TE Vwgh Erkenntnis 2001/2/20 99/11/0001

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.02.2001
beobachten
merken

Index

90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §73 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des H in M, vertreten durch Dr. Robert Schertler und Dr. Gerhard Paischer, Rechtsanwälte in 5280 Braunau am Inn, Stadtplatz 17, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 16. November 1998, Zl. VerkR ( 392.961/1-1998/Vie, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 9. Dezember 1997 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 66 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 lit. e sowie § 73 Abs. 1 und § 75 Abs. 1 lit. a KFG 1967 die bis 30. Oktober 1997 befristete Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A und B entzogen, gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. ausgesprochen, dass ihm für die Dauer von 8 Monaten (gerechnet ab der vorläufigen Abnahme des Führerscheines am 22. Oktober 1997) keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe, und gemäß § 75 Abs. 1 lit. a leg. cit. für denselben Zeitraum das Lenken von Motorrädern verboten.

Der dagegen erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 16. November 1998 keine Folge und bestätigte den angefochtenen Bescheid.

In der Begründung ging der Landeshauptmann von Oberösterreich davon aus, dass der Beschwerdeführer mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 11. November 1998 wegen einer am 16. September 1997 begangenen Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 zweiter Satz Z. 1 StVO 1960 bestraft worden sei. Eine neuerliche Auseinandersetzung mit der Schuldfrage (behauptete Dispositionsunfähigkeit im Zusammenhang mit der Aufforderung zur Durchführung einer Atemluftalkoholuntersuchung) erübrige sich im Hinblick auf die Bindung an den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Das Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung des Beschwerdeführers war bereits am 1. November 1997, dem Tag des Inkrafttretens des FSG, anhängig. Gemäß § 41 FSG ist für die Überprüfung des angefochtenen Bescheides daher die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des FSG maßgeblich.

Die in Frage kommenden Bestimmungen des KFG 1967 lauteten (auszugsweise):

"§ 66. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 2) und ihrer Wertung (Abs. 3) angenommen werden muss, dass sie auf Grund ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen der in Betracht kommenden Gruppe

a) die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder

...

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand

...

e) ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei entweder eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1, Abs. 1a oder Abs. 1b StVO 1960 ... begangen hat,

...

§ 73. (1) Besitzern einer Lenkerberechtigung, die nicht mehr im Sinne des § 66 verkehrszuverlässig ... sind, ..., ist die Lenkerberechtigung entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit ganz oder nur hinsichtlich bestimmter Gruppen zu entziehen oder durch Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit einzuschränken; ...

(2) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welche Zeit keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden darf. Diese Zeit ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen und darf bei Personen, die nicht verkehrszuverlässig sind, unbeschadet des Abs. 3 nicht kürzer als drei Monate sein. ..."

Der Beschwerdeführer bringt vor, die belangte Behörde sei zu Unrecht von seiner rechtskräftigen Bestrafung durch die Verwaltungsbehörde ausgegangen. Der Strafbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich sei ihm erst am 1. Dezember 1998, der angefochtene Bescheid aber bereits am 23. November 1998 zugestellt worden. Infolge ihrer verfehlten Annahme einer Bindung habe die belangte Behörde die Aufnahme der von ihm beantragten Beweise wie auch jegliche Auseinandersetzung mit seinen Berufungsausführungen betreffend die verletzungsbedingte Dispositionsunfähigkeit unterlassen.

Die belangte Behörde äußert sich in ihrer Gegenschrift nicht zur Frage der Zustellung des Strafbescheides. Sie vertritt die Auffassung, selbst wenn dieser noch nicht rechtskräftig gewesen sein sollte, wäre der unterlaufene Verfahrensmangel nicht wesentlich, weil für den Rechtsstandpunkt des Beschwerdeführers nichts gewonnen sei, da zwischenzeitig jedenfalls auch im Verwaltungsstrafverfahren eine rechtskräftige Entscheidung vorliege.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nach der zum Zeitpunkt seiner Erlassung bestehenden Sach- und Rechtslage zu prüfen hat. Nach Erlassung des angefochtenen Bescheides eingetretene Sachverhaltsänderungen sind für die Frage, ob ein Verfahrensmangel wesentlich ist, ohne Bedeutung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Juni 1996, Zl. 95/11/0356).

In den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren über die zur hg. Zl. 99/02/0010 protokollierten Beschwerde gegen den erwähnten Strafbescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vorgelegten Verwaltungsakten erliegt ein Rückschein, der eine Zustellung dieses Bescheides an den Beschwerdeführer zu Handen seines Vertreters im Verwaltungsstrafverfahren am 1. Dezember 1998 beurkundet. Der Verwaltungsgerichtshof legt dieses Zustelldatum, das auch vom Beschwerdeführer genannt und von der belangten Behörde nicht bestritten wird, seiner rechtlichen Beurteilung zu Grunde.

Da im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides am 23. November 1998 keine die belangte Behörde bindende rechtskräftige Entscheidung der Verwaltungsstrafbehörde vorgelegen ist, die belangte Behörde aber - auf Grund eines mangelhaften Verfahrens - Bindung angenommen hat, ist der Sachverhalt in wesentlichen Punkten unvollständig geblieben.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 20. Februar 2001

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2001:1999110001.X00

Im RIS seit

23.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten