TE OGH 2011/2/17 13Os137/10m

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Veröffentlicht am 17.02.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Februar 2011 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kirnbauer als Schriftführerin in der Finanzstrafsache gegen Beatrix Z***** und einen Angeklagten wegen Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit b FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerde der Finanzstrafbehörde gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 28. Juli 2010, GZ 20 Hv 50/10g-10, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Beatrix Z***** und Franz U***** von der Anklage freigesprochen, sie hätten von September 2006 bis Dezember 2007 in Herzogenburg unter Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 des Einkommensteuergesetzes entsprechenden Lohnkonten eine Verkürzung von Lohnsteuer um 153.928,49 Euro und von Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen um 32.055,31 Euro bewirkt und dies nicht nur für möglich, sondern für gewiss gehalten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Finanzstrafbehörde schlägt fehl.

Das Schöffengericht verneinte einen auf das (normative) Tatbestandsmerkmal der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 EStG entsprechenden Lohnkonten bezogenen Vorsatz der beiden Angeklagten (§ 8 Abs 1 FinStrG). Diese haben demnach das Verhältnis zu ihren als Subunternehmer beauftragten Arbeitskräften (der zivilrechtlichen Gestaltung entsprechend) als Werkvertrag gewertet (vgl § 47 Abs 2 EStG und § 2 Abs 2 und Abs 4 AuslBG und die umfangreiche Rechtsprechung des VwGH dazu: 29. 9. 2004, 99/13/0183; 19. 9. 2007, 2007/13/0071; 22. 2. 2006, 2002/09/0163 ua). Diese (Negativ-)Feststellung bekämpft die Beschwerdeführerin - neben unzulässiger Anfechtung aus Z 5a (§ 281 Abs 2 StPO) - als mangelhaft begründet (Z 5 zweiter und vierter Fall).

Die Verantwortung der beiden Angeklagten, man habe die inkriminierte Vorgangsweise gewählt, weil eine Anfrage an das Arbeitsmarktservice zwecks Vermittlung von Arbeitern erfolglos geblieben sei, diese über keine „Arbeitsgenehmigung“ (vgl § 3 Abs 1 AuslBG) verfügt hätten und die Beschäftigung im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses wegen des geringen, vom Generalunternehmer bezahlten Stundensatzes nicht kostendeckend gewesen wäre (vgl ON 9 S 27 und 39), wurde ohnehin den Feststellungen zugrunde gelegt (US 4), weshalb eine in deren unterlassener Erörterung bestehende Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) nicht in Betracht kommt.

Die Annahme, beide Angeklagte seien bei Abschluss der Werkverträge davon ausgegangen, steuerrechtlich korrekt zu handeln, stützten die Tatrichter der weiteren Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zuwider keineswegs bloß auf entsprechende Gepflogenheiten in der Baubranche, sondern - im Einklang mit Denkgesetzen und grundlegenden Erfahrungssätzen (vgl RIS-Justiz RS0118317) - insbesondere auf den Umstand, dass sich die Angeklagten durch Einholung von Informationen bei der Wirtschaftskammer, einem Steuerberater und einem Rechtsanwalt abgesichert hätten (US 4 und 6 f). Offenbar unzureichende Begründung liegt daher ebenfalls nicht vor.

Weshalb die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Zeugenaussagen von - im Einzelnen übrigens nicht genannten (vgl zum Erfordernis deutlicher und bestimmter Bezeichnung als übergangen reklamierter Beweisergebnisse: RIS-Justiz RS0118316 [T5]) - Arbeitern über die tatsächlichen Arbeitsbedingungen der Feststellung zur Wertung der Angeklagten, ihre abgabenrechtlichen Verpflichtungen erfüllt zu haben, erörterungsbedürftig entgegenstehen sollen, legt die Beschwerde (nominell Z 5a, inhaltlich Z 5 zweiter Fall) nicht dar.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Gründet übrigens das Gericht - wie hier - den Freispruch bloß auf die Verneinung eines Tatbestandsmerkmals (des Vorsatzes in Bezug auf die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten), ohne eine Aussage zu den übrigen Tatbestandelementen zu treffen, reicht es für den Erfolg der Nichtigkeitsbeschwerde nicht hin, einen Begründungsmangel bloß in Ansehung der getroffenen Urteilsannahme aufzuzeigen. Vielmehr ist hinsichtlich jener Tatbestandsmerkmale, zu denen das Urteil keine Konstatierungen enthält, ein Feststellungsmangel (Z 9 lit a) geltend zu machen (13 Os 18/10m, EvBl-LS 2010/137, 830; RIS-Justiz RS0118580 [T17]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 607 f). Fehlen dafür die nötigen Indizien, ist eine auf Abweisung darauf bezogener Anträge gestützte Verfahrensrüge (Z 4) zu ergreifen. Wurden die übrigen Tatbestandsmerkmale verneint, muss auch insoweit ein Begründungsmangel vorgebracht werden.

Der Tatbestand der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 2 lit b FinStrG setzt in objektiver Hinsicht die Verletzung der Verpflichtung zur Führung von dem § 76 EStG entsprechenden Lohnkonten und eine Verkürzung von Lohnsteuer oder Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen durch deren unterlassene Abfuhr bis zum Fälligkeitstag (vgl § 79 Abs 1 und 2 EStG) voraus. Gerichtliche Strafbarkeit ist bei einem 75.000 (nach Maßgabe der Finanzstrafgesetz-Novelle 2010: 100.000) Euro übersteigenden Verkürzungsbetrag sowie bei örtlicher (und sachlicher) Zuständigkeit derselben Finanzstrafbehörde für „alle diese Vergehen“ gegeben (§ 53 Abs 1 lit b FinStrG). In subjektiver Hinsicht wird für das Bewirken der Verkürzung Wissentlichkeit gefordert, für die Pflichtverletzung genügt bedingter Vorsatz (RIS-Justiz RS0087051).

Eine begründete Nichtigkeitsbeschwerde (§ 288 Abs 2 StPO) hätte vorliegend daher (selbst bei erfolgreicher Mängelrüge) ein unter konkretem Hinweis auf Beweise - hier zum Beispiel die durch Verlesung in der Hauptverhandlung vorgekommenen (ON 9 S 69) Ergebnisse der abgabenbehördlichen Prüfung - erstattetes Vorbringen der Beschwerdeführerin vorausgesetzt, dass auf Grundlage dieser Indizien (den Schuldspruch tragende) Feststellungen zu jedem der genannten Tatbestandsmerkmale zu treffen gewesen wären.

Schlagworte

Strafrecht

Textnummer

E96661

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0130OS00137.10M.0217.000

Im RIS seit

06.04.2011

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2012
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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