TE OGH 2010/12/15 4Ob119/10v

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.12.2010
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei V***** N***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Hubert Simon, Rechtsanwalt in Wien, wegen 5.000 EUR sA, Unterlassung (Streitwert 31.000 EUR) und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 26. März 2010, GZ 4 R 342/09g-10, womit das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 25. September 2009, GZ 19 Cg 118/09p-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei deren mit 1.961,64 EUR (darin 326,94 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

              Die Beklagte - Medieninhaberin der Zeitschrift „profil“ - veröffentlichte eine Eigenwerbung unter Verwendung eines Pressefotos, welches im Vordergrund den (verstorbenen) Kärntner Landeshauptmann Dr. Haider mit zwei Kindern, unter anderem mit dem Kläger zeigt. Der zugehörige Text lautet: „Es muss Schluss gemacht werden mit dem Alkoholausschank an Jugendliche. Die saufen doch den Kindern alles weg! - Otto Waalkes“. Darauf folgt die abschließende Botschaft „Wie viel Profil hat Ihre Meinung? … Bestes Magazin Österreichs - erhoben von „der journalist“ unter allen printredaktionen … www.profil.at … abo service: 01/95 55-100“. Das Foto wurde bei einer Veranstaltung anlässlich eines Besuchs des Bundespräsidenten in Kärnten aufgenommen; dies geht aus dem von der Beklagten verwendeten Bildausschnitt nicht hervor.

              Der Kläger hat keine Zustimmung zur werbemäßigen Verwendung seines Lichtbilds erteilt. Er beurteilt die Veröffentlichung als Verletzung seiner Rechte iSd § 78 UrhG und erhob ein Unterlassungsbegehren, wonach die Beklagte es zu unterlassen habe, Abbildungen des Klägers ohne dessen Einwilligung zu Werbezwecken zu veröffentlichen. Weiters begehrte der Kläger die Urteilsveröffentlichung im „profil“.

              Die Beklagte erachtet die Veröffentlichung als rechtmäßig. Sie sei im Rahmen ihrer Werbelinie als Verbindung von Pressefotos mit Zitaten Prominenter, die satirische Wirkung erzielen solle, gebraucht worden. Es habe sich nicht um ein gestelltes Werbefoto, sondern um die Wiedergabe eines öffentlichen Ereignisses gehandelt. Ein Verbot widerspräche Art 10 MRK.

              Das Erstgericht gab - mittels Teilurteils - dem Unterlassungsbegehren statt. Dass sich der Kläger im Rahmen einer Veranstaltung öffentlich präsentiert habe, schließe die werbemäßige Nutzung des (auch) ihn zeigenden Fotos nicht ein. Seine Wiederveröffentlichung für Werbezwecke der Beklagten stelle das Foto in einen nicht den Tatsachen entsprechenden Zusammenhang. Privatpersonen müssten sich eine unentgeltliche und unfreiwillige Nutzung ihres Bildes zu Werbezwecken nicht gefallen lassen. Die Interessen des Klägers seien umso mehr beeinträchtigt, als dem Foto ein seine Bedeutung verändernder Text beigefügt worden sei. Er könne etwa so verstanden werden, dass die darauf abgebildeten Kinder zu denen gehören, denen „Jugendliche den Alkohol wegsaufen“.

              Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ die Revision zu, weil im Anwendungsbereich des § 78 UrhG höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Gewichtung des Kindeswohls im Verhältnis zur Meinungsäußerungsfreiheit fehle. Allein die zustimmungslose Verwendung des Lichtbilds für Werbung trage den Unterlassungsanspruch noch nicht. Zusätzlich müsse der Eindruck erweckt werden, das Bild entgeltlich für Werbung zur Verfügung gestellt zu haben, was hier nicht der Fall sei. Allerdings falle bei der nach § 78 Abs 1 UrhG vorzunehmenden Interessenabwägung besonders ins Gewicht, dass es sich beim Kläger um einen erst Zwölfjährigen gehandelt habe. Er sei - posierend mit Dr. Haider - derart ins Zentrum gerückt, dass der Schluss auf seine (oder seiner Eltern) einschlägige politische Zugehörigkeit naheliege. Daraus folge schon „zur Vermeidung einer politischen Punzierung sowie im Hinblick auf die Unabwägbarkeiten, ob ihm dies im Laufe seines weiteren Ausbildungs- oder Berufswegs allenfalls irgendwann abträglich sein könne“, ein beachtliches Interesse des Klägers, dass eine derartige Bildnisveröffentlichung unterbleibe. Dieses Interesse sei höher zu bewerten als jenes der Beklagten an pointierten Darstellungen.

Rechtliche Beurteilung

              Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber nicht berechtigt.

              Die Beklagte macht in ihrer Revision geltend, dass sich der Kläger nur gegen die Veröffentlichung seines Lichtbilds für Werbezwecke wende, nicht aber gegen die „politische Punzierung“. Diese Frage sei daher nicht streitgegenständlich, weshalb die angefochtene Entscheidung § 405 ZPO verletze. Die gemäß Art 10 EMRK gegebene Freiheit der Meinungsäußerung beziehe sich auch auf die Veröffentlichung von Fotos. Hier überwiege die Freiheit der künstlerischen Gestaltung des satirischen Inserats gegenüber allfälligen Interessen des Klägers am Unterbleiben der Veröffentlichung seines Bildnisses bei Weitem.

              Dazu hat der Senat wie folgt erwogen:

              1. Durch § 78 UrhG soll jedermann gegen einen Missbrauch seiner Abbildung in der Öffentlichkeit, also namentlich dagegen geschützt werden, dass er durch die Verbreitung seines Bildnisses bloßgestellt, dass dadurch sein Privatleben der Öffentlichkeit preisgegeben oder sein Bildnis auf eine Art benützt wird, die zu Missdeutungen Anlass geben kann oder entwürdigend oder herabsetzend wirkt (RIS-Justiz RS0078186).

              2. Die Verwendung des Bildes einer Person zu Werbezwecken kann auch dann, wenn der Gegenstand für den geworben wird, nichts Anstößiges enthält, eine Verletzung berechtigter Interessen der abgebildeten Person bedeuten (RIS-Justiz RS0077982). Die Verwendung des Bildnisses einer Person ohne deren Einwilligung zu Werbezwecken ist ein Musterbeispiel einer herabsetzenden Bildnisveröffentlichung, wenn der Abgebildete dem Verdacht ausgesetzt wird, er habe sein Bildnis entgeltlich für Werbezwecke zur Verfügung gestellt (RIS-Justiz RS0078064).

              3. Im vorliegenden Fall ist zwar fraglich, ob die Bildnisveröffentlichung den Eindruck erweckt, der minderjährige Kläger habe sein Bild entgeltlich für Werbezwecke zur Verfügung gestellt (vgl A. Kodek in Kucsko, urheber.recht [2008] 1069 FN 99). Ob dieser Eindruck entsteht ist aber für die Beurteilung, ob die Verbreitung des Bildnisses im vorliegenden Fall schutzwürdige Interessen des Klägers verletzt, nicht ausschlaggebend. Die Werbezwecken dienende Bildnisveröffentlichung der Beklagten greift nämlich schon deshalb in berechtigte Interessen des Klägers ein, weil sein bei einer Veranstaltung mit dem Bundespräsidenten aufgenommenes Bild durch Weglassen der Person des Bundespräsidenten und - dadurch bedingt - Fokussierung auf den Landeshauptmann verändert und durch - wenngleich satirische - Aussagen zum Alkoholmissbrauch von Jugendlichen in einen gänzlich anderen und neuen Zusammenhang gestellt wurde, der mit dem ursprünglichen Auftritt nichts mehr zu tun hatte. Die Veröffentlichung des Bildausschnitts in der Werbung der Beklagten gibt auch deshalb zu Missdeutungen Anlass, weil der Kläger - ein Kind - in ein politisches Naheverhältnis gerückt wird. Auf diesen Umstand hat sich der Kläger - entgegen der Auffassung der Beklagten - auch berufen. Er hat sein rechtliches Interesse auch damit begründet, dass er mit „einem Thema und den dadurch transportierten (auch politischen) Ansichten in Verbindung gebracht“ werde.

Die vorliegende Bildnisveröffentlichung ist daher wertungsmäßig jedenfalls jenen von der Rechtsprechung bisher entschiedenen Fällen gleichzuhalten, in denen die Veröffentlichung den jeweils Abgebildeten dem Verdacht aussetzte, er habe sein Bildnis entgeltlich für Werbezwecke zur Verfügung gestellt.

              4. Art 10 EMRK schützt nicht nur den Inhalt von Meinungen und Informationen, sondern auch die Form ihrer Vermittlung (EGMR Bsw 10520/02). Auch kommerzielle Werbung fällt in den Schutzbereich dieser Bestimmung (Grabenwarter, EMRK4 § 23 Rz 4 mwN; vgl Korn, MR 2008, 123 [126], der die konsenslose Verwendung von Personenbildnissen für Zwecke der kommerziellen [Wirtschafts-]Werbung für generell unzulässig hält). Für die Zulässigkeit bestimmter Darstellungsformen und Ausdrucksweisen ist es in hohem Maße erheblich, in welchem Kontext über bestimmte Tatsachen berichtet wird (Grabenwarter, aaO Rz 43).

              Im vorliegenden Fall hat die Beklagte das Lichtbild des Klägers nicht im Zusammenhang mit der Berichterstattung über den Besuch des Bundespräsidenten in Kärnten veröffentlicht, sondern im Zusammenhang mit einer Eigenwerbung. Ihr Interesse an der Veröffentlichung gerade des ua den Kläger zeigenden Lichtbilds ist daher als gering zu werten, und zwar als erheblich geringer als jenes des Klägers am Unterbleiben der Bildnisveröffentlichung für Werbezwecke.

              5. Die Beklagte beruft sich auch auf die Freiheit der künstlerischen Gestaltung im Zusammenhang mit einem satirischen Inserat.

              Richtig ist, dass die Rechtsprechung im Zusammenhang mit Satire und Karikatur an die Beurteilung der Form (der Verfremdung, der Verzerrung) im Sinne der Kunstfreiheit nicht allzu strenge Maßstäbe anlegt, sodass erst die Verletzung des Kerns der menschlichen Ehre, der Menschenwürde oder des gesamten öffentlichen Ansehens einer Person der äußeren Form „Satire“ oder „Karikatur“ Grenzen setzt, nicht aber schon jede, wenn auch sonst (außerhalb der Beurteilung der Kunstfreiheit) beleidigende Bezeichnung oder Darstellung (vgl 4 Ob 37/99s).

              Bei der Interessenabwägung wird im Zusammenhang mit Parodie und Satire allerdings auch als entscheidend erachtet, ob die künstlerisch-ironische Auseinandersetzung mit dem Gegenstand der Parodie im Vordergrund steht oder vielmehr kommerzielle Motive (vgl 17 Ob 15/09v zur Markenparodie).

              Der BGH verneinte die Verletzung des Bildnisschutzes bzw Persönlichkeitsrechts im Fall von Werbeanzeigen, die sich satirisch-spöttisch mit aktuellen Tagesereignissen auseinandersetzten. Diesfalls müsse das Interesse des Abgebildeten, die Verwendung seines Bildnisses in der Werbung zu verhindern, zurücktreten (BGH I ZR 182/04; vgl auch Haberer in ecolex 2009, 420 mwN).

              Im vorliegenden Fall handelt es sich nicht um die satirische Auseinandersetzung mit einem aktuellen Tagesereignis (dem Besuch des Bundespräsidenten) aus dessen Anlass der Kläger abgebildet wurde. Dieses Ereignis geht - wie eingangs erwähnt - aus dem von der Beklagten verwendeten Bildausschnitt gar nicht hervor. Im Vordergrund steht eindeutig der kommerzielle Zweck der Eigenwerbung.

              Der Umstand, dass die Veröffentlichung das Stilmittel der Satire einsetzte, vermag daher im gegebenen Fall nichts an der Interessenabwägung zu Gunsten des Klägers zu ändern. Die vorliegende Veröffentlichung ist unzulässig.

              Der Revision war daher nicht Folge zu geben.

              Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Schlagworte

Alkoholausschank an Jugendliche,Gewerblicher Rechtsschutz,Urheberrecht

Textnummer

E96008

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:0040OB00119.10V.1215.000

Im RIS seit

21.01.2011

Zuletzt aktualisiert am

15.06.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten