TE OGH 2010/2/9 10Ob3/10d

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Veröffentlicht am 09.02.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Dominik R*****, geboren am 28. August 1995, und des mj Kevin R*****, geboren am 20. März 1997, beide vertreten durch das Land Niederösterreich als Jugendwohlfahrtsträger (Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf, Jugendwohlfahrt, Schönkirchnerstraße 1, 2230 Gänserndorf), über den Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg als Rekursgericht vom 6. Oktober 2009, GZ 20 R 70/09y, 20 R 71/09w-U47, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 12. März 2009, GZ 2 P 25/08b-U28 und -U29, bestätigt wurden, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Vater der Minderjährigen ist aufgrund eines Beschlusses des Bezirksgerichts Gänserndorf vom 9. 4. 2008 (ON U25) zu monatlichen Unterhaltsleistungen von 375 EUR je Kind verpflichtet. Dieser Unterhalt konnte durch eine zu 12 E 4157/05f des Bezirksgerichts Donaustadt geführte Gehaltsexekution in den letzten sechs Monaten vor der Antragstellung auf Gewährung von Unterhaltsvorschüssen (vom 25. 11. 2008) nicht gänzlich abgedeckt werden.

Mit Beschlüssen vom 12. 3. 2009 (ON U28 und U29) wurden den Minderjährigen aufgrund dieser Umstände antragsgemäß für die Zeit vom 1. 11. 2008 bis 31. 10. 2011 Unterhaltsvorschüsse gemäß §§ 3, 4 Z 1 UVG von jeweils 375 EUR monatlich gewährt.

Die Rekurse begründete der Rekurswerber allein damit, dass über das Vermögen des Unterhaltsschuldners am 24. 9. 2008 zu 12 S 52/08d des Bezirksgerichts Donaustadt ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet worden sei und mit einem Abschöpfungsverfahren geendet habe. Es bestünden daher begründete Bedenken iSd § 7 Abs 1 Z 1 UVG dagegen, dass die im Unterhaltstitel festgesetzte Unterhaltspflicht (noch) bestehe.

Das Rekursgericht gab den Rekursen nicht Folge. Wie sich aus dem Rechtsmittelvorbringen und der Aktenlage ergebe, sei das (den Unterhaltsschuldner betreffende) Abschöpfungsverfahren rechtskräftig eingeleitet und das Schuldenregulierungsverfahren mit 21. 11. 2008 aufgehoben (Seite 2 in ON U35 = AS 179). Auch wenn - nach einem Teil der Judikatur - ein im Schuldenregulierungsverfahren festgelegter Zahlungsplan oder ein Abschöpfungsverfahren die Unterhaltsbemessungsgrundlage schmälere, seien daraus keine begründeten Bedenken iSd § 7 Abs 1 Z 1 UVG abzuleiten; es könne nämlich nicht ohne Erhebungen, die ohne größere Verzögerungen durchgeführt werden könnten, entschieden werden, ob der Unterhaltsvorschuss herabzusetzen sei oder nicht.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil noch keine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob ein Abschöpfungsverfahren „begründete Bedenken" iSd § 7 Abs 1 Z 1 UVG begründe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs des Bundes, vertreten durch den Präsidenten des Oberlandesgerichts Wien, mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass den Rekursen des Bundes gegen die Beschlüsse des Erstgerichts vom 12. 3. 2009 (ON U28 und U29) teilweise Folge gegeben und diese Beschlüsse dahin abgeändert werden, dass jeweils ein monatlicher Unterhaltsvorschuss von 300 EUR gewährt werde.

Revisionsrekursbeantwortungen wurden nicht erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist im Hinblick auf die mittlerweile (nach Beschlussfassung des Rekursgerichts) vorliegende, einheitliche Rechtsprechung des erkennenden Fachsenats für Rechtssachen nach dem UVG nicht zulässig.

Der Rechtsmittelwerber beruft sich darauf, die Eröffnung eines Schuldenregulierungsverfahrens über das Vermögen des Unterhaltspflichtigen beeinflusse grundsätzlich die Unterhaltsbemessungsgrundlage (RIS-Justiz RS0119130). Er macht geltend, dass angesichts der aus der Insolvenzdatei ersichtlichen Einleitung des Abschöpfungsverfahrens keine Erhebungen mit größeren Verzögerungen erforderlich gewesen wären, um gemäß § 7 Abs 1 UVG den Unterhaltsvorschuss herabzusetzen. Ebenso wie die aufgrund eines gerichtlich bestätigten Zahlungsplans geleisteten Schuldenzahlungen seien im Abschöpfungsverfahren mit Restschuldbefreiung die vom unterhaltspflichtigen Schuldner dem Treuhänder abgetretenen Forderungen aus einem Arbeitsverhältnis (Abschöpfungsbeträge) von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzuziehen. Nach der Differenzmethode stehe den Kindern die Differenz der beiden zu ermittelnden Existenzminima zur Deckung der Unterhaltsansprüche (im vorliegenden Fall 598,97 EUR) zur Verfügung, sodass sich ein Unterhaltsanspruch von rund jeweils 300 EUR ergebe. Die dazu angestellte (im Revisionsrekus erstmals dargelegte) Berechnung zeige, dass amtswegige Erhebungen im Bewilligungsverfahren - zu einer Anpassung im Sinn einer Herabsetzung der titelmäßigen Unterhaltsverpflichtung an die tatsächlichen Verhältnisse - ohne größere Verzögerungen möglich gewesen wären. Daher hätte das Rekursgericht den Rekursen des Bundes gegen die Gewährungsbeschlüsse zumindest teilweise Folge geben müssen.

Damit wird keine erhebliche Rechtsfrage aufgezeigt:

Zur Auslegung des § 7 Abs 1 Z 1 UVG hat der Oberste Gerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen, dass die gänzliche oder teilweise Versagung (Herabsetzung oder Einstellung) der Vorschüsse an das Bestehen begründeter Bedenken gegen den aufrechten materiellen Bestand des zu bevorschussenden Unterhaltsanspruchs im titelmäßigen Ausmaß geknüpft ist. Bloß objektiv gerechtfertigte Zweifel reichen zur Versagung nicht hin; vielmehr müsste nach der Sachlage bei der Entscheidung über den Vorschussantrag mit „hoher Wahrscheinlichkeit" anzunehmen sein, dass die im Exekutionstitel festgesetzte Unterhaltspflicht nicht (mehr) bestehe oder, der gesetzlichen Unterhaltspflicht nicht entsprechend, zu hoch festgesetzt sei (RIS-Justiz RS0076391). § 7 Abs 1 UVG soll also vor allem einer missbräuchlichen Inanspruchnahme von Unterhaltsvorschüssen vorbeugen und es dem Gericht im Falle einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse ermöglichen, die Vorschüsse in der der gesetzlichen Unterhaltspflicht entsprechenden Höhe zu bemessen (10 Ob 46/09a; 10 Ob 91/08t mwN).

Der erkennende Senat, der nach der Geschäftsverteilung des Obersten Gerichtshofs seit 1. 1. 2008 als Fachsenat für Rechtssachen nach dem UVG (ausschließlich) zuständig ist, ist erst jüngst in mehreren Fällen von der - inzwischen bereits als „überholt" bezeichneten (10 Ob 46/09a mwN) - Rechtsansicht (RIS-Justiz RS0076080) abgegangen, dass bei Einleitung eines Konkursverfahrens über das Vermögen des Unterhaltspflichtigen regelmäßig begründete Bedenken iSd § 7 Abs 1 Z 1 UVG bestünden.

Der Oberste Gerichtshof hat dem Standpunkt, dass die Eröffnung eines Schuldenregulierungsverfahrens und der Abschluss eines Zahlungsplans für sich allein nicht geeignet sind, begründete Bedenken am Bestehen der Unterhaltspflicht iSd § 7 Abs 1 UVG hervorzurufen, also bereits wiederholt beigepflichtet. Dabei wurde ausdrücklich auch darauf hingewiesen, dass bloße Zweifel in keinem Stadium ein hinreichender Anlass für Erhebungen sind, ob und wie weit der Unterhaltstitel iSd § 7 Abs 1 Z 1 UVG unbedenklich ist (10 Ob 46/09a; 10 Ob 60/09k mwN).

Nach dieser Rechtsprechung ist somit - entgegen dem vom Rechtsmittelwerber zitierten Rechtssatz RIS-Justiz RS0119130 - nicht (mehr) davon auszugehen, dass die Eröffnung eines Schuldenregulierungsverfahrens über das Vermögen eines Unterhaltspflichtigen „grundsätzlich" die Unterhaltsbemessungsgrundlage beeinflusst. Schulden des Unterhaltspflichtigen vermindern daher keineswegs „schlechthin" die Bemessungsgrundlage und die Beweislast dafür, dass Schulden ausnahmsweise eine Abzugspost von der Unterhaltsbemessungsgrundlage darstellen, trifft immer den Unterhaltspflichtigen (RIS-Justiz RS0047491; 10 Ob 46/09a). Es wäre daher Sache des Präsidenten des Oberlandesgerichts gewesen, unter Anführung entsprechender konkreter Umstände (zB für das Vorliegen abzugsfähiger Schulden oder für eine herabgesetzte Leistungsfähigkeit des Vaters) gegebenenfalls einen Herabsetzungs- oder Einstellungsantrag iSd §§ 19 f UVG zu stellen (10 Ob 46/09a; 10 Ob 60/09k).

Die Beurteilung des Rekursgerichts, aufgrund des vom Rekurswerber allein geltend gemachten Umstands (dass über das Vermögen des Unterhaltsschuldners ein Schuldenregulierungsverfahren eröffnet worden sei und mit einem Abschöpfungsverfahren geendet habe) bestünden keine begründeten Bedenken iSd § 7 Abs 1 Z 1 UVG (gegen den aufrechten materiellen Bestand des zu bevorschussenden Unterhaltsanspruchs im titelmäßigen Ausmaß), entspricht daher den dargelegten Grundsätzen der Rechtsprechung.

Da auch in den Rechtsmittelausführungen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG geltend gemacht wird, ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Textnummer

E93204

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0100OB00003.10D.0209.000

Im RIS seit

11.03.2010

Zuletzt aktualisiert am

20.03.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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