TE OGH 2009/12/17 6Ob247/09f

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Veröffentlicht am 17.12.2009
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Pflegschaftssache der minderjährigen C*****, geboren am 18. Februar 1996, N*****, geboren am 8. August 1997, und P*****, geboren am 11. November 1998, N*****, alle vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung, 1210 Wien, Am Spitz 1, über den Revisionsrekurs der Mutter M***** N*****, vertreten durch Mag. Marcus Blumencron, Rechtsanwalt in Wien, als Verfahrenshelfer, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 14. Mai 2009, GZ 45 R 99/09f-U51, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 26. November 2008, GZ 16 P 47/06h-U43, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) - Ausspruch des Rekursgerichts ist der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig:

Das Rekursgericht hat seinen über Zulassungsvorstellung der Mutter abgeänderten Zulässigkeitsausspruch damit begründet, es habe entgegen der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die Verpflichtung der Mutter zum Ersatz der Kosten der vollen Erziehung der Minderjährigen gemäß § 33 JWG jeweils monatlich „im Voraus" ausgesprochen.

Die Minderjährigen befinden sich seit Mai 2008 in Pflege und Erziehung (volle Erziehung) der Stadt Wien als Jugendwohlfahrtsträger. Die Vorinstanzen verpflichteten die Mutter zur Leistung monatlicher Kostenersatzbeträge ab 8. 5. 2008, wobei die bis zur Rechtskraft der erstinstanzlichen Entscheidung fällig gewordenen Beträge binnen 14 Tagen, die weiterhin fällig werdenden Beträge „jeweils am Ersten eines jeden Monats im Voraus zu entrichten" seien.

1. Die Mutter verweist in ihrem Revisionsrekurs auf die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS-Justiz RS0033501), wonach Kostenersatzbeiträge für die volle Erziehung nicht „im Voraus", sondern „nur zu einem angemessenen Termin im Nachhinein und erst nach Leistung durch den Jugendwohlfahrtsträger zu erbringen" seien. Davon seien die Vorinstanzen ohne Begründung abgegangen.

1.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verpflichtet bereits die allgemeine Bestreitung eines Klagsanspruchs das Gericht zur Prüfung der Frage, ob Fälligkeit der Leistung zur Zeit der Urteilsfällung bereits eingetreten war; es bedürfe dazu keiner besonderen Einrede (RIS-Justiz RS0041226). Da somit auf die Bestimmung des § 406 ZPO von Amts wegen Bedacht zu nehmen ist (3 Ob 258/59 EvBl 1959/318 uva), besteht keine Veranlassung, die für das Verfahren außer Streitsachen korrespondierende Bestimmung des § 37 AußStrG einer gegenteiligen Sichtweise zu unterziehen (vgl in diesem Sinn auch Fucik in Fasching/Konecny, ZPO² [2004] § 406 Rz 34). Es schadet der Mutter daher nicht, dass sie den Einwand der mangelnden Fälligkeit der vom Jugendwohlfahrtsträger geltend gemachten Ansprüche erstmals im Revisionsrekursverfahren erhebt.

1.2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgeführt (3 Ob 70/02v; 9 Ob 120/03t; 9 Ob 31/04f), § 40 JWG sehe zwar vor, dass das Pflegschaftsgericht sowohl über entstandene wie künftig laufend entstehende Kosten, auch vor Fälligkeit des Ersatzanspruchs, unabhängig vom Alter des Kindes, zu entscheiden hat; es sei jedoch auch nach der JWG-Novelle 1998 daran festzuhalten, dass die Regelung des § 1418 Satz 2 ABGB, wonach „Alimente ... wenigstens auf einen Monat im Voraus bezahlt" werden müssen, auf den Ersatzanspruch des Jugendwohlfahrtsträgers gemäß §§ 33, 40 JWG nicht anzuwenden ist. Das bedeute, dass bei einer Bejahung der Kostenersatzpflicht wohl die Verpflichtung zum Ersatz erst künftig fällig werdender Kostenersätze ausgesprochen werden kann, als Fälligkeitstermin aber nicht der Erste eines Monats im Vorhinein, sondern jeweils nur ein angemessener Termin im Nachhinein, das heißt nach der Erbringung der Leistung durch den Jugendwohlfahrtsträger, in Frage kommt.

1.3. Diese Entscheidungen bezogen sich ausschließlich auf Kostenersatzansprüche des Jugendwohlfahrtsträgers nach § 33 JWG. In der Entscheidung 7 Ob 2337/96v hat der Oberste Gerichtshof allerdings darauf hingewiesen, dass der Jugendwohlfahrtsträger auch die Möglichkeit habe, gemäß § 34 JWG durch eine Anzeige an den Unterhaltspflichtigen einen gesetzlichen Übergang der Unterhaltsforderung des Kindes auf ihn zu bewirken; im Fall einer Legalzession des Unterhaltsanspruchs mache aber der Jugendwohlfahrtsträger einen Unterhaltsanspruch geltend, sodass er gemäß § 406 Satz 2 ZPO bei einer nur in der Vergangenheit liegenden Verletzung Ansprüche auf künftige Leistungen geltend machen kann. Dieser Auffassung, die sich auf Vorjudikatur stützen konnte (etwa 2 Ob 216/68 SZ 42/28 mwN und ausführlicher Begründung), ist beizupflichten (verfehlt hingegen Fucik in Fasching/Konecny, ZPO² [2004] § 406 Rz 27, wonach „der Alimentationscharakter durch eine Legalzession verloren [gehen soll]" - die von Fucik erwähnten Ansprüche nach § 33 JWG stellen gerade keine Legalzession dar), wobei § 406 Satz 2 ZPO im hier interessierenden Zusammenhang nunmehr § 101 Abs 4 AußStrG entspricht.

1.4. Nach der Aktenlage (vgl AS 111) hat der Jugendwohlfahrtsträger am 9. 7. 2008 unter Berufung auf § 40 Wiener JWG angezeigt, „dass der gegen [die Mutter] zustehende Rechtsanspruch [der] Minderjährigen auf Geldleistungen zur Deckung des Unterhalts bis zum vollen Ausmaß der erwachsenden Verpflegskosten auf die Stadt Wien übergegangen ist". Im Hinblick auf § 34 JWG gingen damit die Forderungen der Minderjährigen auf wiederkehrende Leistungen, die der Deckung ihres Unterhaltsbedarfs dienen, bis zur Höhe der Ersatzforderungen auf den die volle Erziehung gewährenden Jugendwohlfahrtsträger, also die Stadt Wien, unmittelbar kraft Gesetzes über.

Im Gegensatz zu den den Entscheidungen 3 Ob 70/02v, 9 Ob 120/03t und 9 Ob 31/04f zugrunde liegenden Sachverhalten macht der Jugendwohlfahrtsträger hier somit keine Ersatzansprüche nach § 33 JWG geltend, sondern - als deren Legalzessionar - gesetzliche Unterhaltsansprüche der Minderjährigen. Nach den Grundsätzen der Entscheidung 7 Ob 2337/96v haben dann aber die Vorinstanzen (jedenfalls im Ergebnis) zu Recht die Leistungsverpflichtung der Mutter jeweils monatlich „im Voraus" festgelegt. Einer Korrektur dieser Entscheidungen durch den Obersten Gerichtshof bedarf es nicht.

2. Die Mutter macht in ihrem Revisionsrekurs weiters geltend, die Vorinstanzen hätten von ihr tatsächlich erbrachte Naturalunterhaltsleistungen in erheblichem Ausmaß und monatliche Geldleistungen in Höhe von 200 EUR unberücksichtigt gelassen. Sie geht dabei jedoch nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

Anmerkung

E928796Ob247.09f

Schlagworte

Kennung XPUBLDiese Entscheidung wurde veröffentlicht inEF-Z 2010/45 S 78 - EF-Z 2010,78XPUBLEND

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2009:0060OB00247.09F.1217.000

Zuletzt aktualisiert am

24.03.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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