TE OGH 2010/4/20 1Ob32/10b

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Veröffentlicht am 20.04.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Anton M*****, vertreten durch Mag. Maria Kincses, Rechtsanwältin in Traun, gegen die beklagte Partei T*****, eingetragener Verein, *****, vertreten durch Hochleitner Ransmayr GesbR in Eferding, wegen Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 8. Oktober 2009, GZ 16 R 146/09t-16, womit das Urteil des Bezirksgerichts Traun vom 8. April 2009, GZ 2 C 1473/08b-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil wie folgt lautet:

„Das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass die in der Generalversammlung der beklagten Partei am 5. Dezember 2007 gefassten Beschlüsse hinsichtlich der Statutenänderung und der erfolgten Neuwahlen nichtig sind, wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.235,14 EUR (darin enthalten 358,52 EUR USt und 1.084 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.“

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist ordentliches Mitglied des beklagten Vereins. Er begehrte die Feststellung, die Beschlüsse der außerordentlichen Generalversammlung vom 5. Dezember 2007 über die Statutenänderung und die Neuwahl des Vorstands seien nichtig. Er habe zwar zu dieser Generalversammlung eine Einladung erhalten, in dieser seien als Tagesordnungspunkte aber lediglich „Begrüßung“, „EURO 2008“, „Neuwahl“ und „Allfälliges“ angeführt gewesen, nicht jedoch eine beabsichtigte Statutenänderung. Erst aufgrund eines kurz vor Beginn der Generalversammlung beim Präsidenten von dreizehn Vereinsmitgliedern eingebrachten Antrags sei der Punkt „Statutenänderung“ in die Tagesordnung aufgenommen worden. Die Statutenänderung sei dann in der außerordentlichen Generalversammlung vom 5. Dezember 2007 beschlossen worden, ohne dass zuvor den nicht anwesenden Mitgliedern eine Möglichkeit zur Stellungnahme und Mitwirkung an der Willensbildung eingeräumt worden wäre; dies, obwohl die Änderung der Statuten zu einer maßgeblichen Umbildung des Vereins geführt habe. Auch die auf Basis der geänderten Statuten vorgenommene Neuwahl des Vorstands sei nichtig und unwirksam. Der ordentliche Rechtsweg stehe offen, weil das Schiedsgericht der beklagten Partei angerufen worden sei, aber keine Entscheidung getroffen habe.

Die beklagte Partei wendete im Wesentlichen ein, sowohl die Einberufung der außerordentlichen Generalversammlung als auch die Antragstellung über eine Satzungsänderung und die darüber erfolgte Abstimmung seien statutenkonform gewesen. Die Dringlichkeit der Einberufung einer außerordentlichen Generalversammlung für den 5. Dezember 2007 habe sich aus der Notwendigkeit einer Antragstellung um finanzielle Unterstützung durch die Gemeinde ergeben. Gemäß Pkt 12.2. der Statuten müssten Anträge von mindestens zehn Vereinsmitgliedern der Generalversammlung ohne Rücksicht auf den Einbringungszeitpunkt vorgelegt werden. Indem der Kläger der außerordentlichen Generalversammlung vom 5. Dezember 2007 fern geblieben sei, habe er sich selbst das Recht genommen, zum Entwurf der Statutenänderung Stellung zu beziehen. Der Antrag auf Statutenänderung sei mit einem Quorum von 90 % der Stimmen angenommen worden. Auch die Neuwahl des Vorstands - dessen personelle Zusammensetzung sich nur geringfügig geändert habe - sei mit Stimmenmehrheit erfolgt. Die geänderten Statuten seien in der Folge von der Vereinsbehörde genehmigt worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Der Vorstand des beklagten Vereins berief für den 5. Dezember 2007 eine außerordentliche Generalversammlung ein. Anlass war eine im Hinblick auf die Veranstaltung „EURO 2008“ erforderliche Beschlussfassung über die Höhe des maximal einzugehenden Verlusts, um rechtzeitig einen Antrag auf Gewährung einer finanziellen Unterstützung an den Gemeinderat stellen zu können. Das Tagesordnungsprogramm der Einladung zur außerordentlichen Generalversammlung umfasste die Punkte „EURO 2008“ sowie „Neuwahlen“. Dem Kläger ging die Einladung zu. Wenige Stunden vor Beginn der Generalversammlung reichten Vereinsmitglieder einen Antrag auf Statutenänderung in der Geschäftsstelle der beklagten Partei ein. Hintergrund dafür war, dass schon einige Monate lang über eine Statutenänderung diskutiert worden war, um die Entscheidungswege im Vereinsvorstand zu verkürzen und dringliche Entscheidungen zu vereinfachen. Aufgrund dieses Antrags wurde die Tagesordnung dahingehend abgeändert, dass auch über den Antrag auf Statutenänderung abgestimmt werden sollte. Nach Eröffnung der außerordentlichen Generalversammlung erfolgte vorerst eine Beschlussfassung über den Tagesordnungspunkt „EURO 2008“. Danach kam es zu einer etwa halbstündigen Debatte über den Antrag auf Statutenänderung. Insbesondere wurden folgende Änderungen diskutiert:

„Zu Punkt 13.1.:

Die Größe des Vorstands, mit Sitz und Stimme, wird reduziert auf den Präsidenten, den Schriftführer, den Kassier sowie jeweils mindestens einen Stellvertreter.

Zu Punkt 13.3.:

Die Wahl des Vorstands aus der Mitte der Mitglieder erfolgt für vier Jahre von der Generalversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit der abgegebenen Stimmen.

Zu Punkt 15.:

Aufgrund des verkleinerten Vorstands ist die Leitungsgruppe als solche nicht mehr notwendig. In beratender Funktion zum Vorstand, ohne Leitungsfunktion nach außen, wird der Beirat aus maximal 11 Mitgliedern, wobei dem Gemeinderat der Stadt T***** die Entsendung von maximal 6 Personen zusteht, bestellt. Der Beirat ist vom Vorstand zweimal jährlich einzuberufen und über die Zielsetzungen und laufenden Aktivitäten des Vereins zu informieren.“

Der Antrag auf Änderung der Statuten wurde mit der - gemäß Pkt 11.2. der noch geltenden Statuten - nötigen Mehrheit von 2/3 der in der Generalversammlung anwesenden Mitglieder angenommen. Unter einem wurde auch eine Änderung des Pkts 11.2. der bisherigen Statuten dahin beschlossen, dass ab nun für Statutenänderungen eine 2/3-Mehrheit aller Mitglieder erforderlich sei. Aufgrund der geänderten Statuten erfolgte letztlich die Neuwahl des - zahlenmäßig verringerten - Vorstands. Der Kläger nahm an der außerordentlichen Generalversammlung nicht teil.

Rechtlich führte das Erstgericht aus:

Das nach Pkt 11.1. der Statuten für die ordentliche Generalversammlung vorgesehene Erfordernis der Ladung unter Bekanntgabe der Tagesordnung mindestens eine Woche vor dem angesetzten Termin gelte sinngemäß auch für die Einberufung einer außerordentlichen Generalversammlung. Dessen ungeachtet sei in der Einladung zur außerordentlichen Generalversammlung vom 5. Dezember 2007 der Tagesordnungspunkt „Statutenänderung“ nicht aufgeschienen. Außerdem sei die außerordentliche Generalversammlung dringlichen Angelegenheiten vorbehalten. Eine schon längere Zeit hindurch diskutierte Statutenänderung sei nicht als dringliche Angelegenheit anzusehen. Der dennoch darüber gefasste Beschluss sei ebenso nichtig, wie die auf Grundlage der geänderten Statuten erfolgten Neuwahlen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des beklagten Vereins nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und dass die ordentliche Revision zulässig sei. Unter Beachtung der berechtigten Interessen der Mitglieder des Vereins seien diese auch vor außerordentlichen Generalversammlungen über alle vorgesehenen Tagesordnungspunkte in Kenntnis zu setzen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich sachgerecht vorzubereiten und bei der Beschlussfassung mitzuwirken. Entsprechend den Regeln eines fairen Verfahrens müsse den Mitgliedern rechtzeitig Kenntnis von anstehenden Abstimmungsthemen vermittelt werden, insbesondere wenn diese - wie etwa Satzungsänderungen - wesentliche Vereinsagenden oder Vereinsstrukturen beträfen. Der Kläger sei nicht davon in Kenntnis gesetzt worden, dass im Rahmen der außerordentlichen Generalversammlung auch über eine maßgebliche Statutenänderung und auf deren Basis sogleich über eine Neuwahl des Vorstands abgestimmt werden sollte. Dies verstoße gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens. Wenngleich nicht alle Beschlüsse bei Einberufungsmängeln als nichtig einzustufen seien, treffe dies auf die vorliegende Statutenänderung sehr wohl zu, weil diese wesentlich in die Organisationsstrukturen des Vereins eingegriffen habe, und zwar insbesondere deshalb, weil die Anzahl der Vorstandsmitglieder reduziert und das erforderliche Quorum für zukünftige Statutenänderungen geändert worden sei. Dass  - wie in Punkt 12.2. der Statuten vorgesehen - Anträge von mindestens zehn Vereinsmitgliedern der Generalversammlung ohne Rücksicht auf den Einbringungszeitpunkt vorgelegt werden müssen, bedeute noch nicht, dass über diese Anträge in dieser Generalversammlung auch entschieden werden dürfe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig und berechtigt.

1. Das VerG 2002 enthält keine ausdrückliche Regelung, wonach die Einladung für eine Vereinsversammlung die Bekanntgabe einer Tagesordnung unbedingt enthalten müsste. Die Fragen, ob und inwieweit die Tagesordnung im Voraus bekannt gegeben sein muss und unter welchen Umständen zusätzliche Angelegenheiten auch noch unmittelbar vor oder während der Sitzung auf die Tagesordnung gesetzt werden dürfen, kann in den Statuten geregelt werden (Krejci/S. Bydlinski/Weber-Schallauer, Vereinsgesetz 2002, Kurzkommentar2, § 3 Rz 114). In den Statuten der beklagten Partei fanden und finden sich entsprechende Regelungen im Pkt 11.1. - der unzweifelhaft auch für außerordentliche Generalversammlungen anzuwenden ist - und in Pkt 12.2. Jedenfalls von bedeutsamen und weittragenden Tagesordnungspunkten - wie beispielsweise von beabsichtigten maßgeblichen Satzungsänderungen oder von der geplanten Auflösung des Vereins - müssen die Mitglieder schon aus elementaren Gründen der Vereinsdemokratie aber so rechtzeitig vor dem Zusammentritt der Mitgliederversammlung informiert werden, dass genügend Zeit zu einer sachgerechten Vorbereitung bleibt (Höhne/Jöchl/Lummerstorfer, Das Recht der Vereine3, 129). Andernfalls bliebe der für die Beschlussfassung einer Personenmehrheit ganz allgemein geltende Grundsatz unbeachtet, nach dem allen zur Mitwirkung an der Willensbildung berufenen Personen die Tatsache der beabsichtigten Beschlussfassung rechtzeitig mitgeteilt und ihnen auch Gelegenheit zur sachlichen Stellungnahme gegeben werden muss (RIS-Justiz RS0017963).

Selbst dann, wenn die Satzung keine vorherige Anhörung eines betroffenen Mitglieds vorsieht, muss diesem - etwa im Falle eines Ausschlusses - Gelegenheit gegeben werden, sich rechtliches Gehör zu verschaffen (7 Ob 2314/96m = SZ 69/289).

Im vorliegenden Fall liegt ein wesentlicher Eingriff in die bisherigen Organisationsstrukturen vor allem deshalb vor, weil das Quorum für künftige Satzungsänderungen von 2/3 der in der Generalversammlung anwesenden Mitglieder auf 2/3 aller Vereinsmitglieder erhöht wurde, wodurch die Statuten ungleich schwerer abänderbar sind als zuvor; weiters wurde die Zahl der Vorstandsmitglieder reduziert. Trotz dieser maßgeblichen Neuerungen erfolgte die Abstimmung darüber in der außerordentlichen Generalversammlung, ohne dass die Vereinsmitglieder von den geplanten Änderungen zuvor rechtzeitig informiert wurden. Allen der Einladung zur außerordentlichen Generalversammlung nicht Folge leistenden Mitgliedern war damit nicht nur das Recht zur Stellungnahme, sondern auch die Mitwirkung an der Willensbildung verwehrt. Möglicherweise hätten der Kläger und andere Mitglieder, die der außerordentlichen Generalversammlung fernblieben, daran teilgenommen, wenn sie gewusst hätten, dass nicht nur über die angekündigten Tagesordnungspunkte abgestimmt werden sollte, sondern auch eine Beschlussfassung über andere Punkte (Satzungsänderung) beabsichtigt war (Höhne/Jöchl/Lummerstorfer aaO 140).

2. Zu prüfen ist, welche Konsequenzen sich im vorliegenden Fall aus der Nichtbekanntgabe von Tagesordnungspunkten ergeben:

Nach dem VerG 1951 waren gesetz- oder statutenwidrige Beschlüsse des Vereins gleichermaßen nichtig, da eine Anfechtung nicht vorgesehen war. Die unbefristete Möglichkeit, die Nichtigkeit von Vereinsbeschlüssen geltend zu machen, konnte noch Jahre nach Beschlussfassung zu für den Verein unangenehmen Konsequenzen führen, insbesondere dann, wenn der nichtige Beschluss von „weichenstellender Bedeutung“ war. Aus Gründen der Rechtssicherheit bestand daher das Bedürfnis nach einer für den Verein und die Vereinsmitglieder weniger nachteiligen und schwerwiegenden Regelung der Rechtsfolgen nur „schlicht“ gesetz- oder statutenwidriger Beschlüsse (ErlRV 990 BlgNR 21. GP 27 f). Diesem Bedürfnis trug § 7 VerG 2002 Rechnung. Dieser unterscheidet zwischen vorerst gültigen, aber anfechtbaren Beschlüssen und von Anfang an nicht gültig zustande gekommenen und daher rechtsunwirksamen („nichtigen“) Beschlüssen. Beschlüsse von Vereinsorganen sollen nur mehr dann nichtig sein, wenn dies Inhalt und Zweck eines verletzten Gesetzes oder die guten Sitten gebieten. Andere gesetz- oder statutenwidrige Beschlüsse sollen gültig bleiben, sofern sie nicht binnen einem Jahr ab Beschlussfassung gerichtlich angefochten werden. § 7 VerG 2002 orientiert sich bei der Unterscheidung zwischen Nichtigkeit und Anfechtbarkeit an den §§ 195 ff AktG, nach denen Fehlerhaftigkeiten der Hauptversammlungsbeschlüsse einer AG (und hiezu erforderlicher Sonderbeschlüsse) in Nichtigkeits- und in Anfechtungsgründe einzuteilen sind. Details dieser Regelungen wurden in das VerG 2002 jedoch nicht übernommen. Vielmehr hat der Gesetzgeber der Rechtsprechung die - nicht immer einfache - Differenzierung überlassen, wann Nichtigkeit eines Beschlusses eines Vereinsorgans vorliegt oder dessen (bloße) Anfechtbarkeit gegeben ist (Krejci/S. Bydlinski/Weber-Schallauer aaO § 7 Rz 9). Grundsätzlich hat sich die Nichtigkeit auf gravierende Fälle fehlerhafter Beschlüsse zu beschränken (Krejci/S. Bydlinski/Weber-Schallauer aaO Rz 8). Es müssen derartig klare Gesetzesverstöße oder Verstöße gegen die guten Sitten vorliegen, dass nicht einmal der Anschein rechtmäßigen Handelns gewahrt ist (Höhne/Jöchl/Lummerstorfer aaO 129).

3. Bei der Abgrenzung, ob aus dem Mangel ein Nichtigkeitsgrund oder eine Anfechtbarkeit resultiert, ergibt sich aus den Wertungen des AktG (§§ 195 ff) Folgendes:

Nach § 196 Abs 1 Z 2 AktG idF vor dem AktRÄG 2009 (nunmehr § 196 Abs 1 Z 2 lit c AktG) ist jeder in der Hauptversammlung nicht erschienene Aktionär zur Anfechtung ua dann berechtigt, wenn der Gegenstand der Beschlussfassung nicht gehörig angekündigt worden ist. Hauptversammlungsbeschlüsse, die unter Verletzung der Ankündigungsvorschriften gefasst werden, sind somit nicht nichtig, sondern (bloß) anfechtbar (Nagele in Jabornegg/Strasser4, Kommentar zum Aktiengesetz § 145 Rz 25). Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses liegt nur vor, wenn die im § 199 Abs 1 AktG angeführten Gründe gegeben sind, insbesondere wenn er - was hier (analog) von Bedeutung ist - mit dem Wesen der Aktiengesellschaft unvereinbar ist oder durch seinen Inhalt Vorschriften verletzt werden, die ausschließlich oder überwiegend zum Schutz der Gläubiger der Gesellschaft oder sonst im öffentlichen Interesse gegeben sind, bzw wenn er durch seinen Inhalt gegen die guten Sitten verstößt (§ 199 Abs 1 Z 3 und 4 AktG, die durch das Aktienrechts-Änderungsgesetz 2009, BGBl I 2009/71, nicht verändert wurden). Da die Fälle der Nichtigkeit im Gesetz erschöpfend aufgezählt sind, besteht in allen anderen Fällen nur Anfechtbarkeit, sofern die Voraussetzungen hiefür gegeben sind (RIS-Justiz RS0049464). Auch der weite Wortlaut des § 41 GmbHG spricht für die Ansicht, dass sowohl Einberufungsmängel als auch Ankündigungsmängel (etwa infolge mangelhafter Spezifizierung der Tagesordnungspunkte) den Gesellschafterbeschluss nur anfechtbar, nicht aber von Anfang an unwirksam machen (RIS-Justiz RS0111765).

4. Anerkennt man eine grundsätzliche Orientierung des § 7 VerG 2002 am Kapitalgesellschaftsrecht und führt die Verletzung von Ankündigungsvorschriften im Gesellschaftsrecht nicht zur absoluten Nichtigkeit dennoch ergangener Beschlüsse, liegt nahe, auch die Nichtigkeit jener Mitgliederbeschlüsse nach dem VerG 2002 zu verneinen, die gefasst wurden, ohne dass ihr Gegenstand allen Mitgliedern zuvor rechtzeitig bekannt gegeben worden war. Zu beachten ist aber, dass das VerG 2002 - zum Unterschied von § 199 Abs 1 Z 4 AktG - keine Beschränkung auf eine inhaltliche Sittenwidrigkeit des Beschlusses eines Vereinsorgans enthält. Beschlüsse können daher auch wegen der Art ihres Zustandekommens gegen die guten Sitten verstoßen und aus diesen Gründen nichtig sein. So wurde schon nach der bisherigen Rechtsprechung die Nichteinladung etwa der Hälfte der stimmberechtigten Mitglieder zur Mitgliederversammlung als besonders schwerer Verstoß gegen die tragenden Grundsätze des Verbandsrechts und damit als (absoluter) Nichtigkeitsgrund gewertet (10 Ob 36/07b). Um dem vom Gesetzgeber mit der Einführung anfechtbarer Beschlüsse im Vereinsrecht verfolgten Zweck zu entsprechen, ist jedoch ganz generell eine Einschränkung dahin zu machen, dass nicht jedwede Art von Einberufungsmängeln stets zu nichtigen Beschlüssen eines Vereinsorgans führt; gerade im Bereich der Verfahrensvorschriften ist eine Differenzierung geboten (10 Ob 36/07b). Bei einem bloßen Verstoß gegen das Erfordernis der rechtzeitigen Bekanntgabe der Tagesordnungspunkte wird ein Nichtigkeit begründender, schwerwiegender Einberufungsmangel idR nicht vorliegen, setzt ein solcher doch voraus, dass nur mehr von einem „Zerrbild einer Beschlussfassung“ gesprochen werden könnte (Höhne/Jöchl/Lummerstorfer aaO 129). Grundsätzlich ist eine Sittenwidrigkeit dann zu verneinen, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Mitgliederversammlung das vom zuständigen Vereinsorgan einberufene und für die Fassung der angefochtenen Beschlüsse zuständige Vereinsorgan war und die Mitglieder zur Versammlung geladen waren. Auch in der Literatur zum VerG 2002 wird die Verletzung von Formvorschriften (wie Nichteinhaltung der Tagesordnung, Vernachlässigung der erforderlichen Anwesenheit oder Mehrheit etc) einhellig dahin beurteilt, dass bloße Anfechtbarkeit gegeben ist (Höhne/Jöchl/Lummerstorfer aaO 129 ff, 316; Krejci/S. Bydlinski/Weber-Schallauer aaO § 7 Rz 30). Dieses Ergebnis entspricht zudem der Intention des Gesetzgebers, im Vereinsrecht durch die Einführung der Anfechtbarkeit von Beschlüssen vermehrte Rechtssicherheit zu schaffen (10 Ob 36/07b). Der Umstand, dass die Satzungsänderung nicht angekündigt war, bewirkt demnach die Anfechtbarkeit des dennoch gefassten, satzungsändernden Beschlusses und der auf Grundlage der Satzungsänderung durchgeführten Neuwahl des Vorstands.

5. Zum Unterschied von Nichtigkeitsgründen, die eine gültige Verbandswillensbildung von vornherein verhindern, hindert ein Anfechtungsgrund die Gültigkeit eines Beschlusses nicht. Er kann mit einer innerhalb eines Jahres ab Beschlussfassung eingebrachten Klage mit der Wirkung angefochten werden, dass die bisherige Geltung des Beschlusses ex tunc beseitigt wird (RIS-Justiz RS0121262). Der Kläger hat nun aber keine Anfechtungsklage - auch nicht eventualiter - erhoben. Aus der Fassung des Klagebegehrens und dem diesem zugrunde liegenden Sachvorbringen ist vielmehr eindeutig zu entnehmen, dass er allein die Feststellung der Nichtigkeit der Beschlussfassung begehrt, weshalb eine Umformulierung des Urteilsspruchs im Sinn einer Verbesserung nicht zulässig ist (Fucik in Fasching/Konecny2 § 405 ZPO Rz 7). Da nichts anderes zugesprochen werden darf, als beantragt (§ 405 ZPO), ist auch die Umdeutung der Nichtigkeitsklage in eine Anfechtungsklage nicht möglich, stellt doch das Begehren auf Feststellung der Nichtigkeit gegenüber dem Begehren auf rückwirkende Rechtsgestaltung ein aliud dar.

Liegt keine innerhalb der in § 7 VerG 2002 genannten Jahresfrist erhobene Anfechtungsklage vor, können die in der außerordentlichen Generalversammlung vom 5. Dezember 2007 gefassten Beschlüsse nicht mehr umgestoßen werden, sondern bleiben wirksam.

Der Revision ist demnach Folge zu geben; die Entscheidungen der Vorinstanzen sind in klageabweislichem Sinn abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 und 41 ZPO. Der von der beklagten Partei erstattete vorbereitende Schriftsatz ist nicht zu honorieren, weil er nicht eine Woche vor der vorbereitenden Tagsatzung bei Gericht und beim Gegner eingelangt ist (§ 257 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E94110

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0010OB00032.10B.0420.000

Im RIS seit

07.07.2010

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2016
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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