Zusammenhang Art. 8 Abs. 2 EMRK eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit eines allfälligen staatlichen Eingriffs und somit eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen erfordert (vgl. etwa VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479).

 

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

 

3.2.1. Grundsätzlich ist von einer familiären Beziehung im Sinne des Art. 8 EMRK bei einem verheirateten Paar mit oder ohne Kinder ("Kernfamilie") auszugehen, ungeachtet der Frage, ob ein Familienleben zwischen den Eheleuten schon ausreichend etabliert ist. (...) Sowohl eheliche als auch uneheliche Kinder aus einer Familienbeziehung, die unter Art. 8 EMRK fällt, werden von ihrer Geburt an ipso iure Teil der Familie (Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK; ÖJZ 2007/74, 860 unter Verweis auf EGMR 28.05.1985, Abdulaziz u.a. gg. Vereinigtes Königreich, Appl. 9214/80 u. a.; EGMR 22.06.2004, Pini u.a. gg. Rumänien, Appl. 78.028/01 u.a. sowie VfSlg. 16.777/2003).

 

"Aus der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte erhellt, dass der Begriff ¿Familienleben' in Art. 8 EMRK nicht allein auf Beziehungen beschränkt ist, die sich auf eine Ehe gründen, sondern auch andere De-facto-Familienbande umfassen kann (siehe EGMR 26.05.1994, Keegan gg. Irland, ÖJZ 1995/2 MRK; weiters EGMR 27.10.1994, Kroon ua. gg. die Niederlande, ÖJZ 1995, 296). (...) Bei der Entscheidung, ob ein Familienleben vorliegt, kann eine Reihe von Faktoren maßgebend sein, wie etwa das Zusammenleben des Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR 23.04.1997, X, Y und Z gg. das Vereinigte Königreich, ÖJZ 1998, 271)" (VfGH 28.06.2003, G 78/00).

 

Ob außerhalb des Bereiches des zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK ein Familienleben vorliegt, hängt jeweils von den konkreten Umständen ab, wobei für die Prüfung einer hinreichend stark ausgeprägten persönlichen Nahebeziehung ("the real existence in practice of close personal ties") gegebenenfalls auch die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung sind (vgl. VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423).

 

3.2.2. Darüber hinaus ist bei jeder Ausweisungsentscheidung zu prüfen, ob in das Privatleben der jeweils betroffenen Person eingegriffen wird, wobei nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes davon auszugehen ist, dass lediglich bei kurzen Inlandsaufenthalten kein Eingriff in das Privatleben erfolgt, sodass eine Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK entfallen kann.

 

Jeder Staat hat nach Völkerrecht und gemäß seinen vertraglichen Verpflichtungen die Befugnis, Einreise und Aufenthalt von Fremden in seinem Territorium zu regeln. Die Konvention garantiert Fremden nicht das Recht, in ein bestimmtes Land einzureisen oder sich dort aufzuhalten (EGMR 31.07.2008, Omoregie and others v. Norway, Appl. 265/07).

 

Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens im Gastland zugebracht hat oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 08.04.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 04.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98; 09.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99; 16.06.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00).

 

3.2.3. Im hier zu beurteilenden Fall reiste die Beschwerdeführerin laut eigenen Angaben am 28.12.2008 alleine in das Bundesgebiet ein und stellte am 02.01.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz. Seit dem 08.01.2009 lebt sie mit dem österreichischen Staatsbürger XXXX, den sie am XXXX ehelichte, im gemeinsamen Haushalt.

 

Die vom Bundesasylamt verfügte Ausweisung stellt daher jedenfalls einen Eingriff in das Recht auf Familien- und Privatleben der Beschwerdeführerin im Sinne von Artikel 8 EMRK dar und ist deshalb eine Interessenabwägung im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK erforderlich, die nach Ansicht des erkennenden Senats des Asylgerichtshofes insgesamt aber zu Lasten der Beschwerdeführerin ausfällt.

 

Dieser musste bekannt sein, dass die mit ihrer Antragstellung auf internationalen Schutz verbundene sogenannte vorübergehende Aufenthaltsberechtigung lediglich ein Aufenthaltsrecht für die Dauer des Asylverfahrens darstellt. Es war demnach vorhersehbar, dass es im Falle einer negativen Entscheidung zu einer Aufenthaltsbeendigung kommt. Das Gewicht eines in diesem Zeitraum entstandenen, durch die Ausweisung beeinträchtigten Familien- und Privatlebens wird nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte somit schon dadurch gemindert dass sich die Beschwerdeführerin nicht darauf verlassen konnte, dieses auch nach Beendigung des Asylverfahrens im Aufnahmestaat fortführen zu können. Eine Ausweisung in derartigen Fällen, in denen sich die betroffene(n) Person(en) der Unsicherheit des Aufenthaltsstatus bewusst sein musste(n), kann nur unter ganz speziellen bzw. außergewöhnlichen Umständen ("in exceptional circumstances") eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstellen (vgl. hierzu z.B. EGMR 11.04.2006, Useinov v. The Netherlands, Appl. 61.292/00 bzw. EGMR 08.04.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06).

 

Derart spezielle bzw. außergewöhnliche Umstände sind in der gegenständlichen Konstellation jedoch nicht zu erblicken. Der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann musste bei Eingehung der Partnerschaft die Unsicherheit des Aufenthaltsstatus der Beschwerdeführerin bewusst sein. Für die Ausführungen der Beschwerdeführerin in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof, wonach sie bei der Eheschließung nicht gewusst habe, dass sie nicht über eine ständige Aufenthaltsberechtigung in Österreich verfüge und ihren vorläufigen Aufenthaltsstatus "damals nicht berücksichtigt" habe (Verhandlungsprotokoll vom 18.09.2012, S. 6), gab es demnach keine Veranlassung und konnte die Beschwerdeführerin auch nicht überzeugend darlegen, aus welchen Gründen sie zu dieser Einschätzung gelangt sei.

 

"Der EGMR hat in seiner Judikatur zu Art. 8 MRK (Hinweis Urteil 31. Jänner 2006, Nr. 50435/99, Rodrigues da Silva und Hoogkamer gegen die Niederlande) wiederholt ausgeführt, dass der Staat unter dem Blickwinkel des Art. 8 MRK im Zusammenhang mit positiven wie auch negativen Verpflichtungen einen fairen Ausgleich zwischen den konkurrierenden Interessen des Einzelnen und jenen der Gemeinschaft als Ganzes schaffen muss und hiebei den Vertragsstaaten jedoch ein gewisser Ermessenspielraum zukommt. Art 8 MRK enthält keine generelle Pflicht für die Vertragsstaaten, die Wohnortwahl von Immigranten zu respektieren und auf ihrem Staatsgebiet Familienzusammenführungen zuzulassen." (VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721).

 

Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. etwa VfGH 01.07.2009, U992/08 bzw. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216; 26.06.2007, 2007/01/0479; 16.01.2007, 2006/18/0453; 08.11.2006, 2006/18/0336 bzw. 2006/18/0316; 22.06.2006, 2006/21/0109; 20.09.2006, 2005/01/0699).

 

Das Gewicht einer aus einem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration ist dann gemindert, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge oder beharrliche Missachtung fremdenrechtlicher Vorschriften zurückzuführen ist (VwGH 17.12.2007, Zl. 2006/01/0216, m.w.N.).

 

Im Hinblick auf die Intensität des durch die Ausweisung beeinträchtigten Familienlebens ist darauf hinzuweisen, dass der Ehe zwischen der illegal eingereisten Beschwerdeführerin und dem österreichischen Staatsbürger XXXXE bislang keine gemeinsamen Kinder entsprangen und die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt des Eingehens der Beziehung - wie bereits ausgeführt - keineswegs auf eine endgültige Legalisierung ihres Aufenthaltsstatus oder gar auf die Gewährung von internationalem Schutz vertrauen durfte. Dies muss auch im Hinblick auf die Bindung der Beschwerdeführerin zu den - volljährigen (siehe dazu AS 971: "Er hat erwachsene Kinder, die sind alle selbständig.") - Kindern ihres nunmehrigen Ehemannes gelten.

 

Hinsichtlich des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin derzeit im Wesentlichen von den Einkünften ihres Ehemannes lebt, ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin arbeitsfähig ist und laut eigenen Angaben im Herkunftsstaat Ausbildungen zur Buchprüferin und Kosmetikerin absolvierte (siehe dazu das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Diplom sowie das Verhandlungsprotokoll vom 18.09.2012, S. 4). Ihre vorhandene Bereitschaft zur Aufnahme einer Erwerbstätigkeit hat die Beschwerdeführerin überdies im Rahmen der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof beteuert (Verhandlungsprotokoll vom 18.09.2012, S. 8). Weshalb die Beschwerdeführerin in der Verhandlung vorbrachte, "nie gearbeitet" zu haben (Verhandlungsprotokoll vom 18.09.2012, S. 4), während sie vor dem Bundesasylamt noch angegeben hatte, ihren Lebensunterhalt durch ihre Tätigkeit als Kosmetikerin finanziert zu haben (AS 137, 147 und 965), ist für den erkennenden Senat nicht nachvollziehbar.

 

Soweit im gegenständlichen Verfahren auf die Erkrankungen des Ehemannes der Beschwerdeführerin und den Umstand, dass dieser auf ihre Unterstützung angewiesen sei, hingewiesen wurde (siehe dazu die Befundberichte eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 02.06.2012 und 21.09.2012, wonach der Ehemann der Beschwerdeführerin an Diabetes mellitus Typ 2, Hypertonie labil, rezidivierenden Schwindelattacken mit Sturzneigung, lageabhängigen Kopfschmerzen, einem Zustand nach Hörsturz und Nasenfraktur mit Operation sowie an Spondylosis deformans thoracolumbalis mit rezidivierenden Lumbago-Lumboischialgieepisoden leide), ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin in der Verhandlung vor dem Asylgerichtshof zwar ausführte, ihr Ehemann müsse an die Einnahme seiner Medikamente erinnert werden und sie müsse "viele Wege für ihn machen" (Verhandlungsprotokoll vom 18.09.2012, S. 8). Dass der Ehemann der Beschwerdeführerin aber etwa ein Pflegefall sei, hat diese in der Verhandlung nicht vorgebracht; Derartiges ist auch von Amts wegen nicht hervorgekommen (Verhandlungsprotokoll vom 18.09.2012, S. 8:

"VR: Ist Ihr Gatte ein Pflegefall? - BF: Er versucht selbst, sich möglichst gut zu halten."). In diesem Zusammenhang ist überdies zu berücksichtigen, dass zumindest zwei seiner (volljährigen) Kinder, mit welchen er - wie aus dem Schreiben seiner Tochter, Frau XXXX und dem Schriftsatz der Beschwerdeführerin vom 21.09.2012 hervorgeht - in enger Beziehung steht, im Bundesgebiet leben. Die Beschwerdeführerin konnte somit kein derart spezielles Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem in Österreich lebenden Ehemann darlegen, welches - im Lichte der Rechtsprechung des EGMR - eine außergewöhnliche Beziehungsintensität begründen würde. Überdies ist auch in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass der gegenständliche Familienbezug erst durch die Einreise der Beschwerdeführerin unter Umgehung der Grenzkontrolle und Stellung eines unbegründeten Antrages auf internationalen Schutz ermöglicht wurde, weshalb der erkennende Senat des Asylgerichtshofes hinsichtlich des nach der Antragstellung entstandenen Familienbezuges auch nicht von einer besonderen Schutzwürdigkeit ausgeht. Die gegenteilige Ansicht würde dazu führen, dass Fremde, welche eine illegale Einreise sowie die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Asylantragstellung unterlassen, letztlich schlechter gestellt wären als Fremde, welche zu diesen Mitteln greifen.

 

Wenn die Beschwerdeführerin in ihrem Schriftsatz vom 21.09.2012 die Unverhältnismäßigkeit der Fortführung des Familienlebens außerhalb Österreichs betont, da für den Ehemann ein Umzug in die Russische Föderation aufgrund seines Alters, seiner Erkrankung und seiner engen Beziehung mit seinen Kindern und Enkelkindern unzumutbar sei, ist ausdrücklich ist darauf hinzuweisen, dass es der Beschwerdeführerin in weiterer Zukunft selbstverständlich offen stehen wird, im Zuge einer von ihrem Herkunftsstaat aus zu erfolgenden Antragstellung nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) eine legale Wiedereinreise nach Österreich herbeizuführen (vgl. hierzu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, ÖJZ 2007/74, S. 861, mwN sowie VfGH 12. 6. 2010, U 614/10). Weiters besteht bis dahin die Möglichkeit, das Familienleben durch Besuche aufrechtzuerhalten (in diesem Zusammenhang ist insbesondere auf den Umstand, dass österreichische Staatsangehörige mit einem Visum in die Russische Föderation einreisen können, sowie auf das Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und der Russischen Föderation über die Erleichterung der Ausstellung von Visa für Bürger der Europäischen Union und für Staatsangehörige der Russischen Föderation hinzuweisen). Dass die Trennung der Ehepartner und die Ausreise für die Dauer eines ordnungsgemäß geführten Niederlassungsverfahrens einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführerin darstellen, vermag der erkennende Senat nicht zu erkennen.

 

Im gegenständlichen Fall ist überdies zu berücksichtigen, dass die beiden minderjährigen Söhne der Beschwerdeführerin seit Mai 2003 in Österreich leben, denen in der Folge mit Bescheiden des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 03.08.2005 Asyl gewährt wurde. Die Beschwerdeführerin hat ihre Kinder - von einem Zusammentreffen im Rahmen einer Verhandlung vor einem österreichischen Gericht abgesehen - zuletzt im Jahr 2000 gesehen; zwischen ihr und den Kindern bestand somit seit diesem Zeitpunkt keinerlei Kontakt. Sie leistet für die beiden Kinder auch keinen Unterhalt und lebt nicht mit ihnen im gemeinsamen Haushalt. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Einräumung eines Besuchsrechtes wurde vom Bezirksgericht XXXX abgewiesen; auch dem dagegen erhobenen Rekurs an das Landesgericht für Zivilrechtssachen XXXX sowie dem in weiterer Folge erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof wurde nicht stattgegeben.

 

In ihrem Schriftsatz vom 21.09.2012 weist die Beschwerdeführerin auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Fall Anayo gegen Deutschland (EGMR 21.12.2010, Anayo gg. Deutschland, Appl. 20578/07) hin und betont insbesondere die Ausführungen des Gerichtshofes, wonach zwischen Eltern und ihren leiblichen Kindern nicht nur das faktische Familienleben dem Schutz des Art. 8 EMRK unterstehe, sondern auch ein beabsichtigtes Familienleben, insbesondere wenn die Tatsache, dass kein aufrechtes Familienleben vorliege, nicht dem Beschwerdeführer, der sein Interesse an den Kindern (durch ein Besuchsrechtsverfahren) bekundet habe, zuzurechnen sei. Überdies halte der Gerichtshof fest, dass auch im Falle des Nichtbestehens eines Familienlebens die Klärung des rechtlichen Status zu den Kindern doch zumindest einen wichtigen Bereich des von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschützten Privatlebens betreffe. Dass die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Fall kein Familienleben mit ihren Kindern etablieren habe können, sei ihr somit nicht zuzurechnen.

 

In Zusammenhang mit diesen Ausführungen der Beschwerdeführerin ist Folgendes zu erwägen: Wie sich der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte im Fall Anayo gegen Deutschland entnehmen lässt, begründet der Gerichtshof die Verletzung von Art. 8 EMRK im Wesentlichen damit, dass er von einer gerechten Abwägung der deutschen Gerichte hinsichtlich der konkurrierenden Interessen nicht überzeugt sei, da diese insbesondere eine Prüfung der Frage unterlassen hätten, ob der Kontakt zwischen dem Beschwerdeführer und seinen Kindern unter den besonderen Umständen des Falls im Interesse der Kinder läge.

 

Demgegenüber ist für den erkennenden Senat des Asylgerichtshofes im gegenständlichen Fall jedoch nicht ersichtlich, dass sich die österreichischen Gerichte im Verfahren über den Antrag der Beschwerdeführerin auf Einräumung eines Besuchsrechts nicht ausreichend mit der Frage des Kindeswohles auseinandergesetzt hätten. So hielt das Bezirksgericht XXXX insbesondere fest, dass jede Befragung für die Kinder großen Stress nach sich ziehe, sodass das Familiengleichgewicht jedes Mal wieder gestört werde. Auch betonte das Gericht, dass sich die beiden Minderjährigen mit ihrer aktuellen Familiensituation arrangiert hätten und jede Zwangsmaßnahme nur eine weitere Traumatisierung der Minderjährigen zur Folge haben würde. Zum jetzigen Zeitpunkt sei daher die Gefahr, dass die Kinder durch den Kontakt zur Beschwerdeführerin infolge von Repressionen des Vaters Schaden nehmen könnten, größer als der Nutzen, den sie aus diesen Kontakten ziehen könnten. Überdies würden die beiden Minderjährigen das Besuchsrecht zu ihrer Mutter selbst vehement verweigern. Auch das Landesgericht für Zivilrechtssachen XXXX betonte, dass als oberster Grundsatz bei jeder Besuchsregelung stets das Wohl und das Interesse des Kindes zu beachten sei, dem sich die Interessen der Eltern unterzuordnen hätten. Das Erstgericht sei zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass im gegenständlichen, besonders gelagerten Fall die Berechtigung der Beschwerdeführerin zur Kontaktaufnahme mit ihren Kindern massiv deren Wohl widersprechen und deren weitere Entwicklung sogar gefährden würde. Evident und ausschlaggebend seien die massive Ablehnung der beiden Kinder gegenüber der Beschwerdeführerin auf der einen und die Gefahr für das Wohl der Kinder bei Einräumung von Besuchskontakten gegen ihren Willen auf der anderen Seite. Betrachte man das aufgebrachte und unangemessene Verhalten des Vaters gegenüber dem Pflegschaftsgericht, so bestätige dies ohne jeden Zweifel den Eindruck, dass die Kinder massiv negativ gegen die Beschwerdeführerin beeinflusst würden. Angeordnete Besuchskontakte hätten jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach eine massive Verschlechterung oder sogar die Beendigung der ansonsten offenbar durchaus guten Beziehung zum Vater zur Folge. Unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Falles sei dem Erstgericht daher gänzlich beizupflichten, dass die Einräumung von Besuchskontakten der Beschwerdeführerin zu ihren Kindern derzeit das Wohl der beiden Minderjährigen gefährden würde und daher nicht zu erfolgen habe. Auch aus einem im Akt einliegenden Bericht einer diplomierten Sozialarbeiterin geht hervor, dass unter den gegebenen familiären Umständen von Besuchskontakten der Beschwerdeführerin und ihren Kindern im Interesse der Kinder abzusehen sei.

 

Im Hinblick auf den Umstand, dass die beiden minderjährigen Söhne der Beschwerdeführerin als anerkannte Flüchtlinge in Österreich leben, ist daher - wie bereits oben - darauf zu verweisen, dass es der Beschwerdeführerin in weiterer Zukunft selbstverständlich offen stehen wird, eine legale Wiedereinreise nach Österreich herbeizuführen.

 

Der Asylgerichtshof verkennt im gegenständlichen Fall auch nicht, dass die Beschwerdeführerin zu keinem Zeitpunkt staatliche Sozialleistungen (Grundversorgung) in Anspruch genommen hat. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass sie weder einer regelmäßigen legalen Beschäftigung nachgeht, noch über eine Beschäftigungsbewilligung verfügt, sondern im Wesentlichen von den Einkünften ihres Ehemannes, der eine Pension bezieht, lebt. Es ist daher derzeit nicht von einer Selbsterhaltungsfähigkeit der Beschwerdeführerin im österreichischen Bundesgebiet auszugehen.

 

Von den Deutschkenntnissen der Beschwerdeführerin, die überdies ein Sprachzertifikat Deutsch, Niveaustufe A2 des Europarates, vorlegte, konnte sich der erkennende Senat in der öffentlichen mündlichen Verhandlung, die weitgehend in deutscher Sprache abgehalten wurde, überzeugen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein mittlerweile eingetretener Erwerb von Deutschkenntnissen aufgrund des mehrjährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet jedoch schon deshalb zu relativieren, weil der Beschwerdeführerin die Unsicherheit der Aufenthaltsberechtigung bewusst sein musste (vgl. VwGH 25.02.2010, Zl. 2009/21/0187).

 

Das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Unterstützungsschreiben des Vizebürgermeisters von XXXX, sowie die umfangreiche Stellungnahme der Tochter des nunmehrigen Ehemannes der Beschwerdeführerin, Frau XXXX, lassen zwar auf einen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich schließen, jedoch keine außergewöhnliche Integration erkennen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof - von den (volljährigen) Kindern ihres nunmehrigen Ehemannes abgesehen - lediglich vier Freunde namentlich benennen konnte und überdies angab, "sonst [...] keine Freunde und Bekannte hier in Österreich" zu haben (Verhandlungsprotokoll vom 18.09.2012, S. 4). Die Beschwerdeführerin, die in Österreich die Lenkerberechtigung für die Klasse B erworben hat, engagiert sich zudem auch in keinen heimischen Vereinen und hat nicht vorgebracht, etwa in sozialen Einrichtungen ehrenamtlich tätig (gewesen) zu sein. Das von der Beschwerdeführerin erstattete Vorbringen bietet jedenfalls keinen Anhaltspunkt für die Annahme, dass sich die Beschwerdeführerin während ihres weniger als vier Jahre dauernden Aufenthaltes in Österreich in besonderer Weise integriert hätte.

 

Wenn die Beschwerdeführerin in ihrem Schriftsatz vom 21.09.2012 auf zwei Entscheidungen des Asylgerichtshofes verweist, in welchen die Ausweisung auf Dauer für unzulässig erklärt wurde, so ist - trotz grundsätzlichem Bestreben einer möglichst einheitlichen Rechtsprechung - zu berücksichtigen, dass der Asylgerichtshof die anhängigen Rechtssachen individuell und einzelfallbezogen beurteilt und auch den in einer mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck heranzieht.

 

Auch der Umstand, dass die Beschwerdeführerin nicht straffällig geworden ist, bewirkt keine relevante Verstärkung der persönlichen Interessen, vielmehr stellen das Fehlen ausreichender Unterhaltsmittel und die Begehung von Straftaten eigene Gründe für die Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen dar (VwGH 24.07.2002, Zl. 2002/18/0112).

 

Es entspricht auch der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass die durch eine soziale Integration erworbenen Interessen an einem Verbleib in Österreich in ihrem Gewicht gemindert sind, wenn der/die Fremde keine genügende Veranlassung gehabt hatte, von einer Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen (vgl. VwGH 29.04.2010, Zl. 2009/21/0055 mwN).

 

Der Asylgerichtshof kann aber auch sonst keine unzumutbaren Härten in einer Rückkehr der Beschwerdeführerin in die Russische Föderation erkennen: Die Beschwerdeführerin wurde in der Russischen Föderation geboren, wuchs dort auf, besuchte die Grundschule sowie ein College und hat den Großteil ihres Lebens in der Russischen Föderation verbracht. Darüber hinaus ist die Beschwerdeführerin grundsätzlich arbeitsfähig und beherrscht nach wie vor die russische Sprache, sodass ihre Resozialisierung und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zumindest an keiner Sprachbarriere scheitern würden und von diesem Gesichtspunkt her möglich und zumutbar erscheinen. Überdies leben zwei Geschwister der Beschwerdeführerin nach wie vor in der Russischen Föderation. Insgesamt sind daher keine unzumutbaren Härten in einer Rückkehr der Beschwerdeführerin in ihren Herkunftsstaat zu erblicken.

 

Im Übrigen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch Schwierigkeiten beim Wiederaufbau einer Existenz in der Russischen Föderation - letztlich auch als Folge des Verlassens des Heimatlandes ohne ausreichenden (die Asylgewährung oder Einräumung von subsidiären Schutz rechtfertigenden) Grund für eine Flucht nach Österreich - im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen hinzunehmen (vgl. VwGH 29.04.2010, Zl. 2009/21/0055).

 

Zusammengefasst bleibt somit unter Berücksichtigung der jüngeren Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (vgl. EGMR 8.4.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06 bzw. insbesondere EGMR 31.7.2008, Darren Omoregie and others v. Norway, Appl. 265/07, wo der Gerichtshof neuerlich hervorhob, dass die Ausweisung eines Fremden, der sich aufgrund seines Aufenthaltsstatus bei Begründung des Familienlebens dessen Fortbestehens nicht gewiss sein durfte, nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK darstelle) abschließend festzuhalten, dass das Interesse der Republik Österreich an der Wahrung eines geordneten Fremden- und Zuwanderungswesens als Teil der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung sowie des wirtschaftlichen Wohls des Landes durch Vermeidung unkontrollierter Zuwanderung im gegenständlichen Fall insgesamt schwerer wiegt als das persönliche Interesse der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet, zumal das Asylrecht (und die mit der Einbringung eines Asylantrags verbundene vorläufige Aufenthaltsberechtigung) auch nicht zur Umgehung der allgemeinen Regelungen eines geordneten Zuwanderungswesens dienen darf und ist der Eingriff in das Familien- und Privatleben der Beschwerdeführerin unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des konkreten Einzelfalles somit noch als gerechtfertigt anzusehen.

 

Die Ausweisung aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ist daher nach Auffassung des Asylgerichtshofes aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zulässig und war die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des Bescheides des Bundesasylamtes vom 10.05.2010, Zl. 09 00.027-BAL, spruchgemäß abzuweisen.

Schlagworte
Ausreiseverpflichtung, Ausweisung, familiäre Situation, Interessensabwägung, Resozialisierung, vorläufige Aufenthaltsberechtigung, Zeitpunkt der Eheschließung
Zuletzt aktualisiert am
31.10.2012
Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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