TE UVS Wien 2011/08/01 FRG/46/6476/2011

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Veröffentlicht am 01.08.2011
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Spruch

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat durch sein Mitglied Mag. Schmied über die Berufung des Herrn Florin G., vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, vom 04.05.2011, Zl.: III- 869.386/FrB/11, mit welchem sein Antrag auf Aufhebung des mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, Zl.: III869386/FrB/11, vom 16.09.1997, erlassenen Aufenthaltsverbots abgewiesen wurde, entschieden:

Gemäß § 66 Abs 4 AVG wird der Berufung Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und das mit Bescheid vom 16.9.1997 über den Berufungswerber verhängte unbefristete Aufenthaltsverbot aufgehoben.

Text

Über den Berufungswerber wurde mit Bescheid vom 16.9.1997 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot verhängt und der Berufungswerber nach Rumänien abgeschoben. Diesem Aufenthaltsverbot liegen Straftaten zu Grunde, wegen deren Begehung der Berufungswerber mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 27.8.1997 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon 6 Monate bedingt, verurteilt worden war. Die Verurteilung bezieht sich auf die Straftaten der Gründung einer kriminellen Vereinigung (§ 278 Abs 1 StGB), schweren gewerbsmäßigen Diebstahl (§§127, 128 Abs 1 Z 4 und 130 StGB) sowie Gebrauch einer gefälschten Urkunde und Fälschung einer besonders geschützten Urkunde (§§ 223 Abs 2 und 224 StGB). Unter Missachtung des über ihn rechtskräftig verhängten Aufenthaltsverbots reiste der Berufungswerber im Dezember 1998 wieder nach Österreich ein und wurde erneut straffällig. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 10.8.1999 wurde er wegen des Verbrechens des vollendeten sowie des versuchten gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls (§§ 127, 129 Abs 1 und 130 StGB), der Sachbeschädigung (§ 125 StGB) und der Hehlerei (§ 164 Abs 2 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt.

Dies hielt den Berufungswerber nicht davon ab, im Jahr 2005 nochmals illegal nach Österreich einzureisen und hier die Delikte des Gebrauchs einer gefälschten Urkunde (§ 223 Abs 2 StGB) und der mittelbaren unrichtigen Beurkundung (§ 228 Abs 1 StGB) zu begehen, weswegen über ihn vom Landesgericht für Strafsachen Graz eine Geldstrafe von 260,-- Euro verhängt wurde.

Am 30.4.2010 beantragte der Berufungswerber die Aufhebung des über ihn im Jahr 1997 verhängten unbefristeten Aufenthaltsverbots und begründete dies im Wesentlichen damit, dass er seit 26.1.2002 mit einer rumänischen Staatsangehörigen verheiratet sei und mit ihr und den gemeinsamen Kindern in Rumänien lebe. In Rumänien habe er sich nichts zu Schulden kommen lassen; auch in Österreich sei er seit 2005 nicht mehr straffällig geworden. Sein Vater sei verstorben, die Mutter lebe in Österreich und sei österreichische Staatsbürgerin. Er wolle seine Mutter besuchen können, ohne befürchten zu müssen, wegen des unbefristeten Aufenthaltsverbots festgenommen und bestraft zu werden.

Mit Bescheid vom 4.5.2011 wies die erstinstanzliche Behörde diesen Antrag ab und begründete dies im Wesentlichen damit, dass die über den Berufungswerber verhängten Strafen noch nicht getilgt wären und für ihn keine günstige Wohlverhaltensprognose gestellt werden könne, zumal es sich beim Berufungswerber um einen Rückfalltäter handle, den weder das mehrfach verspürte Haftübel noch das Aufenthaltsverbot von der Begehung weiterer Straftaten in Österreich hätten abhalten können. Die Straftaten seien zudem so schwerwiegend, dass auch die familiären Bindungen des Berufungswerbers, dessen Mutter und Großmutter in Österreich lebten, die Aufhebung des Aufenthaltsverbots nicht rechtfertigen würden.

Gegen diesen Bescheid hat der Berufungswerber durch seinen anwaltlichen Vertreter fristgerecht Berufung erhoben. Auf den Inhalt der Berufung braucht nicht näher eingegangen zu werden, da der angefochtene Bescheid aus ganz anderen, im Berufungsschriftsatz unangesprochen gebliebenen Gründen zu beheben war.

Der Unabhängige Verwaltungssenat Wien hat erwogen:

Der Berufungswerber ist rumänischer Staatsangehöriger und als solcher Bürger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union sowie EWR-Bürger. Gemäß § 9 Abs 1 Z 1 ist somit der Unabhängige Verwaltungssenat als Berufungsinstanz zuständig. Die Zulässigkeit der Verhängung aufenthaltsbeendender Maßnahmen richtet sich im Fall von EWR-Bürgern nach den Rechtsvorschriften des 4. Abschnitts des FPG (§§ 65 bis 67). Gemäß § 67 Abs 1 Fremdenpolizeigesetz (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung des am 1.7.2011 in Kraft getretenen Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2011 (FrÄG 2011), BGBl. I Nr. 38/2011 ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

Gemäß § 67 Abs 2 leg. cit. kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

Gemäß § 67 Abs 3 leg. cit. kann ein Aufenthaltsverbot unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt. Gemäß § 69 Abs 2 leg. cit. sind eine Ausweisung und ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu ihrer Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

Aufgrund des Akteninhalts sowie des im Berufungsverfahren beigeschafften Strafregisterauszuges steht fest, dass gegenständlich keiner der in § 67 Abs 3 FPG genannten Sachverhalte und auch kein einem solchen vergleichbarer Sachverhalt vorliegt. So ist der Berufungswerber nicht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als 5 Jahren verurteilt worden. Er hat auch keiner kriminellen oder terroristischen Organisation bzw. Vereinigung im Sinne der §§ 278a bzw. 278b StGB angehört, terroristische Straftaten begangen, den Terrorismus finanziert, oder Personen für terroristische Zwecke ausgebildet bzw. sich selbst dafür ausbilden lassen. Der Berufungswerber hat auch nicht durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen die nationale Sicherheit gefährdet. Er hat schließlich auch nicht in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht gebilligt oder dafür geworben. Für derartige Vorwürfe fehlt es an jeglichen Anhaltspunkten im Akt. Nach geltendem Recht dürfte somit über den Berufungswerber in seiner Eigenschaft als EWR-Bürger und in Ansehung der von ihm zu verantwortenden Delikte und des von ihm ausgehenden Gefährdungspotentials ein Aufenthaltsverbot von maximal 10 Jahren verhängt werden. Das über den Berufungswerber verhängte unbefristete Aufenthaltsverbot erweist sich im Hinblick auf die geltende Rechtslage als gesetzwidrig. Durch die mit dem FrÄG 2011 bewirkte Beschränkung der Verhängung unbefristeter Aufenthaltsverbote auf bestimmte in § 67 Abs 3 FPG angeführte Fallgruppen, die allesamt gegenständlich nicht zur Anwendung kommen, sind die (rechtlichen) Voraussetzungen für die Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbots gegen den Berufungswerber weggefallen, weswegen seinem Antrag auf Aufhebung dieses Aufenthaltsverbots zu entsprechen war, ohne auf die Ausführungen im Berufungsschriftsatz erst eingehen zu müssen.

Seit Verhängung des gegenständlichen Aufenthaltsverbots sind bereits mehr als 10 Jahre vergangen, sodass auch eine Umwandlung in ein befristetes, maximal für die Dauer von 10 Jahren ausgesprochenes Aufenthaltsverbot nicht in Betracht kam. In diesem Zusammenhang wird allerdings noch angemerkt, dass eine solche Verkürzung der Dauer des Aufenthaltsverbots ohnedies nur in Anwendung des § 68 Abs 2 AVG in Betracht gekommen wäre und - zumal der Unabhängige Verwaltungssenat Wien das gegenständliche Aufenthaltsverbot nicht verhängt hat und auch nicht sachlich in Betracht kommende Oberbehörde der Bundespolizeidirektion Wien ist - nur von der erstinstanzlichen Behörde hätte vorgenommen werden können.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt aktualisiert am
24.08.2011
Quelle: Unabhängige Verwaltungssenate UVS, http://www.wien.gv.at/uvs/index.html
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