TE OGH 2010/6/24 12Ns30/10y

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Veröffentlicht am 24.06.2010
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Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Juni 2010 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll und Dr. Schwab als weitere Richter in Anwesenheit des Richteramtsanwärters Mag. Mechtler als Schriftführer im Verfahren über den Antrag auf Fortführung des Verfahrens gegen Dr. Erich W***** und weitere Personen wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, AZ 7 Bs 586/08x des Oberlandesgerichts Innsbruck, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Verfahren AZ 7 Bs 586/08x des Oberlandesgerichts Innsbruck wird dem Oberlandesgericht Innsbruck abgenommen und dem Oberlandesgericht Graz übertragen.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Im Verfahren über den Antrag des Arnold M***** auf Fortführung des Verfahrens gegen Dr. Erich W***** und weitere Personen wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB, AZ 7 Bs 586/08x des Oberlandesgerichts Innsbruck, sind bis auf den Präsidenten des Oberlandesgerichts Innsbruck alle Richter dieses Gerichtshofs als ausgeschlossen erkannt.

Nach § 45 Abs 2 Satz 3 StPO hat der Vorsteher oder Präsident, der auf Ausschließung eines Richters des von ihm geleiteten Gerichts erkennt, den Richter zu bezeichnen, dem die Sache übertragen wird. Dabei ist derjenige heranzuziehen, den die Geschäftsverteilung als Vertreter ausweist, weil der Ausspruch bei verfassungskonformer Interpretation (Art 87 Abs 3 B-VG, Art 6 Abs 1 MRK) leg cit nicht zuständigkeitsbegründend und solcherart nicht geeignet ist, die Geschäftsverteilung zu ändern. Das gilt auch für den Fall, dass diese die Vertretung nicht ausdrücklich regelt, weil das Gesetz insoweit „ausreichende“ Vorkehrungen (§ 26 Abs 4, § 33 Abs 1 GOG; implizit auch § 47 Abs 1 GOG und § 13 Abs 1 OGHG) verlangt, womit der (im Sinne des Dargelegten lediglich deklarative) Ausspruch stets - solcherart der Kontrolle im Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren unterliegend (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 105 ff) - dem Sinn der Geschäftsverteilung zu entsprechen hat (Lässig, WK-StPO § 45 Rz 10).

Die Anordnung nach § 45 Abs 2 Satz 3 StPO setzt voraus, dass der zur Entscheidung berufene Präsident oder Vorsteher des Gerichts innerhalb seines Wirkungsbereichs (ie im Rahmen der ihn bindenden Geschäftsverteilung) zu agieren vermag. Der hier aktuelle Fall, dass der Gerichtspräsident alle Richter des von ihm geleiteten Gerichts für ausgeschlossen erklärt, auf Basis der Geschäftsverteilung also kein Vertreter bezeichnet werden kann, entbehrt der Regelung im Gesetz.

Die planwidrige Lücke ist unter Abstützung auf die der Strafprozessordnung immanente hierarchische Gerichtsstruktur (vgl insbesondere §§ 38, 39 Abs 1, 215 Abs 4 StPO) dahingehend zu füllen, dass dann, wenn zufolge Erschöpfung aller möglichen Vertreter des betroffenen Gerichts dessen Vorsteher oder Präsident seine Entscheidungskompetenz nicht wahrnehmen kann, das übergeordnete Gericht jenes Gericht zu bezeichnen hat, dem die Sache übertragen wird. Bei diesem wiederum ergeben sich die konkret zur Entscheidung berufenen Richter aufgrund dessen Geschäftsverteilung.

Im Gegenstand war daher die Sache dem entscheidungsunfähigen Gericht abzunehmen und einem anderen gleichrangigen, also zur heranstehenden Entscheidung sachlich zuständigen Gericht zu übertragen.

Textnummer

E94429

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0120NS00030.10Y.0624.000

Im RIS seit

07.08.2010

Zuletzt aktualisiert am

27.10.2010
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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