TE Vwgh Erkenntnis 1996/6/25 95/11/0356

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Veröffentlicht am 25.06.1996
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §38;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §74 Abs1;
VwGG §41;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Neumeister, über die Beschwerde des T in W, vertreten durch Dr. S, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 11. September 1995, Zl. MA 65-8/376/95, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B vorübergehend für die Zeit von 15 Monaten (gerechnet ab der vorläufigen Abnahme des Führerscheines am 10. Dezember 1994) entzogen.

In der Begründung dieses Bescheides ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien (Bezirkspolizeikommissariat Neubau) vom 30. Juni 1995 wegen einer am 10. Dezember 1994 begangenen Übertretung des § 5 Abs. 1 StVO 1960 rechtskräftig bestraft worden sei. Im Hinblick auf die Rechtskraft der Bestrafung sei davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer diese Übertretung begangen habe. Eine neuerliche Aufrollung der Schuldfrage erübrige sich im Hinblick auf die Bindung an das rechtskräftige Straferkenntnis.

Es liege somit eine bestimmte Tatsache gemäß § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 vor, die die Annahme rechtfertige, der Beschwerdeführer sei verkehrsunzuverlässig. Im Hinblick auf eine Entziehung der Lenkerberechtigung im Jahr 1991 komme eine vorübergehende Entziehung für die Dauer von nur vier Wochen gemäß § 73 Abs. 3 leg. cit. nicht in Betracht. Beim Beschwerdeführer bestehe eine Neigung zur Begehung von Alkoholdelikten, weshalb erst nach Verstreichen von 15 Monaten mit der Wiederherstellung seiner Verkehrszuverlässigkeit gerechnet werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe bereits in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid darauf hingewiesen, daß eine rechtskräftige Bestrafung nicht vorliege, und die Beischaffung des Verwaltungsstrafaktes beantragt. Die belangte Behörde sei dessen ungeachtet vom Vorliegen einer rechtskräftigen Bestrafung ausgegangen.

Die belangte Behörde räumt ein, daß im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides eine rechtskräftige Bestrafung nicht vorgelegen sei. Die belangte Behörde ist, ohne diesbezüglich Ermittlungen zu führen, zu Unrecht vom Vorliegen eines bindenden rechtskräftigen Straferkenntnisses ausgegangen. Auf Grund dieser unrichtigen Annahme hat sie es unterlassen, ein Ermittlungsverfahren betreffend die dem Beschwerdeführer angelastete Übertretung vom 10. Dezember 1994 durchzuführen und diesbezüglich - auf einer nachvollziehbaren Begründung beruhende - Sachverhaltsfeststellungen zu treffen.

Die belangte Behörde vertritt in ihrer Gegenschrift die Auffassung, der unterlaufene Verfahrensmangel sei nicht wesentlich, weil der Unabhängige Verwaltungssenat Wien mit Berufungsbescheid vom 11. Jänner 1995 (gemeint offenbar 1996) das erstinstanzliche Straferkenntnis bestätigt habe und somit Rechtskraft eingetreten sei.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß der Verwaltungsgerichtshof die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nach der zum Zeitpunkt seiner Erlassung bestehenden Sach- und Rechtslage zu prüfen hat. Nach Erlassung des angefochtenen Bescheides eingetretene Sachverhaltsänderungen sind für die Frage, ob ein Verfahrensmangel wesentlich ist, ohne Bedeutung.

Da zu diesem Zeitpunkt keine die belangte Behörde bindende rechtskräftige Entscheidung der Verwaltungsstrafbehörde vorgelegen ist, die belangte Behörde aber - auf Grund eines mangelhaften Verfahrens - Bindung angenommen hat, ist der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt unvollständig geblieben. Ob die belangte Behörde im fortzusetzenden Verfahren allenfalls vom Vorliegen einer bindenden Vorfragenentscheidung ausgehen kann, wird sie nach der bei Erlassung des Ersatzbescheides bestehenden Sach- und Rechtslage zu beurteilen haben.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil an Stempelgebührenersatz nur S 420,-- (S 360,-- Eingabengebühr für die Beschwerde und S 60,-- Beilagengebühr für eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides) als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig zuerkannt werden konnten.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995110356.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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