TE OGH 2011/1/19 7Ob240/10k

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Veröffentlicht am 19.01.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Huber als Vorsitzende und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schaumüller, Dr. Hoch, Dr. Kalivoda und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****AG, *****, vertreten durch Dr. Alexandra Slama, Rechtsanwältin in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei K***** Z*****, vertreten durch Dr. Peter S. Borowan und andere Rechtsanwälte in Spittal an der Drau, wegen 120.000 EUR (sA), über den Rekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 27. Mai 2010, GZ 3 R 42/10m-15, mit dem das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 7. Jänner 2010, GZ 26 Cg 97/09z-11, über Berufung der Klägerin aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

F***** S***** (im Folgenden Versicherungsnehmer) hat sein Haus ***** R***** 11 bei der Klägerin unter anderem gegen Feuer versichert. Am 14. 10. 2007 wurde das Haus durch einen Brand beschädigt.

Die Klägerin, die dem Versicherungsnehmer aus der Versicherung eine Entschädigung von 120.000 EUR leistete, begehrt von der Beklagten gemäß § 67 Abs 1 VersVG diese Zahlung ersetzt. Die Beklagte habe den Brand dadurch grob fahrlässig verschuldet, dass sie auf dem Holzbalkon der Mansardenwohnung des versicherten Hauses eine glimmende Zigarette in einen Blumentrog mit Torferde gesteckt habe.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Sie habe am fraglichen Tag den Balkon nicht betreten und den Brand nicht verursacht. Im Übrigen bestehe ein Haftungsausschluss nach § 67 Abs 2 VersVG, weil sie zum Zeitpunkt des Ausbruchs des Brandes gemeinsam mit dem Sohn des Versicherungsnehmers in dessen Haushalt gelebt habe. Das ihr unterstellte Handeln sei auch nicht als grob fahrlässig zu werten, weil bei Leuten ohne gärtnerische Ausbildung die Gefährlichkeit der Entsorgung einer Zigarette in Torferde nicht bekannt sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende wesentliche Feststellungen:

Die Beklagte, die noch in ihrem Elternhaus in R***** gemeldet ist, ist als Friseurin in F***** tätig. Sie ist mit dem Sohn des Versicherungsnehmers, S***** S*****, befreundet. Dieser baute im Jahr 2006 im Haus des Versicherungsnehmers das Dachgeschoss aus, wobei die Beklagte mitarbeitete. Nach Fertigstellung der Mansardenwohnung zog die Beklagte aus ihrem Elternhaus aus und zu ihrem Freund. Sie lebt seither im Haus des Versicherungsnehmers. Die Mansardenwohnung verfügt über keinen eigenen Strom- und Wasserzähler. Die Tiefkühltruhe ist in den Räumlichkeiten des Versicherungsnehmers untergebracht. Am 14. 10. 2007 war S***** S***** nicht zu Hause. Die Beklagte fuhr zu Mittag nach R*****, weil ihre dort wohnende Großmutter Geburtstag feierte. Am Abend kam die Beklagte kurz nach Hause, zog sich um und fuhr mit einer Freundin gleich wieder weg. Gegen Mitternacht kam sie wieder heim und legte sich schlafen. Als der Bruder ihres Freundes etwas später nach Hause kam, nahm er am Balkon ein Knistern wahr und stellte Brandausbruch fest. Gegen die Beklagte wurde wegen fahrlässiger Herbeiführung einer Feuersbrunst ein Strafverfahren eingeleitet. Ein in diesem Strafverfahren erstattetes Sachverständigengutachten kam, ebenso wie ein Gutachten der Brandverhütungsstelle, zum Ergebnis, dass als Brandursache nur nachglimmende Rauchwarenreste in der Torferde eines Blumentopfs am Balkon der Mansarde in Frage kämen; es habe bis zu 24 Stunden dauern können, bis es zum Brandausbruch gekommen sei. Der Beklagten wurde im Strafverfahren vorgeworfen, eine glühende Zigarette in einem mit einer Torferdemischung gefüllten Blumentrog am Holzbalkon der Dachgeschosswohnung gegeben zu haben, wodurch sich der Brand entwickelt habe. Das Strafverfahren gegen die Beklagte wurde durch Diversion (Geldbuße 800 EUR) erledigt.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den festgestellten Sachverhalt dahin, die Beklagte sei als Familienangehörige im Sinn des § 67 VersVG anzusehen. Sie habe ständig im Haus des Versicherungsnehmers gewohnt und sei durch ihre Lebensgemeinschaft mit dessen Sohn in den Familienverband integriert gewesen, zumal auch keine Trennung zwischen den Haushalten erfolgt sei. Eine Regresspflicht der Beklagten setzte daher deren grobes Verschulden voraus. Dies sei aber zu verneinen, weil die Beklagte jedenfalls davon ausgehen habe können, dass die Zigarette in einem mit Erde gefüllten Blumentrog „abgetötet“ worden sei.

Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Ausgehend vom Normzweck des § 67 Abs 2 VersVG, nämlich einerseits zu vermeiden, dass der Versicherungsnehmer am Ende den Schaden doch aus eigener Tasche bezahlen müsse, andererseits den Familienfrieden zu erhalten, zähle nach herrschender Ansicht auch die Lebensgefährtin des Versicherungsnehmers zu den in den Schutzbereich dieser Norm mit einbezogenen Familienangehörigen. Die Beklagte sei aber nicht die Lebensgefährtin des Versicherungsnehmers gewesen, sondern habe (allenfalls) mit dessen Sohn eine Lebensgemeinschaft unterhalten. Deshalb sei es nicht sachgerecht, sie in den Kreis der privilegierten Familienangehörigen des § 67 Abs 2 VersVG mit einzubeziehen. Die Feststellungen im Ersturteil reichten zur Annahme einer häuslichen und wirtschaftlichen Gemeinschaft mit dem Versicherungsnehmer nicht aus. Danach habe der Sohn des Versicherungsnehmers mit der Beklagten in dessen Haus eine eigene Mansardenwohnung ausgebaut, um dort getrennt von den anderen Familienangehörigen zu wohnen. Ein gemeinsamer Haushalt würde nur dann vorliegen, wenn eine auf Dauer ausgerichtete Gemeinsamkeit der Wirtschaftsführung gegeben gewesen wäre, also die Beklagte in den Haushalt des Versicherungsnehmers eingegliedert gewesen wäre. Für eine derartige Annahme biete der festgestellte Sachverhalt keine Anhaltspunkte. Dies habe zur Konsequenz, dass das sogenannte Familienprivileg des § 67 Abs 2 VersVG auf die Beklagte nicht anwendbar sei. Ob die Beklagte zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schadensfalls mit dem Sohn des Versicherungsnehmers nur freundschaftlich verbunden oder dessen Lebensgefährtin gewesen sei, sei daher nicht entscheidend. Für den Fall, dass die Beklagte den Brand zumindest leicht fahrlässig verursacht hätte, könne sich die Klägerin daher an ihr regressieren. Diese habe sich zum Beweis dafür, dass die Schadensursache die nicht ordnungsgemäße Entsorgung einer von der Beklagten gerauchten Zigarette gewesen sei, auf einen Sachverständigen aus dem Brandwesen berufen. Das Erstgericht habe diesen Beweis nicht aufgenommen, was die Klägerin mit Recht als Verfahrensmangel gerügt habe. Es könne nicht abschließend beurteilt werden, ob die Beklagte durch die ihr vorgeworfene Handlung den Brand verursacht habe und ob ihr ein sorgloses Handeln als Verhaltensunrecht vorwerfbar sei. Diesbezüglich bedürfe es einer Verbreiterung der Sachverhaltsgrundlage im Rahmen des von beiden Parteien erstatteten Vorbringens. Eine Bindung an die diversionelle Erledigung des Strafverfahrens komme nicht in Frage, weil es in einem Diversionsfall zu keiner strafgerichtlichen Verurteilung komme, sondern eine solche gerade vermieden werden solle. Erst nach Behebung des aufgezeigten Verfahrensmangels werde eine abschließende Beurteilung einer (allfälligen) Ersatzpflicht der Beklagten möglich sein.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil eine Rechtsprechung zur analogen Anwendung des § 67 Abs 2 VersVG auf Lebensgefährten von Angehörigen des Versicherungsnehmers fehle.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs der Beklagten, die unrichtige rechtliche Beurteilung geltend macht und beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Klagebegehren abzuweisen, demnach also die erstinstanzliche Entscheidung wiederherzustellen. Hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt.

Die Klägerin beantragt in der Rekursbeantwortung, dem Rechtsmittel ihrer Prozessgegnerin keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist, da eine die Rechtslage erläuternde Stellungnahme des Obersten Gerichtshofs angezeigt erscheint, zulässig. Im Ergebnis ist er aber nicht berechtigt.

Die vom Berufungsgericht im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO für erheblich erachtete Frage stellt sich nur dann, wenn die Beklagte zum nach herrschender Meinung maßgeblichen Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls (7 Ob 319/63, EvBl 1964/145; 7 Ob 254/72, SZ 45/125; vgl BGH VersR 1971, 901 ua; Römer/Langheid VVG2 § 67 VVG aF Rn 52 mwN; aM Prölls in Prölls/Martin VVG27 § 67 VVG aF Rn 39) Lebensgefährtin des Sohnes des Versicherungsnehmers war und mit dem Versicherungsnehmer im Sinn des § 67 Abs 2 VersVG in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat. Das Berufungsgericht hat letzteres verneint; ausgehend von dieser Rechtsmeinung wäre die von ihm aufgeworfene Frage aber gar nicht zu beantworten.

Vorweg ist festzuhalten, dass eine Haftung der Beklagten selbstverständlich zunächst voraussetzte, dass diese den Brand überhaupt verursacht und (zumindest) leicht fahrlässig - ob leicht oder grob fahrlässig ist entgegen der Ansicht der Beklagten und des Erstgerichts hier nicht von Bedeutung - verschuldet hat. Das Erstgericht hat diesbezügliche Feststellungen unterlassen. Insoweit hat das Berufungsgericht im Einklang mit der oberstgerichtlichen Judikatur zutreffend ausgeführt, dass eine diversionelle Erledigung des Strafverfahrens für einen nachfolgenden Zivilprozess keine Bindungswirkung hat (2 Ob 286/04y, RIS-Justiz RS0074219 [T26]). Es hat zur Frage, ob die Beklagte den Brand (zumindest) leicht fahrlässig verursacht hat, eine Verfahrensergänzung durch die von der Klägerin beantragte Einholung des Gutachtens eines Sachverständigen angeordnet. Ob dies notwendig ist, hat der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht zu überprüfen (RIS-Justiz RS0042179; RS0113643 [T2]). Nur unter der Voraussetzung positiver Feststellungen, die die Ansicht rechtfertigen, der Brand sei von der Beklagten zumindest leicht fahrlässig ausgelöst worden, stellt sich die Frage, ob ihr das Familienprivileg nach § 67 Abs 2 VersVG zugutekommt.

Die Beklagte hält im Rekurs weiterhin daran fest, dass dies der Fall sei. Sie wohne im Haus des Versicherungsnehmers, lebe bei dessen Familie, esse dort und helfe im Betrieb der Landwirtschaft mit. Da sie als Lebensgefährtin des Sohnes demnach mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebe, sei sie als Familienangehörige im Sinn des § 67 Abs 2 VersVG anzusehen.

Die Frage, welche Anforderungen an das Vorliegen einer häuslichen Gemeinschaft im Sinn dieser Bestimmung zu stellen sind, ist vor deren „Wertungshintergrund“ zu beantworten. Nach herrschender Meinung besteht ein doppelter Normzweck: Zum einen soll verhindert werden, dass durch den Regress gegen den Angehörigen der Versicherungsnehmer selbst in Mitleidenschaft gezogen wird; es soll nicht etwa der Angehörige geschützt, sondern vermieden werden, dass der Versicherungsnehmer am Ende den Schaden doch aus eigener Tasche bezahlen muss und die Leistung des Versicherers für ihn daher wertlos wird (RIS-Justiz RS0048311; RS0081412). Zweitens soll generell der Familienfrieden erhalten werden, der gestört werden würde, wenn Streitigkeiten über die Verantwortung der Schadenszufügung ausgetragen werden müssten (7 Ob 289/03f mwN ua). Unter diesen Aspekten ist für das Vorliegen einer häuslichen Gemeinschaft im Sinn des § 67 Abs 2 VersVG nach ständiger Rechtsprechung zu fordern, dass der betreffende Familienangehörige in den Haushalt so eingegliedert ist, dass eine auf Dauer angelegte Gemeinschaft der Wirtschaftsführung gegeben ist (7 Ob 319/63; 7 Ob 25/73 ua; RIS-Justiz RS0081401). Da sich die wirtschaftliche Abhängigkeit in häuslicher Gemeinschaft lebender Familienangehöriger im Einzelfall nicht leicht mit genügender Sicherheit bejahen oder verneinen lässt, musste das Gesetz Lebensverhältnisse herausgreifen, die nach allgemeiner Lebenserfahrung mit einer wirtschaftlichen Abhängigkeit verknüpft sind (7 Ob 319/63, ZVR 1964/160; 9 ObA 24/07f).

Die erstgerichtlichen Feststellungen reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob die nach § 67 Abs 2 VersVG erforderliche wirtschaftliche Eingliederung der Beklagten in den Haushalt des Versicherungsnehmers zu bejahen oder zu verneinen ist. Der Umstand, dass nur ein Strom- und Wasserzähler vorhanden ist (und die Strom- und Wasserkosten allenfalls vom Versicherungsnehmer allein getragen wurden), lässt nicht mit ausreichender Sicherheit auf eine wirtschaftliche Gemeinschaft der Beklagten mit dem Versicherungsnehmer schließen. Auch die Feststellung, dass „die Tiefkühltruhe in den Räumlichkeiten des Versicherungsnehmers untergebracht ist“, lässt offen, ob bei Brandausbruch eine wirtschaftliche Eingliederung der Beklagten in den Haushalt des Versicherungsnehmers gegeben war oder nicht. Auch die Frage eines gemeinsamen Wohnens der Beklagten und ihres Freundes mit dem Versicherungsnehmer lässt sich aufgrund der erstgerichtlichen Feststellungen noch nicht abschließend beantworten. Ein bloß gemeinsames Wohnen würde im Übrigen aber auch nicht ausreichen, da das Gesetz fordert, dass der Familienangehörige mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft „lebt“. Um die Frage einer häuslichen Gemeinschaft im aufgezeigten Sinn verlässlich beantworten zu können, ist eine entsprechende Verbreiterung der Sachverhaltsbasis demnach unumgänglich.

Eine häusliche Gemeinschaft mit dem Versicherungsnehmer nach § 67 Abs 2 VersVG ist kaum denkbar, falls die Beklagte nicht die Lebensgefährtin des Sohnes des Beklagten (gewesen) wäre. Eine Lebensgemeinschaft, die als eheähnlicher Zustand definiert wird, der dem typischen Erscheinungsbild des ehelichen Zusammenlebens entspricht (7 Ob 289/03f mwN ua), setzt nach ständiger Rechtsprechung im Allgemeinen eine Geschlechtsgemeinschaft, Wohnungsgemeinschaft und Wirtschaftsgemeinschaft voraus, wobei jedoch nicht stets alle drei Merkmale gemeinsam vorhanden sein müssen (RIS-Justiz RS0047000). Feststellungen, die eine verlässliche Beurteilung erlauben, ob die Beklagte zum Zeitpunkt des Brandausbruchs nach diesen Kriterien die Lebensgefährtin des Sohnes des Versicherungsnehmers war, fehlen ebenfalls. Sie wären aber unter der Voraussetzung der Verursachung des Brandes durch die Beklagte und des Vorliegens einer häuslichen Gemeinschaft mit dem Versicherungsnehmer ebenfalls erforderlich, weil der Beklagten als mit dem Versicherungsnehmer in häuslicher Gemeinschaft lebenden Lebensgefährtin dessen Sohnes das Familienprivileg des § 67 Abs 2 VersVG zugute käme:

Dass die Lebensgefährtin des Versicherungsnehmers zu den Familienangehörigen im Sinn dieser Bestimmung gehört, wird seit der Entscheidung 7 Ob 44/88, SZ 61/258 in ständiger Judikatur vertreten. Dieser allgemein geteilten Ansicht hat sich nun auch der deutsche BGH zu § 67 Abs 2 VVG aF in der Entscheidung vom 22. 4. 2009 IV ZR 160/07 ausdrücklich angeschlossen. Jene Überlegungen, die den Obersten Gerichtshof zur Gleichbehandlung eines Lebensgefährten (einer Lebensgefährtin) mit der Ehefrau (dem Ehemann) des Versicherungsnehmers (der Versicherungsnehmerin) veranlasst haben, sprechen aber gleichermaßen für die Gleichsetzung etwa einer Lebensgefährtin des Sohnes des Versicherungsnehmers mit dessen Ehefrau. Nach dem Normzweck kann es keinen wesentlichen Unterschied machen, ob der Lebensgefährte eines mit ihm in häuslicher Gemeinschaft lebenden Kindes oder der in häuslicher Gemeinschaft mit ihm lebende Schwiegersohn (oder die Schwiegertochter) zum Regress herangezogen würde. Offenbar haben ähnliche Überlegungen den deutschen Gesetzgeber dazu veranlasst, das „Familienprivileg“ in § 86 Abs 3 VVG nF zu erweitern: Der Übergang des Ersatzanspruchs auf den Versicherer nach § 86 Abs 1 VVG scheidet nunmehr dann aus, wenn sich der Sachanspruch des Versicherungsnehmers gegen eine Person richtet, mit der er bei Eintritt des Schadens in häuslicher Gemeinschaft lebt. Nach dem Gesetzeswortlaut sind demnach in Deutschland nicht mehr lediglich „Familienangehörige“ privilegiert, sondern auch Personen, die mit dem Versicherungsnehmer nicht verwandt oder verschwägert sind, soweit sie die Voraussetzung, mit ihm in häuslicher Gemeinschaft zu leben, erfüllen. Diese Gesetzesänderung wurde in Deutschland vorgenommen, weil die Beschränkung des Regressausschlusses auf Familienangehörige in häuslicher Gemeinschaft nicht mehr den heutigen gesellschaftlichen Verhältnissen entsprechend angesehen wurde (Kloth/Neuhaus in Schwintowski/Brömmelmeyer, PK-VersR § 86 VVG nF Rn 46; Prölss in Prölss/Martin VVG28 § 86 VVG nF Rn 46 f).

Unter der Voraussetzung, dass die Beklagte zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls mit dem Versicherungsnehmer als Lebensgefährtin dessen Sohnes in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat, wäre daher der Forderungsübergang auf die Klägerin zufolge des Familienprivilegs des § 67 Abs 2 VersVG ausgeschlossen, zumal eine vorsätzliche Herbeiführung des Schadens durch die Beklagte von der Klägerin gar nicht behauptet wurde.

Da das Verfahren im aufgezeigten Sinn also jedenfalls noch ergänzungsbedürftig ist, hat es bei der Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und Rückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht zu verbleiben. Im Ergebnis ist dem Rekurs der Beklagten daher ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Schlagworte

Vertragsversicherungsrecht

Textnummer

E96103

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0070OB00240.10K.0119.000

Im RIS seit

01.02.2011

Zuletzt aktualisiert am

17.09.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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