TE Vwgh Erkenntnis 1991/1/29 90/04/0256

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Veröffentlicht am 29.01.1991
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §13a;
AVG §14 Abs1;
AVG §14 Abs3;
AVG §61 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs5;
AVG §66 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 9. August 1990, Zl. 313.446/1-III/4/90, betreffend Zurückweisung von Berufungen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 9. August 1990 wurden die Berufungen des Beschwerdeführers gegen die Bescheide der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld vom 12. Juni 1989, Zlen. 12-G-n1 und 12-G n2, gemäß § 63 Abs. 5 AVG 1950 zurückgewiesen. Zur Begründung führte der Bundesminister aus, mit den beiden Bescheiden vom 12. Juni 1989 habe die Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld die Entziehung der Gewerbeberechtigungen des Beschwerdeführers verfügt. Der Masseverwalter habe fristgerecht (schriftlich) Berufungen namens der Konkursmasse erhoben. Der Beschwerdeführer habe am 18. August 1989 vor der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld seine Berufungen zu Protokoll erklärt. Mit 2 Bescheiden des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 8. Juni 1990 seien die Berufungen sowohl des Masseverwalters als auch des Beschwerdeführers zurückgewiesen worden. Gemäß § 63 Abs. 5 AVG 1950 sei die Berufung von der Partei schriftlich oder telegrafisch binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen. Dem Erfordernis einer schriftlichen Berufung entspreche eine Niederschrift vor der Behörde nicht. Eine Niederschrift diene ausschließlich dazu, mündliche Anbringen festzuhalten. Es liege somit eine dem Erfordernis der Schriftlichkeit entsprechende Berufung nicht vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht auf eine meritorische Erledigung seiner Berufung verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer vor, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liege schon darin, daß dem unvertretenen Beschwerdeführer in Verletzung der der Behörde obliegenden Manuduktionspflicht keinerlei Belehrung über die gesetzlichen Erfordernisse einer Berufung erteilt worden sei. Es stehe aber auch die Rechtsansicht der belangten Behörde, bei einer Niederschrift handle es sich nicht um ein schriftliches Anbringen, mit dem Gesetz nicht im Einklang. Aber selbst wenn man die Ansicht der belangten Behörde teilte, so liege eine weitere Rechtswidrigkeit jedenfalls darin, daß der Beschwerdeführer zufolge eines Fehlers des einschreitenden Beamten durch die ihm unrichtig erteilte Rechtsmittelbelehrung in seinen Rechten geschädigt worden sei, "sodaß zumindest die Bestimmungen zu seinen Gunsten zu lauten hätten, die ausführen, daß bei einer unrichtig erteilten Rechtsmittelbelehrung jedenfalls das im Sinne der unrichtigen Belehrung ausgeführte Rechtsmittel als rechtzeitig und ordnungsgemäß zu gelten hat". Die Rechtsansicht der belangten Behörde bedeute aber auch einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, da bei Zutreffen dieser Rechtsansicht einem Analphabeten jegliche Rechtsmittelmöglichkeit entzogen wäre. Schließlich scheine die belangte Behörde davon auszugehen, daß die Bestimmung des § 63 AVG 1950 ihr das Ermessen einräume, darüber zu entscheiden, ob ein schriftliches Anbringen einer Berufung nach eigenem Ermessen so zu interpretieren sei, wie dies der Ansicht der Berufungsbehörde entspreche. Der Behörde sei jedoch im Rahmen dieser Gesetzesstelle keinerlei Ermessen eingeräumt.

Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun.

Gemäß § 63 Abs. 5 AVG 1950 in der Fassung vor der Novelle 1990 (BGBl. Nr. 357/90) ist die Berufung von der Partei schriftlich oder telegrafisch binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Eine Berufung aber, die, sei es der vorgeschriebenen Form (schriftlich oder telegrafisch), des vorgeschriebenen Inhaltes (begründeter Berufungsantrag usw.) oder der Einhaltung der Berufungsfrist ermangelt, ist nach § 66 Abs. 4 erster Satz AVG 1950 als unzulässig bzw. verspätet zurückzuweisen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinen auch von der belangten Behörde zitierten Erkenntnissen vom 21. Februar 1955, Slg. N.F. Nr. 3657/A, (verstärkter Senat) und vom 30. September 1986, Zl. 86/04/0174, ausgeführt hat, ist durch eine Niederschrift keineswegs die vorgeschriebene schriftliche oder telegrafische Form der Einbringung erfüllt. Es handelt sich bei einer solchen um keine "Schrift" der Partei, auch wenn sie gemäß § 14 Abs. 3 AVG 1950 von der Partei durch ihre Unterschrift bestätigt ist. Eine Niederschrift dient vielmehr nach § 14 Abs. 1 AVG 1950 ausschließlich dazu, mündliche Anbringen festzuhalten.

Ob in den Vorgängen bei Aufnahme der in Rede stehenden Niederschrift eine Verletzung der in § 13a AVG 1950 normierten Manuduktionspflicht lag, kann dahingestellt bleiben, weil auch wenn diese Annahme des Beschwerdeführers zutreffen sollte, dies an der Mangelhaftigkeit der "Berufung" nicht zu ändern vermöchte. Abgesehen davon, daß dem erstbehördlichen Bescheid eine dem Gesetz entsprechende Rechtsmittelbelehrung angeschlossen war, ist dem allgemeinen Verwaltungsverfahren ein Rechtssatz, bei unrichtig erteilter Rechtsmittelbelehrung sei das im Sinne der unrichtigen Belehrung ausgeführte Rechtsmittel als ordnungsgemäß anzusehen, fremd.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag auch die Bedenken des Beschwerdeführers, die Rechtsansicht der belangten Behörde bedeute einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, nicht zu teilen, weil auch einem Analphabeten die Möglichkeit offensteht, sich zur Verfassung einer Berufung eines schriftkundigen Beistandes oder Vertreters (§ 10 AVG 1950) zu bedienen.

Schließlich ist es dem Verwaltungsgerichtshof unerfindlich, warum der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde habe im vorliegenden Fall bei Anwendung der Bestimmung des § 63 Abs. 5 AVG 1950 Ermessen geübt.

Die solcherart unbegründete Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990040256.X00

Im RIS seit

29.01.1991
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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