TE OGH 2010/9/1 6Ob81/10w

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Veröffentlicht am 01.09.2010
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj 1. J***** S***** B*****, geboren am 20. Juli 1997, 2. A***** K***** B*****, geboren am 26. Juli 1998, 3. B***** E***** B*****, geboren am 9. September 2003, 4. J***** E*****B*****, geboren am 8. November 2005, alle *****, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Kindesvaters F***** B*****, vertreten durch Dr. Renate Garantini, Rechtsanwältin in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 19. Jänner 2010, GZ 15 R 324/09m-35, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Urfahr-Umgebung vom 10. Juli 2009, GZ 8 P 195/06h-U30, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kindesvater war aufgrund des Scheidungsvergleichs vom 21. 12. 2006 zu einer Unterhaltsleistung für die mj J***** und A***** von je 170 EUR und für die mj B***** und J***** von je 150 EUR verpflichtet. Am 27. 1. 2009 beantragte der Kindesvater, die Unterhaltsbeträge für alle Kinder auf je 82 EUR monatlich herabzusetzen.

Das Erstgericht setzte die Unterhaltsverpflichtung für die mj J***** und A***** auf je 120 EUR und für die mj B***** und J***** auf je 130 EUR ab 1. 2. 2009 herab.

Dabei ging das Erstgericht von einem monatlichen Nettoeinkommen des Kindesvaters als Taxifahrer von 911,77 EUR ohne Trinkgeld aus. Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass nach der üblichen Rechtsprechung bei Taxilenkern ein monatlicher Trinkgeldbetrag von zumindest 150 EUR anzunehmen sei, weshalb die monatliche Bemessungsgrundlage 1.061 EUR betrage. Nach Abzug der monatlichen Unterhaltsbeträge von insgesamt 500 EUR würden dem Vater 561 EUR für seine eigenen Bedürfnisse verbleiben, womit er seine Bedürfnisse decken könne.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach der Rechtsprechung des Rekursgerichts sei sogar von einem höheren Trinkgeldbetrag auszugehen. So sei in der Entscheidung 15 R 385/06b des Rekursgerichts ein Trinkgeld von 250 EUR monatlich angenommen worden; in der Entscheidung EFSlg 99.539 ein Betrag von 204 EUR, in der Entscheidung des Rekursgerichts 15 R 129/07g ein Betrag von monatlich mindestens 180 EUR.

Die Bestimmungen der Exekutionsordnung könnten als Orientierungshilfe bei der Ermittlung der Belastungsgrenze im Rahmen der Unterhaltsbemessung dienen, wobei die Grenze des § 291b EO jedoch im Hinblick auf § 292b EO nicht als Untergrenze der Belastung des Unterhaltsschuldners bei der Unterhaltsbemessung herangezogen werden könne. Die Unterhaltsbemessung könne vielmehr darüber hinausgehen, doch sei zu berücksichtigen, dass der Unterhaltspflichtige nicht so weit belastet werde, dass er in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet werde.

Bei Nichtausreichen des nach Abzug des § 291b EO verbleibenden Existenzminimums für die Befriedigung der laufenden Unterhaltsansprüche müssten sich nicht nur alle Unterhaltsberechtigten einen anteiligen Abzug gefallen lassen, sondern hätten sich die Unterhaltsschuldner und die Unterhaltsberechtigten den Fehlbetrag angemessen zu teilen. Eine genaue Berechnung scheide jedoch aus. Es sei vielmehr im Einzelfall eine nach den gegebenen Umständen noch am ehesten tragbare Regelung zu treffen. In den Entscheidungen 2 Ob 187/05x und 1 Ob 42/07v habe der Oberste Gerichtshof eine Unterhaltsbemessung akzeptiert, bei der dem Unterhaltspflichtigen bei einer Sorgepflicht ein Betrag von 580,11 EUR verbleibe. Berücksichtige man den Umstand, dass im vorliegenden Fall vier Sorgepflichten bestünden, welche mit den festgesetzten Beträgen weit unterhalb des Regelbedarfs liegen, sowie das monatliche Trinkgeld unterhalb des Mindestbetrags von 180 EUR angesetzt worden sei, sei ein Verbleib von monatlich 561 EUR für den Rekurswerber als für den Einzelfall vertretbar anzunehmen.

Nachträglich ließ das Rekursgericht den Revisionsrekurs mit der Begründung zu, durch die nunmehr ergangene Entscheidung des verstärkten Senats 1 Ob 160/09z vom 6. Mai 2009 (richtig: 5. 5. 2010) sei eine Änderung der Rechtsprechung eingetreten, weshalb iSd § 63 AußStrG der Ausspruch über die Zulässigkeit des Revisionsrekurses abzuändern gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Der Revisionsrekurs ist entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden - Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.

Der verstärkte Senat hat in seiner die Unterhaltsbemessung während eines Insolvenzverfahrens betreffenden Entscheidung 1 Ob 160/09z ausgesprochen, dass sich die Belastbarkeit des Unterhaltspflichtigen nach dem Unterhaltsexistenzminimum gemäß § 291b EO richte, das ausnahmsweise in den Grenzen des § 292b EO unterschritten werden könne. Ausdrücklich sprach der verstärkte Senat aus, dass eine allgemein gültige absolute Untergrenze nicht festgelegt werden könne. Der Betrag nach § 291b EO bilde nicht in jedem Fall eine äußerste, starre Untergrenze. Als Richtsatz für die Belastungsgrenze des Unterhaltspflichtigen orientiere sich die Rechtsprechung am Unterhaltsexistenzminimum des § 291b EO, das allerdings bei Bedarf in den Grenzen des § 292b EO noch unterschritten werden dürfe. Nur in besonderen Ausnahmefällen, wobei der verstärkte Senat ausdrücklich auf ganz geringes Einkommen und eine große Zahl von Unterhaltsberechtigten verweist, könne auch unter das - vielfach als „absolute Belastbarkeitsgrenze“ bezeichnete - niedrigste Existenzminimum in Höhe von 75 % des allgemeinen Grundbetrags herabgegangen werden. Eine solche absolute Grenze wäre auch nicht sachgerecht, weil sie zur Konsequenz hätte, dass bei geringem Einkommen nahezu überhaupt kein Unterhalt geschuldet würde.

Von diesen Grundsätzen sind die Vorinstanzen aber nicht abgewichen. Die konkrete Festlegung des dem Unterhaltspflichtigen jeweils zu verbleibenden Mindestbetrags lässt sich immer nur anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls beantworten und bildet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG. Wenn die Vorinstanzen im vorliegenden Fall in Anbetracht des Umstands, dass der Unterhaltspflichtige für vier Minderjährige sorgepflichtig ist, deren Geldunterhalt ohnedies schon deutlich unter dem sich nach der Prozentkomponente ergebenden Betrag liegt, und im Hinblick darauf, dass das Erstgericht ohnedies zugunsten des Unterhaltspflichtigen von Trinkgeldbeträgen in einer deutlich unter der sonst in vergleichbaren Fällen herangezogenen Höhe ausgegangen ist, ist in der von den Vorinstanzen vorgenommenen Unterhaltsbemessung eine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung nicht zu erblicken.

Damit bringt der Revisionsrekurswerber aber keine Rechtsfragen der in § 62 Abs 1 AußStrG geforderten Qualität zur Darstellung, sodass der Revisionsrekurs spruchgemäß zurückzuweisen war.

Textnummer

E95102

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0060OB00081.10W.0901.000

Im RIS seit

14.10.2010

Zuletzt aktualisiert am

04.07.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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