TE OGH 2010/4/8 13Os23/10x

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Veröffentlicht am 08.04.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. April 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Lässig, Dr. Nordmeyer und Mag. Hautz in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Rumpl als Schriftführerin in der Strafsache gegen Miroslav K***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des als Mitglied einer kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 zweiter und vierter Fall, 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Miroslav K***** und Marian R***** gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom 10. Dezember 2009, GZ 37 Hv 156/09m-157, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

B e s c h l u s s

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

G r ü n d e :

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Miroslav K***** des Verbrechens des als Mitglied einer kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, 130 zweiter und vierter Fall, 15 StGB und Marian R***** des Verbrechens des als Mitglied einer kriminellen Vereinigung gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130 zweiter und vierter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach haben Miroslav K***** und Marian R***** in Wien, Kottingbrunn, Wiener Neudorf und Guntramsdorf mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz durch Aufbrechen von Transportmitteln und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen durch Einbruch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, im Urteil namentlich genannten Personen jeweils PKWs in einem hinsichtlich Miroslav K***** 50.000 Euro und hinsichtlich Marian R***** 3.000 Euro übersteigenden Gesamtwert als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung (§ 12) eines anderen namentlich genannten Mitglieds dieser Vereinigung in jeweils mehreren Angriffen weggenommen (I) sowie Miroslav K***** in einem weiteren Angriff wegzunehmen versucht (II).

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von beiden Angeklagten aus Z 5, von Miroslav K***** überdies aus Z 4 und 5a und von Marian R***** auch aus Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden gehen fehl.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Miroslav K*****:

Der Zeuge Günther S***** gab zur Observation am 15. Mai 2009 in der Hauptverhandlung an, dass Miroslav K***** eindeutig als im gestohlenen Fahrzeug sitzend erkannt worden sei, er selbst allerdings den Angeklagten nicht im Auto identifiziert habe und dies seitens der Observationsgruppe erfolgt sei (ON 156 S 39 und 43). Der Verteidiger beantragte in der Folge die „Vernehmung der Beamten der Observationsgruppe, ersichtlich aus ON 21, zum 15. Mai 2009, zum Beweis dafür, dass der Erstangeklagte nicht in dem gestohlenen Fahrzeug anwesend gewesen ist und daher die ihm angelasteten Straftaten nicht begangen hat“ (ON 156 S 67). Dieser Antrag wurde vom Schöffengericht wegen „Unerheblichkeit“ mit der Begründung abgewiesen, dass die Anwesenheit des Erstangeklagten in Wien am 15. Mai 2009 von diesem selbst zugestanden worden sei. Im Anschluss daran wurde „allseits einvernehmlich gemäß § 252 Abs 1 Z 4 iVm 2a StPO“ der gesamte Akteninhalt verlesen (jeweils ON 156 S 69).

Die Vernehmung des Polizeibeamten Günther S***** als sog Verhörsperson stellt sich als eine Nichtigkeit aus Z 3 begründende Umgehung des (bedingten) Verlesungsverbots nach § 252 Abs 1 StPO dar (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 236; Kirchbacher, WK-StPO § 252 Rz 109). Die Berichte der Kriminalpolizei (ON 21 S 3 bis 7; ON 131 S 11 und 15), in welchen die Beobachtungen der observierenden Beamten festgehalten wurden und welche der Zeuge zum Inhalt seiner Aussage gemacht hatte, wurden als amtliche Schriftstücke mit dem Ziel errichtet, deren Aussagen festzuhalten und fielen damit unter das Beweiserhebungsverbot (= Beweisgewinnungsverbot; vgl Schmoller, JRP 2002, 251 [252, FN 9]) des § 252 Abs 1 StPO, welches das - mit dem Fragerecht nach Art 6 Abs 3 lit d MRK normativ verknüpfte - strafprozessuale Unmittelbarkeitsprinzip gegen Unmittelbarkeitssurrogate, die durch die Ausnahmesätze der Z 1 bis 4 des § 252 Abs 1 StPO nicht gedeckt sind, bei sonstiger Nichtigkeit absichert (13 Os 153/03, SSt 2004/12 = EvBl 2004/142, 649 = JBl 2004, 594 [Burgstaller]).

Da der Inhalt der Aussagen dieses Zeugen „vom Hörensagen“ durch die einverständliche Verlesung der schriftlichen Berichte der Kriminalpolizei danach rechtens im Beweisverfahren der Hauptverhandlung vorkam, wurde der Vorgang jedoch gemäß § 252 Abs 1 Z 4 StPO nachträglich saniert (vgl RIS-Justiz RS0118778 [T3]).

Unter dem Aspekt (bloß) der Z 4 betrachtet, ist der Antrag nicht als Begehren zu verstehen gewesen, die Glaubwürdigkeit der observierenden Beamten, deren Depositionen über die Vernehmung des Günther S***** indirekt in das Hauptverfahren eingeführt worden waren, zu überprüfen. Diese wurde nicht in Frage gestellt, was sich schon darin zeigt, dass sich der Beschwerdeführer mit der Verlesung der Berichte einverstanden erklärte (ON 156 S 69). Der begehrte Verfahrensschritt war daher aus diesem Blickwinkel auf eine unzulässige Erkundungsbeweisführung gerichtet (RIS-Justiz RS0107040).

Der weiteren Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden auch durch Abweisung des Antrags auf Vernehmung der Zeugin „Jana M***** zu Faktum 8 zum Beweis der Richtigkeit der Angaben des Erstangeklagten, dass es um die Verbringung eines BMW gegangen sei am 26. April und sich auch die entsprechenden TÜ-Protokolle auf diese Verbringung bezogen haben“ (ON 156 S 67), Verteidigungsrechte nicht beeinträchtigt, weil auch dieser nicht erkennen ließ, warum die Zeugin Aussagen zum angeführten Beweisthema hätte machen können, und ihm solcherart nicht zu entnehmen war, warum die beantragte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse.

Das ergänzende Vorbringen der Nichtigkeitsbeschwerde unterliegt dem Neuerungsverbot und war daher unerheblich (RIS-Justiz RS0099618).

Indem der Beschwerdeführer unter Anführung bloß einzelner Elemente der umfangreich erörterten (US 16 - 24) Indizienkette den - logisch und empirisch einwandfreien - Überlegungen der Tatrichter für ihn günstigere Schlussfolgerungen aufgrund eigener Beweiswerterwägungen entgegenstellt, bewegt er sich - nominell aus Z 5 - auf dem Niveau einer im Schöffenverfahren unzulässigen Schuldberufung (RIS-Justiz RS0116732 [T3]).

Die Bejahung bloß einzelner von mehreren erheblichen Tatumständen, die erst in der Zusammenschau die Feststellung einer entscheidenden Tatsache tragen (hier: angeblich zur Koordination und Warnung erfolgte Telefonkontakte), sind nicht Gegenstand einer Anfechtung aus Z 5.

Die Tatsachenrüge (Z 5a) erlaubt eine Bekämpfung der Beweiswürdigung nur insoweit, als sie völlig lebensfremde Ergebnisse derselben durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel (bei gleichzeitiger Bedachtnahme auf die Gesamtheit der tatrichterlichen Beweiserwägungen) aufzuzeigen in der Lage ist (RIS-Justiz RS0118780).

Indem der Beschwerdeführer es zu I/C/1 und 3 sowie I/E/1 und 4 unterlässt, gegen seine Täterschaft sprechende Beweisergebnisse zu benennen, wird die Tatsachenrüge nicht prozessförmig zur Darstellung gebracht. Warum eine polizeiliche Kontrolle um 04:45 Uhr auf der Nordostautobahn A6 in Richtung Slowakei (richtig: ON 131 S 53) der Tatbegehung zu I/E/2 und 3 entgegenstehen sollte, sagt die Beschwerde nicht konkret.

Unter dem Aspekt der Aufklärungsrüge bleibt offen, was den Beschwerdeführer an sachgerechter Antragstellung gehindert hat.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Marian R*****:

Diese erschöpft sich aus Z 5 in wortreichen Plausibilitätsüberlegungen, ohne sich damit am geltend gemachten Nichtigkeitsgrund auszurichten. Ebenso wenig am Verfahrensrecht orientiert ist die Rechtsrüge, welche nicht an den Feststellungen der Tatrichter anknüpft, sondern diese beweiswürdigend in Abrede stellt.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E93745

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0130OS00023.10X.0408.000

Im RIS seit

31.05.2010

Zuletzt aktualisiert am

20.10.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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