TE OGH 2011/2/23 1Ob195/10y

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Veröffentlicht am 23.02.2011
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Dr. E. Solé und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kranken- und Unfallfürsorge für oberösterreichische Landesbedienstete, Linz, Promenade 28, vertreten durch Dr. Alfred Jaeger, Mag. Alexander Loidl und Mag. Johannes Welzl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Bauern, Wien 3, Ghegastraße 1, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 6.812,16 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 4. August 2010, GZ 35 R 420/09p-22, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 24. September 2009, GZ 85 C 650/08g-18, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs der klagenden Partei wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs verworfen wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.023,21 EUR (darin enthalten 170,53 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die klagende Partei ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit. Das Land Oberösterreich als Dienstgeber für Landesbedienstete bedient sich ihrer zur Wahrnehmung der Kranken- und Unfallfürsorge. Mitglieder der klagenden Partei sind insbesondere Landesbeamte und Vertragsbedienstete, deren Dienstverhältnis nach Ablauf des 31. 12. 2000 begründet wurde. Auch Angehörige solcher Dienstnehmer haben grundsätzlich Ansprüche auf Leistungen der klagenden Partei. Der Anspruch eines Angehörigen besteht allerdings ua dann nicht, wenn er Pflichtversicherter einer gesetzlichen Kranken-bzw Unfallversicherung ist, also zB in die Pflichtversicherung der beklagten Partei fällt.

Die klagende Partei erbrachte Leistungen aus der Krankenfürsorge ua an Margarethe B*****, die seit 1. 10. 2004 bei der beklagten Partei sozialversichert war, und zwar im Ausmaß von 10.703,29 EUR. Es steht nicht fest, dass die Leistungsempfänger bei der beklagten Partei einen Antrag auf Zuerkennung der entsprechenden Leistungen gestellt hätten. Seit mindestens zehn Jahren wurde es zwischen den Parteien so gehandhabt, dass die klagende Partei, wenn sie eine Leistung für eine bei der beklagten Partei versicherte Person erbracht hatte, bei dieser eine Ersatzforderung stellte. In der Vergangenheit überwies die beklagte Partei „auch immer“ den in jener Höhe geltend gemachten Betrag, wie sie ihn selber aufgrund ihrer Bestimmungen an die Versicherten erbringen hätte müssen.

Mit dem Vorbringen, sie habe für bestimmte namentlich genannte Personen, die beim beklagten Sozialversicherungsträger pflichtversichert gewesen seien, Leistungen aus der Krankenfürsorge erbracht, begehrt die klagende Partei im Rahmen des Klagebetrags ua für die Leistungen für Margarethe B*****, der von der beklagten Partei rückwirkend eine Pension zuerkannt worden sei, 5.513 EUR. Sie habe diesen Aufwand anstelle der beklagten Partei, die ihn in diesem Umfang erbringen hätte müssen, getragen und fordere ihn deshalb gestützt auf bereicherungsrechtliche Rückabwicklungsnormen, insbesondere § 1042 ABGB, zurück. Die für die beklagte Partei maßgeblichen Bestimmungen über Ersatzansprüche in Zusammenhang mit sozialversicherungsrechtlichen Leistungen im BSVG seien nicht abschließend. Eine Regelung für Ersatzansprüche von Krankenfürsorgeeinrichtungen bestehe nicht. Daher kämen die Normen des Zivilrechts, die auch zwischen Körperschaften öffentlichen Rechts Gültigkeit hätten, zur Anwendung.

Im Übrigen bestehe eine jahrzehntelange Übung zwischen Sozialversicherungsträgern und der klagenden Partei dahin, dass Beträge, die wie im vorliegenden Fall irrtümlich ausbezahlt worden seien, vom jeweiligen Sozialversicherungsträger ersetzt würden. Auch zwischen den Streitteilen sei es jahrelange Übung und zumindest schlüssig vereinbart gewesen, dass die beklagte Partei Leistungen, die sie nach ihren Tarifen erbringen hätte müssen, bei irrtümlicher Zahlung durch die klagende Partei ersetze. Die klagende Partei stütze daher ihr Begehren auch auf vertragliche Ansprüche.

Die klagende Partei stellte außer Streit, dass ihre Leistungen auf den öffentlich-rechtlichen Bestimmungen des oberösterreichischen Kranken- und Unfallfürsorgegesetzes für Landesbedienstete (oö KFLG) basierten. Es möge richtig sein, dass der von ihr getätigte Aufwand im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses erfolgt sei. Nicht richtig sei allerdings, dass die Geltendmachung allfälliger Ansprüche vom Berechtigten nach dem oö KFLG ausschließlich im Verwaltungsweg erfolgen könne. Auch im Rechtsverhältnis zwischen der klagenden Partei und ihren Mitgliedern sei die Beschreitung des Gerichtswegs vorgesehen. So normiere § 65 oö KFLG das öffentlich-rechtliche, also bescheidmäßige Verfahren bei Gewährung von Leistungen für Beamte. Aus Abs 7 der Bestimmung ergebe sich aber, dass die Verfahrensbestimmungen der Abs 1 bis 4 für Mitglieder, die nicht Beamte, sondern Vertragsbedienstete seien, keine Gültigkeit hätten. Über Streitigkeiten zwischen der klagenden Partei und Vertragsbediensteten hätten demnach die Gerichte zu entscheiden. Im oö KFLG sei daher eine andere Rechtsverfolgung für Vertragsbedienstete vorgesehen als im ASVG oder BSVG. Die Klagslegitimation bei Ablehnung der gewünschten Leistungen bestehe hier sofort.

§ 54 oö KFLG, wonach ua Sozialversicherungsträger Leistungen der Klägerin nach Maßgabe der für sie geltenden Bestimmungen zu ersetzen hätten, könne nicht dahin verstanden werden, dass die klagende Partei ihren Aufwand nicht ersetzt bekomme, wenn in dem für den Sozialversicherungsträger geltenden Sozialversicherungsgesetz keine Ersatzbestimmung gegenüber Krankenfürsorgeträgern wie der klagenden Partei vorgesehen sei. Vielmehr bedeute das, dass sie nur jene Aufwendungen ersetzt erhalte, die (konkret) die beklagte Partei aufgrund ihrer eigenen Tarife erbringen hätte müssen. Eine andere Interpretation der Bestimmung würde in jedem irrtümlichen Leistungsfall zu einer ungerechtfertigten Bereicherung des Sozialversicherungsträgers führen und dem Grundkonsens der Rechtsordnung widersprechen.

Die beklagte Partei wendete ua die Unzulässigkeit des Rechtswegs ein. Auch sie sei eine Körperschaft öffentlichen Rechts und habe Rechtspersönlichkeit. Die für sie maßgeblichen Bestimmungen über Ersatzansprüche in Zusammenhang mit sozialversicherungsrechtlichen Leistungen seien in den §§ 169a ff BSVG abschließend geregelt. Diese seien im vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil es sich bei der klagenden Partei weder um einen Versicherungsträger noch um einen Träger der Sozialhilfe handle. Eine Regelung für Ersatzansprüche von Krankenfürsorgeeinrichtungen bestehe derzeit nicht. Die Geltendmachung der Ansprüche auf Grundlage zivilrechtlicher Bestimmungen komme nicht in Betracht, weil die der Klage zugrunde liegenden Leistungen gemäß dem oö KFLG, also im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses erbracht worden seien und daher auch die Rückforderung nach öffentlichem Recht zu beurteilen sei.

Öffentlich-rechtliche Ansprüche, wie der von der klagenden Partei geltend gemachte, seien abschließend im Verwaltungsrecht geregelt und unterlägen nicht der zivilrechtlichen Überprüfung. Der Rückforderungsanspruch könne daher nicht auf das (zivilrechtliche) Verwendungs- oder Bereicherungsrecht gestützt werden, wenn die Prüfung des Rechtsbestands der geltend gemachten Forderung der gerichtlichen Zuständigkeit entzogen sei. Andernfalls wären auf diese Weise die ordentlichen Gerichte zur Überprüfung der Tätigkeit der Verwaltungsbehörden legitimiert. Das Grundverhältnis, nämlich die Leistung an den Versicherten der klagenden Partei, unterliege ausschließlich den öffentlich-rechtlichen Bestimmungen des oö KFLG. Grundverhältnis und Rückabwicklungsverhältnis müssten jedoch zwingend derselben Rechtsordnung zugewiesen werden, weshalb die Rückforderung einer öffentlich-rechtlichen Leistung im Rechtsweg unzulässig sei (SZ 32/143, EvBl 1988/76, EvBl 1990/48 = SZ 56/33, SZ 14/178, VfSlg 10.500).

Auch handle es sich bei den von der klagenden Partei im Rahmen der Krankenfürsorge erbrachten Leistungen schon deshalb nicht um einen Aufwand, den auch die beklagte Partei nach dem Gesetz hätte machen müssen, weil die irrtümliche Auszahlung in der Sphäre der klagenden Partei liege und ihre eigene Leistungspflicht eine (unterbliebene) Antragstellung der Leistungsempfänger voraussetze. Schließlich stellte die beklagte Partei noch das Klagebegehren der Höhe nach außer Streit.

Das Erstgericht wies die Klage zurück. Entsprechend der Judikatur des Verfassungsgerichtshofs (VfGH), die auch vom Obersten Gerichtshof immer wieder zustimmend zitiert werde, könne die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte nicht aus dem Rechtstitel der ungerechtfertigten Bereicherung hergeleitet werden, wenn der Vermögenszuwachs auf einem öffentlich-rechtlichen Titel beruhe. Die Rückforderung sei dann kein Privatrechtsanspruch, wenn das der Leistung zugrunde liegende Rechtsverhältnis ein öffentlich-rechtliches sei. § 1042 ABGB enthalte einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der im gesamten Bereich der Rechtsordnung Geltung besitze und nicht bewirke, dass ein solcher Anspruch zu einem zivilrechtlichen werde (VfSlg 3354/1958; vgl auch VfSlg 8178/1977). Auch der Oberste Gerichtshof habe wiederholt ausgesprochen, dass zB ein Rückforderungsanspruch dann nicht auf § 1431 ABGB gestützt werden könne, wenn die Prüfung des Rechtsbestands der fraglichen Forderung der gerichtlichen Zuständigkeit entzogen sei, weil andernfalls auf diese Weise die ordentlichen Gerichte zur Prüfung der Tätigkeit der Verwaltungsbehörde herangezogen werden könnten, was dem verfassungsmäßigen Grundsatz der Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung zuwiderlaufe. Selbst wenn man von einer jahrelangen Übung von Ausgleichszahlungen ausgehe, bleibe die Anspruchsgrundlage bereicherungsrechtlicher Natur; auch habe die Klägerin nicht dargetan, welches Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen schlüssig zustande gekommen sein sollte.

Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs der klagenden Partei nicht Folge. Es sprach aus, dass im Umfang des 5.513 EUR sA übersteigenden Klagebegehrens der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei.

Es verneinte den behaupteten Verfahrensmangel und die geltend gemachte Aktenwidrigkeit; Letztere mit der Begründung, der klagenden Partei sei der Beweis der jahrelangen Übung nicht gelungen(!). Das Erstgericht habe den historischen Ablauf der Judikaturentwicklung wiedergegeben und sich sodann dem letztveröffentlichten Erkenntnis des VfGH angeschlossen, was auch dem letzten Stand der Lehre zu § 1042 ABGB (Rummel in Rummel³ I Rz 10 zu § 1042) entspreche. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs müssten das Grundverhältnis und das Rückabwicklungsverhältnis zwingend derselben Rechtsordnung zugewiesen werden, weshalb für die Rückforderung einer öffentlich-rechtlichen Leistung der Rechtsweg unzulässig sei (EvBl 1990/48 = SZ 56/33). Die Berufung auf § 1042 ABGB bewirke nach der Judikatur des VfGH nicht, dass ein solcher Anspruch zu einem zivilrechtlichen werde (VfSlg 8178/1977). Die Rekursausführungen seien nicht in der Lage der zutreffenden rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts Stichhältiges entgegenzusetzen (§ 526 Abs 3, § 500a ZPO).

Über Antrag der klagenden Partei änderte das Rekursgericht seinen Ausspruch über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses dahin ab, dass es diesen im Umfang von 5.513 EUR sA für zulässig erklärte. Es bestehe ein Widerspruch in der Judikatur zwischen dem VfGH und dem Obersten Gerichtshof, der für auf § 1042 ABGB gestützte Ansprüche den Rechtsweg für zulässig erachte, auch wenn beide Streitteile Körperschaften öffentlichen Rechts seien.

Mit ihrem Revisionsrekurs beantragt die klagende Partei die Abänderung des angefochtenen Beschlusses dahin, dass [im Umfang von 5.513 EUR sA] der Beschluss des Erstgerichts ersatzlos aufgehoben und diesem die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen werde, in eventu dass jener aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen werde.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs keine Folge zu geben.

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht von der praktisch einhelligen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist, und auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Für die Zulässigkeit des Rechtswegs ist in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend. Es kommt auf die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruchs an. Danach ist zu beurteilen, ob ein privatrechtlicher Anspruch im Sinn des § 1 JN erhoben wurde, über den die Zivilgerichte zu entscheiden haben (stRsp: RIS-Justiz RS0045584; RS0045718; RS0005896; Mayr in Rechberger, ZPO³ Vor § 1 JN Rz 6). Unerheblich ist, ob der behauptete Anspruch berechtigt ist, weil hierüber erst in der Sachentscheidung abzusprechen ist (RIS-Justiz RS0045718; RS0045491).

2. In ständiger Rechtsprechung judizierte der Oberste Gerichtshof, dass ein Begehren nach § 1042 ABGB auch dann im Rechtsweg geltend zu machen sei, wenn die gesetzliche Verpflichtung des Beklagten zu dem Aufwand öffentlich-rechtlicher Natur ist (SZ 24/59, mwN der bis ins 19. Jahrhundert zurückreichenden Rsp, uva; RIS-Justiz RS0019882).

3. Entgegen der Ansicht des Rekursgerichts kann nicht gesagt werden, dass sich Rummel an der angeführten Stelle (in Rummel, ABGB³ § 1042 Rz 10) der von dieser Rechtsprechung - ohne auf sie einzugehen - abweichenden Entscheidung [2 Ob 601/85 =] EvBl 1987/91 anschließe, deren Begründung er sogar als anfechtbar bezeichnet. Richtig ist aber, dass er eine generelle Qualifikation der Rückforderung rechtsgrundloser Leistungen und der Verwendungsklagen als privatrechtlich als zweifelhaft bezeichnet (aaO Rz 28 Vor § 1431). Die neuere herrschende Ansicht stellt er wie folgt dar: Sei das Rechtsverhältnis als öffentlich-rechtlich zu qualifizieren, weil der eine Partner als Träger von Hoheitsgewalt aufgetreten ist bzw auftritt, so sei der Rechtsweg ausgeschlossen; aber auch ohne einseitige Rechtsunterworfenheit seien Rückforderungsansprüche wegen ihres untrennbaren Zusammenhangs mit dem öffentlich-rechtlichen Grundverhältnis dem öffentlichen Recht zuzuordnen. In der Folge (aaO Rz 30a) attestiert dieser Autor aber (im Anschluss an Stellungnahmen Kerschners) der angeführten Auffassung beträchtliche Mängel: Fehle eine Verwaltungsbehörde, die über das Grundverhältnis entscheiden könnte, oder ein Bescheidrecht bezüglich des Rückforderungsanspruchs, könne nur mehr gemäß Art 137 B-VG zurückgefordert werden. Danach seien aber der Private wie auch eine Reihe juristischer Personen des öffentlichen Rechts nicht passiv legitimiert. Die herrschende Ansicht habe auch zur Folge, dass dem Rückfordernden unter Umständen die Berufung auf den verfassungsrechtlichen Eigentumsschutz versagt bleibe. Dem Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung wäre auch dann voll entsprochen, wenn in einem Verwaltungs-(vor-)verfahren über die Rechtmäßigkeit der Vermögensverschiebung, im Zivilverfahren hingegen über die Rückforderung entschieden würde. Dazu böten sich folgende Lösungsmöglichkeiten an: Das angerufene Gericht habe solange zu unterbrechen, bis über die öffentlich-rechtliche Vorfrage rechtskräftig entschieden ist (so im Wesentlichen Kerschner, Bereicherung [im öffentlichen Recht] 126 ff). Denkbar wäre auch, den ordentlichen Rechtsweg bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Behörde über die Rechtmäßigkeit der Vermögensverschiebung für unzulässig zu erachten. Die in SZ 62/105 = JBl 1990, 245 ausgesprochene, seither mehrfach bestätigte Ablehnung der vorgenannten Erwägungen sollte nicht das letzte Wort in der schwierigen Frage sein.

4. Das Rekursgericht berief sich nun (außer auf Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofs [VfGH]) auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs 2 Ob 205/82 (= EvBl 1990/48 = SZ 56/33). Danach [wie auch nach weiteren E zu RIS-Justiz RS0033700] sei die Rückforderung des angeblich ohne Rechtsgrund Geleisteten, wenn das zugrunde liegende Rechtsverhältnis ein öffentlich-rechtliches ist, kein privatrechtlicher Anspruch. Dazu ist wie auch zu den dargelegten Lehrmeinungen zum Bereicherungsanspruch schon deshalb nicht Stellung zu nehmen, weil es im vorliegenden Fall nicht um eine Leistungskondiktion (Rückforderung rechtsgrundlos Geleisteten) geht. Die Entscheidung 2 Ob 205/82 betraf die Rückforderung der von einem Sozialversicherungsträger zu Unrecht einem Mitglied eines Verwaltungskörpers gezahlten Entschädigungen öffentlich-rechtlicher Natur, nicht einen Verwendungsanspruch (worauf die Revisionsrekurswerberin entgegen der Ansicht der beklagten Partei zutreffend hinweist).

5. Zum Verwendungsanspruch nach § 1042 ABGB beschränkt sich Apathy (in Schwimann, ABGB³ § 1042 Rz 1 unter Berufung auf Rsp) auf Ausführungen zur Berechtigung des Regresses bei öffentlich-rechtlichen Leistungsverpflichtungen. Mader (aaO Vor §§ 1431 ff Rz 21 f) behandelt zwar das öffentlich-rechtliche Verhältnis zwischen Sozialversicherer und Versichertem, auf das die privatrechtlichen Bereicherungsnormen keine Anwendung fänden (unter Berufung auf [VwGH] VersRdSch 1974, 251) und stimmt grundsätzlich Kerschner zu, geht aber auf die Zulässigkeit des Rechtswegs für auf § 1042 gestützte Forderungen nicht weiter ein (ebenso wenig Lurger in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON Vor §§ 1431 - 1437 Rz 18).

6. Der die Rechtswegzulässigkeit verneinenden Entscheidung 2 Ob 601/85 = EvBl 1987/91 lag ein Fall zugrunde, in dem ein Zivilflugplatzhalter (ohne ausdrückliche Anführung des § 1042 ABGB) von der Republik Österreich den Ersatz der von ihm gezahlten Stromkosten für die Flugsicherungsanlage begehrte, die nach dem LFG das Bundesamt für Zivilluftfahrt als Träger der Flugsicherung zu tragen habe. Der Oberste Gerichtshof sah es nicht als erforderlich an, zu erörtern, ob der Anspruch aus § 1042 ABGB abgeleitet werde, über die Verpflichtung zur Zahlung der Stromkosten habe nach dem LFG die Verwaltungsbehörde zu entscheiden; maßgeblich sei für die Zulässigkeit des Rechtswegs nach der Rechtsprechung aller Höchstgerichte das Grundverhältnis; die Gerichte seien zur Überprüfung der Tätigkeit der Verwaltungsbehörden nicht berufen. Der Oberste Gerichtshof lehnte zu 1 Ob 41/93 die Entscheidung des 2. Senats ausdrücklich ab; schon zu 2 Ob 573/88 hatte auch dieser Senat die oben (2.) zitierte Judikatur wiederum bekräftigt, allerdings in casu ein dreipersonales Verhältnis verneint, weil eine Stadtgemeinde sowohl als Privatrechtssubjekt als auch als Trägerin der Baubehörde nur ein Rechtsträger sei.

Auch wenn die jüngere Judikatur des 1. Senats zur hier zu beurteilenden Frage Fälle des Aufwandsersatzes nach dem Wasserrechtsgesetz (WRG) betraf (vgl 1 Ob 335/97i, 1 Ob 9/89 = SZ 62/130 sowie 1 Ob 41/93), kann daraus nichts für den Standpunkt der beklagten Partei abgeleitet werden. Das WRG enthält ja keine Normen, die eine spezielle Regelung der zu beurteilenden Frage enthielten.

Allerdings hat jüngst der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 7 Ob 110/08i (kritisch dazu Neumayr, ÖJZ 2009/41, 382) im Falle des Streits zweier Gebietskörperschaften über die Verpflichtung zur Tragung der Kosten für die Sondierung von Bombenverdachtspunkten auf der Grundlage seiner Judikatur zur Zulässigkeit des Rechtswegs im Spannungsfeld privat- und öffentlich-rechtlicher Ansprüche im Allgemeinen und unter Verweis auf die Rechtsprechung des VfGH (jedoch ohne jeden Hinweis auf die oben 2. zitierte Rsp zu § 1042 ABGB) den Rechtsweg für unzulässig erklärt, weil ein nach Art 137 B-VG vor dem VfGH zu verfolgender Anspruch vorliege. Da die Verpflichtung des beklagten Bundes unmittelbar im öffentlichen Recht wurzle, könne daran die Berufung auf Geschäftsführung ohne Auftrag und § 1042 ABGB nichts ändern.

7. Richtig ist, dass der VfGH judiziert, § 1042 ABGB enthalte im Fall der Erfüllung einer fremden gesetzlichen Verpflichtung einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der im gesamten Bereich der Rechtsordnung Geltung besitze und daher nicht bewirke, dass ein solcher Anspruch zu einem zivilrechtlichen werde (VfSlg 3354/1958; 8178/1977; 10.933 ua). Da die von der klagenden Partei angeblich erfüllte gesetzliche Verpflichtung der beklagten Partei auf dem BSVG beruht, wäre somit auch der Anspruch nach § 1042 ABGB als öffentlich-rechtlich zu beurteilen. Die Vorsorge für den Versicherungsfall der Krankheit in der sozialen Krankenversicherung ist eben eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung (10 ObS 2296/96m = SZ 69/248 [zum GSVG]; 10 ObS 258/02t = SZ 2003/14; iglS 10 ObS 7/05k = SZ 2005/80 [jeweils zum ASVG]).

8. Anders als in dem zu 2 Ob 601/85 entschiedenen Fall ist hier keine Norm ersichtlich, die einer Verwaltungsbehörde die Zuständigkeit für Verwendungsansprüche der klagenden Partei gegen Sozialversicherungsträger zuordnete.

9.1. Nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen ist allerdings die Erwägung, ein Gericht dürfe wegen der verfassungsmäßigen Trennung von Rechtsprechung Verwaltung (Art 94 B-VG) nicht die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden überprüfen (3 Ob 624/77 = SZ 51/161). Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist allerdings der zivil- oder öffentlich-rechtliche Charakter einer Vorfrage (4 Ob 8/09v mwN) für die Zulässigkeit des Rechtswegs unerheblich. Nur an rechtskräftige Bescheide (hier der beklagten Partei) wäre das Zivilgericht gebunden. Dieses hat dann, wenn seine Entscheidung von einer Vorfrage abhängt, über welche als Hauptfrage eine Verwaltungsbehörde oder ein Sozialversicherungsträger zu entscheiden hätte, eine solche Entscheidung aber nicht vorliegt, diese Vorfrage selbständig zu lösen (2 Ob 56/98v = SZ 71/3 mwN). Demnach steht die Einordnung des Rechtsverhältnisses zwischen Versichertem und Sozialversicherungsträger ins öffentliche Recht (vgl auch § 182 BSVG iVm § 355 ASVG) der Zulässigkeit des Rechtswegs nicht entgegen.

9.2. Im Übrigen ist zwar derzeit über das weitere Vorgehen im Verfahren über die Sache nicht abzusprechen. Im gegebenen Zusammenhang ist aber festzuhalten, dass tatsächlich der Oberste Gerichtshof der Ansicht Kerschners zu einer analogen Anwendung von § 1 AHG (Unterbrechung des Prozesses bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde über die Rechtsgrundlosigkeit der Leistung; ihm zustimmend Mader aaO; s oben 3.) - diese Norm verlangt aber die Anrufung des Verwaltungsgerichtshofs zur Prüfung der Rechtswidrigkeit eines Bescheids! - bisher nicht gefolgt ist (1 Ob 561/89 = SZ 62/105 = JBl 1990, 245 [Kerschner]). Sollte daher im fortzusetzenden Verfahren die bestehende Krankenversicherung der Angehörigen des Landesbediensteten strittig werden und nicht ohnehin - wie von der klagenden Partei implizit behauptet - ein Bescheid schon vorliegen, wäre demnach diese Frage (wie zu 9.1. dargelegt) im Prozess zu klären. Ob allenfalls abweichend von der bisherigen Judikatur eine analoge Anwendung des im Sozialrechtsverfahren geltenden § 74 ASGG, der eine Unterbrechung des Prozesses bis zur Entscheidung ua über die Versicherungspflicht, die Versicherungsberechtigung und Beginn und Ende der Versicherung im Verfahren in Verwaltungssachen vorschreibt, in Betracht käme, ist daher derzeit nicht zu prüfen.

9.3. Soweit erwogen wurde, es dürfe sich nicht eine juristische Person des öffentlichen Rechts durch Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe die Kompetenz vorübergehend arrogieren (Kerschner, „Naturale“ Bereicherungsansprüche im öffentlichen Recht?, JBl 1986, 702 [704 f]), betrifft dies eine nur im Zusammenhang der noch nicht zu prüfenden Berechtigung des Anspruchs maßgebliche Frage.

10. Ganz abgesehen von den bisher angestellten Erwägungen hat der Oberste Gerichtshof auch bereits entschieden, dass § 29 Abs 1 oö LKUFG, der abgesehen von der Bezeichnung des Fürsorgeträgers mit § 54 Abs 1 oö KFLG identisch ist, eine verfassungsrechtlich unbedenkliche, auch § 1042 ABGB verdrängende Regelung der Rückersatzansprüche von Kranken- und Unfallfürsorgeeinrichtungen im Sinn des Art 15 Abs 9 B-VG sei (7 Ob 299/05d = ecolex 2006/237, 568 [Leithenmair]). Der 7. Senat hat damit - eine strafrechtliche Qualifizierung scheidet zweifellos aus - diese landesgesetzliche Norm als zivilrechtlich eingestuft. Nach Leithenmair (aaO) entspreche die Norm dem „Denkmodell“ des § 1042 ABGB, weshalb konsequenterweise eine - von § 1042 ABGB vorausgesetzte - mit der Zahlung einhergehende Schuldbefreiung des Verpflichteten unterstellt werden müsse. Demnach wäre auch auf Grundlage der landesgesetzlichen Regelung die Zulässigkeit des Rechtswegs gegeben.

11. Sieht man in dem geltend gemachten Anspruch ein „civil right“ nach der MRK, kommt dazu, dass Österreich nach deren Art 6 Abs 1 verpflichtet ist, ein unabhängiges und unparteiisches, auf Gesetz beruhendes „Tribunal“ zur Verfügung zu stellen, was wegen der engen Fassung des Art 137 B-VG nur bei Bejahung der Zulässigkeit des Rechtswegs erfüllbar wäre. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stuft sozialversicherungsrechtliche Ansprüche so ein (Nachweise bei Frowein/Peukert, EMRK³ [2009] Art 6 Rz 18; Marx, Verfahrensgarantien in Zivil- und Strafsachen, in Heißl, Handbuch Menschenrechte [2009] 459 [Rz 26/5 FN 11 und Rz 26/10]). Vor dem Hintergrund der MRK könnte man daher der Zulässigkeit des Rechtswegs für Ansprüche auf Aufwandsersatz wie dem vorliegenden das Argument, die Berufung auf § 1042 ABGB könne aus einem öffentlich-rechtlichen keinen privatrechtlichen Anspruch machen, nicht entgegenhalten, wenn dadurch die Überprüfung durch ein „Tribunal“ vereitelt würde.

12. Ausgehend davon, dass weder eine verwaltungsbehördliche Zuständigkeit noch die des VfGH nach Art 137 B-VG besteht und somit die Rechtsordnung keinen anderen Weg eröffnet, eine ungerechtfertigte Vermögensverschiebung wie die behauptete rückgängig zu machen, spricht die sich aus Art 6 Abs 1 MRK ergebende Verpflichtung (dazu etwa Mayr in Rechberger³ Vor § 1 JN Rz 4 mwN) dafür, an der bisherigen fast einhelligen Rechtsprechung über die Zulässigkeit des Rechtswegs für auf § 1042 ABGB gestützte Forderungen (oben 2.) festzuhalten.

13. Ob sich die klagende Partei mit ihrem Vorbringen über eine langjährige Übung zwischen ihr und Sozialversicherungsträgern in ausreichender Weise zusätzlich auf einen vertraglichen Privatrechtstitel stützte, bedarf daher keiner Erörterung.

14. Dem Revisionsrekurs der klagenden Partei ist daher Folge zu geben. Da sie der Sache nach die Verwerfung der Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs (so § 261 Abs 2 ZPO) anstrebt, kann sofort in diesem Sinn entscheiden werden. Das Erstgericht wird somit das Verfahren über die Klage fortzusetzen haben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 50 ZPO iVm § 52 Abs 1 Satz 2 und § 41 ZPO. Die beklagte Partei ist im Zwischenstreit über die Zulässigkeit des Rechtswegs unterlegen; sie hat der klagenden Partei daher deren Kosten zu ersetzen (RIS-Justiz RS0035955). Solche Kosten sind dieser nur im Rechtsmittelverfahren angefallen. Ihre erstinstanzlichen Prozesshandlungen bezogen sich nicht ausschließlich auf den Zwischenstreit und können daher im fortgesetzten (Haupt-)Verfahren verwertet werden; Kosten sind aus diesem Grund insoweit nicht zuzusprechen (9 Ob 104/04s = SZ 2005/72; 4 Ob 73/09b).

Schlagworte

Sozialrecht,Zivilverfahrensrecht

Textnummer

E97260

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2011:0010OB00195.10Y.0223.000

Im RIS seit

23.05.2011

Zuletzt aktualisiert am

07.02.2013
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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