TE OGH 2010/3/2 11Os215/09s

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Veröffentlicht am 02.03.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. März 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kleibel als Schriftführer, in der Strafsache gegen Atakan Ö***** und Gülsah Ö***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen beider Angeklagter sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft in Betreff des Erstangeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 22. Oktober 2009, GZ 31 Hv 160/09a-53, ferner über die Beschwerden des Atakan Ö***** (§ 498 Abs 3 StPO) und der Staatsanwaltschaft gegen unter einem gefasste Beschlüsse, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden werden das angefochtene Urteil (einschließlich der Vorhaftanrechnungen und des Erkenntnisses nach § 20a Abs 2 Z 2 StGB), das im Einziehungserkenntnis unberührt bleibt, sowie der Beschluss gemäß § 494a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Salzburg verwiesen.

Mit ihren Rechtsmitteln werden die Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil (das auch als „Beschluss" bezeichnete Entscheidungen nach §§ 20a Abs 2 Z 2 und 26 StGB enthält) wurden Atakan Ö***** und Gülsah Ö***** jeweils des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG schuldig erkannt.

Danach haben sie in S*****, teilweise alleine, teilweise gemeinsam als Mittäter vorschriftswidrig Suchtgift in Form von Substitol 200 mg-Tabletten (Wirkstoff á 150 mg Morphin) und Vendal 200 mg-Tabletten (Wirkstoff á 151,9 mg Morphin) in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge nachgenannten Personen überlassen, und zwar:

1./ Atakan Ö***** von 2007 bis Februar 2009 und von April 2009 bis Mai 2009 dem Günther W***** insgesamt zumindest 2500 Stück Substitol;

2./ Gülsah Ö***** von 2007 bis Mai 2009 dem Günther W***** insgesamt zumindest 2500 Stück Substitol;

3./ Atakan Ö***** und Gülsah Ö***** gemeinsam als Mittäter von Oktober 2008 bis Februar 2009 und von April 2009 bis Juni 2009 der Sandra N***** insgesamt zumindest 75 Stück Substitol;

4./ Atakan Ö***** von Oktober 2008 bis Februar 2009 und von April 2009 bis Juni 2009 insgesamt ca 375 Stück Substitol der Sandra N*****

5./ Atakan Ö***** und Gülsah Ö***** gemeinsam als Mittäter von Frühjahr 2008 bis Sommer 2008 der Melissa G***** insgesamt zumindest 60 Stück Substitol oder Vendal;

6./ Atakan Ö***** und Gülsah Ö***** gemeinsam als Mittäter von Oktober 2008 bis Ende Februar 2009 und von Mai 2009 bis 21. Juni 2009 der Jasmina P***** insgesamt ca 200 Stück Substitol und 40 Stück Vendal;

7./ Gülsah Ö***** von August 2008 bis 18. Juli 2009 der Michaela L***** insgesamt ca 100 Stück Substitol;

8./ Gülsah Ö***** von Jänner 2009 bis 18. Juli 2009 dem Robert Ne***** insgesamt ca 360 Stück Substitol;

9./ Atakan Ö***** von Oktober 2008 bis Februar 2009 und von Mai 2009 bis 20. Juli 2009 dem Friedrich La***** ca 240 Stück Substitol;

10./ Gülsah Ö***** von Oktober 2008 bis Jänner 2009 und von Juni 2009 bis 18. Juli 2009 einer Unbekannten namens „Sabrina" insgesamt ca 100 Stück Substitol;

11./ Atakan Ö***** zu einem unbekannten Zeitpunkt dem Günther O***** zumindest 8 Stück Substitol;

12./ Gülsah Ö***** von Juni 2009 bis Juli 2009 der Bianca Lan***** 12 Stück Substitol;

13./ Gülsah Ö***** von Ende 2008 bis Februar 2009 dem Wilhelm H***** 64 Stück Substitol;

14./ Atakan Ö***** von Ende 2008 bis Februar 2009 ca 60 Stück Substitol dem Wilhelm H*****

15./ Atakan Ö***** im Jänner 2009 2 Stück Substitol dem Gerhard Be*****.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richten sich Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagter, der Erstangeklagte gestützt auf die Z 4, 5 und 5a, die Zweitangeklagte auf die Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO.

Auf diese einzugehen erübrigt sich jedoch, weil aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden von Amts wegen eine von den Beschwerdeführern nicht geltend gemachte materielle Nichtigkeit (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) zu ihren Gunsten wahrzunehmen war (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Mehrere, für sich allein die Grenzmenge (§ 28b SMG) noch nicht überschreitende veräußerte Suchtgiftquanten sind in Bezug auf das Erreichen einer die Grenzmenge übersteigenden Menge nur insoweit zusammenzurechnen, als der Vorsatz (§ 5 Abs 1 StGB) eines Täters von vornherein die kontinuierliche Begehung und den daran geknüpften Additionseffekt mitumfasst (Schroll, RZ 2008, 92; RIS-Justiz RS0124018).

Vorliegend vermögen die zum Schuldspruch beider Angeklagter - auch in Ansehung der Punkte 1./ und 2./ des Schuldspruchs - getroffenen Feststellungen, wonach sie (in offenbar vielfachen Tathandlungen [vgl US 2, 11]) die im Spruch genannten Mengen von Substitol und Vendal, jeweils in einer Dosierung von 200 mg mit dem darin enthaltenen Wirkstoff Morphin verkauften und durch Ein- und Verkauf jeweils 25.000 Euro lukrierten (US 8f), die Annahme der rechtlichen Qualifikation nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG nicht zu tragen. Es fehlen nämlich Feststellungen zur subjektiven Tatseite, insbesondere dazu, ob der Vorsatz der Angeklagten beim Verkauf der Suchtmittel darauf gerichtet war, jeweils in mehreren Teilakten die kontinuierliche Inverkehrsetzung eines die Grenzmenge (§ 28b SMG) bzw deren Fünfundzwanzigfaches übersteigenden Suchtgiftquantums zu bewirken und daher ihr Wille den notwendigen daran geknüpften Additionseffekt mitumfasst (s zur Zusammenfassung zu einer mengenbestimmten Qualifikation, RIS-Justiz RS0117464). Die Erwähnung eines von ihnen geplanten Suchtgiftverkaufs „im größeren Stil", der vielfachen, täglichen Übergaben (US 8), einer „intensiven Suchtgifthandelstätigkeit" sowie eines „Familienbetriebs" (US 12) reicht hiefür nicht aus.

Dieses, eine zweifelsfreie Subsumtion nicht zulassende Fehlen vor Feststellung bewirkt eine materielle Nichtigkeit nach Z 10 des § 281 Abs 1 StPO und macht eine gänzliche (RIS-Justiz RS0115884) Urteilsaufhebung (einschließlich der Vorhaftanrechnungen und des Erkenntnisses gemäß § 20a Abs 2 Z 2 StGB) sowie des darauf basierenden Beschlusses gemäß § 494a Abs 1 Z 2, Abs 6 StPO sowie eine Verfahrenserneuerung notwendig.

Textnummer

E93328

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0110OS00215.09S.0302.000

Im RIS seit

30.04.2010

Zuletzt aktualisiert am

30.04.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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