TE AsylGH Erkenntnis 2011/10/24 B8 265072-4/2008

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Veröffentlicht am 24.10.2011
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Spruch

B8 265.072-4/2008/10E

 

B8 264.720-4/2008/10E

 

B8 265.071-4/2008/10E

 

B8 264.717-2/2008/7E

 

B8 264.718-2/2008/8E

 

IM NAMEN DER REPUBLIK!

 

1.) Der Asylgerichtshof hat gemäß § 61 iVm § 75 Abs. 7 Ziffer 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011, (AsylG 2005) und § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, Staatsangehörigkeit: Kosovo, vom 10.01.2007 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.12.2006, Zl. 05 10.358/1-BAE, zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von XXXX in die Republik Kosovo zulässig ist.

 

III. Die Ausweisung von XXXX aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Republik Kosovo ist gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 in Verbindung mit § 10 Absatz 5 AsylG 2005 auf Dauer unzulässig.

 

2.) Der Asylgerichtshof hat gemäß § 61 iVm § 75 Abs. 7 Ziffer 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011, (AsylG 2005) und § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, Staatsangehörigkeit: Kosovo, vom 10.01.2007 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.12.2006, Zl. 05 12.511/1-BAE, zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von XXXX in die Republik Kosovo zulässig ist.

 

III. Die Ausweisung von XXXX aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Republik Kosovo ist gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 in Verbindung mit § 10 Absatz 5 AsylG 2005 auf Dauer unzulässig.

 

3.) Der Asylgerichtshof hat gemäß § 61 iVm § 75 Abs. 7 Ziffer 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011, (AsylG 2005) und § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, Staatsangehörigkeit: Kosovo, vom 10.01.2007 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.12.2006, Zl. 05 10.359/1-BAE, zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von XXXX in die Republik Kosovo zulässig ist.

 

III. Die Ausweisung von XXXX aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Republik Kosovo ist gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 in Verbindung mit § 10 Absatz 5 AsylG 2005 auf Dauer unzulässig.

 

4.) Der Asylgerichtshof hat gemäß § 61 iVm § 75 Abs. 7 Ziffer 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011, (AsylG 2005) und § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, Staatsangehörigkeit: Kosovo, vom 10.01.2007 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.12.2006, Zl. 05 12.513/1-BAE, zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von XXXX in die Republik Kosovo zulässig ist.

 

III. Die Ausweisung von XXXX aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Republik Kosovo ist gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 in Verbindung mit § 10 Absatz 5 AsylG 2005 auf Dauer unzulässig.

 

5.) Der Asylgerichtshof hat gemäß § 61 iVm § 75 Abs. 7 Ziffer 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 38/2011, (AsylG 2005) und § 66 Abs. 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG), durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX, Staatsangehörigkeit: Kosovo, vom 10.01.2007 gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.12.2006, Zl. 05 12.512/1-BAE, zu Recht erkannt:

 

I. Die Beschwerde wird gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen.

 

II. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 wird festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung von XXXX in die Republik Kosovo zulässig ist.

 

III. Die Ausweisung von XXXX aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Republik Kosovo ist gemäß § 10 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 in Verbindung mit § 10 Absatz 5 AsylG 2005 auf Dauer unzulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

 

I. Verfahrensgang:

 

Der Erstbeschwerdeführer reiste mit seinem Sohn, dem damals noch minderjährigen Drittbeschwerdeführer am 13.07.2005 illegal und schlepperunterstützt nach Österreich ein und stellte für sich selbst und für den Drittbeschwerdeführer am selben Tag einen Antrag auf Gewährung von Asyl.

 

Im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 19.07.2005 gab der Erstbeschwerdeführer an, er sei Angehöriger der albanischen Volksgruppe und habe sich während des Kosovo-Krieges von 1998 bis 2002 in Deutschland aufgehalten, habe dort einen Asylantrag gestellt und sei gemeinsam mit seiner Frau und seinen vier Kindern am 13.08.2002 nach einer Aufforderung, das Land zu verlassen, wieder in den Kosovo zurückgekehrt. Befragt nach den Gründen für das Verlassen seiner Heimat gab er an, er sei am 07.03.2005 gegen 23:15 Uhr vor seiner Haustüre gekidnappt worden. Zuvor sei er mit einem Taxi nachhause gekommen, habe aber für das Taxi nicht genug Geld gehabt und sich von seiner Frau 1,3 ¿ geholt, um das Taxi zu bezahlen. Als er sich umdrehen habe wollen, sei er von jemandem mit seinem Vornamen gerufen worden. Er habe gedacht, es sei ein Freund und sei hingegangen. Als er mit ihm sprechen habe wollen, seien zwei Personen aus einem Auto gesprungen und hätten den Beschwerdeführer hineingezerrt. Sie seien mit hoher Geschwindigkeit weggefahren. Seine Frau habe sich das Kennzeichen aufschreiben wollen, aber es sei gerade der Strom ausgefallen. Seine Frau sei danach zu einer Nachbarin gegangen, die Polizeibeamten gewesen sei, und habe diese gebeten, die Polizei anzurufen. Die Polizei habe gesagt, sie könne erst nach 24 Stunden etwas unternehmen. Im Auto sei der Beschwerdeführer von den zwei Personen schwer geschlagen worden und in Ohnmacht gefallen. Als er wieder zu sich gekommen sei, sei er in XXXX in einer Sackgasse nahe einer Bushaltestelle aufgewacht. Als er wieder nachhause gekommen sei, habe seine Frau die Polizei angerufen und er sei von der Polizei ins Krankenhaus gebracht worden. Danach seien sie geflüchtet. Andere Gründe gebe es nicht.

 

Im Zuge einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 21.07.2005 gab der Erstbeschwerdeführer nach erfolgter Rechtsberatung an, er sei nicht über Kroatien oder Rumänien nach Österreich gefahren, sondern "direkt nach Österreich" eingereist. Er dürfe mit seinem Sohn nicht in den Kosovo zurückkehren, da "sie" den Sohn sonst umbringen würden. Auch seitens des Rechtsberaters wurden keine weiteren Fragen gestellt und kein weiteres Vorbringen erstattet.

 

Die Zweitbeschwerdeführerin ist die Ehefrau des Erstbeschwerdeführers und reiste mit den gemeinsamen Töchtern, der Viert- und Fünftbeschwerdeführerin, am 14.08.2005 nach Österreich ein und sie stellten am selben Tag ebenfalls Anträge auf Gewährung von Asyl.

 

Die Zweitbeschwerdeführerin wurde am 17.08.2005 vor dem Bundesasylamt einvernommen und gab an, sie sei mit den beiden Töchtern illegal und schlepperunterstützt eingereist, gehöre der Minderheit der Bosniaken im Kosovo an und ihre dritte Tochter XXXXbefinde sich noch im Kosovo, wolle jedoch auch nach Österreich nachkommen. Befragt nach ihren Gründen für das Verlassen der Heimat gab sie für sich und die beiden Töchter, die Viert- und Fünftbeschwerdeführerin, an, ihr Mann sei im Kosovo entführt worden. Derselbe Mann, mit welchem ihr Ehemann Probleme gehabt habe, habe ein paar Tage vor der Abreise auch der Beschwerdeführerin selbst Probleme gemacht. Er habe auch ihr, sowie ihrem Mann, einige SMS-Nachrichten auf das Handy der Tochter XXXX geschickt, welche die ganze Familie betroffen hätten. Er habe geschrieben, dass sie das Haus verlassen müssten, dass "Milosevic" auf sie warte. Sie solle nicht zur Polizei gehen und eine Anzeige erstatten, ansonsten werde es ihr schlimmer ergehen als ihrem Mann. Eine dritte Nachricht sei in der Nacht gekommen und es sei auch etwas auf das Dach geworfen worden. Fünf Minuten später sei eine weitere SMS gekommen. Darin sei gestanden, dass die Person in der Nähe des Hauses auf sie warte. Die Beschwerdeführerin habe aber Angst gehabt, hinauszugehen. Am nächsten Tag sei sie mit ihren Kindern zu den Eltern gegangen. Das Geld für die Ausreise habe sie von den Eltern bekommen. Weiters habe ein Mann, ein Freund des Ehemannes, ihren Sohn ohne Erlaubnis von der Schule abgeholt und ihm gesagt, dass er die Videokamera der Eltern holen und sie ihm geben solle. Er habe die Kamera dann aber nie mehr zurückgegeben. Derselbe Mann habe auch dem Ehemann mehrmals Geld weggenommen und auch die Beschwerdeführerin erpresst. Sie sei zur Polizei gegangen und habe den Mann angezeigt. Die Beschwerdeführerin vermute, dass dieser namentlich genannte Mann ihren Ehemann, den Erstbeschwerdeführer, entführt und zusammengeschlagen habe.

 

Im Zuge einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 24.08.2005 gab die Zweitbeschwerdeführerin nach erfolgter Rechtsberatung an, sie sei nie in Ungarn gewesen. Ergänzende Angaben wolle sie keine tätigen.

 

Die Anträge auf Gewährung von Asyl der Beschwerdeführer wurden zunächst mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 21.09.2005 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 1997 als unzulässig zurückgewiesen und für die Prüfung des Asylantrages Ungarn für zuständig erklärt. Alle Beschwerdeführer wurden gemäß § 5a Abs. 1 iVm § 5a Abs. 4 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ungarn ausgewiesen.

 

Diese ersten Bescheide des Bundesasylamtes wurden nach fristgerechten Berufungen mit Bescheiden des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 20.10.2005 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin), vom 21.11.2005 (betreffend den Erstbeschwerdeführer), vom 20.12.2005 (betreffend den Drittbeschwerdeführer) und vom 15.11.2006 (betreffend die Viert- und Fünftbeschwerdeführerin) gemäß § 66 Abs. 2 AVG behoben und die Angelegenheiten zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung neuer Bescheide an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

 

In weiterer Folge wurde im Zuge des fortgesetzten Verfahrens nach neuerlichen Einvernahmen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin am 27.09.2006 seitens des Bundesasylamtes mit Schreiben vom 28.09.2006 eine Heimatrecherche an den Verbindungsbeamten bei der österreichischen Botschaft in Belgrad bezüglich des Fluchtvorbringens gerichtet.

 

Die entsprechende Anfragebeantwortung des Verbindungsbeamten wurde mit Schreiben vom 24.11.2006 dem Bundesasylamt übermittelt. Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Erstbeschwerdeführer das Haus der Familie circa sechs Wochen vor seiner Abreise nach Österreich um circa 30.000 ¿ an einen Albaner verkauft habe und es nunmehr vermietet sei. Der von den Beschwerdeführern geschilderte Vorfall, dass der Erstbeschwerdeführer entführt und zusammengeschlagen worden sei und sich in Spitalsbehandlung befunden habe, wurde bestätigt. Weiters wurde ausgeführt, dass die bosniakische Volksgruppe unbehelligt in XXXX lebe. In der Umgebung des ehemaligen Hauses der Familie würden circa 10 bosniakische Familien und in XXXX circa 100 bosniakische Familien wohnen. Weiters wurde ausgeführt, dass der sehr wahrscheinliche - und von allen Auskunftspersonen bestätigte - Grund für die Körperverletzung am 07.03.2005 ausstehende Geldbeträge gewesen seien, welche der Erstbeschwerdeführer anderen Leuten schulde. Auch die Schwiegereltern des Erstbeschwerdeführers hätten angegeben, dass der Erstbeschwerdeführer Probleme wegen seiner Schulden gehabt habe.

 

Im Zuge einer weiteren Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 18.12.2006 wurde dem Beschwerdeführer das Ergebnis der Heimatrecherchen zur Kenntnis gebracht. Er gab an, es stimme, dass das Haus verkauft worden sei, jedoch habe er nach dem Verkauf des Hauses die Schulden beglichen. Es stimme nicht, dass er wegen der offenen Schulden entführt worden sei, er kenne den Grund der Entführung nicht. Es sei nämlich nicht nur ihm selbst etwas passiert, sondern auch seiner Tochter.

 

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden des Bundesasylamtes wurden die Anträge auf Gewährung von Asyl der Beschwerdeführer gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführer nach "Serbien, Provinz Kosovo" gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 als zulässig festgestellt und alle sieben Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach "Serbien, Provinz Kosovo" ausgewiesen.

 

Das Bundesasylamt traf in den Bescheiden aktuelle Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat und führte begründend zusammengefasst aus, dass das Vorbringen der Beschwerdeführer bezüglich der behaupteten Verfolgungsgefahr nicht glaubwürdig sei und zudem Schutzgewährungsfähigkeit und Schutzgewährungswilligkeit der Behörden im Herkunftsstaat gegeben sei. Die angefochtenen Bescheide wurden den Beschwerdeführern am 29.11.2006 rechtswirksam zugestellt.

 

Auch gegen diese Bescheide wurden mit Schriftsätzen vom 10.01.2007 fristgerecht Beschwerden im Familienverfahren erhoben und die Bescheide zur Gänze angefochten. Begründend wird ausgeführt, dass der Erstbeschwerdeführer Albaner und die Zweitbeschwerdeführerin Bosniakin sei. Nach der Rückkehr der Familie aus Deutschland im Jahr 2002 sei der Erstbeschwerdeführer im Kosovo entführt und misshandelt worden. Die Familie habe Drohanrufe erhalten. Nach der Flucht des Erstbeschwerdeführers habe auch die Zweitbeschwerdeführerin Drohnachrichten erhalten. Die Unbekannten hätten verlangt, dass die Familie das Haus verlasse und hätten sie bedroht. Nachdem die Zweitbeschwerdeführerin ebenfalls geflüchtet sei, sei die Tochter (XXXX) vergewaltigt worden. Bei einer Rückkehr in den Kosovo würden den Beschwerdeführern weitere Übergriffe aufgrund der ethnischen Herkunft der Zweitbeschwerdeführerin drohen. Die belangte Behörde sei ihrer Begründungspflicht nicht nachgekommen. In der Bescheidbegründung berufe sich die Behörde auf Vermutungen des Verbindungsbeamten, wonach der Erstbeschwerdeführer wegen Geldschulden entführt worden sei. Welches Motiv ausschlaggebend für die Übergriffe auf die Familie gewesen sei, könnten jedoch weder der Erstbeschwerdeführer noch die Zweitbeschwerdeführerin zweifelsfrei sagen. Feststehe jedoch, dass weder die Zweitbeschwerdeführerin noch die Tochter (XXXX) wegen Geldschulden bedroht und misshandelt worden seien. Es seien konkrete Anspielungen auf die Herkunft und die "Verbindung" zum serbischen Regime gemacht worden. Sie hätten ja 27 Jahre in einer serbischen Schuhfabrik gearbeitet und diese Arbeit 1995 fortgeführt. Die Übergriffe seien daher zumindest auch ethnisch motiviert gewesen. Die internationalen Schutztruppen seien nicht in der Lage, die Beschwerdeführer vor derart motivierten Übergriffen zu schützen.

 

Mit anwaltlichen Eingaben vom 22.06.2011, 26.07.2011 und 05.09.2011 wurden zahlreiche Dokumente betreffend die Integration der Familie an den Asylgerichtshof übermittelt.

 

Mit Schreiben des Asylgerichtshofes vom 15.09.2011 wurden die anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer sowie das Bundesasylamt gemäß § 45 AVG über das Ergebnis der Beweisaufnahme zur aktuellen allgemeinen (politischen, wirtschaftlichen und sozialen) Situation in der Republik Kosovo, zur Frage der Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer sowie zu deren familiären und persönlichen Bindungen zu Österreich und zu Kosovo in Kenntnis gesetzt. Den Beschwerdeführern wurden mit diesem Schreiben die Feststellungen zur aktuellen Lage in der Republik Kosovo übermittelt und mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, diese Feststellungen der Entscheidung des erkennenden Gerichtshofes zugrunde zu legen. Den Beschwerdeführern wurde Gelegenheit gegeben, binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieser Verständigung zu den übermittelten Ergebnissen der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen und entsprechende Unterlagen vorzulegen, und mitgeteilt, dass ansonsten auf Grundlage der bisherigen Ergebnisse der Beweisaufnahme entschieden werde. Dieses Schreiben des erkennenden Gerichtshofes wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter der Beschwerdeführer am 16.09.2011 rechtswirksam zugestellt.

 

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 29.09.2011 wurde für alle vier Beschwerdeführer eine gemeinsame Stellungnahme erstattet und lediglich auf die oben genannten, bisherigen anwaltlichen Eingaben verwiesen.

 

II. Der Asylgerichtshof hat erwogen:

 

II.1. Festgestellt wird:

 

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Anträge auf Gewährung von Asyl vom 13.07.2005 (Erstbeschwerdeführer und Drittbeschwerdeführer) und vom 14.08.2005 (Zweitbeschwerdeführerin, Viert- und Fünftbeschwerdeführerin), der Einvernahmen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin, auch als gesetzliche Vertreter für ihre minderjährigen Kinder, durch die Behörde erster Instanz, der Beschwerden gegen die angefochtenen erstinstanzlichen Bescheide vom 10.01.2007, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten, der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, Ausländer- und Fremdeninformationssystem, Strafregister und Grundversorungsinformationssystem sowie der anwaltlichen Eingaben vom 22.06.2011, 26.07.2011 und 05.09.2011 im Verfahren, des Parteiengehörschreibens vom 15.09.2011 sowie der diesbezüglichen Stellungnahme vom 29.09.2011 werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

 

II.1.1. Zur Situation im Kosovo und zur dortigen Lage der Bosniaken und der Angehörigen der albanischen Volksgruppe wird festgestellt:

 

Allgemeine politische Lage

 

Am 24.03.1999 begann die NATO die Luftangriffe gegen die Bundesrepublik Jugoslawien mit dem erklärten Ziel "eine humanitäre Katastrophe zu verhindern (und) das Morden im Kosovo zu beenden". Im Juni 1999 rückten die unter Führung der NATO gebildeten KFOR-Einheiten in den Kosovo ein. Am 10.06.1999 wurde das Gebiet auf der Basis der Sicherheitsrats-Resolution 1244 der vorläufigen zivilen UN-Verwaltung "United Nations Interim Administration Mission in Kosovo (UNMIK)" unterstellt. Völkerrechtlich gehörte der Kosovo aber nach wie vor zur Bundesrepublik Jugoslawien. (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 03/2008, Seite 2)

 

Das kosovarische Parlament erklärte am 17. Februar 2008 gegen den Willen Serbiens seine Unabhängigkeit. Die Proklamation enthält neben dem Bekenntnis zur Verwirklichung des Ahtisaari-Plans für eine überwachte Unabhängigkeit eine Einladung an die EU, die Staatswerdung des Kosovo mit einer eigenen Mission zu begleiten, und an die NATO, ihre Schutztruppen im Land aufrechtzuerhalten.

 

Die einseitige Sezession ist völkerrechtlich und international umstritten. Gleichwohl haben mittlerweile 69 Staaten (Stand: 19. Mai 2010), allen voran die USA und die Mehrzahl der EU-Staaten, den Kosovo förmlich anerkannt. Die Unabhängigkeit von Serbien verstößt nach einer Stellungnahme des Internationalen Gerichtshofs vom Juli 2010 nicht gegen das Völkerrecht. Die Stellungnahme ist rechtlich für keine Seite bindend. (International Court of Justice, 22. July 2010: Accordance with International Law on the Unilateral Declaration of Independence in Respect of Kosovo)

 

Das politische System hat sich seit der Unabhängigkeitserklärung vom 17. Februar 2008 gefestigt. Kosovo ist eine Republik in Form einer parlamentarischen Demokratie. Die am 15. Juni 2008 in Kraft getretene Verfassung bildet die Grundlage für die - noch für einen unbestimmten Übergangszeitraum "überwachte" - Souveränität der Republik Kosovo. Neben den Grundwerten moderner europäischer Verfassungen und dem Prinzip der Gewaltenteilung sieht die Verfassung umfassenden Schutz für die in Kosovo anerkannten Minderheiten (Serben, Türken, Bosniaken, RAE) und weitgehende Möglichkeiten ihrer politischen Partizipation vor.

 

Es gibt keine aktuelle Erhebung zur Einwohnerzahl Kosovos. Das Statistische Amt schätzte die Gesamtbevölkerung zum Ende des Jahres 2005 auf insgesamt 2.069.989 Einwohner (ca. 190 Personen pro Quadratkilometer). Nach offiziellen Schätzungen besteht die Bevölkerung zu ca. 91 Prozent aus Albanern, zu ca. 5 Prozent aus Serben und zu ca. 4 Prozent aus Angehörigen anderer ethnischer Gruppen (Türken, Bosniaken, Gorani, RAE).

 

Bei den von der OSZE unterstützten und demokratischen Parlamentswahlen am 17. November 2007 wurde die "Partia Demokratike e Kosovës" (PDK) des Premierministers Thaci mit 34,3 Prozent stärkste Partei mit 37 der 120 Sitze im Parlament, gefolgt von der "Lidhja Demokratike e Kosovës" (LDK) des Präsidenten Sejdiu mit 22,6 Prozent (25 Sitze). Am 9. Januar 2008 bestätigte das Parlament die ehemalige Koalitionsregierung aus LDK und PDK unter Führung von Premierminister Thaci und wählte Staatspräsident Sejdiu erneut zum Präsidenten.

 

Nachdem das Verfassungsgericht eine Verletzung der Verfassung durch den Umstand festgestellt hatte, dass Sejdiu neben dem Amt des Präsidenten gleichzeitig den Vorsitz der LDK innehatte, ist dieser am 27. September 2010 von seinem Amt als Staatspräsident zurückgetreten. Der darauf folgende Bruch der Regierungskoalition löste vorgezogene parlamentarische Neuwahlen für den 12. Dezember 2010 aus.

 

Die PDK erreichte bei diesen Wahlen laut vorläufigem Wahlergebnis 33,5 Prozent der Stimmen, bei einer Wahlbeteiligung von knapp unter 48 Prozent. Danach folgten die LDK von Isa Mustafa, (der Bürgermeister von Pristina mit 23,6 Prozent), Vetevendosje von Albin Kurti (12,2 Prozent), die AAK von Ramush Haradinaj (10,8 Prozent) sowie die AKR von Behgjet Pacolli mit 7,1 Prozent. Für die Minderheiten in Kosovo sind im 120 Sitze umfassenden Parlament 20 Sitze reserviert. Die serbische Bevölkerung in den Enklaven südlich des Ibar beteiligte sich in unterschiedlichem Maß am Urnengang (Wahlbeteiligung zwischen 33 Prozent und 50 Prozent), dem gegenüber war die Beteiligung im Norden sehr gering (zwischen 0 und 0,6 Prozent, lediglich Zubin Potok 6,2 Prozent).

 

In ersten Stellungnahmen durch eine Delegation des Europäischen Parlaments, die internationale Wahlbeobachtungsmission ENEMO sowie den kosovarischen Nichtregierungsorganisationsverbund "Demokratie in Aktion" wurden zwar der ruhige und grds. gut organisierte Ablauf der Wahlen gelobt. Es wurden jedoch auch massive Betrugsversuche festgestellt und technische Missstände aufgedeckt. (Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 06. Jänner 2011, Stand: Dezember 2010, Seite 7-8)

 

Auf Beschluß der Zentrale Wahlkommission wurden am 9. Januar 2011 in allen Wahllokalen von Drenas und Deçan, sowie in je einer Gemeinde in Lipjan und Malisheva neue Wahlen durchgeführt sowie am 16. Januar 2011 die Wahl auch in 24 von 29 Wahlbezirken in Mitrovica wiederholt , da massive Fälschungen durchgeführt wurden.

 

Ende Februar einigte sich Thaçis PDK mit der AKR von Behgjet Pacolli, der Demokratischen Liga Ibrahim Rugova von Ukë Rugova, der Selbstständigen Liberalen Partei von Slobodan Petrovic sowie mit der Minderheitenkoalition 6plus auf eine Regierungskoalition. Pacolli sollte neuer Staatspräsident werden. Beim dritten Anlauf wurde er schließlich am 22. Februar 2011 mit 61 von 120 möglichen Stimmen gewählt. Am 22. Februar wurde zudem die neue Regierung für die Legislaturperiode 2011-2014 vom Kosovarischen Parlament mit einer Mehrheit gewählt. Hashim Thaçi soll weiterhin Premierminister bleiben. (http://www.orf.at/stories/2035082, http:derstandard.at/1297818695578 jeweils eingesehen am 09.03.2011)

 

Der kosovarischen Regierung ist es bislang nicht gelungen, effektive Hoheitsgewalt über den serbisch dominierten Norden des Landes zu erlangen.

 

Durch die allgemeinen Gemeinderatswahlen der Republik Serbien am 11. Mai 2008, die auch in den serbisch dominierten Gemeinden in Kosovo durchgeführt wurden, entstanden von Serbien unterstützte und geförderte lokalpolitische Parallelstrukturen. Diese Wahlen und damit auch die daraus hervorgegangenen Gemeindevertreter sind weder von der kosovarischen Regierung noch der internationalen Gemeinschaft anerkannt worden. Insbesondere im Norden des Landes lassen diese Strukturen eine Umsetzung von Regierungsentscheidungen aus Pristina nicht oder nur eingeschränkt zu.

 

Die Wirtschaftslage bleibt prekär. Eine strukturelle, nachhaltige Verbesserung der Wirtschaftsentwicklung konnte seit der Unabhängigkeitserklärung nicht erreicht werden. Für das Jahr 2009 wurde vom Internationalen Währungsfonds ein Wirtschaftswachstum von ca. 4,4 Prozent des BIP festgestellt, für 2010 wird ein Wachstum von ca. 4,5 Prozent des BIP vorhergesagt. (Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik

Kosovo vom 06. Jänner 2011, Stand: Dezember 2010, Seite 8-9)

 

Staatsangehörigkeit:

 

Das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) der Republik Kosovo trat am 15. Juni 2008 in Kraft.

 

Nach Art. 155 der Verfassung der Republik Kosovo haben alle rechtmäßigen Bewohner Kosovos einen Anspruch auf die kosovarische Staatsbürgerschaft. Außerdem haben ihn alle Bürger (und deren Abkömmlinge) der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien, die am 01. Jänner 1998 ihren ständigen Wohnsitz in Kosovo, unabhängig vom derzeitigen Wohnort, hatten.

 

Ein Bürger kann auch Bürger eines oder mehrerer anderer Staaten sein, der Erwerb oder Besitz einer anderen Staatsbürgerschaft bedeutet nicht den Verlust der kosovarischen Staatsangehörigkeit.

 

Eine erleichterte Einbürgerung ermöglicht Art. 13 StAG den Mitgliedern der Kosovo-Diaspora (Ausreise vor dem 01. Jänner 1998). Als ihr Mitglied gilt, wer seinen Wohnsitz außerhalb Kosovos hat, im Kosovo geboren ist und enge familiäre und wirtschaftliche Beziehungen in Kosovo hat (Abs. 2). Auch Nachkommen der ersten Generation, die familiäre Verbindungen in Kosovo haben, zählen zur Kosovo-Diaspora (Abs. 3). Art. 28 und 29 StAG regeln den Status derjenigen, die als rechtmäßige Bewohner registriert sind (legal residents) und der Bürger des ehemaligen Jugoslawiens, die am 01. Jänner 1998 ihren ständigen Wohnsitz in Kosovo hatten (habitually residing).

 

Jeder, der die Voraussetzungen erfüllt, gilt automatisch als Staatsbürger der Republik Kosovo. Laut Art. 28 I StAG ist jede Person, die als "habitual resident" gem. UNMIK Regulation No. 2000/13 im Zivilregister registriert wurde, als Staatsbürger Kosovos zu betrachten (shall be considered) und als solcher in einem Staatsbürgerschaftsregister zu erfassen.

 

Um als rechtmäßiger Bewohner (habitual resident) registriert zu werden, musste nachgewiesen werden:

 

-

in Kosovo geboren zu sein,

 

-

oder mindestens einen in Kosovo geborenen Elternteil zu haben,

 

-

oder mindestens fünf Jahre ununterbrochen in Kosovo gewohnt zu haben

 

(ausgenommen von dieser Regel sind Personen, die aufgrund ihrer Flucht die minimale Residenzpflicht nicht erfüllen können). Nur wer im Zivilregister eingetragen ist, konnte eine UNMIK-Identity Card (ID) und damit ein UNMIK- Travel-Dokument (TD) beantragen. Der Besitz eines UNMIK-Dokuments spricht demnach dafür, dass der Inhaber Staatsbürger Kosovos ist (Art. 28 StAG).

 

Eine Sonderegelung für Vertriebene und Flüchtlinge des Kosovo-Krieges ist Art. 29 StAG. Danach sind auch alle Personen (und ihre direkten Nachkommen), die am 01. Jänner 1998 Bürger der Bundesrepublik Jugoslawien waren und an diesem Tag ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort in Kosovo hatten, Bürger von Kosovo und als solche im Bürgerregister unabhängig von ihrem derzeitigen Wohnort oder ihrer derzeitigen Staatsangehörigkeit zu erfassen. Für die Erfassung im Bürgerregister bedarf es jedoch eines Antrags (Abs. 3) Kriterien zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes in Kosovo am 01. Jänner 1998 sind analog der in der UNMIK-Richtlinie 2000/13 zum zentralen Zivilregister festgelegt (Abs. 5). Auch dieser Personenkreis hat also die Staatsbürgerschaft kraft Gesetzes erworben, so er die Erfassung im Register beantragt. (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge: Entscheidungen Asyl 08/2008).

 

Internationale Präsenz in Kosovo

 

Die internationale Präsenz in Kosovo hat sich grundlegend gewandelt. Die durch Resolution 1244/99 in Kosovo eingerichtete VN-Mission UNMIK hat ihre Umstrukturierung nunmehr abgeschlossen. Lediglich 10 Prozent (ca. 420 Personen) des vormaligen Personalbestandes von UNMIK sind noch im Einsatz. Ihre wesentlichen früheren Aufgaben im Bereich Polizei, Justiz und Zoll werden jetzt durch kosovarische Regierungsstellen bzw. die europäische Rechtsstaatsmission EULEX ausgeübt.

 

EULEX hat am 9. Dezember 2008 die operative Arbeit im gesamten Land aufgenommen und am 6. April 2009 volle Einsatzfähigkeit erreicht. Neben Beratungsfunktionen beim Aufbau von Polizei, Justiz, Zoll und Verwaltung haben die Mitarbeiter auch exekutive Funktionen, z.B. bei der Verfolgung organisierter Kriminalität, Korruption, interethnischer Kriminalität, Kriegsverbrechen sowie bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. EULEX hat derzeit 1.642 internationale und 1.165 lokale Beschäftigte. Davon sind ca. 1.200 Vollzugsbeamte der Polizei; etwa 450 Beamte sind in geschlossenen Einheiten ("Formed Police Units" (FPU) eingesetzt, die zur Kontrolle von Menschenansammlungen bzw. in aufruhrähnlichen Situationen oder Unruhen eingesetzt werden können. (Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 06. Jänner 2011, Stand: Dezember 2010, Seite 9-10)

 

Sicherheitslage

 

Die Sicherheitslage in Kosovo ist weitgehend stabil, in Teilgebieten, insbesondere im Norden und im Brennpunkt Mitrovica, aber weiterhin fragil. Seit den Ausschreitungen im März 2004 gab es keine landesweiten Unruhen mehr.

 

Es gibt keine konkreten Hinweise auf intendierte staatliche Repressionen aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit. Repressionen Dritter gegenüber ethnischen Minderheiten haben seit 2004 stetig abgenommen. Die subjektiv zum Teil immer noch als unsicher empfundene Sicherheitslage behindert aber v.a. den Rückkehrprozess von Kosovo-Serben.

 

Das nach Auflösung der kosovo-albanischen Befreiungsarmee UÇK eingerichtete zivile Hilfskorps "Kosovo Protection Corps" (KPC, alb. TMK) wurde am 30. Juni 2009 aufgelöst. Seither bilden multiethnische und zivil kontrollierte leichtbewaffnete Sicherheitskräfte die "Kosovo Security Forces (KSF)", die nicht mehr als 2.500 Mitglieder und maximal 800 Reservisten haben sollen. Derzeit umfasst die KSF etwa 2.000 Kräfte, davon gehören 8 Prozent den Minderheiten an. Die KSF übernimmt derzeit primär zivile Aufgaben wie Krisenreaktion, Sprengmittelbeseitigung und Zivilschutz. Im September 2009 hat die KSF ihre grundsätzliche Einsatzfähigkeit erreicht, die volle Einsatzfähigkeit kann voraussichtlich zwischen Ende 2011 und 2014 erreicht werden.

 

Die Polizei (Kosovo Police, KP - ehemals Kosovo Police Service, KPS) hat derzeit eine Stärke von ca. 9.000 Personen und ist im ganzen Land vertreten. Der Frauenanteil in der KP beträgt fast 15 Prozent; mehr als 14 Prozent sind Angehörige von Minderheiten. EULEX-Polizisten beraten und unterstützen Polizeidienststellen im gesamten Land. Die kosovo-serbischen Polizeistrukturen im Norden lassen sich schwer in die zentralen Kommandostrukturen der KP integrieren. Derzeit berichten die Polizeistationen im Norden unmittelbar an die Operationszentrale von EULEX, die sodann die KP unterrichtet.

 

In Nord-Kosovo führen KP, EULEX und KFOR seit Anfang Oktober 2010 verstärkte Personen- und Fahrzeugkontrollen durch, zudem wurden gezielte Ermittlungsmaßnahmen und Zugriffe gegen Personen aus dem Umkreis der Organisierten Kriminalität durchgeführt.

 

Die innere Sicherheit der Republik Kosovo beruht weiterhin auf drei Komponenten: der KP, den internationalen Polizeikräften (v.a. EULEX) und den KFOR-Truppen. Die KFOR wird nach wie vor von allen Beteiligten anerkannt. KFOR steht als letzte Option bereit, wenn die KP und die internationale Polizei sich nicht durchsetzen können. Die Truppe hat ihren Ruf als Garant der Sicherheit gefestigt durch ihr robustes und entschlossenes Handeln bei den gewalttätigen Ausschreitungen am 17. März 2008 durch Kosovo-Serben in Mitrovica, bei denen der Einsatz von Maschinenpistolen und Handgranaten durch Demonstranten zu über 70 Verletzten führte.

 

Die nach wie vor verbreitete Gewaltbereitschaft und die große Zahl der frei zirkulierenden Waffen beeinträchtigen die Sicherheitslage. Es gibt praktisch in jedem Haushalt eine oder mehrere (illegale) Schusswaffen.

 

Nach einer belastbaren Studie des "United Nations Office on Drugs and Crime" (UNODC) ist die Kriminalität, mit Ausnahme der Organisierten Kriminalität und der Korruption, rückläufig und niedriger als im gesamteuropäischen Vergleich. Dies gilt besonders für Eigentums-, Körperverletzungs- und Tötungsdelikte. (Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 06. Jänner 2011, Stand: Dezember 2010, Seite 10-11)

 

Laut Kriminalitätsstatistik ist die Anzahl der gemeldeten Straftaten im Jahresvergleich rückläufig. 2009 wurden 7 Prozent weniger Straftaten gemeldet als 2008. (Kriminalstatistik 2009, übermittelt vom Verbindungsbeamten des BMI am 19. März 2010)

 

Dem Auswärtigen Amt liegen keine Berichte über gezielte Menschenrechtsverletzungen durch die Regierung der Republik Kosovo oder durch Personal von UNMIK, EULEX, OSZE, ICO vor. (Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 06. Jänner 2011, Stand: Dezember 2010, Seite

11)

 

Politische Opposition

 

Die politische Opposition wird in ihrer Betätigung nicht eingeschränkt. (Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 06. Jänner 2011, Stand: Dezember 2010, Seite 12-16)

 

Religionsfreiheit

 

Die Religionsfreiheit ist nach Art. 38 der kosovarischen Verfassung garantiert. Einschränkungen der Religionsfreiheit sind nicht bekannt. (Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 06. Jänner 2011, Stand: Dezember 2010, Seite 16)

 

Selbst Personen, welche eine fundamentalistische Form des Islams sowohl im Erscheinungsbild (Vollbart, Pluderhose, Schleier) als auch in der strengen Anwendung des Islams (strikte Einhaltung der Gebote) praktizieren, sind im öffentlichen Leben akzeptiert, auch wenn sie von der Bevölkerung mit Argwohn betrachtet werden. (Kosovo-Bericht 29. September 2008 des Verbindungsbeamten des BMI, Seite 7 und 9)

 

Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis

 

Im gesamten Justizwesen sind Richter und Staatsanwälte aus allen relevanten ethnischen Gruppen tätig. Nach Angaben von EULEX-Richtern gibt es zum Teil noch erhebliche Ausbildungsdefizite bei den lokalen Richtern und Staatsanwälten. EULEX hat seit dem 9. Dezember 2008 justizielle Funktionen im Bereich der Strafjustiz, der Zivilgerichtsbarkeit und der Staatsanwaltschaft übernommen, die zuvor von internationalen UNMIK-Richtern/- Staatsanwälten ausgeübt wurden. Dabei handelt es sich inbesondere um Fälle von Kriegsverbrechen, schwere organisierte Kriminalität und ungelöste Eigentumsfragen im Nachgang zu den kriegerischen Auseinandersetzungen bis 1999.

 

Insgesamt ist der Zugang zum Gerichtswesen nicht landesweit einheitlich gewährleistet. Das Gericht in Nord-Mitrovica ist z.B. nach wie vor nur sehr eingeschränkt funktionstüchtig. Es gibt inzwischen zehn u.a. von UNDP und Legal Aid Commission betriebene Regionalbüros für Rechtsfragen, die Personen mit geringem Einkommen kostenlose Rechtshilfe anbieten, um ihre Rechtsansprüche durchzusetzen, darunter auch zahlreiche Minderheitenangehörige (Serben, RAE, Bosniaken und Türken). Es ist jedoch davon auszugehen, dass es Unterschiede beim Zugang zum Gerichtswesen gibt, gerade auch für Minderheitenangehörige in jeweiligen Mehrheitsgebieten (z.B. Kosovo-Albaner in Nord-Kosovo oder Kosovo-Serben in Westkosovo). (Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 06. Jänner 2011, Stand: Dezember 2010, Seite 17-18)

 

Repressionen Dritter

 

Die Akzeptanz der verschiedenen ethnischen Gruppen untereinander hat zugenommen. Bei Auseinandersetzungen zwischen Angehörigen verschiedener ethnischer Gruppen handelt es sich häufig nicht um ethnisch motivierte Streitigkeiten, sondern um Streitigkeiten zwischen Nachbarn oder Verletzungen des persönlichen Ehrgefühls.

 

Interethnische Zwischenfälle finden fast ausschließlich vor dem Hintergrund des angespannten Verhältnisses zwischen Kosovo-Serben und Kosovo-Albanern statt. Sie ereignen sich in aller Regel - lokal eingegrenzt - in bestimmten Gebieten des unmittelbarräumlichen Aufeinandertreffens/Zusammenlebens beider Bevölkerungsgruppen. Zumeist ergeben sich problematische Situationen wie z.B. handgreifliche Auseinandersetzungen bzw. Proteste, wenn das Betreten eines von der anderen Ethnie dominierten Gebietes als Provokation ausgelegt wird. Insbesondere in den Gebieten nördlich des Flusses Ibar werden staatliche Maßnahmen als Eingriff in die serbischen Parallelstrukturen angesehen und sind Ursache häufiger Spannungen und Auseinandersetzungen.

 

Die Anzahl interethnischer Vorfälle gegen Angehörige der Minderheitengemeinschaften der ethnischen Roma, Askhali und Ägypter geht weiter zurück. Auch in Kosovo tätige internationale Flüchtlingshilfeorganisationen berichten in diesem Zusammenhang lediglich von einigen wenigen konkreten Vorfällen. Ethnisch motivierte Verfolgungshandlungen durch nicht-staatliche Akteure können weiterhin nicht ausgeschlossen werden; konkrete Vorfälle sind in den letzten Monaten allerdings nicht bekannt geworden. Bei den (u.a. von UNMIK, vom UNHCR und Amnesty International berichteten) Vorfällen, die sich Ende Juli/Anfang August 2009 in dem von Angehörigen der Roma bewohnten Wohngebiet Abdullah Presheva in der Stadt Gjilan/Gnjilane ereigneten, handelte es sich im Wesentlichen um Auseinandersetzungen zwischen dort lebenden Roma und einigen beteiligten Auslandsalbanern, die zu diesem Zeitpunkt ihren Urlaub bei Verwandten in diesem Wohngebiet verbrachten. Die tätlichen Angriffe wurden zur Anzeige gebracht. Die Vorfälle wurden von EULEX als nicht ethnisch motivierte Verfolgungshandlungen qualifiziert.

 

Bei vielen Minderheitenangehörigen, insbesondere den RAE, besteht trotz der insgesamt positiven Entwicklung weiterhin ein Unsicherheitsgefühl gegenüber staatlichen Sicherheitskräften. Ursächlich hierfür sind maßgeblich die in den Jahren 1999 und 2004 gegen RAE-Angehörige verübten Gewalttaten. Inzwischen verfügt jede regionale Dienststelle der KP über Polizeibeamte, die ausschließlich für die Belange aller Minderheitengemeinschaften zuständig sind. Zumeist sind solche Beamte selbst Angehörige verschiedener Minderheiten. Nach den vorliegenden Erkenntnissen unterhalten diese Beamten

 

ständige Kontakte zu den in ihrem Zuständigkeitsbereich lebenden Minderheitengemeinschaften. Regelmäßig findet ein Austausch mit den jeweiligen Führern der örtlichen Minderheitengemeinschaften statt. Auch hierdurch soll gewährleistet werden, dass Minderheitenangehörigen die Möglichkeit geboten wird, u.a. gegen sie gerichtete Straftaten anzuzeigen und verfolgen zu lassen. NGOs weisen in diesen Zusammenhang darauf

 

hin, dass insbesondere bei Roma davon ausgegangen werden kann, dass viele Ereignisse nicht

 

zur Anzeige gebracht werden. Die EULEX-Polizei in Kosovo übt u.a. Monitoring- Funktionen über die Kosovo Polizei aus und informiert berechtigte Stellen u.a. die Deutsche Botschaft Pristina in sog. Security Situation Reports täglich über polizeiliche Vorfälle. Der EULEX-Polizei liegen keine Erkenntnisse vor, dass Anzeigen insbesondere von RAE-Minderheiten nicht angenommen bzw. nicht bearbeitet werden. Ferner weist EULEX-Polizei darauf hin, dass entsprechende Anzeigen von Angehörigen der RAE auch bei der EULEX-Polizei gestellt werden können.

 

Es ist nicht auszuschließen, dass es noch Personengruppen gibt, die weiterhin einer Gefährdung ausgesetzt sind (so z.B. Personen in Mischehen und Personen gemischtethnischer Herkunft sowie Personen, die der Zusammenarbeit mit den serbischen Behörden in der Zeit von 1990 bis 1999 verdächtigt werden). Kosovo-Albaner christlichen Glaubens sind keinen Diskriminierungen durch die muslimische Mehrheitsbevölkerung ausgesetzt.

 

Die kosovo-albanische Tradition der Blutrache ist kaum mehr anzutreffen. Allerdings sind insbesondere außerhalb der größeren Städte nicht selten Racheakte aus verschiedenen Gründen zu beobachten. Diese werden landläufig als Blutrache bezeichnet und ohne Beachtung der einschränkenden Regeln des Kanun (der Eröffnung, Ablauf und Beendigung regelt) beharrlich betrieben, zum Teil mit blutigen bzw. tödlichen Folgen. Bei diesen Racheakten ist die Hemmschwelle, eine Schusswaffe zu benutzen, oft sehr niedrig. (Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 06. Jänner 2011,

Stand: Dezember 2010, Seite 20-22)

 

Schutzfähigkeit und Schutzwilligkeit der Behörden:

 

Kosovo Police (KP), ehemals Kosovo Police Service KPS/ShPK:

 

Die OSCE leitete in VUSHTRRI eine zentrale Aus - und Fortbildungsstätte für KPS. Seit 1999 werden die verschiedenen Lehrgänge - bisher immerhin über 8.000 Polizisten - durch internationale Trainer aus verschiedenen Staaten ausgebildet.

 

Inzwischen wird das Institut durch einen lokalen Direktor geleitet und auch seit 2006 aus dem Kosovo Budget finanziert. Die OSCE ist mit einem kleinen Stab an Mitarbeitern (12 und 2 sonstige) direkt vor Ort bzw. als Unterstützung auch im Hauptquartier vertreten.

 

Neben der Ausbildung besteht ein Hauptaugenmerk auf Fortbildung. Immer wieder werden bei Kursen auch externe Experten eingeflogen, welche dann in ihrem Spezialgebiet die Kenntnisse weitergeben.

 

Durch entsprechende gesetzliche Regelungen wurde die Aus- und Fortbildung von Polizei, Zoll, Feuerwehr und Justiz (Justizwache) an dieser Fortbildungsstätte zusammengefasst. Das Kosovo Centre for Public Safety Education and Development - KCPSED - ist im Ministerium für Inneres angesiedelt und hat 2008 ein Budget von 2,7 Millionen Euro bei einem Personalstand von 177 ständigen Mitarbeitern.

 

Nach der Ausbildung erfolgt die Aufteilung in die verschiedenen Regionen des Kosovo. Von diesen waren bis auf die Region Mitrovica alle bereits von UNMIK Police an KPS übergeben worden. UNMIK Police übte eine beobachtende Rolle aus, unterstützt und evaluierte die Arbeit von KPS. (Kosovo-Bericht 29. September 2008 des Verbindungsbeamten des BMI, Seite 41-42)

 

KPS geht Anzeigen professionell nach. Beschwerden und Anzeigen gegen Angehörige von KPS werden sehr genau auch im Zuge von Disziplinarverfahren untersucht, Konsequenzen wie Suspendierungen, etc. werden nach den bisherigen Erfahrungswerten fast rascher ausgesprochen als in Österreich. (Auskunft des Verbindungsbeamten des BMI 05. Mai 2007, Zahl 154/07 an das BAE)

 

KPS erfüllt seine Aufgaben generell professionell und kompetent. (Commission of the European Communities: Kosovo Under UNSCR 1244 2007 Progress Report, COM (2007) 663 final, 06. November 2007, Seite

46)

 

Es besteht eine beratende und überwachende Tätigkeit von EULEX Polizei bezüglich Kosovo Police auch im Falle, wenn Anzeigen nicht entgegengenommen werden. (Auskunft des Verbindungsbeamten des BMI, 15. Jänner 2009, Zahl 10/09 an den Asylgerichtshof)

 

Wenden sich Personen an KFOR, versuchen diese, die Anzeige an eine dafür zuständige Stelle weiterzuleiten. KFOR hat keine Exekutivgewalt im Kosovo.

 

Als weitere Möglichkeit bietet sich eine direkte Anzeige bei der Justiz (Staatsanwalt) an, wo dann über die weitere Vorgangsweise entschieden wird.

 

Die Beamten von KPS tragen deutlich sichtbar ihre jeweilige Dienstnummer, wodurch eine Zuordnung ohne Probleme möglich ist. Die Tätigkeit ist in den Dienstberichten dokumentiert und transparent nachvollziehbar.

 

Das Einbringen von Beschwerden ist jederzeit möglich, aufgrund der Sensibilisierung werden Beschwerden auch rasch behandelt und führen - wenn berechtigt - zu den entsprechenden Konsequenzen für den betroffenen Funktionsträger.

 

Missstände in der Verwaltung können auch beim Ombudsmann angezeigt werden. Es besteht die Möglichkeit einer Beschwerde an den Ombudsmann und damit eine Garantie für eine Weiterbehandlung.

 

Dieser strich bei einem persönlichen Gespräch hervor, dass Beschwerden gegen KPS von dieser Institution unverzüglich und effizient bearbeitet werden. (Kosovo-Bericht 31. März 2007 des Verbindungsbeamten des BMI, Seite 9-10; Auskunft des Verbindungsbeamten des BMI, 26. Mai 2009, Zahl 132/09 an den Asylgerichtshof)

 

Zudem wird die Tätigkeit jeder Polizeidienststelle von der OSZE (Security Issues Officer) überwacht. Täglich werden Polizeiberichte verfasst, welche auch der OSZE übermittelt werden. Gegebenenfalls kann sich eine Person auch an die OSZE wenden, sollte ein KPS Mitarbeiter seine Kompetenzen überschritten bzw. nicht erfüllt haben. [XXXX: Gutachten zu Aktivitäten der AKSh. 07. Mai 2007, Seite 11].

 

Es besteht also auch hier die Möglichkeit einer Beschwerde bzw. Anfrage um Unterstützung im Anlassfall. (Auskunft des Verbindungsbeamten des BMI, 26. Mai 2009, Zahl 132/09 an den Asylgerichtshof)

 

UNMIK Police/EULEX Police

 

Seit August 1999 war UNMIK Police im Kosovo präsent. Konkrete operative Aufgaben bestanden in der Region Mitrovica, in der Abteilung für Organisierte Kriminalität, im Interpol - Büro, bei Kriegsverbrechen und im Ordnungsdienst (Demonstrationen, etc.). Sonderfälle waren die Einheiten für Zeugenschutz, Transport von Häftlingen und Personenschutz. Sonst hatte UNMIK POLICE eine beobachtende Funktion von KPS eingenommen.

 

Nunmehr hat EULEX Police die Rolle von UNMIK Police übernommen. Der Aufgabenbereich liegt in Überwachung und Beratung der lokalen Polizei, Justiz, Justizwache und des Zolls. Operative Aufgaben im Polizeibereich sind: Finanzverbrechen, Kriegsverbrechen, Organisierte Kriminalität, Wirtschaftsverbrechen, Terrorismus, Zeugenschutz, Personenschutz (Auskunft des Verbindungsbeamten des BMI, 15. Jänner 2009, Zahl 10/09 an den Asylgerichtshof; Kosovo-Bericht 31. März 2010, Verbindungsbeamter des BMI, Seite 39)

 

Generell ist für alle ethnischen Albaner, auch solchen in Gebieten, wo sie eine Minderheit bilden, hinlänglicher Schutz durch UNMIK/KPS verfügbar.

 

UNMIK/KPS sind willens und auch in der Lage, denjenigen, die Verfolgung befürchten, Schutz zu gewähren und stellen einen rechtlichen Mechanismus zur Ermittlung, Strafverfolgung und Bestrafung von Verfolgungsmaßnahmen sicher. (Home Office, Operational Guidance Note Kosovo, 22. July 2008, Seite 4 und 5)

 

Die Aufklärungsquote liegt bei Eigentumsdelikten bei 45 Prozent, bei Straftaten gegen Personen bei 71 Prozent. Schwerere Verbrechen haben eine höhere Aufklärungsrate als weniger schwere Verbrechen aufgrund der Ressourcen, die zu deren Ermittlung bereitgestellt werden. (UN Security Council: Report of the Secretary-General on the United Nations Interim Administration Mission in Kosovo. S/2008/211, 28. März 2008, Seite 11)

 

Municipal Community Safety Council:

 

In allen Gemeinden des Kosovo besteht darüber hinaus ein "Municipal Community Safety Council" (MCSC, Rat zum Schutz der Volksgruppen). Dem Rat gehören neben KFOR, UNMIK Polizei, KPS auch Vertreter der verschiedenen Glaubensgemeinschaften (orthodoxe, katholische, islamische Gemeinschaft) wie auch alle Dorfvorsitzenden der Gemeinde an. Zweck des Rates, welcher vom Gemeindepräsidenten einberufen wird, ist es, einmal pro Monat über die Sicherheitslage im Allgemeinen und eventuelle Bedenken bzw. Bedürfnisse der einzelnen ethnischen bzw. religiösen Minderheiten zu beraten und wenn erforderlich korrigierende Maßnahmen zu ergreifen. Personen, die sich unsicher fühlen, können sich an diesen Rat wenden bzw. über ihre Dorfräte ihre Sicherheitsbedenken den zuständigen Behörden bekannt machen. So klagte beispielsweise der Dorfrat eines Dorfes im albanischen Grenzgebiet in der Gemeinde Gjakove/Djakovica (der MCSC wurde in dieser Gemeinde im August 2006 eingerichtet) über Raubüberfälle (vorwiegend Viehraub) durch maskierte Banden. Zur Verbesserung des Schutzes der Bevölkerung dieser Gegend verstärkte die KFOR ihre Truppen in der Region und auch die Polizei führt seither mehr Patrouillen in der Region durch. (XXXX: Gutachten zu Aktivitäten der AKSh. 07. Mai 2007 , Seite 11-12)

 

Kosovo-Albaner

 

Der UNHCR wies bereits im Januar 2003 darauf hin, dass die überwiegende Mehrheit der Kosovo-Albaner, die während der Kosovo-Krise geflohen waren, nach Hause zurückgekehrt ist.

 

Die Sicherheitslage hat sich im Allgemeinen für Angehörige der albanischen Mehrheitsbevölkerung in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert. Nicht zuletzt die größere Effizienz der lokalen Polizei "KPS" und eine Verbesserung des lokalen Gerichtswesens haben dazu beigetragen, die Situation (für ethnische Albaner) zu verbessern. Zudem haben aber auch das - für Nachkriegssituationen typische - allgemeine Chaos und die relative Normenungebundenheit, die in der Gesellschaft vorherrschte, nachgelassen und ein mehr geregeltes gesellschaftliches Leben ist an deren Stelle getreten. Gegenwärtig gibt die allgemeine Sicherheitslage für ethnische Albaner, d.h. Angehörige des nunmehrigen Mehrheitsvolkes in Kosovo, bis auf genau definierte Ausnahmen zu Besorgnissen keinen Anlass mehr. (XXXX: Allgemeines Gutachten zur Situation im Kosovo, 15. Februar 2007, Seite 4-5)

 

Im Positionspapier des UNHCR vom 09. November 2009 wird aber darauf hingewiesen, dass es immer noch einige Kategorien von Kosovo-Albanern (so z.B. aus Gebieten in denen sie eine ethnische Minderheit bilden oder Kosovo-Albaner in Mischehen und Personen gemischt-ethnischer Herkunft, Kosovo-Albaner, die der Mitarbeit mit dem serbischen Regime nach 1990 verdächtigt werden, Opfer von Menschenhandel, Opfer von häuslicher Gewalt sowie Personen, deren Anträge auf sexueller Orientierung basieren) gibt, die mit ernsten Problemen konfrontiert werden könnten, wenn sie derzeit nach Hause zurückkehren würden. (UNHCR Eligibility Guidelines for Assessing the International Protection Needs of Individuals from Kosovo)

 

Katholische Albaner sind im politischen wie wirtschaftlichen Leben voll integriert und sind keinerlei Benachteiligungen durch die mehrheitlich moslemischen Albaner ausgesetzt.

 

Es kann festgehalten werden, dass es für eine Diskriminierung bzw. Verfolgung der katholischen Albaner im Kosovo durch die mehrheitlich moslemische Bevölkerung keine Anhaltspunkte gibt. Auch sind keine Einzelfälle von Übergriffen bekannt geworden. Katholische Albaner sind keiner Verfolgung bzw. besonderen Gefährdung aufgrund ihrer religiösen Überzeugung ausgesetzt. (XXXX: Katholische Albaner im Kosovo. Gutachten erstellt im Juli 2006, Seite 13-15)

 

Ausweichmöglichkeiten

 

Eine Übersiedlung in andere Teile des Landes unterliegt keinen rechtlichen Einschränkungen. Alle Ethnien können sich in Kosovo grundsätzlich frei bewegen. Die Freizügigkeit von Personen ist nach Einschätzung der Europäischen Kommission allerdings nicht im gesamten Land gewährleistet. Die Sicherheitskräfte bemühen sich zwar um einen verstärkten Schutz für Minderheitengebiete und Enklaven, Angehörige von Minderheiten verlassen diese Gebiete - oftmals aufgrund eines subjektiv empfundenen Unsicherheitsgefühls und auch sprachlicher Barrieren - nur selten.

 

Von der Freizügigkeit wird zum Teil von Kosovo-Serben und Kosovo-Albanern v.a. dort aus einem subjektiv empfundenem Unsicherheitsgefühl heraus kein Gebrauch gemacht, wo sich diese Gruppen in der Minderheit befinden. (Auswärtiges Amt Berlin, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Kosovo vom 06. Jänner 2011, Stand: Dezember 2010, Seite 23)

 

Bosniaken

 

Kosovo Police (KP) gehören unter anderem bereits mehr als 200 Beamte an, welche Angehörige der Volksgruppe der Bosniaken sind.

 

Die Gruppe der Bosniaken wurde auch von UNHCR nie als gefährdete Gruppe im Kosovo betrachtet. Die Lebenssituation kann als weitgehend normal bezeichnet werden, es besteht auch eine rege Teilnahme am politischen Geschehen im Kosovo. Sprache: Bosnisch und Albanisch; Religion: Moslems; Verteilung: Peja, Prizren (Kosovo-Länderbericht II des Verbindungsbeamten vom 27.09.2009 sowie Kosovo-Länderbericht des Verbindungsbeamten 2011)

 

Für Angehörige ethnischer Minderheiten (z.B. ethnische Türken, Bosniaken und Gorani) ist die Sicherheitslage im Kosovo stabil. Auch die Vertreter dieser Minderheitengruppe beklagen allerdings die zum Teil schwierigen sozialen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen im Kosovo (insbesondere mangelnder Wohnraum und hohe Arbeitslosigkeit). Ungeachtet dessen können Minderheitenangehörige in Einzelfällen nach wie vor Opfer von Repressalien (z.B. Belästigungen, Einschüchterungen) durch die Bevölkerungsmehrheit werden.

 

Schutz der Menschenrechte

 

Seit November 2000 gibt es die Einrichtung einer Ombudsperson, die für alle Beschwerden über Menschenrechtsver

Quelle: Asylgerichtshof AsylGH, http://www.asylgh.gv.at
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