TE UVS Steiermark 2012/08/30 20.3-19/2012

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Veröffentlicht am 30.08.2012
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark hat durch das Senatsmitglied Dr. Kundegraber über die Beschwerde des B Br, geb. am, vertreten durch A R, D-F gem. GmbH, in G, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, wie folgt entschieden:

 

Die Anhaltung des Beschwerdeführers vom 14. Mai 2012, von 15:40 Uhr bis 15. Mai 2012, 08:00 Uhr, war rechtswidrig und wurde das Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt.

 

Rechtsgrundlagen:

§§ 67 a Abs 1 Z 2, 67 c Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), §§ 80 Abs 1, 81 Abs 1 und Abs 2, 82 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), Art. 1 Abs 1 und Abs 2, Art. 2 Abs 1 Z 7 und Art. 6 Abs 1 Bundesverfassungsgesetz vom 29. November 1988, BGBl. I Nr. 684 über den Schutz der persönlichen Freiheit (PersFrBVG), Art. 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK)

 

Gemäß § 79 a AVG in Verbindung mit der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. Nr. 456/2008, hat der Bund (Bundesministerin für Inneres) dem Beschwerdeführer die Kosten des Verfahrens in der Höhe von ? 751,90 binnen zwei Wochen ab Zustellung des Bescheides bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Text

I.1. In der Beschwerde vom 12. Juni 2012 wurde behauptet, dass der Bescheid über die Schubhaftbeschwerde des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur am 14. Mai 2012, um 14:32 Uhr, per Telefax zugestellt worden sei. Der Beschwerdeführer sei erst am 15. Mai 2012, um 08:00 Uhr aus der Schubhaft entlassen worden. Dies sei nicht rechtmäßig, die Enthaftung des Beschwerdeführers ohne nachvollziehbaren Grund für 17 Stunden hinauszuzögern. Es wurde daher der Antrag gestellt, der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark möge die weitere Anhaltung des BF durch die BH Bruck/ Mur bis zum 15.5.2012 für rechtswidrig erklären sowie die Kosten im Rahmen des UVS-Aufwandersatzverordnung zuzusprechen.

 

2. Die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur erstattete am 26. Juni 2012 eine Gegenschrift, in der sie im Wesentlichen ausführt, dass auf Grund organisatorischer Maßnahmen eine sofortige Enthaftung des Beschwerdeführers nicht durchführbar war. Da die Amtsstunden um 15:00 Uhr geendet hätten und der UVS-Bescheid dem Fremdenpolizeireferat um 15:03 Uhr übermittelt wurde, sei dieser erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden am 15. Mai 2012, 08:00 Uhr, als zugestellt anzusehen. Es wurde beantragt die Beschwerde gemäß § 82 FPG abzuweisen und lege auf Grund der Gegebenheiten kein schuldhaftes Verhalten der belangten Behörde vor.

Zudem wurde der dortige fremdenpolizeiliche Akt, GZ.: 2.2.B 2107/2012 vorgelegt.

 

3. Der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark holte zudem den Akt des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark, GZ.: UVS 25.9-2/2012, ein, indem über die Schubhaftbeschwerde entschieden wurde.

 

II.1. Auf Grund des Akteninhaltes des Fremdenpolizeiaktes der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur, GZ.: 2.2.B 2107/2012, und dem Akt des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark, GZ.: UVS 25.9-2/2012, den Ausführungen in der Beschwerde und der Gegenschrift, geht der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark von nachfolgendem entscheidungsrelevanten Sachverhalt aus:

 

Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsbürger. Im Bescheid der belangten Behörde vom 03. Mai 2012, GZ.: 2.2.B 2107/2012-4, wurde die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründet wurde dies gemäß § 76 Abs 2 Z 4 FPG, da die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005, der Abschiebung (§ 46 FPG) angeordnet wurde. Der Bescheid wurde vom Beschwerdeführer persönlich übernommen. Mit einem weiteren Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur vom 10. Mai 2012, GZ.: 2.2.B 2107/2012-13, wurde der Bescheid vom 03. Mai 2012 dahingehend berichtigt, dass die Schubhaft gemäß § 76 Abs 2 Z 4 FPG iVm § 57 Abs 1 AVG gegen den syrischen Staatsangehörigen, Br B, geb. zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung gemäß § 10 AsylG 2005 und zur Abschiebung angeordnet wird. Die dagegen eingebrachte Schubhaftbeschwerde wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 14. Mai 2012, GZ.: UVS 25.9-2/2012-4, Folge gegeben und festgestellt, dass die Anordnung der Schubhaft wie auch die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 03.05.2012, 09:00 Uhr, rechtswidrig waren; die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft ist unzulässig. Der Bescheid wurde dem Vertreter des Beschwerdeführers mittels Zustellung per Fax am 14. Mai 2012, um 14:37 Uhr, und der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur ebenfalls am 14. Mai 2012, um 14:40 Uhr, zugestellt. Eine weitere Zustellung gegen Rückschein erfolgte am 16. Mai 2012.

 

Laut Entlassungsschein der Bundespolizeidirektion L vom 15. Mai 2012 wurde der Beschwerdeführer am 15. Mai 2012, um 08:00 Uhr, entlassen. Die Entlassung erfolgte auf Grund eines Schreibens des Referenten der Fremdenpolizei der belangten Behörde vom 15. Mai 2012, um 07:39 Uhr.

 

2. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Akteninhalt des Fremdenpolizeiaktes der belangten Behörde, GZ.: 2.2.B 2107/2012, als auch dem Akt des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark, GZ.: UVS 25.9-2/2012, sowie den Ausführungen in der Beschwerde und der Gegenschrift. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht außer Streit. Eine Verhandlung konnte gemäß § 67 d Abs 2 Z 3 AVG entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage der Verwaltungsakt als rechtswidrig zu erklären war.

 

III. Die Rechtsbeurteilung ergibt Folgendes:

 

1. Die Beschwerde über die Haft langte am 12. Juni 2012 (laut Faxbestätigung) beim Unabhängigen Verwaltungssenat für die Steiermark ein, wodurch die sechswöchige Beschwerdefrist gemäß § 67 c Abs 1 AVG gewahrt wurde. Auch ist die örtliche Zuständigkeit des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark gegeben, da die von der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur verfügte Freiheitsentziehung im Sprengel des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark stattgefunden hat.

 

2.

Gemäß § 82 Abs 1 FPG hat der Fremde das Recht, den Unabhängigen Verwaltungssenat mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen,

1.

wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist;

2.

wenn er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz oder das Asylgesetz 2005 angehalten wird oder wurde oder

3.

wenn gegen ihn die Schubhaft angeordnet wurde.

 

Gemäß § 80 Abs 1 leg cit ist die Behörde verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

 

Gemäß § 81 Abs 1 FPG ist die Schubhaft durch Freilassung des Fremden formlos aufzuheben, wenn

1.

sie gemäß § 80 nicht länger aufrecht erhalten darf oder

2.

der Unabhängige Verwaltungssenat festgestellt hat, dass die Voraussetzung für ihre Fortsetzung nicht vorliegen. Gemäß § 81 Abs 2 leg cit ist die Schubhaft gemäß Abs 1 formlos aufgehoben worden, gilt der hier zugrundeliegende Bescheid als widerrufen; die Behörde hat dies aktenkundig zu machen.

 

Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 14. Mai 2012, GZ.: UVS 25.9-2/2012-4, wurde festgestellt, dass die Schubhaft seit ihren Anordnung rechtswidrig war und auch eine weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft unzulässig ist. Die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur erhielt die Entscheidung noch am selben Tag, nämlich um 14:40 Uhr (siehe Faxbestätigung), wobei jedoch die endgültige Entlassung aus der Haft erst am 15. Mai, um 08:00 Uhr stattfand.

 

Gemäß Art. 1 Abs 1 PersFrBVG hat jedermann das Recht auf Freiheit und Sicherheit (persönliche Freiheit). Gemäß Abs 2 darf niemand aus anderen als den in diesem Bundesverfassungsgesetz genannten Gründen oder auf eine andere als die gesetzlich vorgeschriebene Weise festgenommen oder angehalten werden.

 

Gemäß Art. 2 Abs 1 Z 7 PersFrBVG darf die persönliche Freiheit einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

7. wenn es notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

 

Gemäß Art. 6 Abs 1 PersFrBVG hat jedermann, der festgenommen oder angehalten ist, das Recht auf ein Verfahren, in dem durch Gericht oder durch andere unabhängige Behörden über die Rechtmäßigkeit des Freiheitsentzuges entschieden und im Fall der Rechtswidrigkeit seine Freilassung angeordnet wird. Die Entscheidung hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung hätte vorher geendet.

 

Gemäß Art. 5 EMRK hat jedermann ein Recht auf Freiheit und Sicherheit und darf die Freiheit einem Menschen nur in den dort vorgesehenen Fällen (lit a bis lit f) und nur auf die gesetzliche vorgeschriebene Weise entzogen werden.

 

Eine weitere Freiheitsentziehung des Beschwerdeführers war ab der Entscheidungszustellung des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark, nämlich ab 14. Mai 2012, um 14:40 Uhr, an die belangte Behörde, im Hinblick auf Art. 6 Abs 1 PersFrBVG nur mehr zulässig, als sie zur Vollstreckung der Entscheidung unvermeidlich war und sich auf ein Minimum beschränkte (VfGH 02. Mai 2011, B 1220/10). Es können zwar bei einer Behörde durch zwingende Umstände begründete Verzögerungen bei der Freilassung berücksichtigt werden, jedoch ist eine unnötige Verzögerung der Freilassung zu vermeiden (VfSlg. 11.781/1988 und 11.146/1986). In der Gegenschrift wird ausgeführt, dass die belangte Behörde eine Blockzeit mit Anwesenheitsverpflichtung der Bediensteten von 08:00 Uhr bis 12:30 Uhr hat und es darüber hinaus den Bediensteten freigestellt ist, die restliche Dienstzeit im Gleitzeitrahmen zwischen 06:30 Uhr bis 08:00 Uhr und von 12:30 Uhr bis 19:00 Uhr zu versehen. Der zuständige Fremdenpolizeireferent befand sich zum Zeitpunkt des Einlangens des Bescheides des UVS am 14. Mai 2012, um 14:40 Uhr, bereits außer Dienst. Der Schubhaftbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark wurde zwar laut Zustellbestätigung am 14. Mai 2012 an die belangte Behörde übermittelt, jedoch sei dieser erst um 15:03 Uhr an das Fremdenpolizeireferat weitergeleitet worden. Der weiterleitende Bedienstete habe laut Organisationshandbuch der belangten Behörde keine Befugnisse wahrzunehmen und konnte somit die Enthaftung des Beschwerdeführers nicht durchführen. Somit sei der Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark am 14. Mai 2012 dem Fremdenpolizeireferat erst um 15:03 Uhr übermittelt worden und gelte somit als außerhalb der Amtsstunden übermittelt (Ende: 15:00 Uhr), sodass erst mit Wiederbeginn der Amtsstunden am 15. Mai 2012, um 08:00 Uhr, der Bescheid als zugestellt anzusehen sei. In weiterer Folge sei dann sofort die Entlassung des Beschwerdeführers veranlasst worden.

 

Hiezu stellt der Unabhängige Verwaltungssenat für die Steiermark fest, dass die Ausführungen in der Gegenschrift ins Leere gehen, da feststeht, dass der Bescheid über die Aufhebung der Schubhaft der belangten Behörde innerhalb der Amtsstunden, nämlich am 14. Mai 2012, um 14:40 Uhr, zugekommen ist. Dass zudem Zeitpunkt der zuständige Referent örtlich abwesend war und der anwesende Bedienstete laut Organisationshandbuch keine Befugnisse in fremdenpolizeilicher Natur wahrzunehmen hatte, ändert nichts daran, dass der belangten Behörde innerhalb der Amtsstunden der Bescheid zugestellt wurde. Die belangte Behörde ist hiebei als Einheit zu sehen und ist eine Zustellung an den Kanzleileiter der belangten Behörde durchaus zulässig, umsomehr diese Person wohl in der Lage sein müsste den Bescheid sofort an die richtige Stelle weiterzuleiten bzw. Veranlassungen zu treffen. Dass der zuständigen Behörde zu dem Zeitpunkt kein Bediensteter mehr zur Verfügung stand, der eine Entlassung des Beschwerdeführers initiiert hätte, ist dem Organisationsverschulden zuzuschreiben. Auf welche Weise die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Mur eine sofortige Behandlung der Haftentlassung des Beschwerdeführers als Schubhäftling durch organisatorische und personelle Maßnahmen sicherstellt, ist für die Feststellungen der Verletzung des Grundrechtes auf persönliche Freiheit im Sinne des Art. 6 Abs 1 PersFrBVG bzw. Art. 5 EMRK nicht relevant. Der Beschwerdeführer musste daher nach Feststellung der Unzulässigkeit der Schubhaft bzw. weiterer Anhaltung in Schubhaft, noch ca. 17 Stunden in Schubhaft verbringen. Zieht man eine Stunde zwecks organisatorischen Zeitaufwandes für die Haftentlassung ab, so bleiben noch 16 Stunden der unzulässigen Haftverlängerung.

 

Hiebei ist davon auszugehen, dass der belangten Behörde der Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark am 14. Mai 2012, das war ein Montag, während der Amtsstunden zugestellt wurde. Eine Beendigung der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft hätte daher auf Vorliegen der Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark ohne weitere Verzögerungen eingeleitet werden müssen.

 

Die Anhaltung des Beschwerdeführers vom 14. Mai 2012, von 15:40 Uhr bis 15. Mai 2012, 08:00 Uhr, hat diesen in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt. Hiebei war ein Organisationsverschulden festzustellen, wobei die in der Gegenschrift aufgeworfene Frage, dass zur Anordnung eines Journaldienstes ausschließlich die Landesamtsdirektion des Landes Steiermark zuständig wäre, für die Feststellung der Rechtswidrigkeit ohne Relevanz ist, da dies eine behördeninterne Problematik darstellt.

 

IV. Als Kosten werden gemäß § 79 a AVG iVm der UVS-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. Nr. 456/2008, dem Beschwerdeführer ein Betrag von ? 751,90 zugesprochen. Der Betrag setzt sich aus? 737,60 Schriftsatzaufwand und ? 14,30 Stempelgebühr zusammen.

Schlagworte
Schubhaft; Rechtswidrigkeit; Enthaftung; Verzögerung; Organisationsverschulden; Bescheidzustellung; Zeitaufwand
Zuletzt aktualisiert am
29.10.2012
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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