TE OGH 2010/9/23 5Ob109/10f

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.09.2010
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der außerstreitigen Wohnrechtssache der Antragsteller 1. Manuela G*****, 2. Monika E*****, 3. Werner E*****, 4. Ing. Hubert T*****, 5. Gerlinde F*****, alle vertreten durch Dr. Thomas Ebner, Rechtsanwalt in Wien, 6. Henriette H*****, 7. Renate K***** und 8. DI Herbert K*****, wider die Antragsgegner 1. Dr. Robert B*****, 2. Dkfm. Elmar G*****, 3. Ing. Ferdinand B*****, 4. Dr. Otto S*****, 5. Lotte S*****, 6. Klaus S*****, 7. DI Anton P*****, 8. Robert S*****, 9. Elisabeth B*****, 10. Dr. Dieter B*****, 11. Mag. Wolfgang H*****, 12. Werner S*****, 13. Mag. Arno S*****, 14. Mag. Dr. Margot E*****, diese vertreten durch Dr. Engelhart & Partner Rechtsanwälte OG in Wien, und 15. Mag. Maria Ursula P*****, wegen §§ 24 Abs 6 iVm 52 Abs 1 Z 4 WEG 2002 über den Revisionsrekurs der Vierzehntantragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 11. August 2009, GZ 41 R 7/09x-19, womit infolge Rekurses der Antragsteller der Sachbeschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 4. November 2008, GZ 45 Msch 9/08x-15, abgeändert wurde, den

Sachbeschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass der den Sachantrag abweisende Sachbeschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die Antragsteller sind schuldig, der Vierzehntantragsgegnerin an Kosten des Verfahrens erster Instanz 863,03 EUR (darin 143,67 EUR an Umsatzsteuer), des Rekursverfahrens 322,49 EUR (darin 53,75 EUR an Umsatzsteuer) und des Revisionsrekursverfahrens 951,33 EUR (darin 86,69 EUR an Umsatzsteuer und 431,20 EUR an Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Parteien sind die Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ *****.

In der Garage des Hauses befindet sich eine Stapelparkanlage für die 6 (als selbständige Wohnungseigentumsobjekte verbücherten) KFZ-Abstellplätze, die im Wohnungseigentum der (nunmehr)
Elft- (2 KFZ-Abstellplätze), Zwölft-, Dreizehnt-, Vierzehnt- und Fünfzehntantragsgegner (je 1 KFZ-Abstellplatz) stehen. Nur die hydraulische Anlage (Wippmechanismus), um die Stellflächen auf- und absenken zu können (jedoch keine Stellfläche), ist reparaturbedürftig und entspricht nicht mehr den Vorgaben des TÜV, sodass derzeit ein gestapeltes Parken durch Absenken eines KFZ samt einer Stellfläche in eine Grube nicht möglich ist.

Im Zeitraum Dezember 2007/Jänner 2008 kam mit einer Mehrheit von 63,5 % im Umlaufweg ein Beschluss der Eigentümergemeinschaft zustande, dass die in der Garage befindliche Stapelparkanlage auf Kosten der Allgemeinheit im Kostenrahmen von 26.500 EUR zu erneuern ist.

Der am 25. 2. 2003 geschlossene Wohnungseigentumsvertrag hat ua folgenden Inhalt:

"II.

Nutzungsumfang des Wohnungseigentümers

[...] Jeder Wohnungseigentümer hat die Wohnung, sonstige Räumlichkeiten oder Abstellplätze für Kraftfahrzeuge und die dafür bestimmten Einrichtungen, wie insbesondere Lichtleitungs-, Gasleitungs-, Wasserleitungs-, Beheizungs- und sanitären Anlagen, auf seine Kosten so zu warten und instandzuhalten, daß den anderen Miteigentümern kein Nachteil erwächst. [...] Alle nicht im Wohnungseigentum stehenden Teile und Flächen des Vertragsgegenstandes dienen der allgemeinen Nutzung und Verfügung aller Vertragsteile. [...]

V.

Bewirtschaftungskosten

Alle Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage sind von den Miteigentümern nach dem Verhältnis ihrer Anteile an der Liegenschaft zu tragen. [...] Jeder Wohnungseigentümer ist verpflichtet, für die Instandhaltung der in seinem Eigentum stehenden Wohnungseigentumsobjekte Sorge zu tragen und alle in deren Inneren erforderlichen Reparaturen auf eigene Kosten vorzunehmen.

Die Instandhaltung der allgemeinen Teile des Vertragsgegenstandes, an denen Wohnungseigentum nicht besteht, obliegt allen Miteigentümern gemeinsam."

Die Antragsteller begehren, den Umlaufbeschluss als unwirksam aufzuheben. Sowohl nach der zum Zeitpunkt des Abschlusses des Wohnungseigentumsvertrags geltenden Rechtslage (WEG 1975) als auch nach dessen Inhalt, der vorsehe, dass KFZ-Abstellplätze und die dafür bestimmten Einrichtungen auf Kosten des jeweiligen Eigentümers zu warten und in Stand zu halten seien, hätten die Kosten der Reparatur die Wohnungseigentümer der Abstellplätze zu tragen. Dem widerspreche der angefochtene Beschluss, weil der Wippmechanismus unter für die KFZ-Abstellplätze bestimmten Einrichtungen falle. Der Wippmechanismus stelle auch keinen allgemeinen Teil des Hauses dar.

Ua die Vierzehntantragsgegnerin wendete ein, die Verpflichtung laut Punkt II. des Wohnungseigentumsvertrags sei durch die Erhaltungspflicht der Gemeinschaft für allgemeine Teile der Liegenschaft begrenzt. Da die Hebebühnenkonstruktion nicht der ausschließlichen Nutzung durch einen Wohnungseigentümer dienen würden, zählten sie zu den allgemeinen Teilen. Deshalb treffe die gesamte Wohnungseigentumsgemeinschaft die Erhaltungspflicht.

Das Erstgericht wies den Antrag ab. Das hydraulische Stapelparksystem, das nicht ausschließlich von einem Wohnungseigentümer benützt werde, sei den allgemeinen Teilen zuzurechnen, woran nach § 3 Abs 3 WEG 2002 zwingend kein Wohnungseigentum begründet werden könne.

Das Rekursgericht änderte den Sachbeschluss des Erstgerichts im Sinne einer Antragsstattgebung ab. Gegenstand des Verfahrens sei allein die Kostentragung. Gemäß § 16 Abs 3 WEG 2002 habe jeder Wohnungseigentümer das Wohnungseigentumsobjekt auf seine Kosten zu warten, also auch die im Wohnungseigentum stehenden KFZ-Abstellplätze. Die Änderung des Verteilungsschlüssels (gemeint: auf alle Wohnungseigentümer) erfordere Einstimmigkeit, weshalb der Mehrheitsbeschluss nichtig sei.

Den Wert des Entscheidungsgegenstandes bewertete das Berufungsgericht mit 10.000 EUR nicht übersteigend. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ es (erst über Zulassungsvorstellung nachträglich) zu, weil zur Frage, ob ein „Beschluss über die Kostentragung, der die bestehende Regelung nicht verändert, nicht als Beschluss über die Kostentragung anzusehen und daher unabhängig von Mehrheits- oder Einstimmigkeitserfordernissen jedenfalls wirksam sei“, keine oberstgerichtliche Judikatur existiere.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Vierzehntantragsgegnerin mit dem Antrag auf Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Die Antragsteller machten von der Möglichkeit einer Revisionsrekursbeantwortung keinen Gebrauch.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und berechtigt, weil das Rekursgericht die Erhaltungspflicht für den Wippmechanismus korrekturbedürftig fehlbeurteilte.

1. Mit der Entscheidung 5 Ob 182/08p (= Zak 2009/104, 77 = immolex 2009, 178/71 [zust Prader] = wobl 2009, 282/104 [zust Vonkilch]) schloss sich der Oberste Gerichtshof der Meinung der herrschenden Lehre an, dass die technische Vorrichtung zum Erreichen der Parkwippen einen allgemeinen Teil der Liegenschaft bildet, weil der von der Stellfläche zu trennende Wippmechanismus - also alle von den reinen Stellflächen zu unterscheidenden Teile der Anlage Parkwippe - mehr als einem Wohnungseigentumsobjekt dient und keine ausschließliche Benützung zulässt (vgl RIS-Justiz RS0117164). Die Stellflächen der Parkwippen fallen daher grundsätzlich (soferne nicht die Voraussetzungen nach § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002 vorliegen) in die Erhaltungspflicht des jeweils betroffenen Wohnungseigentümers, während der Wippmechanismus als allgemeiner Teil von der Eigentümergemeinschaft zu erhalten ist. Von den im § 32 Abs 1 WEG 2002 genannten Aufwendungen für die Liegenschaft sind daher grundsätzlich nur jene für den Wippmechanismus (samt den dafür in Anspruch genommenen Räumlichkeiten) umfasst, nicht jedoch jene für die Stellflächen selbst (vgl RIS-Justiz RS0112445 [T5]).

2. In Übereinstimmung mit § 28 Abs 1 Z 1 WEG 2002 sieht auch Punkt V. des Wohnungseigentumsvertrags vor, dass die Instandhaltung der allgemeinen Teile des Vertragsgegenstandes, an denen Wohnungseigentum nicht besteht, allen Miteigentümern gemeinsam obliegt. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts hat der angefochtene Mehrheitsbeschluss daher keine Abänderung der (gesetzlichen und vertraglich vereinbarten) Kostentragung zum Gegenstand, sondern nur die Entscheidung zur Durchführung einer die Eigentümergemeinschaft konkret treffenden Erhaltungsmaßnahme an einem allgemeinen Teil der Liegenschaft. Dafür genügte aber nach der genannten Gesetzesbestimmung die Zustimmung der Mehrheit der Wohnungseigentümer. Für eine Unwirksamerklärung des nur wegen nicht erreichter Einstimmigkeit angefochtenen Beschlusses besteht daher kein Anlass.

Ob die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Antragstellung nach § 32 Abs 6 WEG 2002 gegeben sind, braucht im vorliegenden Verfahren nicht geprüft zu werden.

3. Die Kostenentscheidung zu allen 3 Instanzen (für das Verfahren erster Instanz ist die Kostenrüge der Antragsteller in ihrem Rekurs ON 16 zu beachten) gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG. Die Bemessungsgrundlage beträgt 2.500 EUR (§ 10 Z 3 lit b sublit bb RATG). Der Vierzehntantragsgegnerin standen erst ab der Tagsatzung vom 29. 7. 2008 insgesamt 8 Antragsgegner gegenüber.

Schlagworte

8 außerstreitige Wohnrechtssachen,

Textnummer

E95417

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0050OB00109.10F.0923.000

Im RIS seit

18.11.2010

Zuletzt aktualisiert am

25.10.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten