TE OGH 2010/3/25 2Ob31/10p

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Veröffentlicht am 25.03.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers Dr. Dietmar ***** S*****, vertreten durch Dr. Ägidius Horvatits, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Mag. Dagmar ***** S*****, vertreten durch Dr. Rupert Wolff, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Ehescheidung (und Unterhalt), über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 21. Oktober 2009, GZ 21 R 197/09f-31, womit das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 20. März 2009, GZ 41 C 83/07f-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtenen Entscheidungen werden dahingehend abgeändert, dass das gleichteilige Verschulden der Streitteile ausgesprochen wird.

Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger 3.069,26 EUR (darin enthalten 403,64 EUR USt und 647 EUR Barauslagen) an Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Streitteile vereinbarten am Beginn ihrer Ehe, dass die Beklagte sich um die Kinder kümmert und den Haushalt führt, solange sie keiner Arbeit nachgeht. Sie absolvierte ein Lehramtsstudium im Fach „Werkerziehung für Knaben“ und ab 2004 das Pädagogikjahr. Danach war sie allerdings in diesem Beruf nicht tätig, sondern arbeitete sporadisch, indem sie Keramikkurse veranstaltete oder in einem von ihr mitgegründeten Verein tätig war. Aufgrund ihrer Ausbildung zimmerte sie auch Teile der Einrichtung in der Wohnung der Streitteile.

Die Beklagte hat den Kläger jahrelang persönlich respektlos und herabwürdigend behandelt, zB die Art, wie er aß, als „grausig“, sein lautes Atmen bei Schitouren sowie im ehelichen Schlafzimmer und seinen „grausigen Bauch“ bemängelt. Sie hat seine Freunde abgelehnt und arrogant behandelt, sodass sich der Kläger mit ihnen auswärts treffen musste. Wenn der Kläger der Beklagte Geschenke machte (1995 ein Fahrrad, später einen Laptop), bezeichnete sie diese als „Schrott“. Als der Kläger versuchte mit der Beklagten und den gemeinsamen Töchtern Reiten zu gehen, meinte die Beklagte abschätzig, er sei doch kein Reiter. Während der Ehe erledigte der Kläger die Einkäufe und kochte zu 50 bis 70 %. Wenn die Beklagte kochte, dann lediglich kleine Speisen, die für sie ausreichend waren, nicht aber für den sportlichen, großen und schweren Kläger, den sie mit „friss nicht soviel“ oder „was du alles zusammen frisst“ bedachte. Teilweise baten sogar die Töchter, der Kläger möge wieder einkaufen gehen, damit etwas im Kühlschrank sei. Auch kam es vor, dass der Kläger weder T-Shirts noch Unterwäsche anzuziehen hatte, weil die Beklagte 30 Tage lang nicht gewaschen hatte, obwohl das Bügeln von einer Bügelfrau erledigt wurde. Weiters wurde auch eine Putzfrau beschäftigt und arbeitete jemand im Garten. Für die Probleme und Sorgen des Klägers in seiner Ordination als Zahnarzt interessierte sich die Beklagte nicht, ebenso wenig für darüber hinausgehende berufliche Tätigkeiten des Klägers, wie Vorträge etc.

Der Kläger ging im Frühjahr 2007 ein außereheliches Verhältnis ein, das die Beklagte im Sommer 2007 aufdeckte, woraufhin sie im September 2007 aus der ehelichen Wohnung auszog, später aber wieder zurück kam. Die unheilbare Zerrüttung der Ehe wurde von den Vorinstanzen mit Herbst 2007 angenommen.

Der Kläger begehrt die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden der Beklagten, die ständig an ihm herumgenörgelt und sich nicht für ihn und seine berufliche Sorgen interessiert habe.

Die Beklagte beantragte die Abweisung der Scheidungsklage und wendete hilfsweise das alleinige bzw überwiegende Verschulden des Klägers ein. Die geltend gemachten Scheidungsgründe seien verziehen worden und gemäß § 57 EheG verfristet. Der Kläger unterhalte eine außereheliche Beziehung. Ein (abgewiesenes) Unterhaltsbegehren der Beklagten ist nicht mehr Gegenstand des drittinstanzichen Verfahrens.

Das Erstgericht sprach die Scheidung der Ehe aus dem überwiegenden Verschulden des Klägers aus.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zu.

Der Kläger strebt mit seiner Revision eine Abänderung dahingehend an, das überwiegende Verschulden der Beklagten in eventu das gleichteilige Verschulden auszusprechen. Weiters in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die außerordentliche Revision „abzuweisen“.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und berechtigt:

Nach der Judikatur sind die beiderseitigen Eheverfehlungen in ihrer Gesamtheit gegenüber zu stellen, wobei es nicht nur auf den Grad der Verwerflichkeit der einzelnen Ehewidrigkeiten ankommt, sondern auch darauf, wie weit sie einander bedingten und welchen ursächlichen Anteil sie am Scheitern der Ehe hatten (RIS-Justiz RS0057268; RS0057223). Es ist zu berücksichtigen, wer mit der schuldhaften Zerstörung der Ehe den Anfang gemacht hat und wodurch die Zerrüttung zu einer unheilbaren wurde (RIS-Justiz RS0057361; RS0056579). Ein überwiegendes Verschulden ist nur dort anzunehmen und auszusprechen, wo der graduelle Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile augenscheinlich hervortritt (RIS-Justiz RS0057821).

Auch wenn der Ehebruch grundsätzlich als besonders schwere Eheverfehlung einzuschätzen ist, obwohl er keinen absoluten Scheidungsgrund mehr darstellt (RIS-Justiz RS0056496 [insbes T3]), ist im vorliegenden Fall das jahrelange respektlose und herabwürdigende Verhalten der Beklagten gegenüber dem Kläger, ihre Vernachlässigung des Haushalts und ihr Desinteresse an den beruflichen Sorgen des Klägers zu berücksichtigen. Dabei liegt ein fortgesetztes ehewidriges Verhalten vor, das als Einheit zu sehen ist, sodass eine Verfristung gemäß § 57 EheG nicht besteht (Aichhorn in Gitschthaler/Höllwerth, Kommentar zum Ehegesetz, § 57 Rz 5). Überdies können auch verziehene Eheverfehlungen zur Unterstützung eines nicht auf verziehene Eheverfehlungen gestützten Begehrens herangezogen werden und solche Eheverfehlungen bei der Verschuldensabwägung gemäß § 60 EheG oder beim Verschuldensausspruch nach § 61 Abs 2 oder 3 EheG berücksichtigt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht (Aichhorn aaO Rz 8 mwN).

Unter Berücksichtigung all dieser Umstände ist der erkennende Senat der Auffassung, dass im vorliegenden Fall das gleichteilige Verschulden der Streitteile auszusprechen ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 1, § 45a Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Der vorinstanzliche Prozesserfolg des Klägers im Unterhaltsverfahren wurde mitberücksichtigt.

Textnummer

E93796

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0020OB00031.10P.0325.000

Im RIS seit

05.06.2010

Zuletzt aktualisiert am

05.03.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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