TE OGH 2010/8/4 3Ob125/10v

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Veröffentlicht am 04.08.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Hon.-Prof. Dr. Sailer, Dr. Lovrek, Dr. Jensik und Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI Dr. E*****, vertreten durch Dr. Martin Holzer, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, gegen die beklagte Partei Jugendwohlfahrtsträger Land *****, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft *****, diese vertreten durch Dr. Heimo Jilek, Rechtsanwalt in Leoben, wegen Einwendungen gegen den Anspruch (§ 35 EO), über die Revision (Revisionsinteresse 11.856 EUR) der klagenden Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichts Leoben als Berufungsgericht vom 24. März 2010, GZ 2 R 86/10m-18, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Leoben vom 27. Jänner 2010, GZ 19 C 34/09b-14, teilweise bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 838,44 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin enthalten 139,74 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die am 14. Dezember 1989 geborene eheliche Tochter des Klägers wurde am 10. April 2005 zunächst aufgrund einer vorläufigen Maßnahme der beklagten Partei in einem Heim und ab 24. Mai 2005 im Rahmen der vollen Erziehung in einem Kinderdorf betreut.

Mit Beschluss vom 9. Juli 2008 verpflichtete das Bezirksgericht Leoben den nunmehrigen Kläger, ab 10. April 2005 gestaffelt Unterhalt (Kostenersatz) für seine Tochter zu zahlen.

Einem Rekurs des Vaters gab das Landesgericht Leoben als Rekursgericht mit Beschluss vom 28. August 2008 teilweise Folge. Dieser Beschluss erwuchs in Rechtskraft.

Mit Beschluss vom 12. August 2009 bewilligte das Bezirksgericht Leoben der beklagten Partei aufgrund der genannten Rekursentscheidung zur Hereinbringung rückständigen Unterhalts für den Zeitraum 10. April 2005 bis 31. August 2009 (17.897,91 EUR) die Fahrnisexekution.

Das Erstgericht wies die vom Vater erhobene Oppositionsklage ab.

Das Berufungsgericht bestätigte über Berufung des Klägers das Ersturteil als Teilurteil bezüglich der bis 30. Juni 2008 in Exekution gezogenen Ansprüche mit der Begründung, dass alle in diesen Zeitraum fallenden anspruchsvernichtenden Tatsachen bereits im Titelverfahren hätten geltend gemacht werden können.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen vom Kläger erhobene Revision ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden nachträglichen Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig. Diesen Zulässigkeitsausspruch begründete das Berufungsgericht damit, dass der Kläger allenfalls durch die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, er hätte im Titelverfahren noch bis Anfang Juli 2008 Vorbringen über seine Einkommensverhältnisse erstatten können, überrascht worden sein könnte und daher das Berufungsgericht möglicherweise gegen § 182a ZPO verstoßen habe.

Der Kläger vertritt dazu in seiner Revision zusammengefasst den Standpunkt, er hätte bei entsprechender Anleitung des Berufungsgerichts vorgebracht, dass er im Titelverfahren mangels Vorlage der Jahresabschlüsse für die Jahre 2006 und 2007 nicht habe vorbringen können, dass sich seine Einkommenslage verschlechtert habe.

1. Nach § 35 EO können Einwendungen gegen einen Anspruch nur dann mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn sie sich auf eine den Anspruch aufhebende oder hemmende Tatsache stützen, die erst nach dem Entstehen des diesem Verfahren zugrunde liegenden Exekutionstitels eingetreten ist (stRsp; RIS-Justiz RS0001280; zuletzt 3 Ob 29/10a).

2. Bei Prüfung der Frage, ob von den Einwendungen im vorausgegangenen Verfahren nicht wirksam Gebrauch gemacht werden konnte, kommt es nicht auf die subjektiven Gründe an, aus denen die Erlöschungsgründe des geltend gemachten Anspruchs nicht vorgebracht wurden, sondern darauf, ob ihre Verwendung objektiv aus verfahrensrechtlichen Gründen unmöglich war (RIS-Justiz RS0001416).

3. Stichtag der Bindungswirkung ist im Außerstreitverfahren der Tag der Erlassung des erstinstanzlichen Beschlusses (6 Ob 159/02d mwN); allenfalls jener der Rekursentscheidung, wenn damit unter Beachtung zulässiger Neuerungen (§ 49 AußStrG) die für die Rechtskraft entscheidenden Sachverhaltsgrundlagen fixiert wurden.

4. Aus dem zu 3. dargelegten Grundsatz ergibt sich zunächst die Unrichtigkeit der Rechtsauffassung des Klägers, wonach maßgeblicher Stichtag im vorangegangenen Titelverfahren der Zeitpunkt der Gutachtenserstattung gewesen sei. Maßgebend war vielmehr - wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte - der Tag der erstgerichtlichen Beschlussfassung. Es wäre daher dem Kläger freigestanden, in dem vorangegangenen Titelverfahren jedenfalls bis 9. Juli 2008 (Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Beschlusses) Vorbringen zu seiner Einkommenssituation zu erstatten und Beweisanträge zu stellen.

5. Aber auch die Auffassung, ein entsprechendes Vorbringen im Titelverfahren wäre ihm nicht möglich gewesen, weil der Jahresabschluss 2006 erst am 21. Februar 2008, der Jahresabschluss für 2007 erst am 20. November 2008 und der Jahresabschluss für 2008 erst am 14. Dezember 2009 von ihm unterfertigt worden sei, ist nicht stichhältig: In Ansehung des Jahresabschlusses 2006 gesteht der Oppositionskläger selbst zu, dass seine Unterfertigung und Einreichung beim Firmenbuch (18. März 2008) noch vor der erstgerichtlichen Beschlussfassung im Titelverfahren erfolgte. Im Übrigen stand es dem unterhaltspflichtigen Kläger, den gemäß § 16 Abs 2 AußStrG eine Mitwirkungs- und Vollständigkeitspflicht traf (RIS-Justiz RS0047432 [T3]) und der in Detailfragen der Unterhaltsbemessung die für seinen Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen ausreichend zu behaupten und zu beweisen hatte (RIS-Justiz RS0106533), selbstverständlich frei, durch Vorlage entsprechender Geschäftsunterlagen (im Anlassfall: für die Jahre 2006 bis Mitte 2008) nachzuweisen, dass sich seine Einkommensverhältnisse ab 2006 gegenüber dem Jahr 2005 maßgeblich verschlechterten.

6. Daraus ergibt sich aber schon die mangelnde Relevanz der vom Oppositionskläger behaupteten Verletzung der Anleitungspflicht durch das Berufungsgericht: Dazu bringt er lediglich vor, er hätte bei entsprechender Anleitung vorgebracht, dass zum Zeitpunkt der Gutachtenserstattung im Vorverfahren die Jahresabschlüsse für 2006 und 2007 nicht vorlagen. Genau davon ist aber das Berufungsgericht ohnedies ausgegangen, hat es doch ausdrücklich ausgeführt, dass es dem Kläger frei gestanden wäre, durch Vorlage von Aufzeichnungen über die wirtschaftliche Entwicklung seines „Ein Mann-Unternehmens“ bis zum ersten Halbjahr 2008 im Titelverfahren den Nachweis einer Verschlechterung seiner finanziellen Verhältnisse zu erbringen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO: die beklagte Partei hat auf die mangelnde Zulässigkeit der vom Kläger erhobenen Revision hingewiesen.

Schlagworte

5 Exekutionssachen,

Textnummer

E94817

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0030OB00125.10V.0804.000

Im RIS seit

18.09.2010

Zuletzt aktualisiert am

06.03.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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