TE OGH 2009/11/26 12Os104/09z

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.11.2009
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. November 2009 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. T. Solé und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz S***** und Stefan B***** wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 130 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen beider Angeklagter gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 17. Februar 2009, GZ 15 Hv 109/08g-37, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten und die Berufung wegen Schuld des Angeklagten Stefan B***** werden zurückgewiesen. Zur Entscheidung über die Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafe werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet. Beiden Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch sowie einen Privatbeteiligtenzuspruch enthaltenden - Urteil wurden Franz S***** und Stefan B***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 130 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach haben sie in L***** an nicht näher bekannten Tagen im Jahr 2006 in wiederholten Angriffen im bewussten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbare Täter gewerbsmäßig fremde bewegliche Sachen, nämlich Fertigbeton in einem 55.000 Euro jedenfalls übersteigenden Gesamtwert Verantwortlichen der L***** GmbH mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die vom Angeklagten S***** auf Z 9 lit b und vom Angeklagten B***** auf Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden (vom Zweitangeklagten als Berufung wegen Nichtigkeit bezeichnet), denen keine Berechtigung zukommt.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Franz S*****:

Die Rechtsrüge (Z 9 lit b) releviert das Vorliegen tätiger Reue gemäß § 167 StGB infolge der Leistung eines Betrags von 55.000 Euro an die Geschädigte L***** GmbH mit der Behauptung das Erstgericht habe bei der Schadensberechnung zu Unrecht den nur bei Handelsware maßgeblichen Verkaufspreis und nicht einen unter dem als Schadensgutmachung gezählten Betrag liegenden Wiederbeschaffungswert in Anschlag gebracht. Die dieser Argumentation zugrunde liegende Prämisse, Fertigbeton sei keine Handelsware, wird von der Beschwerde jedoch nicht methodisch vertretbar aus dem Gesetz abgeleitet, sondern bloß begründungslos unterstellt, sodass sie den materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht gesetzeskonform zur Darstellung bringt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588).

Lediglich zur Klarstellung sei daher angemerkt: Dass der Wiederbeschaffungswert einer Sache bei der Wertermittlung die allgemeine Richtschnur bildet, schließt die angemessene Berücksichtigung opferbezogener Wertfaktoren und individualisierender wirtschaftlicher Gesichtspunkte nicht aus. Für die Berechnung des Werts einer gestohlenen Sache kommt es demnach auf deren Funktion im Vermögen des Bestohlenen an (RIS-Justiz RS0094064; Bertel in WK2 Rz 7; Kienapfel/Schmoller StudB II Rz 29 ff; Leukauf/Steininger Komm3 Rz 20, jeweils zu § 128). Handelsware sind Güter, die das Opfer zum Weiterverkauf bestimmt hat (Bertel in WK2 Rz 8), wobei es keinen Unterschied macht, ob diese bloß zugekauft und ohne Veränderung weiterveräußert, zuvor veredelt oder aus Rohstoffen vom Bestohlenen selbst produziert werden. Im zuletzt genannten Fall kann der Wert des Endprodukts schon deshalb nicht mit den bloßen Gestehungskosten für die benötigten Grundstoffe gleichgesetzt werden, weil ansonsten der darüber hinausgehende Produktionsaufwand (etwa Personal- und Maschineneinsatz, Entwicklungskosten, Lagerhaltung) gänzlich außer Betracht bliebe. Damit ist aber ebenso wie beim bloßen Wiederverkäufer je nach Abnehmer der Klein- oder Großhandelspreis, also Produktionskosten einschließlich Gewinnspanne und Umsatzsteuer, maßgeblich (vgl RIS-Justiz RS0093829; Kienapfel/Schmoller StudB II Rz 33; Leukauf/Steininger Komm3 Rz 21 ff, jeweils zu § 128).

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Stefan B*****:

Indem die (gemeinsam ausgeführte) Mängel- (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5a) aus dem Inhalt eines vom Angeklagten S***** an Stefan B***** übermittelten SMS des Inhalts, er habe ihn um Hilfe gebeten und darauf hingewiesen, dass ihm auch andere helfen würden, andere - für den Beschwerdeführer günstigere, seiner Täterschaft entgegenstehende Schlüsse zieht als die Tatrichter, bekämpft sie bloß die Beweiswürdigung des Erstgerichts nach einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Der Einwand, „das Verfahren habe eindeutig ergeben, dass Herr S***** minderwertigen Beton derart hergestellt hat, dass er die Inhaltsstoffe des Betons verändert und dadurch die Qualität des Beton reduziert hat", der sowohl an die Kunden der Firma L***** als auch anlässlich der „Schwarzverkäufe" geliefert worden sei, sodass am Markt keinesfalls ein Verkaufspreis in der konstatierten Höhe von 81,25 Euro je Kubikmeter erzielt worden wäre, zeigt keinerlei für diese (bloße) Behauptung sprechenden, vom Erstgericht unberücksichtigt gelassene Beweisergebnisse auf und setzt sich zudem über die tatrichterlichen Konstatierungen hinweg, dass Franz S***** den benötigten Zement und die erforderlichen Zusatzstoffe durch eine Minderdosierung dieser für die Betonherstellung erforderlichen Grundstoffe bei den regulären Fertigbetonverkäufen erlangte, die aber (überdies) in den entsprechenden Sicherheitsreserven der Betonrezepturen Deckung fanden (US 6). Der Tatsachenrüge wiederum gelingt es damit nicht, auf Aktenbasis erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der zur Schadenshöhe getroffenen Feststellungen aufzuzeigen.

Der Angeklagte hat zwar ein aus dem Fair-trial-Gebot des Art 6 MRK erfließendes Recht darauf, nicht von einer ihm unbekannten Gerichtsnotorietät im Tatsachenbereich überrascht zu werden (RIS-Justiz RS0119094; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 463). Bei seinem Vorwurf, aus dem gesamten Verfahren habe sich nicht ergeben, dass das Erstgericht in der im Ersturteil enthaltenen Form angeführten Berechnungsmethode vorzugehen gedenke, wodurch er gehindert worden sei, auf diese falsche Berechnungsmethode hinzuweisen und diesbezüglich allenfalls Beweisanträge zu stellen, übersieht der Nichtigkeitswerber jedoch, dass sich das Schöffengericht bei der Schadensermittlung auf die Verantwortung des Angeklagten S***** über den aus den Schwarzverkäufen erzielten Erlös und die Ausführungen des Zeugen W***** sowie des Sachverständigen Dr. Se*****h zum durchschnittlichen Verkaufspreis der Firma L***** GmbH stützte (US 12). Damit wird jedoch weder ein aus Z 5 vierter Fall relevantes Vorbringen noch ein sonstiger Nichtigkeitsgrund zur Darstellung gebracht.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher - ebenso wie die gegen kollegialgerichtliche Urteile im Gesetz nicht vorgesehene Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld des Angeklagten B***** - schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO; §§ 296 Abs 2, 294 Abs 4 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Erledigung der Berufungen wegen des Ausspruchs über die Strafe folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Anmerkung

E9263312Os104.09z

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0120OS00104.09Z.1126.000

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten