TE OGH 2010/12/21 8ObA6/10f

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.12.2010
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, und die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker und Dr. Andrea Eisler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** M*****, vertreten durch Mag. German Storch, Mag. Rainer Storch, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei d***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Wartecker, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen 2.100 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Oktober 2009, GZ 11 Ra 70/09g-14, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 4. Juni 2009, GZ 6 Cga 17/09m-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war zuletzt ab 2003 bis 19. 9. 2008 als Industrieofenmaurer bei der Beklagten, einem Arbeitskräfteüberlassungsunternehmen, beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis ist der Kollektivvertrag für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung (KV-AÜ) anzuwenden. Ab Mitte 2003 wurde der Kläger durchgehend an die C***** GmbH in L***** (in weiterer Folge: Beschäftiger) überlassen, und zwar als Facharbeiter in seinem erlernten Beruf als Maurer.

Der Beschäftiger verfügt unter anderem über eine Gewerbeberechtigung für Errichtung, Instandhaltung und Betreuung von Anlagen sowie Herstellung von Apparaten und Maschinen, vorwiegend für die chemische Industrie in Form eines Industriebetriebs. Er ist selbst kein Produktionsbetrieb im klassischen Sinn, verfügt aber auf dem sogenannten Chemiepark L***** über diverse Betriebsgebäude, in denen sich die Verwaltungseinheiten, aber auch Werkstätten befinden. Der Beschäftiger ist im Wesentlichen ein Betrieb, der Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten bei anderen am Chemiepark ansässigen Unternehmen durchführt. Eine eigene „Produktionsstätte“ betreibt der Beschäftiger nicht. Er ist nicht in Form einer Geschäftsstruktur mit jenen Unternehmen am Chemiepark verbunden, für die er Instandhaltungsarbeiten durchführt. Die Stammmitarbeiter des Beschäftigers unterfallen dem Kollektivvertrag für die chemische Industrie. Aufgrund einer internen für den Beschäftiger gültigen Vereinbarung gelten Tätigkeiten seiner Arbeitnehmer im Bereich des Chemieparks, bei der V***** und bis hin nach N***** als „Tätigkeiten vor Ort“ ohne Anspruch auf Aufwandsentschädigung.

Der Kläger erhielt zu Beginn seiner Überlassung an den Beschäftiger eine Überlassungsmitteilung. Diese nennt - wie auch die bis 2008 folgenden - die „C***** GmbH in ***** L*****“ als Beschäftiger und den „V*****/Chemiepark“ als Beschäftigungsort. Festgehalten ist eine Beschäftigung als Maurer, der Arbeitsbeginn und die Wochenstundenzahl sowie die Anwendbarkeit des Beschäftigerkollektivvertrags „Baugewerbe/Industrie“. In der Überlassungsmitteilung wird der Bruttostundenlohn mit 10,12 EUR genannt, weiters diverse Schicht- und Schmutzzulagen sowie Nächtigungsgeld in Höhe von 15 EUR, Taggeld in Höhe von 26,40 EUR und tägliche Fahrtkosten von 1,17 EUR.

Der Kläger lebte während des aufrechten Beschäftigungsverhältnisses in S*****. Ihm wurden Tag- und Nächtigungsgelder ausbezahlt. Zu Beginn seiner Überlassung an den Beschäftiger wusste er zunächst nicht genau, was sein Aufgabengebiet sein werde. Nach kurzer Zeit war ihm dies jedoch klar. Der Kläger wurde während seiner Beschäftigung für Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten vielfältigster Art bei Unternehmen im Chemiepark eingesetzt. Kurzfristig war er auch am Gelände der V***** sowie bei der Papierfabrik N***** tätig. Auf sein Arbeitsverhältnis wurde zunächst als Beschäftigerkollektivvertrag ebenfalls jener der chemischen Industrie angewendet. Ab Mai 2005 wurde auch der Kollektivvertrag für das Baugewerbe/Industrie als Beschäftigerkollektivvertrag herangezogen.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger nach Einschränkung die Zahlung von Entgeltdifferenzen. Der Beschäftiger gehöre einem Referenzverband an, sodass der nach dem Kollektivvertrag gebührende Referenzzuschlag von zumindest 14 % zum Lohn zustehe.

Die Beklagte wendet dagegen ein, dass der Kläger zu Montage- bzw Baustellenarbeiten überlassen worden sei. Dabei handle es sich um Arbeiten außerhalb des Betriebs des Beschäftigers, sodass der begehrte Lohnzuschlag nach dem Kollektivvertrag nicht gebühre. Die Überlassung zur Verrichtung auswärtiger Arbeiten sei auch in der Einsatzinformation angeführt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte den bereits wiedergegebenen Sachverhalt fest. Rechtlich führte es aus, dass gemäß Abschnitt IX Pkt 3 KV-AÜ für die Dauer der Überlassung ein Anspruch auf den im Beschäftigerbetrieb vergleichbaren Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlenden kollektivvertraglichen Lohn bestehe, wenn dieser höher sei als der in den Punkten 1 und 2 dieses Abschnitts geregelte Mindestlohn (Grundlohn). Für die Überlassung in Branchen, die sogenannten Referenzverbänden nach Abschnitt IX Pkt 4 KV-AÜ angehörten, betrage der Überlassungslohn für Facharbeiter 114 % (Referenzzuschlag). Dieser erhöhte Lohn gebühre lediglich im Probemonat sowie dann nicht, wenn der Arbeitnehmer ausdrücklich zur Verrichtung auswärtiger Arbeiten überlassen worden und dies in der Einsatzinformation angeführt sei. Der Kollektivvertrag lege nicht fest, was eine Arbeit „außerhalb des Betriebs“ des Beschäftigers sei. Er definiere jedoch in Abschnitt VIII A) Pkt 1 den Begriff der Dienstreise. Eine solche liege dann vor, wenn der Arbeitnehmer vom Beschäftiger für Arbeiten außerhalb des ständigen, ortsfesten Betriebs verwendet oder zu Dienstreisen entsendet werde.

Hier sei der Beschäftiger ein Dienstleistungsbetrieb, der in erster Linie Instandhaltungs- und Wartungsarbeiten durchführe. Diese würden naturgemäß nicht beim Beschäftiger, sondern außerhalb erbracht. Von einer auswärtigen Arbeit könne jedoch im vorliegenden Fall ausgehend vom Sinn der kollektivvertraglichen Bestimmung nicht ausgegangen werden. Solange der Kläger für den Beschäftiger in dessen unmittelbarer Nähe, also im Bereich des Chemieparks sowie in der V***** Instandhaltungsarbeiten erbringe, könnten solche Tätigkeiten nicht als Baustellentätigkeit im engsten Sinn des Kollektivvertragswortlauts angesehen werden. Im vorliegenden Fall sei vielmehr vom Begriff einer „erweiterten Betriebsstätte“ auszugehen.

Schließlich fehle auch eine gewisse räumliche Entfernung, die bei einer Dienstreise oder bei einer auswärtigen Tätigkeit regelmäßig gegeben sei. Für Mitarbeiter des Beschäftigerbetriebs gebe es sogar eine interne Vereinbarung, nach der Tätigkeiten in einem gewissen Umkreis zum Beschäftiger als Tätigkeiten vor Ort gelten. Daraus sei zu schließen, dass diese Mitarbeiter keine Zulagen erhalten, die ihren Grundlohn erhöhen, sondern Überzahlungen. Auch daher gebühre dem Kläger der Referenzlohn. Darüber hinaus fehle ein ausdrücklicher Hinweis auf die Überlassung zur Verrichtung auswärtiger Arbeiten in der Einsatzinformation gemäß § 12 AÜG. Der Überlassungsmitteilung sei nicht mit der erforderlichen Sicherheit zu entnehmen, dass der Kläger zur Verrichtung auswärtiger Arbeiten überlassen wurde. Einziger griffiger Anhaltspunkt sei die Anführung des Beschäftigungsorts „V*****/Chemiepark“. Dies genüge jedoch ebenso wenig wie der in der Überlassungsmitteilung angeführte „Anspruch auf Tag- und Nächtigungsgelder“. Dieser könne sich nämlich ebenso gut aus Abschnitt VIII B) Pk. 11 und 12 KV-AÜ ergeben, weil der Wohnort des Klägers vom Arbeitsort entsprechend weit entfernt sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten gegen dieses Urteil Folge und wies das Klagebegehren ab. In der Überlassungsmitteilung sei ausreichend ausgedrückt, dass der Kläger zur Verrichtung auswärtiger Arbeiten überlassen werde. Denn der Beschäftiger scheine mit seiner Adresse in Linz auf, als Beschäftigungsort werde hingegen der „V*****/Chemiepark“ angegeben. Dadurch sei ausreichend klargestellt, dass der Kläger nicht beim Beschäftigerbetrieb sondern im durchaus nahe gelegenen Bereich der V***** bzw des Chemieparks tätig sein werde. Der Begriff der „Baustelle“ könne im weiteren Sinn durchaus als Ort verstanden werden, an dem auch Reparaturarbeiten durchgeführt werden. Dieser Begriff werde im Kollektivvertrag überdies nur beispielsweise verwendet. Der Kläger habe seine Tätigkeit außerhalb des ortsfesten Betriebs des Beschäftigers ausgeübt. Eine „erweiterte“ Betriebsstätte des Beschäftigers könne nicht angenommen werden. Die Annahme ständig wechselnder, aber dennoch „ortsfester“ Betriebsstätten könne mit dem im Kollektivvertrag verwendeten Begriff des „ortsfesten“ Betriebs nicht in Einklang gebracht werden. Die Entlohnung der Stammmitarbeiter des Beschäftigers spiele keine Rolle, weil auf diese der KV-AÜ nicht anwendbar sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung der im Kollektivvertrag verwendeten Wendung „ … Arbeiten außerhalb des ständigen, ortsfesten Betriebs des Beschäftigers … “ fehle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers.

Die Revisionsbeantwortung der Beklagten wurde vom Erstgericht rechtskräftig als verspätet zurückgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist jedoch nicht berechtigt.

1. Der Revisionswerber bestreitet nicht, dass er in verschiedenen Unternehmen am Gelände des Chemieparks L***** tätig war, nicht aber in einem der Büros oder einer der Werkstätten, die von der Beklagten dort unterhalten wurden. Er hält der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts zusammengefasst vor allem entgegen, dass ausgehend von der besonderen räumlichen Situation im Chemiepark von einer erweiterten Betriebsstätte des Beschäftigers auszugehen sei, um dem Zweck der Lohnerhöhung im KV-AÜ Rechnung zu tragen. Von einer auswärtigen Tätigkeit iSd KV-AÜ sei hier schon wegen des Fehlens einer gewissen räumlichen Entfernung nicht auszugehen; darüber hinaus sei der schriftlichen Überlassungsmitteilung nicht mit ausreichender Sicherheit zu entnehmen, dass der Kläger für auswärtige Arbeiten überlassen worden sei.

2. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden.

Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass im konkreten Fall von einer iSd Abschnitts IX Z 3 KV-AÜ ausreichend bestimmten Überlassungsmitteilung auszugehen ist und die Voraussetzungen für die Zahlung eines erhöhten Überlassungslohns nicht vorlagen, ist zutreffend. Auf seine Ausführungen kann gemäß § 510 Abs 3 ZPO verwiesen werden. Zur Auslegung des Kollektivvertrags ist dem Revisionswerber ergänzend Folgendes entgegenzuhalten:

3. Die hier maßgeblichen Bestimmungen des KV-AÜ lauten auszugsweise wie folgt:

VIII. Regelungen für auswärtige Arbeiten

A) Bei Entsendung durch den Beschäftiger:

1. Eine Dienstreise liegt vor, wenn der Arbeitnehmer vom Beschäftiger für Arbeiten außerhalb des ständigen, ortsfesten Betriebs des Beschäftigers verwendet, oder zu Dienstreisen entsendet wird. Arbeiten auf Baustellen usw. gelten jedenfalls als Arbeit außerhalb des Betriebs des Beschäftigers. Die nachstehend geregelten Aufwandsentschädigungen berühren nicht den Entgeltanspruch gem. § 10 Abs. 1 dritter Satz AÜG

2. Tagesgelder

Bei einer auswärtigen Arbeitszeit von mehr als 5 Stunden gebührt ein Tagesgeld pro Arbeitstag in der Höhe von …

3. Nächtigungsgeld

Wenn die Beschäftigung außerhalb des ständigen Betriebes eine Nächtigung außer Haus erfordert oder eine solche zulässigerweise angeordnet wird (Punkt 2), hat der Arbeitnehmer Anspruch auf ein Nächtigungsgeld, …

4. Ist bei Beschäftigung außerhalb des Beschäftiger-Betriebes ein Verkehrsmittel zu benutzen, so hat der Überlasser das Verkehrsmittel zu bestimmen und die Fahrtkosten zu ersetzen.

[…]

B) Bei Entsendung durch den Überlasser in weit entfernte Beschäftiger-Betriebe:

11. Eine Dienstreise liegt ferner vor, wenn der Arbeitnehmer vom Arbeitskräfteüberlasser in einen Betrieb überlassen wird, der mehr als 60 km vom Wohnort des Arbeitnehmers entfernt ist (Wegstrecke bei Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel). […]

C) Dienstreisen von Arbeitnehmern, die im Überlasserbetrieb selbst beschäftigt sind:

[…]

D) Verwendung des KFZ des Arbeitnehmers:

14. In allen Reise-Fällen gilt: […]

IX. Mindestlöhne

1. Mindestlohn/Grundlohn (Mindeststundenlöhne)

Sowohl während der Dauer einer Überlassung als auch in überlassungsfreien Zeiten (Stehzeiten) darf der Stundenlohn keinesfalls geringer sein als der nach den folgenden Bestimmungen zu zahlende Mindestlohn, […]

2. Beschäftigungsgruppenmerkmale […]

3. Überlassungslohn

Für die Dauer der Überlassung besteht Anspruch auf den im Beschäftiger-Betrieb vergleichbaren Arbeitnehmern für vergleichbare Tätigkeiten zu zahlenden kollektivvertraglichen Lohn (ggf. Satzung, Mindestlohntarif, Gesetz, Verordnung usw.), wenn dieser höher ist, als der in Pkt. 1 und 2 geregelte Mindestlohn/Grundlohn. Bei Überlassung in einen Betrieb, für dessen vergleichbare Arbeitnehmer ein Kollektivvertrag gilt, der von einem der in Pkt. 4 genannten Verbände abgeschlossen wurde, beträgt der Überlassungslohn jedoch […]

für Facharbeiter                                                        114 %

des im ersten Satz bezeichneten kollektivvertraglichen Lohnes. […]

Die Erhöhung des Überlassungslohns nach den vorstehenden Absätzen gilt nicht im Probemonat und nicht, wenn der Arbeitnehmer ausdrücklich zur Verrichtung auswärtiger Arbeiten (Abschnitt VIII Punkt 1-10) überlassen und dies in der Einsatzinformation (§ 12 AÜG) angeführt ist (somit Anspruch auf Aufwandsentschädigung bei Arbeitsleistung besteht). […]

X. Verdienstbegriff

Verdienst ist der Arbeitslohn, bei leistungsbezogenen Entgelten gemäß § 96 Abs. 1 Ziffer 4 Arbeitsverfassungsgesetz deren 13-Wochen-Durchschnitt auf Basis der Normalarbeitszeit. […] In den Verdienst sind einzubeziehen:

Sämtliche Zulagen und Zuschläge, […], nicht jedoch Aufwandsentschädigungen (Tages- und Nächtigungsgelder sowie Fahrtkostenersätze). […]

XIV. Abrechnung und Auszahlung

[…]

2. Der Arbeitnehmer hat Anspruch auf eine übersichtliche schriftliche Abrechnung. Diese hat insbesondere auszuweisen:

[…]

g Aufwandsentschädigungen (Taggelder, Nächtigungsgelder, Fahrtkostenersätze),

[…].“

4. Abschnitt IX Z 3 KV-AÜ sieht vor, dass ein erhöhter Überlassungslohn nicht gebührt, wenn ausdrücklich eine Überlassung zur Verrichtung auswärtiger Arbeiten vereinbart wird und somit ein Anspruch auf Aufwandsentschädigung bei (tatsächlich erbrachter) Arbeitsleistung besteht. Nach Abschnitt XIV 2 g des KV-AÜ umfasst der Begriff der Aufwandsentschädigung Taggelder, Nächtigungsgelder und Fahrtkostenersätze. Nach Abschnitt VIII A Z 2 stehen dem Arbeitnehmer bei einer auswärtigen Arbeitszeit von mehr als 5 Stunden die dort näher geregelten Tagesgelder zu; nach Z 3 und 4. unter den dort geregelten Voraussetzungen auch Nächtigungsgeld und Fahrkostenersatz. Diese Ansprüche wurden deshalb im KV-AÜ normiert, weil nach der überwiegenden Lehre und nach der Rechtsprechung die einschlägigen Regelungen des jeweiligen Beschäftiger-Kollektivvertrags für überlassene Arbeitskräfte nicht anzuwenden sind, zumal solche Leistungen nicht unter den Entgeltbegriff des § 10 Abs 1 Satz 3 AÜG fallen (9 ObA 81/01d; Schindler, Arbeitskräfteüberlassungs-KollV 149 mit Nachweisen aus der Lehre). Auswärtige Arbeiten bewirken vielfach erhöhte bzw zusätzliche Entgelte entsprechend den Regeln des jeweiligen Beschäftigerkollektivvertrags (vgl RIS-Justiz RS0120570). Solche schon gemäß § 10 Abs 1 Satz 3 AÜG bestehenden Entgeltansprüche werden durch den im KV-AÜ geregelten Anspruch auf Aufwandsentschädigung nicht berührt (Abschnitt VIII A Z 1 KV-AÜ; 9 ObA 39/05h; Schindler aaO 152). Leistet der überlassene Arbeitnehmer daher auswärtige Arbeitsleistungen iSd Abschnitts VIII Z 1 - 10 KV-AÜ, steht ihm somit ein Anspruch auf Aufwandsentschädigung im Sinne des KV-AÜ zu, sodass im Sinn des klaren Wortlauts des Abschnitts IX Z 3 KV-AÜ kein Anspruch auf den sogenannten „Referenzzuschlag“ besteht.

5. Zur Beurteilung des Begriffs der Verrichtung auswärtiger Arbeiten verweist Abschnitt IX Z 3 KV-AÜ auf Abschnitt VIII A KV-AÜ, der Regelungen über die Entsendung des überlassenen Arbeitnehmers durch den Beschäftiger enthält. Danach wird ein Anspruch auf Aufwandsentschädigung in den beiden dort geregelten Fällen einer Dienstreise vermittelt. Der KV-AÜ definiert - neben eigentlichen Dienstreisebewegungen - ausdrücklich jeden Einsatz außerhalb des ständigen ortsfesten Betriebs des Beschäftigers als Dienstreise. Darunter fällt jedwede Arbeitsleistung, die außerhalb des ständigen ortsfesten Betriebs des Beschäftigers ausgeübt wird. Arbeiten auf „Baustellen usw“ werden als Beispiel erwähnt; sie gelten jedenfalls als Arbeit außerhalb des Betriebs des Beschäftigers.

6. Schon der klare Wortlaut dieser Bestimmungen lässt das vom Revisionswerber gewünschte Verständnis des Begriffs des ständigen ortsfesten Betriebs im Sinn einer „erweiterten Betriebsstätte“, die auch nahegelegene Einsatzorte bei Kunden des Beschäftigers umfasst, nicht zu. Dies ergibt sich schon daraus, dass der KV-AÜ nicht nur von einem „ständigen Betrieb“ (vgl RIS-Justiz RS0029668), sondern von einem „ständigen, ortsfesten Betrieb“ des Beschäftigers spricht. Abschnitt VIII A Z 1 KV-AÜ enthält keinerlei Hinweis auf eine in der Revision geforderte „gewisse räumliche Entfernung“ der außerhalb des Beschäftigerbetriebs geleisteten Arbeiten. Wie ausgeführt, ist nach Abschnitt VIII A Z 1 KV-AÜ eine Arbeitstätigkeit auf „Baustellen usw“ immer eine Arbeit außerhalb des Beschäftigerbetriebs, mögen diese räumlich auch nahe zu diesem gelegen sein. Der KV-AÜ sieht im Gegensatz zu einzelnen Beschäftigerkollektivverträgen auch keine „Aufnahme auf der Baustelle“ (die dann als ständiger Betrieb gelten kann [vgl 9 ObA 39/05h zum Kollektivvertrag für das eisen- und metallverarbeitende Gewerbe]) für überlassene Arbeitskräfte vor (Schindler aaO 151). Dem Umstand, dass die Unternehmen, in denen der Kläger für den Beschäftiger tätig war, räumlich nicht weit von diesem entfernt waren, kommt daher keine Bedeutung zu. Der Kläger, der gerade nicht in den Verwaltungsbüros oder den Werkstätten des Beschäftigerbetriebs eingesetzt war, erbrachte seine Arbeitsleistungen im Sinne des klaren Wortlauts des Kollektivvertrags außerhalb des Beschäftigerbetriebs, sodass von einer auswärtigen Arbeit iSd Abschnitts VIII Z 3 AÜ-KV auszugehen ist. Damit steht ihm ein (hier nicht geltend gemachter) Anspruch auf Aufwandsentschädigung zu, weshalb der Anspruch auf den Referenzzuschlag zu verneinen ist.

7. Dass damit der Zweck des erhöhten Referenzlohns vereitelt werde, trifft nicht zu. Wird nämlich ein Arbeitnehmer außerhalb des ständigen ortsfesten Betriebs des Beschäftigers verwendet, so gebührt ihm nach dem System des KV-AÜ zwar kein Referenzlohn, jedoch - wie eben ausgeführt - der Anspruch auf Aufwandsentschädigung iSd Abschnitts VIII A KV-AÜ; dazu kann überdies ein allfälliger zusätzlicher Entgeltanspruch nach den Bestimmungen des jeweiligen Beschäftigerkollektivvertrags gebühren (zum „doppelten“ Lohnschutz des KV-AÜ vgl Schindler aaO 19, 20). Schon allein daher ist aus dem vom Revisionswerber herangezogenen Vergleich mit der behaupteten (überkollektivvertraglichen) Entlohnung der Stammmitarbeiter des Beschäftigerbetriebs für seinen Standpunkt nichts zu gewinnen. Maßgeblich für die Beurteilung des Anspruchs auf den geltend gemachten Referenzlohn ist nur, ob ein Anspruch auf Aufwandsentschädigung iSd Abschnitts VIII A KV-AÜ dem Grund nach besteht, weil eine auswärtige Tätigkeit im dargestellten Sinn verrichtet wird. Ob oder welche Aufwandsentschädigungen der Kläger tatsächlich erhalten hat, ist dabei ohne Bedeutung, weil es nur auf den Anspruch, aber nicht darauf ankommt, ob der Anspruch auch erfüllt wurde. Auch die behauptete sekundäre Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt daher nicht vor.

8. Die Revision erweist sich aus diesen Gründen als nicht berechtigt.

9. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 ZPO. Die Revisionsbeantwortung der Beklagten wurde - wie ausgeführt - rechtskräftig zurückgewiesen.

Schlagworte

11 Arbeitsrechtssachen,Arbeitsrecht

Textnummer

E95994

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2010:008OBA00006.10F.1221.000

Im RIS seit

19.01.2011

Zuletzt aktualisiert am

17.10.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten