TE OGH 2010/1/19 10ObS208/09z

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Veröffentlicht am 19.01.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Hon.-Prof. Dr. Neumayr sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Helmut Tomek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Doris A*****, Landwirtin, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Götschhofer, Rechtsanwalt in Vorchdorf, gegen die beklagte Partei Oberösterreichische Gebietskrankenkasse, Gruberstraße 77, 4021 Linz, wegen Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld (5.303,45 EUR), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 1. Juli 2009, GZ 12 Rs 55/09h-10, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die beklagte Oberösterreichische Gebietskrankenkasse gewährte der Klägerin anlässlich der Geburt ihrer Tochter Judith am 14. Mai 2002 für den Zeitraum vom 1. Jänner 2003 bis 31. Dezember 2003 Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 5.303,45 EUR.

Im Zeitraum vom 1. Jänner 2003 bis 31. Dezember 2003 erzielte die Klägerin als Landwirtin Einkünfte in Höhe von 11.423,19 EUR. Ihr wurden Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 4.473 EUR vorgeschrieben. Für die Klägerin waren weder Erntemenge, Nachfrage und Preis noch der Zeitpunkt des Zahlungseingangs aus dem Verkauf der Ernte vorhersehbar. Die Klägerin hat die Ernte an die S***** Linz geliefert; diese konnte aufgrund der Menge nicht alles sofort weiterverkaufen, „weshalb die endgültige Zahlung erst später kam; so wurde 2002 etwas verkauft, die Zahlung bekam sie jedoch erst 2003". Auf den Zeitpunkt des Zahlungseingangs hatte die Klägerin keinen Einfluss.

Mit Bescheid vom 7. November 2008 widerrief die beklagte Partei die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes für den genannten Zeitraum und verpflichtete die Klägerin zur Rückzahlung des Betrags von 5.303,45 EUR binnen vier Wochen. Mit ihrem im Jahr 2003 aus Land- und Forstwirtschaft erzielten Einkommen von 15.896,19 EUR habe die Klägerin die Grenze von 14.600 EUR überschritten.

Das Erstgericht wies das auf Feststellung, dass die Klägerin nicht zum Rückersatz des Kinderbetreuungsgeldes verpflichtet sei, gerichtete Klagebegehren ab und verpflichtete die Klägerin zur Rückzahlung des Betrags von 5.303,45 EUR binnen vier Wochen. Unter Hinzurechnung der Sozialversicherungsbeiträge liege der maßgebliche Gesamtbetrag der Einkünfte im Jahr 2003 über der Zuverdienstgrenze. Die Voraussetzungen der KBGG-Härtefälle-Verordnung seien vom Gericht nicht zu prüfen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Die Voraussetzungen des in § 1 lit a KBGG-Härtefälle-Verordnung angeführten Falls einer geringfügigen (= nicht mehr als 15 %) und unvorhersehbaren Überschreitung der Zuverdienstgrenze seien vom Gericht zu überprüfen. Unstrittig habe die Klägerin die Zuverdienstgrenze von 14.600 EUR um weniger als 15 % überschritten. Allerdings sei die Unvorhersehbarkeit der Überschreitung zu verneinen. Für selbständig Erwerbstätige und auch Landwirte seien jährliche Umsatz- und Gewinnschwankungen typisch. Solche typischen Einkunftsschwankungen könnten für sich allein keine Unvorhersehbarkeit bewirken. Den Leistungsbezieher treffe eine Überprüfungspflicht hinsichtlich der Höhe der zu erwartenden Einkünfte, was sich auch daran zeige, dass der Gesetzgeber mit dem Verzicht auf den Bezug von Kinderbetreuungsgeld (§ 5 Abs 6 KBGG) die Möglichkeit geschaffen habe, Einkünfte, die im Verzichtszeitraum erzielt worden seien, bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte (§ 8 KBGG) unberücksichtigt zu lassen. Gerade durch die Verzichtsmöglichkeit habe der Gesetzgeber auch auf Fälle mit unregelmäßigen Einkünften Bedacht genommen.

Die Klägerin könne sich daher nicht auf unvorhersehbare Erntemengen, Preisentwicklungen und Zahlungseingänge berufen; andere berücksichtigungswürdige Gründe habe sie nicht behauptet. Daraus folge, dass sie zur Rückzahlung des Kinderbetreuungsgeldes verpflichtet sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision sei nicht zulässig, weil der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung 10 ObS 63/09a zur Unbeachtlichkeit von Umsatzschwankungen bei selbständig Erwerbstätigen Stellung genommen habe; für Landwirte könne nichts anderes gelten.

In ihrer außerordentlichen Revision macht die Klägerin keine erheblichen Rechtsfragen (§ 502 Abs 1 ZPO) geltend.

Die Frage der Unvorhersehbarkeit der Überschreitung der Zuverdienstgrenze und auch des zumutbaren Sorgfaltsmaßstabs kann nur einzelfallbezogen gelöst werden (10 ObS 137/09h). Der Oberste Gerichtshof hat bereits in der (auch vom Berufungsgericht ausführlich zitierten) Entscheidung 10 ObS 63/09a = RIS-Justiz RS0124751 Leitlinien für die Beurteilung dieser Fragen aufgestellt, denen das Berufungsgericht gefolgt ist. Insoweit besteht auch - entgegen der Ansicht der Revisionswerberin - kein maßgeblicher Unterschied zwischen Landwirten und sonstigen selbständig Erwerbstätigen; auch diese können die Höhe der Einkünfte nicht über eine (mehr oder minder willkürliche) Festlegung des Datums der Verbuchung steuern.

Die Klägerin sieht die Zulässigkeit der Revision (auch) darin, dass im Hinblick auf die Sachverhaltsfeststellungen (dass sie keinen Einfluss auf den Zeitpunkt des Zahlungseingangs aus dem Verkauf der Ernte hatte und die Zahlung für einen 2002 verkauften Teil der Ernte erst 2003 einging) die Überschreitung der Zuverdienstgrenze bei Anlegung eines zumutbaren Sorgfaltsmaßstabs als unvorhersehbar zu qualifizieren sei. Aus diesem Grund sei auch ein monatsbezogener Vorausverzicht nicht möglich gewesen.

Auch wenn der Klägerin durchaus zuzugestehen ist, dass in der festgestellten Konstellation die Festlegung des Zeitraums eines Vorausverzichts schwierig ist, muss doch beachtet werden, dass die KBGG-Härtefälle-Verordnung auf die Unvorhersehbarkeit der Überschreitung der Zuverdienstgrenze und nicht auf die Möglichkeit der Abgabe eines Verzichts abstellt. Mit der Verzichtsmöglichkeit wurde in der Entscheidung 10 ObS 63/09a argumentiert, um zu dokumentieren, dass dem Gesetzgeber schwankende Einkünfte bewusst waren. Im Sinne dieser Entscheidung können typischerweise auftretende Einkunftsschwankungen - wie auch im Fall der Klägerin - für sich allein keine Unvorhersehbarkeit begründen, wohl aber beispielsweise außergewöhnliche, nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge nicht zu erwartende Vorgänge. Das Berufungsgericht hat bereits ausgeführt, dass es keine Hinweise auf solche atypischen Vorgänge gibt, wie etwa, dass sich der regelmäßig bereits im Erntejahr zu erwartende Zahlungseingang unerwartet auf das Folgejahr verschoben habe. Es ist nicht von vornherein außergewöhnlich, dass die Zahlung für einen im Jahr 2002 verkauften Teil der Ernte erst im Jahr 2003 eingeht.

Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Textnummer

E92990

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:010OBS00208.09Z.0119.000

Im RIS seit

18.02.2010

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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