TE OGH 2011/2/16 15Os139/10w

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Veröffentlicht am 16.02.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16. Februar 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Dr. Michel-Kwapinski als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Fischer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz U***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 vierter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Leoben als Schöffengericht vom 11. Mai 2010, GZ 13 Hv 37/09y-39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz U***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 und Abs 2 vierter Fall StGB und „der Vergehen“ der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er „zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt Ende März/Anfang April 2006 in S***** die zu diesem Zeitpunkt 15-jährige Christina Susanne F*****

1./ mit Gewalt, indem er sie an beiden Handgelenken festhielt, sie nachfolgend am Kopf bzw an den Haaren packte und ihr Gesicht zu seinem entblößten Penis drückte, wobei er befehlend äußerte, 'sie solle ihm einen blasen', sowie, 'sie solle alles hinunterschlucken', zur Vornahme des Oralverkehrs an ihm, somit zu einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, wobei er die Christina Susanne F***** dadurch in besonderer Weise erniedrigte, dass er in ihren Mund ejakulierte;

2./ durch gefährliche Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper, indem er sinngemäß äußerte, er werde sie umbringen, sollte sie zur Polizei gehen oder mit jemanden darüber sprechen, zu Unterlassungen, nämlich zur Abstandnahme davon, die strafbare Handlung zu Punkt 1. polizeilich anzuzeigen oder einem Dritten zur Kenntnis zu bringen, genötigt“.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie verfehlt ihr Ziel.

Da das Erstgericht gerade nicht als erwiesen annahm, der Angeklagte hätte von Jänner bis Juni 2006 durchgehend im Haus M***** in ***** S***** gewohnt (US 5, 12 f), war es dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider nicht verpflichtet, sich mit der darauf hinweisenden Aussage der Zeugin Nicole U***** auseinander zu setzen. Auch eine gesonderte Erörterung der Aussage des Zeugen Christoph U*****, der Angeklagte habe keinen Schlüssel für dieses Haus gehabt, war schon deshalb nicht geboten, weil die Tatrichter zu dieser Frage keine Feststellungen treffen konnten (US 6, 13 f).

Mit der spekulativen Überlegung, bei Berücksichtigung der angeführten Zeugenaussagen hätte sich erweisen lassen, dass ein Aufenthalt des Angeklagten im Haus M***** nur dann möglich gewesen wäre, wenn sich seine Ehegattin oder seine Kinder im Haus befunden hätten, da er über keinen Schlüssel verfügte und somit auch keinen Zugang hatte, verlässt der Nichtigkeitswerber den gesetzlichen Anfechtungsrahmen des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes.

Dass Christina Susanne F***** bereits im ersten Semester des Schuljahres 2005/06, also vor dem Tatzeitpunkt, zahlreiche Fehlstunden aufwies, hat das Schöffengericht entgegen dem Beschwerdevorbringen sehr wohl in seine Überlegungen miteinbezogen (US 19 f).

Die unter Bezugnahme auf isoliert hervorgehobene Erwägungen des Erstgerichts zur subjektiven Tatseite (US 26) geäußerte Kritik am Unterbleiben einer Auseinandersetzung mit nicht bezeichneten weiteren Beweisergebnissen ist bereits mangels nachvollziehbarer Darstellung der behaupteten offenbar unzureichenden (Z 5 vierter Fall), aber auch einer unvollständigen Begründung einer sachlichen Erwiderung nicht zugänglich.

Weshalb die vorgelegten Transportaufträge einen - wenngleich zeitlich nicht näher eingrenzbaren - Aufenthalt des Angeklagten am Tatort nicht auszuschließen vermögen, hat das Erstgericht der Rüge zuwider dargestellt (US 24 f).

Soweit der Beschwerdeführer dem Umstand, dass seine Verantwortung in mehreren Punkten widerlegt werden konnte (US 16 ff), mit eigenständigen Erwägungen keinen Beweiswert zuerkannt haben will, bekämpft er nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung unzulässig die tatrichterliche Beweiswürdigung.

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) den Aufenthalt des Angeklagten im Haus M***** in S***** und darauf gestützt dessen Täterschaft bestreitet, übergeht sie die Gesamtheit der diesbezüglichen Urteilskonstatierungen und verfehlt solcherart den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 581, 584).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung gemäß § 24 StPO, die sich in Verstoß gegen das Neuerungsverbot auf die Zurücklegung einer Anzeige wegen eines behaupteten Vorfalls im November 2010 bezieht - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Dass das Erstgericht die im Rahmen eines einheitlichen Tatgeschehens an Christina Susanne F***** gerichtete Drohung, er werde sie umbringen, wenn sie zur Polizei gehe oder irgendjemandem von dem Vorfall erzähle (US 2, 8), zu Unrecht als zwei („die“) Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB beurteilte (US 2, 27 f), bedurfte keines Vorgehens nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO, weil dieser Subsumtionsfehler per se keinen Nachteil im Sinn der genannten Bestimmung darstellt (Ratz, WK-StPO § 290 Rz 23; vgl RIS-Justiz RS0113957) und überdies im konkreten Fall bei der Strafbemessung ohne nachteilige Wirkung für den Angeklagten blieb.

Sieht sich der Oberste Gerichtshof unter ausdrücklichem Hinweis auf eine verfehlte Subsumtion mangels eines darüber hinausgehenden konkreten Nachteils für den Angeklagten nicht zu einem amtswegigen Vorgehen nach § 290 Abs 1 zweiter Satz StPO veranlasst, so besteht bei der Entscheidung über die Berufung insoweit auch keine (dem Berufungswerber nachteilige) Bindung an den Ausspruch des Erstgerichts über das anzuwendende Strafgesetz nach § 295 Abs 1 erster Satz StPO (vgl Ratz, WK-StPO § 290 Rz 27a; RIS-Justiz RS0118870; Fabrizy, StPO10 § 290 Rz 6).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E96745

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0150OS00139.10W.0216.000

Im RIS seit

10.04.2011

Zuletzt aktualisiert am

10.04.2011
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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