TE Vwgh Erkenntnis 2011/10/11 2008/05/0156

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Veröffentlicht am 11.10.2011
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Index

L10101 Stadtrecht Burgenland;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13 Abs1 idF 2008/I/005;
AVG §13 Abs1;
AVG §13 Abs2 idF 2008/I/005;
AVG §13 idF 2008/I/005;
AVG §13;
AVG §13a;
B-VG Art11 Abs2;
B-VG Art119a Abs5;
EGVG Art6 Abs2 idF 2008I/005;
Statut Eisenstadt 2003 §82 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kail und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer, Dr. Moritz sowie die Hofrätin Dr. Pollak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Kalanj, über die Beschwerde 1. des M H, 2. der E J, 3. des Mag. H N, 4. der M N,

5. der Mag. S R, 6. des Mag. W R, 7. des R S, 8. der K Z, 9. des W Z, alle in Eisenstadt, alle vertreten durch Jarolim Flitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Volksgartenstraße 3/1, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 9. Juni 2008, Zl. 5-BB-100-587/1-5, betreffend eine Bausache (mitbeteiligte Parteien: 1. A GmbH in 7000 Eisenstadt, Raiffeisenstrasse 1,

2. Landeshauptstadt Freistadt Eisenstadt in 7000 Eisenstadt, Rathaus), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Burgenland Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

A) Zum angefochtenen Bescheid

1. Die mitbeteiligte Bauwerberin ersuchte mit Bauansuchen vom 4. Oktober 2006 um Erteilung einer Baubewilligung für die Neuerrichtung eines Parkdecks auf dem Grundstück Nr. 3279/ 4 der Liegenschaft EZ. 83, KG Eisenstadt. Alle Beschwerdeführer sind Nachbarn der gegenständlichen Liegenschaft.

Die Bürgermeisterin der mitbeteiligten Landeshauptstadt als Baubehörde erster Instanz führte am 13. November 2006 und am 25. Januar 2007 eine mündliche Verhandlung durch, zu der alle Parteien ordnungsgemäß geladen wurden und bei der die beschwerdeführenden Parteien eine Reihe von Einwendungen erhoben.

Daraufhin wurde von der mitbeteiligten Bauwerberin ein schalltechnisches und ein emissions- bzw. immissionstechnisches Gutachten eingeholt. Dazu wurde eine Stellungnahme vom Amt der Burgenländischen Landesregierung, Abteilung 8, Straßen-, Maschinen- und Hochbau eingeholt, derzufolge durch das gegenständliche Projekt keine Gefährdung oder das örtlich zumutbare Maß übersteigende Beeinträchtigung der Nachbarn durch Lärm, Geruch, Rauch, Staub oder sonstige Luftschadstoffe zu erwarten sei, da es sich bei den zusätzlich zu erwartenden Immissionsbelastungen bloß um irrelevante Beiträge entsprechend dem Stand der Technik handle.

Mit Bescheid der Bürgermeisterin der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 12. September 2007 wurde der mitbeteiligten Bauwerberin die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen und Bedingungen erteilt.

2. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Berufung.

Die Berufungsbehörde holte ein medizinisches und ein verkehrstechnisches Gutachten ein und führte am 22. Januar 2008 eine Berufungsverhandlung durch.

Die Berufung wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Landeshauptstadt vom 5. Februar 2008 als unbegründet abgewiesen.

3. Gegen diesen Berufungsbescheid brachten die Beschwerdeführer innerhalb der Vorstellungsfrist eine Vorstellung per E-Mail ein.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde diese Vorstellung als unzulässig zurück.

Begründend wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

Für das Verfahren vor der Aufsichtsbehörde gelte grundsätzlich das AVG, soweit nichts Besonderes bestimmt sei. Aufgrund der Vorgabe, dass das Eisenstädter Stadtrecht in seinem § 82 Abs. 2 neben der schriftlichen lediglich die telegrafische Einbringung der Vorstellung erlaube, sei davon auszugehen, dass die Einbringung der Vorstellung per email im Hinblick auf diese lex specialis ausgeschlossen sei.

Die Tatsache, dass die Rechtsmittelbelehrung im Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt als Einbringungsform neben der schriftlichen oder telegrafischen Zustellung auch die fernschriftliche oder die der Telekopie anführe, ändere nichts an der angeführten Überlegung, zumal die Einbringung per E-Mail in der Rechtsmittelbelehrung keine Erwähnung finde. Die Sonderstellung schriftlicher Anbringen per E-Mail werde zudem aus § 13 Abs. 2 AVG deutlich.

Die gegenständliche Vorstellung, die per E-Mail am 22. Februar 2008 beim Magistrat E. eingelangt sei, entspreche somit nicht den Formerfordernissen des § 82 Abs. 2 Eisenstädter Stadtrecht.

B) Zum Beschwerdeverfahren

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und - in eventu - Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen. Die mitbeteiligte Landeshauptstadt schloss sich den Ausführungen der belangten Behörde an. Die mitbeteiligte Bauwerberin äußerte sich nicht.

C) Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die relevanten Bestimmungen des § 13 AVG idF BGBl. I Nr. 5/2008 lauten:

"3. Abschnitt: Verkehr zwischen Behörden und Beteiligten Anbringen

§ 13.

(1) Soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen bei der Behörde schriftlich, mündlich oder telefonisch eingebracht werden. Rechtsmittel und Anbringen, die an eine Frist gebunden sind oder durch die der Lauf einer Frist bestimmt wird, sind schriftlich einzubringen. Erscheint die telefonische Einbringung eines Anbringens der Natur der Sache nach nicht tunlich, so kann die Behörde dem Einschreiter auftragen, es innerhalb einer angemessenen Frist schriftlich oder mündlich einzubringen.

(2) Schriftliche Anbringen können der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind. Etwaige technische Voraussetzungen oder organisatorische Beschränkungen des elektronischen Verkehrs zwischen der Behörde und den Beteiligten sind im Internet bekanntzumachen.

(3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht."

Die einschlägigen Bestimmungen des Eisenstädter Stadtrechts, LGBl. 56/2003 lauten:

"§ 82

Vorstellung

(1) Wer durch den Bescheid eines Organs der Stadt in einer aus dem Vollziehungsbereich des Landes stammenden Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereichs in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, kann nach Erschöpfung des Instanzenzugs (§ 81 Abs. 1 und 2) innerhalb von zwei Wochen nach Erlassung des Bescheids dagegen Vorstellung erheben.

(2) Die Vorstellung ist schriftlich oder telegrafisch beim Magistrat einzubringen; sie hat den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Antrag zu enthalten. Der Magistrat hat die Vorstellung unverzüglich, spätestens jedoch einen Monat nach ihrem Einlangen unter Anschluss der Verwaltungsakten der Aufsichtsbehörde (§ 84) vorzulegen. Es steht der Stadt frei, eine Äußerung zur Begründung des Vorstellungsantrags anzuschließen oder nachzutragen."

"§ 92

Parteistellung, Verfahren

(1) Alle in Handhabung des Aufsichtsrechts des Landes ergehenden Maßnahmen mit Ausnahme jener gegen von der Stadt erlassene Verordnungen sind durch Bescheid zu treffen. Für das Verfahren vor der Aufsichtsbehörde sind die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 anzuwenden."

2. Die Beschwerde rügt (zusammengefasst), § 13 Abs. 2 AVG sehe vor, dass schriftliche Anbringen in Form von E-Mail eingebracht werden können, sofern nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen seien. Die AVG-Novelle BGBl. Nr. 5/2008 folge offenbar der Intention, dass Anbringen nunmehr auch auf elektronischem Weg eingebracht werden könnten und dadurch moderne Kommunikationstechniken im Verwaltungsverfahren operationalisierbar gemacht werden sollten. Die Regelung des Eisenstädter Stadtrechts sei offenbar nicht den Regelungen dieser AVG- Novelle angepasst worden. Damit hätte aber von der belangten Behörde nicht weiterhin angenommen werden dürfen, dass § 82 Abs. 2 Eisenstädter Stadtrecht eine lex specialis zu § 13 Abs. 2 AVG sei, wonach im Eisenstädter Stadtrecht keine Sonderregelung bestehe, die einen Ausschluss der Möglichkeit der Übermittlung der Vorstellung (gemeint: per E-Mail) vorsehe. Weiters würde sich durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 82 Eisenstädter Stadtrecht dennoch die Zulässigkeit der Vorstellung ergeben. Aus Art. 11 Abs. 2 B-VG leite der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ab, dass Abweichungen spezieller Verfahrensbestimmungen von den Regelungen des AVG notwendig sein müssen, um im Lichte von Art. 11 Abs. 2 B-VG verfassungskonform zu sein. Novelliere der Bundesgesetzgeber das AVG und öffne es für neue Übermittlungsformen von Anbringen, werde die Abweichung besonderer Verfahrensvorschriften immer größer, sofern diese nicht an das neue Regime des AVG angepasst würden. Zudem sei die Vorstellung nicht in der Form eines reinen HTML-Dokuments, sondern als eingescanntes Schriftstück, das allen Erfordernissen der Schriftlichkeit genüge, mittels E-Mail übermittelt worden; dass dieses Schriftstück als Trägermedium nicht auf Papier, sondern auf einem Bildschirm bzw. Computer festgehalten lesbar sei, können keinen Unterschied machen.

3. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides auf.

3.1. Zufolge Art. II Abs. 2 Z. 1 EGVG, in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 5/2008, ist von den Behörden der allgemeinen staatlichen Verwaltung in den Ländern - zu denen auch die belangte Landesregierung gehört (vgl. etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Oktober 1987, VfSlg 11501) - das AVG auf das behördliche Verfahren anzuwenden. Korrespondierend ordnet § 92 Abs. 1 2. Satz Eisenstädter Stadtrecht die Anwendung der Bestimmungen des AVG für das Verfahren vor der Aufsichtsbehörde an.

3.2. Der für "Anbringen" von Parteien - dazu zählt auch die in Rede stehende Vorstellung - bei einer Behörde maßgebliche § 13 AVG sieht im ersten Satz seines Abs. 1 vor, dass die dort eröffneten Arten der Übermittlung ("schriftlich, mündlich oder telefonisch") der Anbringen ("Anträge, Gesuche, Anzeigen, Beschwerden und sonstige Mitteilungen") nur dann zum Tragen kommen, "soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist". Nach dieser Bestimmung sind ferner (u.a.) Rechtsmittel - wie eine Vorstellung (vgl. Art 119a Abs. 5 B-VG) - schriftlich einzubringen. Nach § 13 Abs. 2 AVG können schriftliche Anbringen der Behörde in jeder technisch möglichen Form übermittelt werden, mit E-Mail jedoch nur insoweit, als für den elektronischen Verkehr zwischen der Behörde und den Beteiligten nicht besondere Übermittlungsformen vorgesehen sind.

Die Subsidiaritätsklausel "soweit in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist" betrifft auf dem Boden des Wortlauts des § 13 Abs. 1 erster Satz AVG sowohl die verschiedenen Anbringenstypen als auch die verschiedenen Anbringensübermittlungsarten. Erfasst werden davon somit alle diesbezüglich in § 13 AVG normierten Regelungen. Insoweit haben die in den Verwaltungsvorschriften normierten Regelungen Priorität, die in § 13 AVG enthaltenen Bestimmungen kommen (subsidiär) nur soweit zum Tragen, als in den Verwaltungsvorschriften keine besonderen Regelungen getroffen werden.

3.3. Nach der Legaldefinition des Art. VI Abs. 2 EGVG (in der zitierten Fassung) sind Verwaltungsvorschriften im Sinne der Verwaltungsverfahrensgesetze alle die verschiedenen Gebiete der Verwaltung regelnden, u.a. von den Landesregierungen zu vollziehenden Gesetze (das EGVG inbegriffen), Verordnungen, Staatsverträge und unmittelbar geltenden Vorschriften des Gemeinschaftsrechts. Bei der von der belangten Landesregierung herangezogenen Bestimmung des § 82 Abs. 2 des Eisenstädter Stadtrechts handelt es sich daher um eine Verwaltungsvorschrift iSd § 13 AVG.

3.4. Wenn § 82 Abs. 2 des Eisenstädter Stadtrechts normiert, dass eine Vorstellung "schriftlich oder telegrafisch" beim Magistrat einzubringen ist, wird eine besondere Regelung betreffend die Übermittlungsart eines bestimmten Anbringenstyps - des Rechtsmittels der Vorstellung - getroffen, die auf dem Boden des Gesagten Priorität gegenüber den einschlägigen Regelungen des § 13 AVG genießt. Dabei wird neben der mit "schriftlich" offensichtlich apostrophierten herkömmlichen (konventionellen) Übermittlung im Wege der direkten Abgabe bei der Behörde (persönlich oder durch Boten) bzw. im Postwege (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, 1. Teilband, 2004, § 13, Rz 9) lediglich die Möglichkeit der Übermittlung im Wege der Telegrafie ("telegrafisch") eröffnet. Für eine Übermittlung schriftlicher Anbringen in einer anderen technisch möglichen Form bietet § 82 leg.cit. keine Grundlage. Damit kann (entgegen der Beschwerde) nicht gesagt werden, dass der Begriff "schriftlich" auch die Übermittlung im Wege eines E-Mail abdeckt; der Umstand, dass ein - wie das hier gegenständliche - E-Mail ein eingescanntes Schriftstück enthält, vermag daran nichts zu ändern (zu diesem Ergebnis kommt auch A. Hauer, Gemeindeaufsicht, Rz 119 ff, Rz 121, in: Klug/Oberndorfer/Wolny (Hrsg), Das österreichische Gemeinderecht, 2008).

3.5. Der Verfassungsgerichtshof hat anlässlich der Auseinandersetzung mit einer vergleichbaren Subsidiaritätsbestimmung im AVG die Auffassung vertreten, diese Bestimmung indiziere, dass der Gesetzgeber in dem davon betroffenen Regelungsbereich des Verwaltungsverfahrens eben gerade kein "Bedürfnis nach Erlassung einheitlicher Vorschriften als vorhanden erachtet" hat, von welchem Art 11 Abs. 2 erster Halbsatz B-VG ausgeht; demgemäß sind Verwaltungsvorschriften, die aufgrund einer Subsidiaritätsklausel Priorität gegenüber Regelungen des AVG genießen, keine "abweichende(n) Regelungen" im Sinn des Art. 11 Abs. 2 erster Halbsatz B-VG, bei denen zu prüfen wäre, ob sie "zur Regelung des Gegenstandes erforderlich" sind (vgl. das Erkenntnis vom 26. September 2001, VfSlg. 16285). Von daher besteht für die von der Beschwerde mit Blick auf Art 11 Abs. 2 B-VG als erforderlich erachtete verfassungskonforme Auslegung des § 82 Abs. 2 des Eisenstädter Stadtrechts zur Erweiterung dieser Bestimmung auf die Vorstellungseinbringung mittels E-Mail kein Raum. Versteht man unter verfassungskonformer Auslegung, dass jene von mehreren (mit den üblichen Interpretationsmethoden gewonnenen) Interpretationsergebnissen ausgeschlossen werden, die mit dem Verfassungsrecht nicht vereinbar sind, fände im Übrigen eine solche Erweiterung im geltenden Text dieser Bestimmung offensichtlich keine Deckung und wäre daher nicht mehr als eine solche Auslegung zu qualifizieren (vgl. Öhlinger, Verfassungsrecht, 8. Auflage, 2009, Rz 36 ff, insbesondere Rz 37, sowie die dort zitierte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes). Ungeachtet dessen ist es dem Rechtsunterworfenen auf Grund des § 82 Abs. 2 des Eisenstädter Stadtrechts ohne weiteres erkennbar, dass eine Vorstellung nur "schriftlich oder telegrafisch" eingebracht werden kann, weshalb auf dem Boden der hg. Rechtsprechung gegen das sich aus der Priorität dieser Bestimmung gegenüber § 13 AVG ergebende Spezialitätsverhältnis unter dem Blickwinkel des Art. 11 Abs. 2 B-VG keine Bedenken bestünden (vgl. dazu das Erkenntnis vom 9. Oktober 2001, Zl. 2001/05/0123). Vor diesem Hintergrund ist es auch entbehrlich, die von der Beschwerde thematisierte Frage einer "Invalidation" der Regelung des § 82 Abs. 2 des Eisenstädter Stadtrechts im Lichte des Art 11 Abs. 2 B-VG durch die später erlassene Fassung des § 13 AVG an den Verfassungsgerichtshof im Wege eines Gesetzesprüfungsverfahrens heranzutragen.

3.6. Die belangte Behörde kam somit zutreffend zum Ergebnis, dass die Einbringung der Vorstellung per E-Mail unzulässig war. Ein Vorstellungswerber hat im Übrigen selbst zu ermitteln, auf welchem Wege die Vorstellung bei der Einbringungsbehörde eingebracht werden kann (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. November 2009, Zl. 2009/05/0118). In der Rechtsmittelbelehrung des Berufungsbescheides der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 5. Februar 2008 war zudem nicht davon die Rede, dass die in Rede stehende Vorstellung im Wege eines E-Mail übermittelt werden könnte.

3.7. Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt ausgesprochen, dass Anbringen, für die die Verwaltungsvorschriften eine bestimmte Art der Einbringung vorsehen, unwirksam sind und für die Wahrung der Frist nicht hinreichen, wenn die Einbringung in einer anderen als der gesetzlich bestimmten Art erfolgt (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, Teilband I, 2004, Rz 17 zu § 13, sowie die dort zitierte Rechtsprechung, etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/06/0098 (zur fernmündlichen Einbringung eines Anbringens bei geforderter Schriftlichkeit, von dem insofern im hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 6. Mai 2004, VwSlg 16356 A, nicht abgegangen wurde), und das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2002, Zl. 99/21/0255).

3.8. Da ein auf einem rechtlich nicht zugelassenen Weg eingebrachtes Anbringen als nicht eingebracht gilt (vgl. dazu das zur BAO ergangene, insoweit aber einschlägige hg. Erkenntnis vom 28. Mai 2009, Zl. 2009/16/0031, mwH, sowie das hg. Erkenntnis vom 22. Juli 1999, Zl. 99/12/0061), war die belangte Behörde auch nicht gehalten, den Beschwerdeführern im Sinn des § 13 Abs. 3 AVG einen Verbesserungsauftrag zu erteilen, weil auch für die Einleitung eines Mängelbehebungsverfahrens das Vorliegen einer an sich wirksam erhobenen (wenn auch mit einem Mangel behafteten) Eingabe erforderlich ist (vgl. dazu den ebenfalls zur BAO ergangenen, insoweit einschlägigen hg. Beschluss vom 28. Juni 2007, Zl. 2005/16/0186). Daran würde im Übrigen auch eine allfällige Verletzung der Manuduktionspflicht nach § 13a AVG betreffend die Übermittlungsart der Vorstellung nichts zu ändern vermögen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Jänner 1991, Zl. 90/04/0256).

4. Lediglich der Vollständigkeit halber ist noch auf Folgendes hinzuweisen:

4.1. Zur Frage, ob die Subsidiaritätsbestimmungen des AVG - wie in § 13 leg.cit. -  als durch Art. 11 Abs. 2 B-VG gedeckt angesehen werden können, weil sie "kaum als 'einheitliche Vorschriften' qualifiziert werden können" (vgl. Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts, 8. Auflage, 2003, Rz 35, unter Hinweis auf Barfuß, Gedanken zur materiellen Rechtskraft im österreichischen Verwaltungsrecht, JBl 1974, 298, insb. 299, und auf Mayer, Die Kompetenzverschiebungen zwischen Bund und Ländern, in: Mayer/Rill/Funk/Walter, Neuerungen im Verfassungsrecht, 1976, 9, 14 ff), ist zum einen auf das schon genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichthofes VfSlg. 16285/2001 hinzuweisen. Daraus lässt sich ableiten, dass es Art. 11 Abs. 2 B-VG nicht zuwiderläuft, wenn das AVG Subsidiaritätsbestimmungen zugunsten von Regelungen in Verwaltungsvorschriften enthält; solche Bestimmungen stellen (wie erwähnt) keine abweichenden Regelungen iSd Art. 11 Abs. 2 erster Halbsatz B-VG dar, bei denen zu prüfen wäre, ob sie "zur Regelung des Gegenstandes erforderlich" sind. Zum anderen kann dessen ungeachtet die Auffassung vertreten werden, dass mit dem durch die B-VG Novelle 1929 geschaffenen Art. 11 Abs. 2 B-VG eine einwandfreie verfassungsrechtliche Grundlage in kompetenzrechtlicher Hinsicht für die schon zuvor im Jahr 1925 erlassenen - Subsidiaritätsklauseln enthaltenden - Verwaltungsverfahrensgesetze erzeugt wurde (siehe das Gutachten von Öhlinger, 60 Jahre Verwaltungsverfahrensgesetze - Verwaltungsstrafrechtsreform: Sind die Österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze noch zeitgemäß?, 9. ÖJT I/2, 1985, 9 ff); die Subsidiaritätsklausel in § 13 Abs. 1 war schon im A.V.G. BGBl. Nr. 274/1925 enthalten.

4.2. Da von § 82 Abs. 7 AVG - wonach alle in Vorschriften des Bundes und der Länder enthaltenen Bestimmungen, die von den in § 82 Abs. 7 leg.cit. aufgezählten Regelungen des AVG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 158/1998 abweichen, mit Ablauf des 31. Dezember 1998 außer Kraft treten (sofern sie nicht nach dem 30. Juni 1998 kundgemacht wurden) - bezüglich des § 13 AVG lediglich dessen Abs. 3 bis 8 betroffen sind, vermag diese Regelung - abgesehen davon, dass die hier gegenständliche Verwaltungsvorschrift aus dem Jahr 2003 stammt - am Vorgesagten nichts zu ändern.

5. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 11. Oktober 2011

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1Auslegung Gesetzeskonforme Auslegung von Verordnungen Verfassungskonforme Auslegung von Gesetzen VwRallg3/3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2011:2008050156.X00

Im RIS seit

31.10.2011

Zuletzt aktualisiert am

17.07.2018
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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