TE OGH 2011/1/28 6Ob256/10f

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Veröffentlicht am 28.01.2011
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** S*****, vertreten durch Dr. Georg Lugert, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei J***** T*****, vertreten durch Dr. Hans Kaska, Rechtsanwalt in St. Pölten und des Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei H***** P***** B*****, vertreten durch Mag. Oliver Lindenhofer und Mag. Leopold Luegmayer, Rechtsanwälte in Amstetten, wegen Grenzfeststellung (Streitwert 6.000 EUR), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 16. September 2010, GZ 21 R 230/10x-31, womit das Urteil des Bezirksgerichts St. Pölten vom 31. Mai 2010, GZ 4 C 607/09y-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 559,15 EUR (darin 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile sind jeweils Alleineigentümer benachbarter Grundstücke. An die nördliche Außenmauer des klägerischen Wohnhauses bzw an die nördliche Hofmauer angrenzend befindet sich ein Schuppen und eine Hütte. Strittig ist, ob die Grenze nördlich oder südlich von diesen verläuft.

Bereits während der Vermessungsarbeiten in den Jahren 2002 bis 2004 wurde festgestellt, dass die Darstellung in der Katastralmappe mit der Natur nicht übereinstimmt, insbesondere die Grundstücksgrenze laut Grundbuch durch das nunmehr klägerische Wohnhaus verläuft. Am 21. 11. 2006 fand über Einladung des Vermessungsamtes St. Pölten eine Grenzverhandlung statt, an der die Rechtsvorgänger der Streitteile teilnahmen. Der Geometer belehrte die Anwesenden über die Mappenberichtigung gemäß § 52 Z 5 VermG und die Möglichkeit einer Antragstellung nach § 17 VermG. A***** R*****, die damalige Eigentümerin des klägerischen Grundstücks, stimmte einem Grenzverlauf zu. Der Geometer wies die Grundeigentümer darauf hin, dass mit Zustimmung der Eigentümer die Grenze laut Markierung neu festgelegt werde. A***** R***** unterfertigte auch ein Formblatt, wobei ihr bewusst war, dass sie mit ihrer Unterschrift ihre Zustimmung zu dem vom Geometer festgelegten Grenzverlauf erteilt.

Die Grenzen wurden weder in dem Grenzkataster aufgenommen noch wurde eine Mappenberichtigung iSd § 52 Z 5 VermG vorgenommen.

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass ein im Einzelnen näher bezeichneter Grundstücksstreifen in seinem Alleineigentum stehe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Erklärung der damaligen Eigentümerin stelle einen außergerichtlichen Vergleich über den vorher strittig gewesenen Grenzverlauf dar. Nur der tatsächliche Grenzverlauf sei für die Eigentumsübertragung maßgeblich.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Von einem Irrtum A***** R*****s über die Vergleichsgrundlage könne keine Rede sein. Die Feststellung des Grenzverlaufs in der Natur sei nicht erforderlich, weil es den beteiligten Nachbarn im vorliegenden Fall freigestanden sei, diesen Grenzverlauf erst im Zuge der Grenzverhandlung vergleichsweise festzulegen. Dass das amtswegige Verwaltungsverfahren nicht weiter verfolgt worden sei, ändere nichts an der zivilrechtlichen Gültigkeit und Wirksamkeit der außergerichtlichen Grenzvereinbarung.

Die ordentliche Revision sei zulässig, weil keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage vorliege, ob eine zivilrechtlich gültige und die Rechtsnachfolger bindende außergerichtliche Grenzerneuerung bzw Grenzberichtigung auch im Zuge eines Mappenberichtigungsverfahrens nach § 52 Z 5 VermG getroffen werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

1.1. Beim Vergleich setzen die Parteien an die Stelle einer streitigen oder zweifelhaften Verbindlichkeit durch gegenseitiges Nachgeben eine neue, eindeutige. Anders als bei Novation und Schuldänderung, die ein gültiges Grundverhältnis voraussetzen, kann dieses beim Vergleich fehlen, wenn gerade Zweifel über dessen Bestehen die Grundlage für den Vergleich bilden (Neumayr in Koziol/Bydlinski/Bollenberger, ABGB3 § 1380 Rz 1 f).

1.2. Der Oberste Gerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass es sich bei der einvernehmlichen Festlegung der Grenze, wenn alle Eigentümer der an das umzuwandelnde Grundstück angrenzenden Grundstücke entsprechende Zustimmungserklärungen abgegeben haben, um einen außergerichtlichen Vergleich nach § 1380 ABGB handelt (RIS-Justiz RS0013881). Für die Irrtumsanfechtung eines vor einem Zivilgeometer geschlossenen außergerichtlichen Vergleichs über den Grenzverlauf gelten die Bestimmungen der §§ 1385 ff ABGB (RIS-Justiz RS0013881 [T1]).

2.1. Wenn die Eigentümer benachbarter Grundstücke in einer Grenzverhandlung gemäß § 25 Abs 1 und 2 VermG zu einer Einigung über den Verlauf der Grenzen gelangen, geschieht dies mit konstitutiver Wirkung (Angst, Die zivil- und vermessungsrechtliche Bedeutung der Festlegung der Grundstücksgrenzen im Zuge von Grundstücksvermessungen, NZ 2010, 196; Twaroch, Kataster- und Vermessungsrecht [2209] § 25 VermG Anm 20).

2.2. Unterschiedlich beantwortet wird im Schrifttum die Frage, welche Auswirkungen eine derartige Grenzfestlegung auf das Eigentum hat. Nach Angst (aaO 197) hat wegen des Eintragungsgrundsatzes die Festlegung der Grenze noch keine unmittelbare Bedeutung für den Umfang des Eigentumsrechts. Vielmehr hänge die Frage, ob noch eine bücherliche Eintragung des Eigentumsrechts erforderlich sei, davon ab, ob der einvernehmlich festgelegte Grenzverlauf die Teilung eines der beteiligten Grundstücke bedeutet, wobei er unter „Teilung“ jede rechtliche oder tatsächliche Maßnahme versteht, die zu einem Grenzverlauf eines Grundstücks führt, der von dem nach dem Grenz- oder Grundsteuerkataster maßgebenden Grenzverlauf dauerhaft abweicht.

2.3. Demgegenüber hat nach Twaroch (Grundstücksgrenzen und Kataster, NZ 1994, 54 [59 f]; sowie Kataster- und Vermessungsrecht § 25 Anm 18) eine vergleichsweise vorgenommene Festlegung der Grenze unmittelbar Bedeutung für die Eigentumsverhältnisse. Es sei lediglich zu prüfen, ob tatsächlich ein Streit über die Grenze vorlag und durch die angebliche Grenzberichtigung nicht bloß ein Eigentumswechsel verschleiert wurde. Habe daher etwa der Nachbar seinerzeit einen Grundstreifen abgetreten und wurden die Grenzzeichen deshalb auf kurzem Weg einvernehmlich versetzt, so habe dieser Vorgang wegen Verstoßes gegen das Eintragungsprinzip weder die Eigentumsverhältnisse noch den Grenzverlauf verändert.

3.1. Der Oberste Gerichtshof schließt sich der im Vorigen wiedergegebenen Auffassung Twarochs an. Die Neufestsetzung der strittigen Grenze zwischen verschiedenen Grundeigentümern dient zweifellos auch der Festlegung des Umfangs ihres jeweiligen Eigentumsrechts. Die gegenteilige Auffassung von Angst würde dazu führen, dass die Festlegung einer „Grenze“ ohne sachenrechtliche Auswirkung bliebe. Diese Auffassung trägt nicht nur der Funktion der Grenze nicht Rechnung, sondern würde einer derartigen Grenzfestlegung auch weitgehend die Bereinigungswirkung nehmen, müsste doch dann in einem weiteren Schritt eine Ab- und Zuschreibung erfolgen. Zur Ermittlung des Umfangs der betroffenen Flächen (Trennstücke) wäre aber die Anführung auch der „ursprünglichen“ Grenze erforderlich, die in derartigen Fällen vielfach nicht bekannt oder eben - wie im vorliegenden Fall - gerade strittig sein wird. Auf die ursprüngliche Grenze im Grundsteuerkataster kann hier ebenso wenig zurückgegriffen werden wie in anderem Zusammenhang, weil die dort aufscheinende Grenze - anders als bei in den Grenzkataster aufgenommenen Liegenschaften - nicht verbindlich ist (RIS-Justiz RS0049559, RS0038593; vgl auch Gamerith in Rummel, ABGB³ § 851 Rz 4). Die Ansicht Angst überzeugt daher weder aus theoretischer noch aus praktischer Sicht.

3.2. Damit kommt es aber lediglich darauf an, ob ein wirklicher Streit über die Grenze vorlag oder die Parteien nur eine Eigentumsübertragung verschleiern wollten. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen war allerdings der Grenzverlauf der benachbarten Grundstücke strittig, zumindest zweifelhaft. Der Revisionswerber selbst spricht von „Grenzstreitigkeiten“. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen erfolgte die Festlegung des Grenzverlaufs einvernehmlich im Rahmen der Grenzverhandlung, an der die Rechtsvorgänger der Streitteile teilnahmen. Damit ist aber die Auffassung der Vorinstanzen, dass die vorgenommene außergerichtliche Festlegung des Grenzverlaufs als privatrechtlicher Vergleich zu qualifizieren ist, nicht zu beanstanden. Die Ausführungen in der Revision zur behaupteten Druckausübung durch die Rechtsvorgängerin des Klägers entfernen sich vom festgestellten Sachverhalt.

4.1. Im Übrigen geht aus den Feststellungen, wonach die Rechtsvorgängerin des Klägers ein Formblatt unterschrieb, wonach sie den unverändert gebliebenen Grenzverlauf, der sich vom Grenzverlauf in der Natur unterscheide, seit der letzten Vermessung bestätigte, und der Geometer die Grenze blau einzeichnete, deutlich hervor, dass die Voraussetzungen für eine Mappenberichtigung vorlagen. In einem derartigen Fall wäre aber auch nach der dargelegten Ansicht von Angst eine bücherliche Eintragung des Eigentumsrechts des Rechtsvorgängers des Beklagten im Sinne einer Ab- und Zuschreibung nicht erforderlich, um eine dem Vergleich entsprechende Grundbuchsordnung herzustellen. Die Mappenberichtigung nach § 52 Z 5 VermG dient der Beseitigung von Differenzen zwischen dem Grenzverlauf von Grundstücken des Grundsteuerkatasters wie er in der Katastralmappe dargestellt ist, und jenem, wie er seit „unvordenklicher Zeit“ oder jedenfalls seit der letzten Vermessung unbestritten in der Natur ersichtlich ist (Twaroch aaO § 52 Anm 24 ff).

4.2. Damit war aber der Rechtsvorgänger des Beklagten Eigentümer des strittigen Grundstücksstreifens. Dass in weiterer Folge eine Mappenberichtigung unterblieb, spielt keine Rolle, weil der Grenzverlauf aus dem Grundsteuerkataster nach dem Gesagten nicht verbindlich ist. Aus diesem Grund konnte aber der Kläger nicht Eigentümer des strittigen Grundstücksstreifens werden, weil dem Veräußerer daran kein Eigentumsrecht zustand (Angst aaO 204). Daher konnte der Kläger von A***** R***** kein Eigentum an dem strittigen Grundstücksteil erwerben.

5. Damit haben aber die Vorinstanzen das Klagebegehren frei von Rechtsirrtum abgewiesen, sodass der unbegründeten Revision ein Erfolg zu versagen war.

6. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E96382

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0060OB00256.10F.0128.000

Im RIS seit

07.03.2011

Zuletzt aktualisiert am

15.05.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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