TE OGH 2010/5/27 2Ob199/09t

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Veröffentlicht am 27.05.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei P***** KG., *****, vertreten durch Dr. Michael Metzler, Rechtsanwalt in Linz, gegen die beklagten Parteien 1.) Dr. Stephan K*****, Rechtsanwalt, *****, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der H***** KG, ***** (***** S ***** des Landesgerichts Innsbruck), vertreten durch Dr. Wolfgang Kasseroler, Rechtsanwalt in Innsbruck, 2.) N*****GmbH, *****, vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 2.148.484,96 EUR, über die außerordentlichen Revisionen der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 29. April 2009, GZ 14 R 32/09p-85, womit das Zwischenurteil des Bezirksgerichts Traun vom 28. Oktober 2008, GZ 11 C 2033/05t-72, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

1.) Der Revision der erstbeklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens im Verhältnis zwischen klagender und erstbeklagter Partei bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

2.) Die Revision der zweitbeklagten Partei wird zurückgewiesen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die H***** KG war Bestandnehmerin im Einkaufszentrum der Klägerin in P*****. Über das Vermögen der Bestandnehmerin (im Folgenden „Gemeinschuldnerin“) wurde am 11. 5. 2004 das Konkursverfahren eröffnet (Landesgericht Innsbruck ***** S *****). Mit Beschluss vom 22. 6. 2004 wurde die Schließung des Unternehmens der Gemeinschuldnerin auch bezüglich der gegenständlichen Filiale angeordnet. Daraufhin begehrte die Klägerin im Verfahren 11 C 1329/04m des Erstgerichts die Räumung des Bestandobjekts, das der Erstbeklagte in der Zwischenzeit der Zweitbeklagten „übergeben“ hatte. In diesem Vorprozess ging es im Wesentlichen um die Frage, ob der als „Mietvertrag“ betitelte Bestandvertrag als Geschäftsraummiete oder Unternehmenspacht zu qualifizieren sei. Das Berufungsgericht im Vorprozess qualifizierte den Bestandvertrag als Unternehmenspachtvertrag und gab dem Räumungsbegehren statt. Der Oberste Gerichtshof wies die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Beklagten zurück und führte aus, die Ansicht des Berufungsgerichts, es liege Unternehmenspacht vor, sei vertretbar (7 Ob 267/05y).

Am 5. 8. 1987 wurde zwischen der He***** KG (Rechtsvorgängerin der Gemeinschuldnerin, in der Folge „H*****“) und der S***** KG (Rechtsvorgängerin der Klägerin, in der Folge „P*****“) ein als „Mietvertrag“ bezeichneter Bestandvertrag abgeschlossen. Dieser Vertrag wurde zwischen Geschäftsführer K***** auf Seiten P***** und Herrn Ha***** auf Seiten H***** ausgehandelt. Als Vorlage bzw Verhandlungsgrundlage diente dabei ein von Seiten der P***** durch Rechtsanwalt Dr. Norbert N***** entwickelter Standard- bzw Mustervertrag.

Der „Mietvertrag“ vom 5. 8. 1987 enthält ua folgende Bestimmung:

§ 26

„...

(4) Wird bei Beendigung des Mietverhältnisses die Räumung und Rückgabe des Mietgegenstandes verzögert, hat der Mieter dem Vermieter bis zur ordnungsgemäßen Rückgabe eine Nutzungsentschädigung zu bezahlen.

Der Berechnung der Nutzungsentschädigung wird der Hauptmietzins der letzten Verrechnungsperiode zuzüglich der jeweiligen Nebenkosten zugrundegelegt.

Darüber hinaus haftet der Mieter für alle weitergehenden Schäden oder Rechtsfolgen, die aus der Verzögerung der Räumung und Rückgabe erwachsen.

...“

Bei Ausverhandlung des Vertrags zwischen Ha***** und K***** machte man sich über die im § 26 Abs 4 festgelegte „sogenannte Deckelung“ keine Gedanken. Hintergrund war, dass ansonsten die P***** gleich die Verhandlungen abgebrochen hätte, was für Ha***** die normale Lebenserfahrung sagte. Damals dachte man auch nicht an einen Konkurs der Bestandnehmerin. Über die Regelung des § 26 Abs 4 gab es zwischen Ha***** und K***** keine Diskussion. Wesentlicher „Streitpunkt“ bei den Verhandlungen war die Höhe des Bestandzinses. Konkret wurde dabei nicht über Folgen verspäteter Räumung gesprochen. Beide Verhandlungspartner wollten für ihr „Unternehmen“ das Beste herausholen.

Trotz des immer wieder schriftlich manifestierten Widerstands der Klägerin gegen die „Übernahme“ des Bestandverhältnisses durch die Zweitbeklagte übernahm diese das Bestandobjekt faktisch; es wurde erst nach rechtskräftigem Abschluss des Räumungsprozesses (Zustellung der Revisionsentscheidung an den dortigen Beklagtenvertreter am 19. 12. 2005) tatsächlich geräumt und am 31. 1. 2006 der Klägerin zurückgestellt.

Ab Konkurseröffnung wurden von den Beklagten so genannte „Bestandzinse“ bezahlt, wobei die Klägerin daraufhin mehrmals ausdrücklich mitteilte, dass diese Beträge nur als Teilbenützungsentgelt und Teilschadenersatz angenommen würden.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin von beiden Beklagten zuletzt die Bezahlung von 2.148.484,96 EUR samt Anhang zur ungeteilten Hand. Dieses Begehren wird zum Einen auf Schadenersatz gestützt: Die Beklagten hätten den Räumungsprozess mutwillig geführt, zumal die Bestreitung des Räumungsbegehrens mit der Behauptung, das Bestandverhältnis sei als Mietverhältnis zu qualifizieren, rechtlich unvertretbar gewesen sei. Infolge dessen liege eine schuldhafte und mutwillige Weigerung der Räumung des Bestandobjekts vor. Die Qualifikation derartiger Verträge als Pachtverträge sei seit langem nicht mehr in Frage zu stellen. Die Zweitbeklagte habe mit rechtlich untauglichen Mitteln versucht, sich in die Bestandrechte hineinzudrängen und habe schon deshalb schuldhaft gehandelt. Die Beklagten hafteten für den Schaden, der der Klägerin infolge der schuldhaften Weigerung der Räumung des Bestandobjekts erwachsen sei, zur ungeteilten Hand, da sie in bewusstem und gewolltem Zusammenwirken gemeinsam agiert hätten und sich auch die Verschuldensanteile nicht abgrenzen ließen. Zum Anderen stützt die Klägerin ihr Begehren auf Bereicherungsrecht: Die Beklagten hätten die Differenz zwischen den tatsächlich erzielbaren angemessenen Einnahmen und den von der Zweitbeklagten geleisteten (geringeren) Zahlungen als angemessenes Benützungsentgelt zu leisten, zumal sie das Bestandobjekt titellos benützt hätten. Zwischen der Klägerin und der Zweitbeklagten habe zu keinem Zeitpunkt ein Vertragsverhältnis bestanden, das bereicherungsrechtliche Ansprüche ausschlösse. Die Zweitbeklagte sei auch nicht Untermieter, sondern titelloser Benützer gewesen. Die Vermögensverschiebung finde im Übrigen auch keine Deckung in einem Vertragsverhältnis zur Gemeinschuldnerin. Schließlich stützt die klagende Partei ihr Begehren auch auf § 26 Abs 4 des Mietvertrags.

Die Beklagten wenden ein, ihre Prozessführung im Räumungsverfahren sei keinesfalls aussichtslos oder mutwillig gewesen, weshalb der von der Klägerin geltend gemachte Schadenersatzanspruch nicht zu Recht bestehe. Das wegen der verspäteten Räumung des Bestandobjekts zu leistende angemessene Benützungsentgelt sei gemäß § 26 Abs 4 des Mietvertrags mit dem Hauptmietzins der letzten Verrechnungsperiode zuzüglich Nebenkosten gedeckelt; da Beträge in dieser Höhe entrichtet worden seien, bestünden keine Ansprüche der Klägerin mehr. Gemäß § 28 des Bestandvertrags habe ein Recht zur Weitergabe des Bestandobjekts an die Zweitbeklagte bestanden, die für bereicherungsrechtliche Ansprüche zudem nicht passiv legitimiert sei, da ein Verwendungsanspruch nur gegen den Haupt-, nicht aber gegen den Unterbestandnehmer - als solcher sei die Zweitbeklagte zu qualifizieren - zustehe. Die Beklagten wenden noch verschiedene Gegenforderungen ein.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, die Forderung der Klägerin bestehe dem Grund nach zu Recht, die Gegenforderungen der Beklagten bestünden nicht zu Recht. Es stellte ua den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und führte rechtlich Folgendes aus: Eine mutwillige Prozessführung durch die Beklagten sei im Räumungsverfahren nicht vorgelegen. Von einem Verschulden der Beklagten sei daher nicht auszugehen, weshalb ein Schadenersatzanspruch gegen die Beklagten nicht bestehe. Aufgrund des rechtskräftigen Räumungsurteils im Vorprozess hätten die Beklagten jedoch für das Bestandobjekt ab Kündigung bis zur Räumung wegen rechtsgrundloser Benutzung ein Benützungsentgelt zu zahlen. Im Regelfall entspreche das angemessene Benützungsentgelt dem bisher vereinbarten Mietzins. Zwischen der Gemeinschuldnerin und der Zweitbeklagten habe kein Vertragsverhältnis bestanden und bestehe keines, weshalb bereicherungsrechtliche Ansprüche nicht ausgeschlossen seien. Auch die Zweitbeklagte sei hinsichtlich eines Bereicherungsanspruchs nach § 1041 ABGB passiv legitimiert. Die Erstbeklagte könne sich auf die „Deckelung“ laut § 26 Abs 4 des Vertrags berufen, die Zweitbeklagte jedoch nicht. Aus der vertraglichen Bestimmung könne nicht abgeleitet werden, dass die Nutzungsentschädigung höher sein solle, als der Hauptmietzins der letzten Verrechnungsperiode. Bei verzögerter Räumung habe jedoch eine Indexanpassung wie beim bisherigen Hauptmietzins stattzufinden. Die Zweitbeklagte schulde ein Benützungsentgelt in der Höhe des marktkonformen (angemessenen) Bestandzinses, den die Klägerin in der strittigen Zeit für die Bestandfläche erzielt hätte. Soweit die Redlichkeit für die Höhe des Benutzungsentgelts eine Rolle spiele, sei auch die Zweitbeklagte redlich.

Das von allen Parteien angerufene Berufungsgericht sprach aus, dass der Berufung der Klägerin und auch derjenigen der Erstbeklagten teilweise Folge gegeben werde und dass das Urteil des Erstgerichts im Spruchpunkt 2 („Die Gegenforderungen bestehen nicht zu Recht“) ersatzlos aufgehoben werde. Mit ihrer Berufung gegen diesen Spruchpunkt des Urteils des Erstgerichts verwies das Berufungsgericht die Zweitbeklagte auf diese ersatzlose Aufhebung, im Übrigen gab das Berufungsgericht der Berufung der Zweitbeklagten nicht Folge. Es ließ die Revision nicht zu.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, da die Prozessführung der Beklagten im Räumungsverfahren nicht mutwillig und somit nicht rechtswidrig und schuldhaft gewesen sei, sei eine Schadenersatzpflicht der Beklagten wegen Prozessführung im Räumungsverfahren zu verneinen.

Zur Auslegung von § 26 Abs 4 des Vertrags führte das Berufungsgericht aus, die Vertragsparteien hätten diese Bestimmung des Mietvertrags nicht als Deckelung des Nutzungsentgelts, sondern den Hauptbestandzins der letzten Verrechnungsperioden zuzüglich der jeweiligen Nebenkosten als Mindestbenutzungsentgelt vereinbart. Parteiwille und Zweck dieser Bestimmung sei gewesen, im Fall eines objektiven Räumungsverzugs den Bestandgeber so zu stellen, als wenn ordnungsgemäß geräumt worden wäre und somit sämtliche Nachteile abzugelten, die daraus entstünden, dass das Bestandobjekt zu diesem Zeitpunkt nicht geräumt gewesen sei. Mit den Begriffen „Nutzungsentschädigung“ und „alle weitergehenden Schäden“ seien nicht bloß verschuldensabhängige Schadenersatzansprüche gemeint. § 26 Abs 4 des Vertrags biete keinen Anlass für die Ansicht, die Haftung des Mieters sei auf verschuldete weitergehende Schäden, die aus der Verzögerung der Räumung und Rückgabe erwachsen, beschränkt. Durch Satz 3 von § 26 Abs 4 des Mietvertrags werde das, was im vorherigen Satz der Vertragsbestimmung als Pauschalierung der Nutzungsentschädigung im Sinne einer „Deckelung“ des Benützungsentgelts iSd § 1041 ABGB interpretiert werden könnte, ins Gegenteil verkehrt, nämlich in eine Mindestentschädigung. Die Formulierung „Schäden oder Rechtsfolgen“ spreche dafür, dass sich die Bestandgeberseite mit § 26 Abs 4 des Vertrags alle Möglichkeiten offen halten habe wollen. Diese Bestimmung normiere somit keine Deckelung des gemäß § 1041 ABGB im Fall titelloser Benützung einer Sache geschuldeten Benützungsentgelts. Darüber hinaus stehe es dem Bestandgeber nicht nur frei, weitergehende Ansprüche gemäß § 1041 ABGB geltend zu machen, sondern auch den Ersatz jener (weitergehenden) Nachteile zu begehren, die der Bestandnehmer durch die Verzögerung der Räumung und Übergabe - unabhängig von einem Verschulden - verursacht habe.

Ein Bestandgeber könne gegen einen dritten titellosen Benützer der (ehemaligen) Bestandsache Verwendungsanspüche geltend machen, auch wenn der Bestandgeber die Rechtsfolgen verzögerter Räumung und Übergabe im Verhältnis zu seinem Bestandnehmer vorweg vertraglich regle. Die Zweitbeklagte sei daher passiv legitimiert. Der Oberste Gerichtshof habe in seiner Entscheidung im Vorprozess (7 Ob 267/05y) ausdrücklich festgehalten, dass das in § 28 des Mietvertrags verankerte Weitergaberecht im Sinn einer Unternehmensveräußerung nicht zum Tragen käme. Die Zweitbeklagte sei in ihrer Berufungsschrift selbst davon ausgegangen, dass im Vorverfahren ihre Rechtsnachfolgeeigenschaft (nach der Gemeinschuldnerin) rechtskräftig verneint worden sei. Die Zweitbeklagte könne sich daher auf § 26 Abs 4 des Mietvertrags nicht berufen, da sie niemals Vertragspartner der Klägerin gewesen sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richten sich die Revisionen der Beklagten.

Die Beklagten beantragen jeweils, das angefochtene Urteil im Sinne ihrer jeweiligen Berufungsanträge abzuändern. Hilfsweise wird jeweils ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Oberste Gerichtshof hat der Klägerin die Erstattung einer Revisionsbeantwortung zur Revision des Erstbeklagten, nicht aber der Zweitbeklagten freigestellt. In ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, die Revisionen beider Beklagten zurückzuweisen, hilfsweise ihnen nicht Folge zu geben.

Die Revision des Erstbeklagten ist zulässig und - zwar nicht hinsichtlich des Spruchs, jedoch hinsichtlich der Begründung des angefochtenen Urteils - auch berechtigt.

Die Revision der Zweitbeklagten ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Revision des Erstbeklagten:

Der Erstbeklagte releviert als erhebliche Rechtsfrage, das Berufungsgericht habe bei seiner Vertragsauslegung (des § 26 Abs 4 des Mietvertrags) ein nicht vertretbares Auslegungsergebnis erzielt. Einerseits sei die Auslegung, im zweiten Satz von § 26 Abs 4 des Vertrags werde nur eine Mindestnutzungsentschädigung normiert, krass fehlerhaft. Dasselbe treffe andererseits auf die Auslegung des Berufungsgerichts zu, im dritten Satz des § 26 Abs 4 werde eine verschuldensunabhängige Haftung für darüber hinausgehende „Schäden und Rechtsfolgen“ normiert.

Diese Einwände des Erstbeklagten gegen die berufungsgerichtliche Auslegung der strittigen Vertragsbestimmung sind im Wesentlichen berechtigt.

1.1. Die von den Vorinstanzen übereinstimmend vertretene Rechtsansicht, aus der Prozessführung der Beklagten im Räumungsverfahren könne mangels Rechtswidrigkeit und Verschuldens kein Schadenersatzanspruch abgeleitet werden, ist im Revisionsverfahren nicht mehr strittig.

1.2. Gemäß § 914 ABGB ist bei Auslegung von Verträgen nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, sondern die Absicht der Parteien zu erforschen und der Vertrag so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht.

Da eine (vom Wortlaut des § 26 Abs 4 des Vertrags abweichende) Absicht der Parteien nicht festgestellt wurde, ist vom Wortlaut der Bestimmung allein auszugehen (Bollenberger in KBB2 § 914 Rz 5 mwN).

1.2.1. Der Wortlaut des zweiten Satzes von § 26 Abs 4 des Vertrags („Der Berechnung der Nutzungsentschädigung wird der Hauptmietzins der letzten Verrechnungsperiode zuzüglich der jeweiligen Nebenkosten zugrundegelegt.“) ist aber zwanglos dahin zu verstehen, dass die nach dem vorangegangenen Satz der Bestimmung im Fall verzögerter Rückgabe zu zahlende Nutzungsentschädigung nach dem Hauptmietzins der letzten Verrechnungsperiode zuzüglich der jeweiligen Nebenkosten berechnet wird und somit andere mögliche Methoden zur Ermittlung der Höhe der Nutzungsentschädigung (wie etwa die Ermittlung durch einen Immobiliensachverständigen, durch Bildung von Durchschnittswerten von Bestandzinsen vergleichbarer Bestandobjekte uä) abbedungen wurden. Damit ist die Nutzungsentschädigung gewissermaßen „pauschaliert“: Selbst wenn der Bestandgeber auf dem Markt einen höheren Bestandzins erzielen könnte, kann er nicht mehr als die aus der Klausel zu errechnende Summe verlangen; wenn er auf dem Markt nur einen niedrigeren Bestandzins erzielen könnte, muss der (vormalige) Bestandnehmer dennoch die aus der Klausel zu errechnende Summe bezahlen. Damit werden Streitigkeiten über ein angemessenes Nutzungsentgelt vermieden, welche Absicht redlichen Parteien auch zu unterstellen ist.

1.2.2. Der dritte Satz des § 26 Abs 4 des Vertrags („Darüber hinaus haftet der Mieter für alle weitergehenden Schäden oder Rechtsfolgen, die aus der Verzögerung der Räumung und Rückgabe erwachsen.“) nimmt mit dem Wort „Schäden“ erkennbar auf das Schadenersatzrecht Bezug. Abgesehen von der Gefährdungshaftung, deren Grund in der besonderen Gefährlichkeit von bestimmten Sachen (die hier nicht vorliegt) besteht, und der Eingriffshaftung (§ 364a ABGB), deren Grund in einer Art partieller Enteignungsentschädigung (welcher Fall hier ebenfalls nicht vorliegt) liegt, ist das österreichische Schadenersatzrecht vom Prinzip der Verschuldensabhängigkeit geprägt (§ 1295 Abs 1 ABGB). Warum die Klausel anders zu verstehen sein sollte, ist nicht ersichtlich. Mit dem vom Berufungsgericht herangezogenen Fall 6 Ob 55/02k, der eine Haftung für Pferde betraf, ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar. Zu verweisen ist vielmehr auf jene ständige Judikatur, wonach eine Konventionalstrafe nur bei Verschulden zu zahlen ist, wenn sie nicht ausdrücklich auch für den Fall unverschuldeter Nichterfüllung vereinbart wurde (RIS-Justiz RS0017471).

Soweit nach der Klausel auch für „Rechtsfolgen“ gehaftet werden soll, ist sie unklar, weil die Haftung ja selbst Rechtsfolge ist und überdies völlig offen ist, welche Rechtsfolgen gemeint sein könnten. Da die Klausel vom seinerzeitigen Anwalt der Klagsseite formuliert wurde, schlägt die hier anzuwendende Unklarheitenregel des § 915 zweiter Halbsatz ABGB zulasten der Klägerin aus, sodass auch daraus nicht auf eine verschuldensunabhängige Haftung geschlossen werden kann.

Eine Haftung des vormaligen Bestandnehmers aus § 26 Abs 4 Satz 3 des Vertrags setzt somit Verschulden voraus, das aber nicht vorliegt (vgl Punkt 1.1.).

1.3. Der Erstbeklagte begehrt in seiner Revision weiters, im Fall, dass seiner Auslegung gefolgt wird (was hiermit geschehen ist), das 100.125,76 EUR übersteigende Klagebegehren dem Erstbeklagten gegenüber mit Teilurteil abzuweisen, da gegenüber dem Erstbeklagten nur dieser Betrag bei der hier vertretenen Auslegung von § 26 Abs 4 des Vertrags maximal geschuldet werde. Im darüber hinausgehenden Betrag sei das Klagebegehren spruchreif im Sinn einer Klagsabweisung.

Diesen Ausführungen ist zu entgegnen, dass die Urteile der Vorinstanzen Feststellungen über den „Hauptmietzins der letzten Verrechnungsperiode zuzüglich der jeweiligen Nebenkosten“ (§ 26 Abs 4 Satz 2 des Vertrags) vermissen lassen, sodass es dem Obersten Gerichtshof nicht möglich ist, das Klagebegehren gegenüber dem Erstbeklagten teilweise abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich hinsichtlich des Revisionsverfahrens betreffend den Erstbeklagten auf § 393 Abs 4 iVm § 52 Abs 2 ZPO.

2. Zur Revision der Zweitbeklagten:

Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit den Berufungsausführungen der Zweitbeklagten selbst davon ausgegangen, die Zweitbeklagte sei nicht Rechtsnachfolgerin der Gemeinschuldnerin. Auch in ihrer Revision wird diese Rechtsansicht des Berufungsgerichts nicht bekämpft. Legt man dies zugrunde, so besteht aber zwischen der Klägerin und der Zweitbeklagten kein Vertrag, somit auch nicht der Mietvertrag mit der strittigen Klausel des § 26 Abs 4, weshalb sich die weitwendigen Ausführungen der Zweitbeklagten zur Auslegung dieser Bestimmung erübrigen.

Soweit sich die Zweitbeklagte unter Berufung auf Apathy in Schwimann3 § 1041 ABGB Rz 17 und die Entscheidung des Landesgerichts Salzburg zu 54 R 106/08i darauf stützt, bereicherungsrechtliche Ansprüche gegen sie würden aufgrund einer analogen Anwendung von § 367 ABGB nicht bestehen, ist ihr zu entgegnen: Der erkennende Senat hat jüngst in der Entscheidung 2 Ob 248/08x die Meinung Apathys sowie des Landesgerichts Salzburg (als Berufungsgericht im zitierten oberstgerichtlichen Verfahren) abgelehnt und bereicherungsrechtliche Ansprüche gegen titellose, wenngleich redliche Benützer eines (ehemaligen) Bestandobjekts bejaht. Auch die Berufung der Zweitbeklagten auf § 330 ABGB für ihre Rechtsansicht, sie sei keinen Bereicherungsansprüchen ausgesetzt, geht fehl: Nach ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung hängt die Höhe des zu leistenden Ersatzes von der Redlichkeit oder Unredlichkeit des Bereicherten ab. Der redliche Benützer hat den Vorteil zu vergüten, der ihm nach seinen subjektiven Verhältnissen entstanden ist. Dieser Vorteil orientiert sich in der Regel am gewöhnlichen Benützungsentgelt, der aber zugleich die Obergrenze des Ersatzes bildet (RIS-Justiz RS0020150; vgl auch RS0019883; RS0010191).

Da es der Zweitbeklagten somit nicht gelungen ist, eine Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen, war ihre außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Textnummer

E94108

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0020OB00199.09T.0527.000

Im RIS seit

28.07.2010

Zuletzt aktualisiert am

22.03.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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