TE OGH 2010/3/25 2Ob35/10a

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.03.2010
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dorothea S*****, vertreten durch Dr. Arnulf Summer und andere Rechtsanwälte in Bregenz, gegen die beklagten Parteien 1. Melanie H*****, 2. Lothar H*****, 3. Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs, Schwarzenbergplatz 7, 1030 Wien, und 4. D***** AG, *****, sämtliche vertreten durch Dr. Eugen Amann, Rechtsanwalt in Bregenz, wegen 2.300 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgericht vom 10. Dezember 2009, GZ 1 R 393/09s-51, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Bregenz vom 22. Oktober 2009, GZ 4 C 891/08a-46, zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 371,64 EUR (darin 61,94 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

B e g r ü n d u n g :

Die Klägerin begehrte nach einem Verkehrsunfall von den beklagten Parteien Schmerzengeld in Höhe von zuletzt 2.300 EUR sA. Sie brachte vor, ein „HWS-Syndrom“ erlitten zu haben und dass ihr Sehvermögen beeinträchtigt worden sei. Es lägen auch mit den Schmerzen verbundene „seelische Zustände“ vor.

Die beklagten Parteien wandten ein, bei einer stoßbedingten Geschwindigkeitsänderung von deutlich weniger als 10 km/h könne die behauptete Verletzung nicht entstanden sein.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dabei stützte es sich insbesondere auf folgende Feststellungen:

„Dass die Klägerin durch den gegenständlichen Verkehrsunfall ein HWS-Syndrom erlitten hat, kann nicht festgestellt werden. Die Klägerin erlitt durch den gegenständlichen Verkehrsunfall aber auch keine wie immer geartete physische Körperverletzung. Auch trat bei der Klägerin weder eine depressive Entwicklung noch eine psychosomatische Störung im engeren Sinn ein.“

Die Klägerin bekämpfte dieses Urteil aus dem mit „unrichtiger rechtlicher Beurteilung des festgestellten Sachverhalts einschließlich sekundärem Feststellungsmangel“ bezeichneten Berufungsgrund.

Das Berufungsgericht wies mit dem angefochtenen Beschluss die Berufung der Klägerin zurück. Es führte aus, die Klägerin bekämpfe unter dem Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung ausschließlich die Negativfeststellungen des Erstgerichts und führe noch eine Mängelrüge aus. Beides sei gemäß § 501 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Die Berufung sei daher als unzulässig zurückzuweisen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Berufungsgericht die inhaltliche Entscheidung über die Berufung aufzutragen.

Die beklagten Parteien beantragen in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, weil gegen den Beschluss, mit dem das Berufungsgericht eine Berufung aus formellen Gründen zurückweist, gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO der Rekurs ohne Rücksicht auf den Wert des Entscheidungsgegenstands und auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO erhoben werden kann (2 Ob 244/05d; 7 Ob 185/09w; RIS-Justiz RS0043893). Auch die Rekursbeantwortung ist zulässig (§ 521a Abs 1 ZPO idF ZVN 2009).

Der Rekurs ist nicht berechtigt.

Die Klägerin führt aus, sie habe in ihrer Berufung sekundäre Feststellungsmängel und damit eine Rechtsrüge geltend gemacht. Das Berufungsgericht wäre zur allseitigen rechtlichen Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils verpflichtet gewesen.

Dieser Ansicht ist nicht zu folgen:

Nach § 501 Abs 1 ZPO idF des Art 15 Z 18 lit a BudgetbegleitG, BGBl I 2009/52, ist dann, wenn das Erstgericht über einen Streitgegenstand entschieden hat, der an Geld oder Geldeswert 2.700 EUR nicht übersteigt, das Urteil nur wegen Nichtigkeit und wegen einer ihm zugrundeliegenden unrichtigen rechtlichen Beurteilung bekämpfbar. Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Rechtsansicht, dass in Rechtsstreitigkeiten mit einem diese Bagatellgrenze nicht übersteigenden Streitgegenstand Berufungen, in denen ausschließlich andere als die in § 501 Abs 1 ZPO genannten Berufungsgründe geltend gemacht werden, als unzulässig zurückzuweisen sind (RIS-Justiz RS0041863). Eine sachliche Entscheidung ist nur dann zu treffen, wenn zulässige Berufungsgründe geltend gemacht und inhaltlich ausgeführt werden (2 Ob 244/05d mwN; 7 Ob 185/09w). Dabei kommt es nicht darauf an, wie die geltend gemachten Berufungsgründe bezeichnet werden, sondern darauf, welchem Berufungsgrund die Ausführungen im Rechtsmittel zuzuzählen sind (RIS-Justiz RS0111425). Sekundäre Feststellungsmängel liegen nur dann vor, wenn Tatsachen fehlen, die für die rechtliche Beurteilung wesentlich sind, und dies Umstände betrifft, die nach dem Vorbringen der Parteien und den Ergebnissen des Verfahrens zu prüfen waren (RIS-Justiz RS0053317). Werden aber zu einem bestimmten Thema (positive oder negative) Feststellungen getroffen, so ist es ein Akt der Beweiswürdigung, wenn die vom Rechtsmittelwerber gewünschten (abweichenden) Feststellungen nicht getroffen werden (7 Ob 185/09w).

Die Klägerin stützte sich in ihrer Berufung wohl auf den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung, dem auch die Geltendmachung sekundärer Feststellungsmängel aufgrund unrichtiger rechtlicher Beurteilung zuzuordnen ist. Inhaltlich richteten sich ihre Ausführungen jedoch nur gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichts, indem sie unter Darlegung und Würdigung eines ihrer Ansicht nach ihre Tatsachenbehauptungen unterstützenden Sachverständigengutachtens positive Feststellungen zu der behaupteten Verletzung der Halswirbelsäule und deren Folgen wünschte. Angesichts der zu diesem Thema getroffenen Negativfeststellung wurden mit diesem Feststellungswunsch aber keine sekundären Feststellungsmängel geltend gemacht. Soweit die Klägerin die unterlassene Einholung eines „Obergutachtens“ rügte, relevierte sie den Berufungsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens. Eine Rechtsrüge wurde demnach nicht ausgeführt.

Da die Berufung nur unzulässige Inhalte aufwies, wurde sie vom Berufungsgericht zu Recht zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Schlagworte

Gruppe: Verkehrsrecht,Verkehrsopfergesetz,

Textnummer

E93712

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0020OB00035.10A.0325.000

Im RIS seit

28.05.2010

Zuletzt aktualisiert am

27.08.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten